Urteil des LSG Bayern vom 29.06.2005

LSG Bayern: anwartschaft, altersrente, rentenanspruch, ingenieur, diplom, arbeitslosigkeit, dispositionsmaxime, leistungsklage, versicherung, anfechtungsklage

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 29.06.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 11 RA 1099/99
Bayerisches Landessozialgericht L 13 R 4227/03
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. September 2003 wird
zurückgewiesen. II. Die Klage gegen den Bescheid vom 23. Dezember 2003 wird abgewiesen. III. Außergerichtliche
Kosten sind nicht zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1934 geborene Kläger begehrt höhere Altersrente unter Zugrundelegung einer Rentenanwartschaft für den
Zeitraum vom 09.04.1967 bis 30.06.1970 im Wert der Leistungsgruppe 2 der Angestellten (männlich) nach dem
Anhang zum Fremdrentengesetz - FRG.
Mit Vormerkungsbescheid vom 03.01.1985 hat die Beklagte bereits bindend festgestellt, dass die Beschäftigungszeit
des Klägers im Beitrittsgebiet vom 29.01.1964 bis 07.05.1979 der Leistungsgruppe 3 der Angestellten zuzuordnen sei.
Am 14.05.1985 stellte die Beklagte für die Zeit ab dem 01.07.1970 bis 07.05.1979 eine höhere Anwartschaft nach der
Leistungsgruppe 2 fest, weil der Kläger vor dem Jahre 1970 schon fünf Jahre in leitender Funktion in einem Klimalabor
beschäftigt gewesen sei. Die auf eine zeitlich frühere Feststellung der Leistungsgruppe 2 gerichtete Klage wies das
Sozialgericht München (Az.: S 16/ An 965/85) ab. Der Kläger habe erst im Januar 1964 das 30. Lebensjahr vollendet
und im Juli 1965 die Funktion eines Laborleiters erhalten. Damit sei er zunächst entsprechend dem Berufskatalog des
FRG zur Leistungsgruppe 3 der Gruppe "Ingenieure und Konstrukteure in der Altersgruppe zwischen 30 und 45 Jahren
mit mehrjähriger Berufserfahrung" zugeordnet worden. Erst mit Ablegung der Prüfung zum Diplom-Ingenieur im Juli
1970 sei eine Zuordnung zur Leistungsgruppe 2 gerechtfertigt gewesen. Denn selbst Angestellte mit akademischem
Abschluss seien regelmäßig nicht vor dem 30. Lebensjahr in Leistungsgruppe 2 einzustufen.
Auf den Antrag des Klägers (zum Vollzug des Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes - 2. SED-UnBerG)
anerkannte das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales - Rehabilitierungsbehörde - mit Bescheid vom
07.05.1996 Verfolgungszeiten vom April bis Mai 1953 und vom März 1955 bis 16.05.1958 nach dem beruflichen
Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG). Auf seinen Widerspruch hin erhielt der Kläger eine Bescheinigung vom
25.09.1996, nach der für die Zeit vom 09.04.1967 bis 09.04.1970 eine Anwartschaft nach Qualifikationsgruppe 1 im
Wirtschaftsbereich 7 der Anlagen 13 und 14 zum SGB VI bestehe.
Auf das Beratungsersuchen des Klägers, der seit Mitte des Jahres 1994 Arbeitslosengeld bezog, erstellte die
Beklagte Probeberechnungen über den Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 01.12.1996 und kündigte
eine Neuberechnung nach dem BerRehaG an. Im Verlauf dieses Verfahrens wurden noch zusätzliche
Ausbildungszeiten anerkannt (u.a. eine Hochschulausbildung vom 09.04.1967 bis 09.04.1970 mit Bescheid vom
08.06.1997).
Schließlich stellte der Kläger am 29.08.1997 Antrag auf Regelaltersrente mit einem Leistungsbeginn am 01.12.1997,
da im Dezember 1997 sein Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft sei. Bei deren Berechnung sollte nach den
Vorstellungen des Klägers ab dem 09.04.1967 eine Anwartschaft entsprechend der Leistungsgruppe 2 der Anlagen 1
bis 16 zum FRG (§ 259a SGB VI) zu Grunde gelegt werden.
Mit später aufgehobenem Bescheid vom 23.10.1997 zahlte die Beklagte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab
01.12.1996. Sie legte dabei die im Kontenklärungsbescheid vom 14.05.1985 festgestellte Anwartschaft nach
Leistungsgruppen (entsprechend § 259a SGB VI für vor dem 01.01.1937 Geborene) zu Grunde.
