Urteil des LSG Bayern vom 12.09.2008

LSG Bayern: mehrarbeit, verkürzung der arbeitszeit, schutzwürdiges interesse, öffentliches interesse, privates interesse, rücknahme, verwaltungsakt, vertrauensschutz, anerkennung, arbeitsentgelt

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 12.09.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 1 AL 98/02
Bayerisches Landessozialgericht L 9 AL 47/03
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von Leistungen nach dem Altersteilgesetz für die Monate Juli und August 2001.
Der Kläger hatte aufgrund des Arbeitsvertrages vom 12. August 1983 den 1940 geborenen Arbeiter A. R. (R.) mit einer
wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden (in den letzten 24 Monaten vor Beginn der Altersteilzeitarbeit) beschäftigt.
R. hatte alle fünf Wochen Rufbereitschaft. Die LVA Schwaben bescheinigte ihm am 7. April 2000 zur Vorlage beim
Arbeitsamt, dass er die Altersrente nach Altersteilzeitarbeit ohne Abschlag erhält, sobald er die 24 Monate
Altersteilzeit geleistet hat.
Der Kläger schloss mit R. am 14. Februar 2000 einen Änderungsvertrag, mit dem das Arbeitsverhältnis ab 1. Juli 2000
als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt wurde. Die Altersteilzeitarbeit wurde im Blockmodell geleistet in der
Arbeitsphase vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2001 und in der Freizeitphase vom 1. Juli 2001 bis 30. Juni 2002. R.
erhielt für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Entgelt nach Maßgabe der reduzierten Arbeitszeit, das
unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit fortlaufend zu zahlen war. Außerdem erhielt er Aufstockungsleistungen
nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Altersteilzeit. In den Monaten Juli und August 2001 war die Stelle mit einem als
arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer (R. P.) besetzt.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 25. April 2000 eine Vorabentscheidung. Mit Bescheid vom 26. April 2000
erkannte die Beklagte an, dass "nach heutiger Sachlage" R. zum begünstigten Personenkreis zählte.
Erstattungsleistungen könnten erst ab dem Zeitpunkt erbracht werden, an dem alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt
sind.
Am 26. Juli 2001 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger einen weiteren Bescheid, mit dem sie noch einmal
anerkannte, dass für R. die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen erfüllt sind. Leistungen werden ab 1.
Juli 2000 für die Zeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis 30. Juni 2002 gewährt. Bei
dem hier vorliegenden Modell der Blockarbeitszeit könnten die Leistungen nur in den Zeiten der Freistellungsphase,
d.h. ab 1. Juli 2001, in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt werden, nämlich die Aufstockung des Arbeitsentgelts für
die Altersteilzeitarbeit und die Aufstockung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Kläger beantragte am 10. August 2001 bei der Beklagten die Erstattung für den Entgeltabrechnungszeitraum vom
1. Juli bis 31. Juli 2001 (2.254,70 DM) und für den Entgeltabrechnungszeitraum vom 1. August bis 31. August 2001
(1.877,66 DM).
Mit Bescheid vom 28. September 2001 stellte die Beklagte fest, dass R. nicht zum begünstigten Personenkreis zähle
und für ihn Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz nicht gewährt werden könnten. Leistungen würden für
Arbeitnehmer gewährt, die ihre Arbeitszeit auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindert haben.
Vorübergehende geringfügige Mehrarbeit sei unschädlich, falls jedoch bereits mit Beginn der Altersteilzeit dauerhafte
Mehrarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wird, widerspreche dies dem Sinn und Zweck des
Altersteilzeitgesetzes. Dies sei bei R der Fall gewesen. Die Beklagte nahm den Bescheid vom 26. Juli 2001 zurück.
