Urteil des LSG Bayern vom 15.12.1998

LSG Bayern: eigentumswohnung, vermietung, lebensversicherung, darlehen, erhaltung, arbeitslosenhilfe, aufwendung, eltern, steuerrecht, vermögensbildung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 15.12.1998 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 7 Al 601/96
Bayerisches Landessozialgericht L 8 AL 288/97
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Juli 1997 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 13.01.1996 streitig.
Der am ...1956 geborene Kläger meldete sich am 16.06.1994 mit Wirkung zum 01.07.1994 arbeitslos und beantragte
Arbeitslosengeld (Alg), das ihm mit Bescheid vom 08.07.1994 für 312 Tage bewilligt wurde. Dieser Anspruch war am
12.01.1996 erschöpft.
Am 27.12.1995 beantragte der Kläger Anschluß-Alhi. Er gab an, Eigentümer einer 56,49 m² großen
Eigentumswohnung mit einem Verkehrswert von 298.075,- DM zu sein. Die Mieteinnahmen betrugen danach 1.500,-
DM, die monatlichen Belastungen einschließlich der Tilgungszinsen bezifferte der Kläger mit 1.658,52 DM. Er selbst
wohne zu mtl. 287,70 DM bei den Eltern zur Untermiete und werde in die eigene Wohnung einziehen, wenn er hierzu
finanziell in der Lage sei.
Die Beklagte erkannte beim anzurechnenden Einkommen von 1.500,- DM die monatlichen Zinsbelastungen aus den
drei Bausparverträgen des Klägers in Höhe von insgesamt mtl. 607,72 DM (wöchentlich 140,08 DM) an und bewilligte
unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Anrechnungsbetrages von 206,07 DM Alhi ab 13.01.1996 in Höhe von
71,10 DM wöchentlich (Bescheid vom 12.01.1996).
Seinen Widerspruch vom 24.01.1996 begründete der Kläger unter anderem damit, daß die Eigentumswohnung wie
eine Lebensversicherung als Existenzsicherung diene und zugleich den allgemeinen Wohnungsmarkt entlaste. Mit
Widerspruchsbescheid vom 13.03.1996 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück; gemäß § 138
AFG sei bei der Vermietung von Räumen der Überschuß der Einnahmen über die mit ihrer Erzielung verbundenen
notwendigen Ausgaben als Einkommen anzusetzen. Hierzu gehörten jedoch nicht Tilgungsleistungen.
Nachdem die Beklagte unter Anrechnung eines monatlichen Grundsteueranteils von 11,52 DM zu einem zu
berücksichtigenden monatlichen Ausgabenbetrag von 618,24 DM (wöchentlich 142,90 DM) und somit zu einem
wöchentlichen Anrechnungsbetrag von 203,25 DM gelangt war, trug sie dem mit Änderungsbescheid vom 10.07.1996
Rechnung.
Zuvor hatte der Kläger bereits gegen den am 14.03.1996 zugestellten Widerspruchsbescheid am 10.04.1996 Klage
zum Sozialgericht München erhoben; die Tilgungsleistung und seine Kosten als Untermieter seien als notwendige
Ausgaben einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Nachdem das Sozialgericht das vorliegende Verfahren mit dem Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen S 7 AL 1129/96
verbunden und sich dieser Rechtsstreit durch Teilvergleich erledigt hatte, wies das Sozialgericht München mit Urteil
vom 09.07.1997 die Klage ab; die von der Beklagten durchgeführte und im Widerspruchsbescheid näher dargelegte
Berechnung bei der Berücksichtigung der monatlichen Einnahmen aus Vermietung sei unter Berücksichtigung der
geringfügigen Modifizierung im Änderungsbescheid vom 10.07.1996 (Berücksichtigung der Schuldzinsen) nicht zu
beanstanden. Zutreffend sei auch, daß die Untermietkosten des Klägers nicht als notwendige Ausgaben aus
Vermietung berücksichtigt worden seien, weil die Mietkosten des Klägers selbst zu den allgemeinen
Lebenshaltungskosten gehörten und diese bei den Einnahmen aus Vermietung nicht einkommensmindernd
berücksichtigt werden könnten. Dies gelte gleichfalls für die Tilgungsleistungen. Die Alhi habe nicht den Sinn, zur
Vermögensvermehrung beizutragen. Auch sei die Anschaffung einer Eigentumswohnung nicht mit einer
gegebenenfalls nach § 138 Abs.2 Nr.2 AFG als angemessen zu erachtende Kapitallebensversicherung vergleichbar.
Denn eine vermietete Eigentumswohnung bringe - anders als eine Lebensversicherung - neben den monatlichen
Mieteinkünften auch eine Vermögensvermehrung mit sich, die über die soziale Sicherung einer Lebensversicherung
weit hinausgehe.