Am 24.10.1997 beantragte der Kläger eine "Überprüfung der Leistungsgruppeneinstufung" aufgrund des Bescheides
der Rehabilitierungsbehörde vom 25.09.1996, den die Beklagte mit Bescheid vom 17.11.1997 ablehnte. Eine
Einstufung in die Leistungsgruppe 2 ab dem 01.07.1968 sei nicht möglich. Das Sozialgericht München habe mit
rechtskräftigem Urteil vom 05.06.1986 bestätigt, dass die Voraussetzungen für eine Einstufung in Leistungsgruppe 2
früher als vor dem 01.07.1970 nicht vorgelegen haben. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, der
von der Rehabilitierungsbehörde festgestellte Tatbestand (Qualifikationsgruppe 1) sei auch für die
Leistungsgruppeneinstufung nachzuvollziehen.
Mit Bescheid vom 27.07.1998 wurde dem Kläger ab 01.12.1997 unter Aufhebung des Bescheids vom 23.10.1997
Altersrente für langjährig Versicherte zugestanden. Es verblieb für den hier umstrittenen Zeitraum bei den bisherigen
FRG-Tabellenwerten (Leistungsgruppe 3). Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 04.09.1998 wurde die Altersrente für langjährig Versicherte unter Anwendung des BerRehaG und
Beachtung der Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde vom 25.09.1996 neu festgestellt. Die Anwartschaft vom
09.04.1967 bis 09.04.1970 wurde entsprechend § 13 Abs. 1 Nr. 2 BerRehaG aus den in den Anlagen 13 und 14 zum
SGB VI festgelegten und um 20 v.H. erhöhten Durchschnittsverdiensten (entsprechend den Qualifikationsgruppen und
Wirtschaftsbereichen) berücksichtigt. Sowohl für den genannten Zeitraum ergaben sich dadurch bessere Rangstellen
(z.B. 1969 1,5226 Endgeltpunkte - EP - statt 1,386 EP) wie auch insgesamt eine Steigerung der Entgeltpunkte von
bislang 71,4328 auf 73,6444 erfolgte. Dennoch focht der Kläger auch diesen Bescheid an, weil die Zeit vom
09.04.1967 bis zum 01.07.1970 der Leistungsgruppe 2 - mit einer noch höheren Anwartschaft (entsprechend der
Beitragsbemessungsgrenze) - zuzuordnen sei.
Ein Neufeststellungsbescheid vom 10.05.1999 wiederholte die bisherigen Werte, führte aber zu einer um 1,6332 EP
höherer Anwartschaft (insgesamt 74,7906 EP) wegen höherer Pflichtbeiträge in den Jahren 1958, 1959, 1960, 1961.
Am 03.09.1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, soweit ihm nicht durch die Bescheide vom
24.04.1998, 27.07.1998, 04.09.1998 und 10.05.1999 abgeholfen worden sei. Insbesondere komme eine Anwartschaft
nach Leistungsgruppe 2 schon ab 09.04.1967 nicht in Betracht. Denn anders als beim Qualifikationsgruppenmodell
komme es bei Leistungsgruppen nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Berufsausbildung bzw. die Erlangung
eines akademischen Abschlusses an, sondern auf "besondere Erfahrungen". Der Kläger habe die Funktion des
Laborleiters erst ab Juli 1965 ausgeübt und erst von da an besondere Erfahrungen gesammelt. Eine Einstufung in die
FRG-Leistungsgruppe 2 für die Zeit vor dem 01.07.1970 sei auch nicht vor Abschluss der Diplomprüfung an der TU D.
am 09.04.1970 gerechtfertigt.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) eingelegt und zur Begründung angeführt, durch die
berufliche Rehabilitation seien seine Abschlüsse und sein beruflicher Aufstieg um drei Jahre früher anerkannt
(vorverlegt) worden. So sei nicht nur der Hochschulabschluss als am 09.04.1967, sondern auch die Voraussetzungen
für die Funktion des Laborleiters als um drei Jahre früher erworben anzusehen. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt,
dass im Rahmen des BerRehaG ein früherer Abschluss einer Ausbildung angenommen und berücksichtigt werde,
dieser Sachverhalt jedoch nicht auf die Einstufung in den Leistungsgruppen nach dem FRG für nach der
Verfolgungszeit liegende Beschäftigungszeiten übertragen werden könne. Die Einstufung in die Leistungsgruppen
nach dem FRG erfolge nach den tatsächlichen Gegebenheiten.