Der Kläger machte mit dem dagegen eingelegten Widerspruch vom 10. Oktober 2001 geltend, die angefallene
Mehrarbeiten des R. innerhalb der angeordneten Rufbereitschaft seien tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Die
Geringfügigkeitsgrenze sei nicht überschritten worden. Bei R. habe in der Arbeitsphase eine durchschnittliche
wöchentliche Mehrarbeit von 3,68 Stunden, also deutlich unter der Geringfügigkeitsgrenze vorgelegen. Zu Beginn der
Altersteilzeit sei eine dauerhafte Mehrarbeit nicht vereinbart worden. R. sei im fünfwöchentlichen Rhythmus für
Rufbereitschaftsdienste eingeteilt worden und nicht im Voraus für etwaige anfallende Einsatzzeiten und somit
Mehrarbeit innerhalb der Rufbereitschaft. Aus der Rufbereitschaft selbst ergebe sich noch keine Mehrarbeit.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2002 den Widerspruch zurück. Unstreitig hätten sich die
geleisteten Mehrarbeitsstunden innerhalb der Geringfügigkeitsgrenze gehalten und nicht zu einem Ruhen des
Anspruchs geführt. Der Altersteilzeitarbeitnehmer und der Kläger hätten ab Beginn der Altersteilzeit für die gesamte
Arbeitsphase Rufbereitschaft vereinbart. Bei Abschluss einer solchen Vereinbarung müsse im Voraus davon
ausgegangen werden, dass regelmäßig Mehrarbeitsstunden anfallen. Dieser Sachverhalt sei der Beklagten zum
Zeitpunkt über die Entscheidung der Voraussetzungen (Bescheid vom 26. April 2000) nicht bekannt gewesen.
Der Kläger hat hiergegen am 20. Februar 2002 beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben. Eine dauerhafte
Mehrarbeit sei weder im Änderungsvertrag noch in einem anderen Zusammenhang mit der Altersteilzeit vereinbart
worden. Die regelmäßig wiederkehrende Rufbereitschaft sei schon vor der Vereinbarung der Altersteilzeit ein
wesentlicher Bestandteil des Arbeitsverhältnisses gewesen. Selbst die Vereinbarung von dauerhafter Mehrarbeit
stünde nicht im Widerspruch zum Altersteilzeitgesetz. Lediglich bei der Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze
ruhe der Leistungsanspruch. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn bei dauerhaft vereinbarter Mehrarbeit schon die
Voraussetzungen der Zugehörigkeit zum begünstigten Personenkreis nicht erfüllt wären.
Das SG hat mit Urteil vom 14. Januar 2003 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. September 2001 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2002 verurteilt, für Juli und August 2001 die
Erstattungsleistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Kläger habe Anspruch auf die Erstattungsleistungen,
weil er zum begünstigten Personenkreis gehört und kein Fall des Erlöschens oder Ruhens des Anspruchs vorliegt. Mit
dem Änderungsvertrag vom 14. Februar 2000 sei in zulässiger Weise die bisherige Arbeitszeit einschließlich der
betriebstypischen Modalität einer Rufbereitschaft alle fünf Wochen auf die Hälfte reduziert worden, und zwar in der
Weise, dass vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2001 unverändert nach den bisherigen Konditionen gearbeitet wurde und ab
1. Juli 2001 bis 30. Juni 2002 R. freigestellt war. Mit dieser zulässigen Blockmodellregelung seien die
Leistungsvoraussetzungen erfüllt. Bei einer anderen Interpretation wären Betriebe von der Regelung ausgeschlossen,
bei denen betriebstypisch zwangsläufig Rufbereitschaft und dann tatsächliche Arbeitszeit anfallen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 18. Februar 2003. Aufgrund der Zeitnachweise habe sich im
Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2001 eine Gesamtarbeitszeit von 2028 Stunden und 43 Minuten ergeben.
Ausgehend von einer durchschnittlichen Arbeitszeit pro Tag von drei Stunden und 53 Minuten für die Gesamtdauer der
Altersteilzeitvereinbarung vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2001 folge hieraus insgesamt eine Arbeitszeit von 1132
Stunden und 42 Minuten. Daraus errechne sich eine durchschnittlich wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden. Diese
Arbeitszeit liege über der Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von 19 Stunden und 42 Minuten.
Nach der Berechnung des Klägers (Schriftsatz vom 10. Juni 2003) habe im Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni
2001 die Sollarbeitszeit 1897,58 Stunden, die Mehrarbeit 190,32 Stunden und unter Berücksichtigung des Ausgleichs
von 11,07 Stunden die Ist-Arbeitszeit 2076,25 Stunden betragen. Selbst unter Zugrundelegung der von der Beklagten
berechneten regelmäßigen Arbeitszeit von 1929,50 Stunden sei die Arbeitszeit auf die Hälfte der bisherigen
Arbeitszeit reduziert worden. Es komme nicht auf die tatsächliche jährliche oder monatliche Arbeitszeit an,
ausschlaggebend sei vielmehr die mit dem Arbeitnehmer vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit. Diese vereinbarte
wöchentliche Arbeitszeit dürfe im Durchschnitt die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreiten.