Gegen das am 25.07.1997 per Einschreiben zur Post gegebene Urteil legte der Kläger am 27.08.1997 Berufung ein; er
habe sein ganzes Vermögen in die Eigentumswohnung investiert. Eine Selbstnutzung sei wegen der zu hohen
Darlehnensbelastung in absehbarer Zeit nicht möglich. Unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit und des
Gleichheitsgrundsatzes seien bei seinen Gesamteinnahmen die Gesamtausgaben einschließlich der steuerrechtlichen
Verluste und der Mietkosten zu berücksichtigen. Um Mieteinnahmen überhaupt zu ermöglichen, habe er ein Darlehen
für die Wohnung aufnehmen müssen. Durch die Mieteinnahmen müsse er wiederum sein Darlehen tilgen, sie seien
somit keine Gewinneinnahme.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 09.07.1997 und des Bescheides vom
12.01.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1996 sowie des Bescheides vom 10.07.1996 zu
verurteilen, ihm für die Zeit vom 13.01.1996 bis 30.06.1997 höhere Arbeitslosenhilfe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Leistungsakte der Beklagten und die
erstinstanzlichen Verfahrensakten. Wegen des Sachverhalts wird ergänzend auf die beigezogenen Akten und die
Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 151 Abs.1, 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -);
insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs.1 SGG.
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Anspruch auf höhere Alhi für die Zeit ab 13.01.1996, den der Kläger mit der
zutreffenden kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs.4 SGG) geltend macht.
Da ein Anspruch streitig ist, der den Voraussetzungen nach zeitlich vor Inkrafttreten des SGB III am 01.01.1998
(Art.83 Abs.1 AFRG vom 24.03.1997, BGBl I, 594) liegt, sind vorliegend die Vorschriften des AFG anzuwenden.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 138 Abs.2 Nr.3 AFG i.d.F. des 5.AFG-ÄndG vom 23.07.1979 (BGBl.I, 1189) sind von einem anzurechnenden
Einkommen des Arbeitslosen die notwendigen Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen
abzusetzen. Damit sollte der Einkommensbegriff für die Alhi gegenüber dem Steuerrecht eigenständig gestaltet und
ein Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten ausgeschlossen werden (BSG vom 12.06.1992,
SozR 3-4100 § 138 Nr.7 m.w.N.). Als subsidiäre Sozialleistung dient die Alhi nicht der Vermögensbildung.
Verwendungen auf das Vermögen sind deshalb nicht vom anrechenbaren Einkommen des Arbeitslosen abzusetzen.
Eine solche Möglichkeit eröffnet § 138 Abs.2 Nr.3 AFG nur insoweit, als Aufwendungen gerade zum Erwerb, zur
Sicherung oder Erhaltung des anzurechnenden Einkommens notwendig sind. Die vermögensbildende Wirkung auch
solcher Aufwendungen rechtfertigt es nicht, sie unabhängig von ihrer Notwendigkeit für das Erzielen von Einkünften
abzusetzen (BSG vom 13.03.1997, SozR 3-4100 § 138 Nr.10). Die vom Kläger gewünschte Gegenüberstellung der
Mieteinnahmen mit seinen Gesamtausgaben ist mit dieser gesetzlichen Einschränkung nicht vereinbar.
Notwendige Aufwendungen im Sinne von § 138 Abs.2 Nr.3 AFG sind nur abzusetzen, soweit ein direkter
wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Mieteinnahmen besteht. Es ist ein finaler Zusammenhang zwischen zu
berücksichtigenden Einnahmen und für diese notwendige Aufwendungen gesetzlich gefordert (BSG vom 13.03. 1997,
a.a.O.). Zwischen der Mietzahlung des Klägers an seine Eltern und den Einnahmen aus der Vermietung seiner
Eigentumswohnung besteht eine solche zweckbestimmte Beziehung jedoch nicht. Vielmehr handelt es sich bei seiner
eigenen Mietzahlung um eine Aufwendung im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung, nicht aber um eine
Aufwendung in unmittelbarer Zweckbestimmung einer Einkommensart. Durch seine Entscheidung, nicht selbst die
Eigentumswohnung zu nutzen, ermöglichte sich der Kläger die Eröffnung von Einnahmen durch Vermietung der
Wohnung. Damit werden jedoch die eigenen Mietkosten nicht zu Aufwendungen, die durch die Erzielung von
Einnahmen verursacht sind.
Soweit der Kläger einwendet, daß er mit den Mieteinnahmen sein Darlehen tilge und diese daher keine
Gewinneinnahme darstellten, kann dem nicht gefolgt werden. Abgesehen von den sog. fiktiven Werbungskosten
entsprechen die Aufwendungen im Sinne des § 138 Abs.2 Nr.3 AFG weitgehend den steuerlichen Werbungskosten
(vgl. Kärcher in Niesel, AFG, 2. Auflage, Rdnr.27 zu § 138). Steuerrechtlich gehören nach § 9 Abs.1 EStG u.a. die
Schuldzinsen zu den Werbungskosten, nicht jedoch die Tilgung von Darlehensschulden. Der durch Darlehen
finanzierte Eigentumserwerb kann nicht besser gestellt werden als ein durch Barmittel finanzierter. Als Aufwendungen
für das Vermögen sind sie nicht abzugsfähig.
Soweit der Kläger vergleichend auf die Lage bei einer Lebensversicherung hinweist, ist ergänzend zu den insoweit
gemachten Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil darauf hinzuweisen, daß Beiträge zur Lebensversicherung aus
der Alhi-Leistung zu bezahlen wären, soweit nicht eine Stornierung naheliegt.
Die im übrigen abzugsfähigen Kosten hat die Beklagte auch der Höhe nach erkennbar richtig - und im übrigen auch
vom Kläger nicht bestritten - berücksichtigt und in zutreffender Leistungshöhe bewilligt. Dementsprechend war die
Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; im Hinblick auf den Verfahrensausgang bestand keine Veranlassung,
der Beklagtern eine Kostenerstattung aufzuerlegen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.