Am 31.07.2003 hat die Rehabilitierungsbehörde einen weiteren Bescheid erteilt. Darin wird dem Kläger als Diplom-
Ingenieur die Zugehörigkeit zum Versorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) bescheinigt.
Durch Urteil vom 17.09.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Zurecht habe es die Beklagte abgelehnt, ihre
bisherigen bestandskräftigen Feststellungen gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufzuheben. Der Kläger habe keinen
Anspruch auf Leistungen für die Zeit vom 09.04.1967 bis 30.06.1970 nach der FRG-Leistungsgruppe 2. Mit Bescheid
vom 14.05.1985 sei diese Anwartschaft mit zutreffenden Gründen der Leistungsgruppe 3 zugeordnet worden. Daran
ändere auch die Bescheinigung nach dem BerRehaG nichts. Auch die weitere Feststellung des Landesamtes, dass
der Kläger die Prüfung als Diplom-Ingenieur für Informatik statt am 09.04.1970 ohne die Verfolgung bereits am
09.04.1967 abgelegt hätte, ändere daran nichts. Wie aus der Rehabilitierungsbescheinigung hervorgehe, könne die auf
den 09.04.1967 vorgezogene Diplomingenieurprüfung nur Auswirkungen für die Qualifikationsgruppe haben. Der Kläger
habe damit einen Anspruch auf Einstufung in die Qualifikationsgruppe 1 erworben. Da er aber vor dem 01.01.1937
geboren sei und auch die übrigen Voraussetzungen des § 259 a SGB VI vorlägen, seien für ihn Entgeltpunkte nach
der Anlage 1 mit 16 zum Fremdrentengesetz zu ermitteln. Anders als bei der Bewertung nach Qualifikationsgruppen,
bei der es auf den tatsächlichen Abschluss ankomme, sei es bei der Zuordnung nach Leistungsgruppen maßgeblich,
welche Arbeiten in dieser Zeit tatsächlich durchgeführt worden seien.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt, sein bisheriges Vorbringen
wiederholt und wiederum beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 17.11.1997 eine "Einstufung in die
Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 bis 16 zum FRG" für den Zeitraum vom 09.04.1967 bis 30.06.1970 vorzunehmen.
In einem weiteren Bescheid der Beklagten vom 23.12.2003 hat diese nach Ermittlung und Mitteilung der Entgelte für
die Zeit vom 17.05.1958 bis 25.04.1976 für eine Tätigkeit im VEB Technisch-physikalische Werkstätten T. durch den
Zusatzversorgungsträger (Zuordnungsbescheid vom 17.11.2003) und unter Anwendung des BerRehaG in der Fassung
des 2. AAÜG (unter anderem betreffend die Zeit vom 09.04.1967 bis 09.04.1970) die Rente des Klägers rückwirkend
ab 01.12.1997 neu festgestellt. Die Zeit vom 09.04.1967 bis 09.04.1970 enthält den günstigeren Wert von 0,1314 EP
pro Monat aus dem letzten Kalenderjahr vor Beginn der Verfolgung. Daraus ergeben sich beispielsweise in den Jahren
1968 und 1969 EP von 1,5768. Für die Jahre 1967 und 1970, die nur zum Teil Verfolgungszeiten enthalten, ergeben
sich Rangstellen von 1,5996 EP bzw. 1,6072 EP.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2005 hat die Beklagte eine Kombinationsprobeberechnung nach dem BerRehaG
und dem FRG abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass ihm Rahmen des BerRehaG zum rentenrechtlichen
Nachteilsausgleich vergleichende Berechnungen durchzuführen und der Rentenanspruch nach der günstigsten
Berechnung - für die Zeit vom 26.04.1976 bis 08.06.1979 nach dem BerRehaG - zu ermitteln sei. Hiergegen war eine
Klage beim SG unter dem Aktenzeichen S 11 R 852/05 anhängig.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 17.09.2003 sowie
der Bescheide vom 17.11.1997, 27.07.1998 und 04.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
03.09.1999 sowie des Bescheides vom 23.12.2003 zu verurteilen, ihm höhere Rente unter Zugrundelegung der Werte
der Anlagen 1 bis 16 nach dem FRG in der Leistungsgruppe 2 für die Anwartschaftszeit vom 09.04.1967 bis
30.06.1970 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 23.12.2003
abzuweisen.