Die von der Beklagten behauptete tatsächliche Ist-Arbeitszeit von 2028 Stunden und 43 Minuten sei nicht
aussagekräftig. Die in der Ist-Arbeitszeit enthaltene Mehrarbeit von 170,15 Stunden sei ausschließlich im Rahmen der
Ruhensregelung zu berücksichtigen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Januar 2003 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf deren Inhalt wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 500,00
Euro (§§ 143, 174 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Senat entscheidet mit Einverständnis der
Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet; das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 28. September
2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2002 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet,
Erstattungsleistungen für Juli und August 2001 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Beklagte bestreitet nicht die
Höhe der geltend gemachten Erstattungsleistungen, sondern nachträglich die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2
Alterteilzeitgesetz (Halbierung der Altersteilzeit).
Gemäß § 4 Altersteilzeitgesetz in der Fassung vom 27. Juni 2000, die vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2004 gegolten
hat, erstattet die (damalige) Bundesanstalt für Arbeit dem Arbeitgeber für längstens sechs Jahre 1. den
Aufstockungsbetrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a in Höhe von 20 v.H. des für die Altersteilzeitarbeit gezahlten
Arbeitsentgelts, jedoch mindestens den Betrag zwischen dem für die Altersteilzeitarbeit gezahlten Arbeitsentgelt und
dem Mindestnettobetrag, und 2. den Betrag, der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b in Höhe des Beitrags geleistet
worden ist, der auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 v.H. des bisherigen Arbeitentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1
und dem Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit entfällt.
Das Verwaltungsverfahren für die Leistungsgewährung ist zweistufig. Auf schriftlichen Antrag des Arbeitgebers
entscheidet das Arbeitsamt, ob die Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen nach § 4 Altersteilzeitgesetz
vorliegen. In der ersten Stufe des Verfahrens wird über die Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen
entschieden, in der zweiten Stufe über den konkreten Leistungsantrag (Bundessozialgericht vom 29. Januar 2001
SozR 3-4170 § 2 Nr. 2). In der ersten Stufe ergeht also eine Grundentscheidung, ob die Voraussetzungen der
Förderung nach dem Altersteilzeitgesetz erfüllt sind (Anerkennungsbescheid). Im Blockmodell kann über die
Voraussetzungen nach § 2 auch vorab entschieden werden, um den Arbeitgebern Rechtsicherheit zu verschaffen
(Vorabentscheidung, vgl. Rittweger/Petri/Weigert, Altersteilzeit, 2002, § 12 Rn. 1). Ist sie ergangen und hat der
Arbeitgeber die Aufstockungsleistungen erbracht, ist auf der zweiten Stufe die Auszahlung der Fördermittel zu
bewilligen (Bewilligungsbescheid). Durch den Vorabbescheid erhält der Arbeitgeber die Sicherheit, dass die
vereinbarte Altersteilzeit zumindest den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, und dass die Altersteilzeit nach
erfolgter Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes des Mitarbeiters in Altersteilzeit auch von der Bundesagentur für Arbeit
gefördert wird (Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz, Altersteilzeit, 5. Aufl., S. 385).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit dem eine konkret beantragte Erstattung ablehnenden Bescheid zugleich die
Anerkennung gemäß § 12 Altersteilzeitgesetz zurückgenommen. Nach Auffassung des Senats war die Beklagte aus
verfahrensrechtlichen Gründen nicht berechtigt, mit Bescheid vom 28. September 2001 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2002 den Bescheid vom 26. Juli 2001 gemäß § 45 Sozialgesetzbuch X
(SGB X) aufzuheben. Abgesehen davon, dass die Beklagte den Kläger vor der Rücknahme nicht angehört hat (§ 24
Sozialgesetzbuch X (SGB X)), ist dem Kläger Vertrauenschutz gegen die Rücknahme zuzubilligen.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet
oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der
Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Abs. 2 dieser Vorschrift enthält für den Begünstigten einen Vertrauensschutz, bei dem allgemeine Kriterien (Abs. 2 S.