Wegen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers über die Streitsache verhandeln und entscheiden, weil der Kläger
zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.06.2005 ordnungsgemäß geladen und mit dieser Ladung auf diese
Möglichkeit (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG) hingewiesen worden ist.
Die ohne Zulassung (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht
eingelegt (§§ 143, 151, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGG), hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Klage gegen den erst im Berufungsverfahren ergangenen Bescheid vom 23.12.2003 ist gemäß § 96 SGG
zulässig, soweit dieser - entsprechend dem Antrag des Klägers - die Anwartschaften aus der Zeit vom 09.04.1967 bis
30.06.1970 betrifft (BSG SozR 3-1500 § 96 Nr. 9). Denn die Beklagte hat entsprechend ihrem Regelungssatz
vorangegangene Rentenbescheide geändert. Deswegen ist auch der Bescheid vom 08.12.2003, mit dem
Feststellungen von Pflichtbeitragszeiten nach § 6 Abs. 1 AAÜG (bzw. § 259a SGB VI, bzw. § 259b SGB VI) vom
17.05.1958 bis 25.04.1976 unter Aussparung der Zeit vom 09.04.1967 bis 09.04.1970 durch den
Zusatzversorgungsträger in die Anwartschaft der gesetzlichen Rentenversicherung integriert werden, nicht
Gegenstand des Verfahrens geworden.
Der Gegenstand des Streitverfahrens wird nach dem Grundsatz der Dispositionsmaxime (vgl. Meyer-
Ladewig/Leitherer, 8. Aufl., § 95 Rndnr. 5a) zwar maßgeblich durch den Antrag des Klägers bestimmt. In diesem
Zusammenhang kann der Kläger aber nicht einzelne Elemente der Rentenberechnung zu Überprüfung stellen. Er sieht
vornehmlich die im Bescheid vom 17.11.1997 auf seinen Antrag hin abgelehnte Feststellung von Entgelten der
Leistungsgruppe 2 (Anlage 1) männliche Angestellte nach der Anlage 9 zum FRG in der Fassung vom 25.02.1960 für
den Zeitraum vom 01.07.1968 bis zum 30.06.1970 als Überprüfungsgegenstand an. Eine solche Rechtsmacht steht
dem Kläger aber schlechthin nicht zu.
Die Zuweisung von Rangstellenwerten/Wertzuweisung tritt bei allen Tatbeständen rentenrechtlicher Zeiten (§ 54 Abs.
1 SGB VI) kraft Gesetzes zwingend ein, sobald die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen bestehen und - von
Gesetzes wegen oder auf Antrag - das Stammrecht auf Rente entstanden und dessen Feststellung vom Versicherten
beantragt worden ist (BSG Urteil vom 29.10.2002, B 4 RA 6/02 R). Ein Wahlrecht auf bestimmte
Berechnungsmodalitäten und jeweils günstige Teilelemente im Sinne einer "Rosinentheorie" existiert bei der
Feststellung öffentlich - rechtlicher Ansprüche nicht (Rechtsprechung des BSG zu ver-gleichbaren Sachverhalten,
Urteile vom 20.10.2004, Az.: B 5 RJ 27/03 R und vom 14.05.2003, Az.: B 4 RA 6/03 R).
Ohne dass es insoweit eines Antrages bedarf, war deshalb für den vom Kläger zur Überprüfung der Anwartschaft
gestellten Zeitraum (insoweit gilt die Dispositionsmaxime) von Amts wegen zu prüfen, welche Zeiten vom 09.04.1967
bis zum 30.06.1970 nach den Bewertungsvorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung angefallen sind. Damit
soll nach dem zwar nicht ausdrücklich erklärten aber nach dem gesamten Verfahren zum Ausdruck kom-menden,
maßgeblichen Willen des Klägers (vgl. § 123 SGG) überprüft werden, ob die Beklagte dem Kläger zu Unrecht eine zu
geringe Anwartschaft in dem besagten Zeitraum zu Grunde gelegt hat. Die Anträge des Klägers sind nach § 123 SGG
vom Gericht auszulegen. Für die Auslegung des Antrags ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften, sondern der
wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen. Die Auslegung eines Antrags hat sich danach zu richten, was
als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung
angepasst hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (Bundessozialgericht , Urteil vom 04.12.1997
Az.: 7 RAr 24/96; BSGE 74, 77, 79 = SozR 3-4100 § 104 Nr. 11). Hierbei haben die Gerichte zu klären, was der
Kläger mit der Klage erreichen will (BSGE 68, 190 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 1; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., 2002, §
123 Rdnr. 3). Im Zweifel haben sie davon auszugehen, dass der Kläger alles zugesprochen haben möchte, was ihm
aufgrund des Sachverhalts zusteht (BSG, Urteil vom 11.11.1987, Az.: 9a RV 22/85, Urteil vom 17.02.2005, Az.: 13
RJ 31/04). Der Kläger kann wie jeder Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik
Deutschland, der ein Stammrecht auf Rente gegen die BfA hat, von dieser beanspruchen, dass sein Recht und
dessen Geldwert (grundsätzlich der Monatsbetrag i.S. von § 64 SGB VI) zutreffend festgestellt wird.