1), die Regelfälle der Schutzwürdigkeit (Abs. 2 S. 2) und die Ausschlusstatbestände (Abs. 2 S. 3) zu beachten sind.
Grundgedanke der Regelung des § 45 SGB X ist, dass ein begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden
darf, wenn das öffentliche Interesse, in der Regel das fiskalische Interesse der Verwaltung an der Rücknahme, ein
schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an der Aufrechterhaltung überwiegt. Die Regelung soll sicherstellen, dass
ein rechtswidriger Verwaltungsakt nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft aufrecht erhalten bleibt (öffentliches
Interesse), dies gilt jedoch nur dann, wenn durch die Rücknahme der Begünstigte nicht unzumutbar hart getroffen wird
(privates Interesse). Einen Ausgleich dieser beiden widerstreitenden Interessen verfolgt im Wesentlichen die Regelung
des Vertrauenschutzes in § 45 Abs. 2 SGB X (Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 45, Rdnr. 2).
Problematisch ist hier, dass die Beklagte zwar den Bescheid vom 26. Juli 2001 zurückgenommen hat, aber der
Bescheid über die positive Vorabentscheidung vom 26. April 2000 bereits die Zugehörigkeit des R. zum begünstigten
Personenkreis gemäß § 2 Altersteilzeitgesetz anerkannt hat. Dieser Anerkennungsbescheid ist bindend geworden (§
77 SGG). Die Beklagte hat ihn nicht zurückgenommen. Auch wenn diese Anerkennung mit dem Zusatz "nach heutiger
Sachlage" versehen war, liegt darin kein Widerrufsvorbehalt (§ 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X). Dass Verwaltungsakte nach
der jeweils bekannten Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung ergehen, ist selbstverständlich. Mit diesem Zusatz
wird der Vertrauensschutz für den Begünstigten nicht eingeschränkt oder gar beseitigt.
Das Vertrauen des Klägers in der Anerkennung der Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen (erste Stufe)
ist schutzwürdig. § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X enthält gesetzliche Typisierungen eines regelmäßig überwiegenden
Vertrauensschutzes, denen eine Vermutungswirkung zum Vorteil des Begünstigten zukommt. Derartige
Vertrauenstatbestände sind der Verbrauch und eine unzumutbarer Nachteil bei Vermögensdispositionen. Das
letztgenannte Kriterium ist hier erfüllt, weil die gesetzliche Regelung jedes Verhalten in Bezug auf
Vermögensdispositionen schützt, das im Vertrauen auf den Bestand des begünstigenden Verwaltungsaktes erfolgt ist
und das unmittelbar oder mittelbar nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die finanzielle Situation des
Begünstigten gehabt hat. Dem liegt ein weites Vermögensverständnis zu Grunde. Es kommen auch Entscheidungen
als Vermögensdispositionen in Betracht, die sich mittelbar finanziell auswirken, wie z.B. Personalentscheidungen.
Vertrauensschutz gewährt das Verhalten, wenn die Vermögensdisposition entweder gar nicht oder nur unter
unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden kann.
Dieser Tatbestand ist gegeben, da der Kläger als Arbeitgeber mit der Einführung der Altersteilzeit die sozial- und
personalpolitischen Ziele und Vorgaben des Altersteilzeitgesetzes verfolgt hat. Zweck der gesetzlichen Regelung des
Altersteilzeitgesetzes ist die Entlastung des Arbeitsmarktes und außerdem soll für ältere Arbeitnehmer ein
sozialverträglicher Übergang in den Ruhestand ermöglicht werden. Für die Unternehmen ist die Altersteilzeit durch
Gestaltungsspielräume und Förderleistungen der Bundesagentur für Arbeit bei Wiederbesetzung des frei gewordenen
Arbeitsplatzes wirtschaftlich interessant. Das Altersteilzeitgesetz ist ein Subventionsgesetz, mit dem versucht wird,
auf die Arbeitsmarktsituation Einfluss zu nehmen und durch das Freiwerden von Arbeitsplätzen jüngeren
Arbeitnehmern den Eintritt ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Dies führt auch zu einer Entlastung der
Rentenversicherungsträger. Um dieses Ziel zu erreichen, zahlt die Bundesagentur bei Verkürzung der Arbeitszeit
älterer Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen (Ersatzeinstellung) Zuschüsse zu dem Arbeitsentgelt und zu
den zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträgen, die der Arbeitgeber aufgrund eines Tarifsvertrags, einer
Betriebsvereinbarung oder eine Einzelvereinbarungen bringt. Wesentlich ist, dass der ältere Arbeitnehmer mit
Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses direkt in die vorgezogene Altersrente gehen kann. Das
Arbeitsverhältnis bleibt noch längere Zeit bestehen, die üblichen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer bleiben grundsätzlich für die Dauer des befristeten Altersteilzeitarbeitsverhältnisses unberührt.