Damit ist schon der erste Rentenbescheid vom 23.10.1997, der den Rentenanspruch regelte (nicht zu verwechseln mit
den vorangehenden Probeberechnungen) beziehungsweise der diesen ersetzende Bescheid vom 27.07.1998 (Rente
wegen langjähriger Versicherung) Gegenstand der Anfechtungsklage. Der auf den Antrag des Klägers auf
"Überprüfung der Leistungsgruppeneinstufung" ergangene Bescheid vom 17.11.1997 über ein bloßes Element der
gesamten Anwartschaft ist durch die nachfolgenden Leistungsbescheide kompensiert. Denn diese gehen über die
Feststellung von Anwartschaften hinaus und regeln das Vollrecht, den Rentenanspruch. Ein Vormerkungsbescheid,
der sonst wesentliche Elemente des Versicherungsfalles vorwegnimmt, wird durch den Rentenbescheid ersetzt und
hat zumindest eine entsprechender Anwendung des § 96 SGG zur Folge (vgl. BSG SozR 1500 § 77 Nr. 1).
Gegenstand des Verfahrens sind auch alle weiteren Rentenbescheide, so der vom 04.09.1998 und 10.06.2003 sowie
zuletzt vom 23.12.2003, soweit sie den umstritten Zeitraum geregelt haben.
Der Kläger ist aber durch den zuletzt nach Abänderung der vorangegangenen Bescheide für seinen Rentenanspruch
geltenden Bescheid vom 23.12.2003 nicht - wie behauptet - in seinen Rechten verletzt. Seine Rentenanwartschaft
wird damit für den Zeitraum vom 09.04.1967 bis 30.6.1970 vielmehr in rechtlich voll zutreffender Weise erfüllt.
Bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und
Rechtslage die letzte mündliche Verhandlung der Tatsacheninstanz, wenn Verwaltungsakte mit Dauerwirkung im
Streit sind, die laufende Leistungen betreffen und somit auch bei Bescheiderteilung in der Zukunft liegende
Bewilligungszeiträume erfassen (vgl. BSG Urteil vom 17.02.2005, Az.: 13 RJ 31/04; SozR 3-3100 § 35 Nr. 6; SozR 3-
2700 § 44 Nr. 1). Damit sind alle Bescheide bis zu demjenigen vom 23.12.2003 in die gerichtliche Prüfung
einbezogen.
Mit dem letzten Bescheid vom 23.12.2003 sind keine Rechte des Klägers verletzt. Die Beklagte hat zu Recht das
BerRehaG angewandt. Denn dieses ergänzt zu Gunsten des Verfolgten die allgemein anzuwendenden
rentenrechtlichen Vorschriften (§ 10 BerRehaG). Diese Leistungen werden allerdings nur auf Antrag erbracht (§ 10
Satz 2 BerRehaG), der jedoch vom Kläger gestellt worden ist und ihm letztlich sowie insgesamt wie auch für den
beanstandeten Zeitraum der Anwartschaft die höchste Rente verschafft hat.
Für den maßgeblichen Zeitraum findet beim Kläger rückwirkend ab dem 01.12.1997, dem ersten Tag der
Rentenantragstellung, die Neufassung von § 13 BerRehaG Anwendung. Mit dem zweiten Gesetz zur Änderung und
Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschafts- überführungsgesetz (2. AAÜG-Änderungsgesetz) vom 27.07.2001
wurde (vgl. Art. 7 dieses Gesetzes) bei § 13 Abs. 1 mit Wirkung ab 01.07.1994 (Art. 13 Abs. 11) ein weiterer Abs. 1a
eingefügt, der folgendermaßen lautet:
"Für jeden Kalendermonat mit Verfolgungszeit wird der monatliche Durchschnitt aus Entgeltpunkten für vollwertige
Pflichtbeiträge auf Grund einer versicherten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder für freiwillige Beiträge im
letzten Kalenderjahr oder, wenn dies günstiger ist, in den letzten drei Kalenderjahren vor Beginn der Verfolgung
berücksichtigt, wenn diese durchschnittliche Entgeltpunkteposition eine höhere Rente ergibt ... "
Dies führt beim Kläger zu Anwartschaften, die nahe an der Beitragsbemessungsgrenze (1967: 16.800,00 DM; 1968:
19.200,00 DM; 1969: 20.400,00 DM; 1970: 21.600,00 DM) liegen. Denn der betreffende Zeitraum wird mit dem
Entgeltpunktwert vor der Verfolgungszeit von 0,1314 monatlich, im Jahr von 1,5768 EP bewertet. Das führt im Jahre
1968 beispielsweise zu Entgelten von 17.095,66 DM beziehungsweise 1969 von 18.667,74 DM. In der Summe ergibt
sich damit noch ein Unterschied zur Beitragsbemessungsgrenze von 0,3962 EP bzw. ein fehlender Monatsbetrag von
ca. 19,00 DM. Damit stellt sich der Kläger sowohl gegenüber der früheren Wertfestsetzung durch die Leistungsgruppe
3 nach dem FRG (1968: 15.528,00 DM; 1969: 16.380,00 DM) wie auch der früheren Feststellung nach BerRehaG mit
Qualifikationsgruppe 1 zusätzlich eines Zuschlags von 20% (1968: 16.398,00 DM; 1969: 18.026,40 DM) besser.
Auf die Anwendung des FRG in der Fassung vom 25.02.1960 (Leistungsgruppen) - hier vom Kläger beharrlich
beantragt - kommt es auch aus Gründen des materiellen Rechts nicht mehr an. Für den Kläger ist eine Feststellung
nach § 259a SGB VI (Berücksichtigung von Leistungsgruppen für vor dem 01.01.1937 geborene Versicherte) nicht
mehr möglich, weil gemäß § 259b Abs. 1 Satz 2 SGB VI die günstigeren Anwartschaften nach dem AAÜG vorrangig
sind und diese wiederum überlagert sind von denjenigen nach § 13 BerRehaG. Letzteres fingiert dem Grunde nach
entsprechend seinem Zweck einen durchschnittlichen Berufserfolg - unabhängig vom tatsächlichen Berufsverlauf.
Dabei ist bewusst für Zeiten nach dem 31.12.1949 das Modell der Qualifikationsgruppen ausgewählt (§ 13 BerRehaG).
Denn dieses spiegelt die Beschäftigungswelt in der ehemaligen DDR wieder und gilt beispielsweise auch für glaubhaft
gemachte Zeiten (§ 259b SGB VI). Es gilt ebenfalls allgemeinen für das FRG seit dem 01.01.1992, das auch für
Aussiedler keinen Unterschied zu Bewohnern des Beitrittsgebiets macht. Der an der Beschäftigungsstruktur der alten
BRD orientierte Eingliederungsgedanke ist überholt. Darüber wurde der Kläger, wenn auch nicht in diesen Details, mit
Schreiben vom 22.05.1997 von der Beklagten aufgeklärt. Diese Ansicht wird im Übrigen unter entsprechender
Thematisierung auch im vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger herausgegebenen Kommentar zum
Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (Verbandskommentar) vertreten (Anmerkung 3 zu § 13, Stand Juli 1994).
Insoweit trifft aber auf den Anspruch des Klägers eine Rückausnahme zu, die den tatsächlichen Berufserfolg vor der
Verfolgung zur Ermittlung der Anwartschaft berücksichtigt. Daher hatte die Beklagte zurecht § 13 Abs. 1a BerRehaG
in der Fassung durch das 2. AAÜG-Änderungsgesetz angewandt.
Demnach waren bis zur Verkündung des 2. AAÜG-Änderungsgesetz am 02.08.2001 alle Bescheide der Beklagten
rechtmäßig. Der geänderten Rechtslage hat die Beklagte durch Erlass ihres letzten Bescheid vom 23.12.2003
Rechnung getragen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, denn der Erfolg des Klägers beruht auf der geänderten Rechtslage,
der die Beklagte in einem aufgrund des umfangreichen Verwaltungsverfahrens zeitlich vertretbaren Rahmen gefolgt
ist.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 162 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).