Altersteilzeitarbeit wird stets durch einen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossenen
Altersteilzeitarbeitsvertrag vereinbart. Dieser Vertrag hat rentenrechtliche und steuerrechtliche Auswirkungen
(Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz, a.a.O. 5. Aufl., S. 25, 26).
Der Zweck der positiven Vorabentscheidung im Blockmodell, in dem die Fördervoraussetzungen erst ab der
Freistellungsphase vollständig erfüllt sind, besteht gerade darin, Rechtssicherheit zu gewähren, ob auf Seiten des
Arbeitnehmers die Voraussetzungen nach § 2 Altersteilzeitgesetz, nämlich die Zugehörigkeit zum begünstigten
Personenkreis, gegeben sind.
Das schutzwürdige Vertrauen des Klägers ist auch nicht ausgeschlossen gemäß § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X, weil die
dort genannten Tatbestände wie Täuschung, Drohung und Bestechung (Abs. 3 S. 3 Nr. 1) und unrichtige oder
unvollständige Angaben (Abs. 3 S. 3 Nr. 2) nicht erfüllt sind; es fehlt auch an der Kenntnis oder grob fahrlässigen
Unkenntnis der Rechtswidrigkeit (Abs. 3 S. 3 Nr. 3). Im vorliegenden Fall geht der Rechtsstreit um die rechtliche
Bewertung der Mehrarbeit von R. Die Beklagte ist der Auffassung, dass aufgrund der Mehrarbeit die Voraussetzungen
des § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Altersteilzeitgesetz nicht erfüllt sind, während der Kläger der Ansicht
ist, dass die in der Ist-Arbeitszeit enthaltene Mehrarbeit ausschließlich im Rahmen der Ruhensregelung des § 5 Abs.
4 Altersteilzeitgesetz zu beachten ist. Die von der Beklagten behauptete Mehrarbeit von 170 Stunden 15 Minuten
liege jedoch deutlich unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze, so dass eine Förderung gemäß § 5 Abs. 4
Altersteilzeitgesetz nicht ausgeschlossen sei. Die divergierende Rechtsansicht des Klägers ist aber kein Umstand,
der die Ausschlusstatbestände des Vertrauensschutzes erfüllt.
Der Erstattungsanspruch des Klägers gemäß § 4 Altersteilzeitgesetz ist auch nicht gemäß § 5 Abs. 4
Altersteilzeitgesetz im streitigen Zeitraum zum Ruhen gekommen. Danach ruht der Anspruch auf die Leistungen
während der Zeit, in der der Arbeitnehmer über die Altersteilzeitarbeit hinaus Mehrarbeit leistet, die den Umfang der
Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Sozialgesetzbuch IV überschreitet. Dies ist hier nicht der Fall. Denn die Beklagte hat
im Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2002 festgestellt, dass die Mehrarbeit monatlich ca. 14 Stunden betragen
hat. Auch die von der Beklagten mit der Berufung angegebene Mehrarbeit von 170 Stunden und 15 Minuten im
Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2001 liegt im Durchschnitt unter der Geringfügigkeitsgrenze. Der Kläger hat
daher § 8 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch IV beachtet, wonach u.a. eine geringfügige Beschäftigung vorliegt, wenn die
Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG in Verbindung mit 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach
fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt
hat. Dies ist hier die Beklagte. Die Beklagte ist nicht Leistungsempfänger gemäß § 183 SGG. Denn das
Kostenprivileg gilt nicht für Beteiligte, die nicht eines "besonderen sozialen Schutzes in Form eines kostenfreien
Rechtsschutzes bedürfen (BT-Drucks. 14/5943 S. 29). Hierzu zählen nach der Gesetzesbegründung auch
Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Sozialleistungsträgern.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).