Urteil des LSG Bayern vom 28.05.2002

LSG Bayern: arbeitslosigkeit, altersrente, aufenthalt, arbeitsamt, heimat, verzug, kapitalabfindung, verfügung, merkblatt, beratung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.05.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 2 Ar 1388/96 A
Bayerisches Landessozialgericht L 6 RJ 106/98
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 19. Dezember 1997 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist Anspruch des Klägers auf Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres.
Der am 1936 geborene Kläger nahm am 13.03.1969 eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland auf
und war hier ohne wesentliche Unterbrechungen zuletzt vom 13.01.1971 bis 31.07.1993 bei der Firma M. als
ungelernter Arbeitnehmer - Transportarbeiter - erwerbstätig. Wegen lang andauernder Zeiten der Arbeitsunfähigkeit
wurde der Arbeitsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen auf Grund einer Vorruhestandsregelung zum 31.07.1993
gelöst, wofür der Kläger zum Ausgleich eine Kapitalabfindung erhalten hat. Gegenstand der Lösung des
Arbeitsvertrages war die Aussicht, dass der Kläger mit Vollendung des 60. Lebensjahres - ab 01.06.1996 - die
gesetzlichen Voraussetzungen für ein Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit erfüllen könne.
Entsprechend dem Antrag des Klägers vom 03.08.1993 gewährte ihm das Arbeitsamt Göppingen nach
Berücksichtigung einer Sperrzeit wegen Lösung des Arbeitsverhältnisses mit Kapitalabfindung ab 26.10.1993
Arbeitslosengeld, das es ab 17.05.1994 mit der Begründung entzog, dass der Kläger einer vorgesehenen
amtsärztlichen Untersuchung ferngeblieben sei. Ebenso wenig folgte der Kläger Einladungen zum Gespräch mit dem
Arbeitsvermittler zum 19.05.1994 und 25.05.1994. Am 15.07.1994 beantragte der Kläger die Wiederbewilligung des
Arbeitslosengeldes, wobei von der Bundesanstalt aus dem Pass des Klägers festgestellt wurde, dass sich dieser
mehrfach in seiner Heimat aufgehalten hatte. Es wurde ihm darauf ein Aufenthalt in seiner Heimat für 17 Wochen
zurückzumelden. Nachdem der Kläger dieser Aufforderung nicht gefolgt war und weiteren Einladungen zum
10.02.1995, 20.02.1995 und 23.02.1995 nicht Folge geleistet hatte, stellte das Arbeitsamt fest, dass der Kläger zum
30.04.1995 seinen Wohnsitz in Deutschland aufgegeben hatte. Den am 19.04.1995 gestellten Antrag auf
Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes hat die Bundesanstalt sodann mit Bescheid vom 31.10.1995 abgelehnt,
weil der Kläger der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehe, da er postalisch in Deutschland nicht mehr
erreichbar sei. Das bis 28.01.1995 geleistete Arbeitslosengeld forderte das Arbeitsamt Göppingen mit Bescheid vom
26.10.1995 in Höhe von 2.096,80 DM zurück, weil der Kläger seine Ortsabwesenheit nicht mitgeteilt habe und er habe
erkennen können, dass für diese Zeit kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe.
Am 01.03.1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach Vollendung des 60.
Lebensjahres. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Beschied vom 29.05. 1996 ab, weil die Voraussetzungen nicht
erfüllt seien. Gemäß § 38 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei Anspruchvoraussetzung für die Bewilligung
einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit neben der Vollendung des 60. Lebensjahres eine für 52 Wochen bestehende
Arbeitslosigkeit innerhalb der letzten 1 1/2 Jahre vor Beginn der Rente. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil der
Kläger innerhalb des letzten 1 1/2-Jahreszeitraums vom 01.12.1994 bis 31.05.1996 statt der erforderlichen 52 Wochen
der Kläger nur für acht Wochen - vom 01.12.1994 bis 28.01.1995 arbeitslos gewesen sei. Die gesetzliche
Voraussetzung sei auch dann nicht erfüllt, wenn man bis zum Verzug des Klägers nach Jugoslawien zum 31.04.1995
bei ihm Arbeitslosigkeit im Sinne des Gesetzes annehmen würde. Da der Kläger auch keine Versicherungszeit von 35
Versicherungsjahren zurückgelegt habe, komme ein Anspruch auf vorzeitige Altersrente nach anderen Vorschriften
ebenfalls nicht in Betracht.
Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Die Beklagte hat eine Auskunft des Arbeitsamtes Göppingen über die
vom Kläger nach dem Arbeitsförderungsgesetz zurückgelegten Zeiten eingeholt, woraus sich ergibt, dass der Kläger
ab 29.01.1995 wegen Rückkehr in seine Heimat nicht mehr arbeitssuchend gewesen war und keine Leistungen
bezogen hat. Sein letzter Antrag vom 19.04.1995 auf Arbeitslosengeld sei mangels Verfügbarkeit abgelehnt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe zwar das 60.
Lebensjahr vollendet, die erforderliche Wartezeit von 15 Jahren Versicherungszeit erfüllt und auch in den letzten zehn
Jahren vor dem 01.06.1996 für acht Jahre Pflichtbeiträge entrichtet. Er sei jedoch in den letzten 1 1/2 Jahren vor dem
01.06.1996 nicht für mindestens 364 Tage arbeitslos im Sinne der §§ 101, 103 Arbeitsförderungsgesetz gewesen. Ein
Anspruch auf Altersrente gemäß § 38 SGB VI bestehe daher nicht.
Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Landshut Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 19.12.1997 die Klage abgewiesen, da die gesetzlichen
Voraussetzungen für ein Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit nicht erfüllt seien.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er weiter Altersruhegeld gemäß § 38 SGB VI begehrt.
Mit Bescheid vom 08.10.2001 gewährte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente wegen Vollendung des 65.
Lebensjahres ab 01.06.2001.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 19.12.1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom
29.05.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
ihm ab 01.06.1996 bis 31.05.2001 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Beigezogen waren die Akten der Beklagten, des Arbeitsamtes Göppingen und des Sozialgerichts Landshut, auf deren
Inhalt sowie auf den Inhalt der Berufungsakte zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich ist sie jedoch nicht begründet, da der Kläger
keinen Anspruch auf Rente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 38 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes
1992 hat.
Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit hat nur der Versicherte, der innerhalb der letzten 1 1/2 Jahre vor
Beginn der Rente - dem 01.06.1996 - mindestens 52 Wochen = 364 Tage arbeitslos im Sinne der Vorschriften des
Arbeitsförderungs- gesetzes gewesen ist. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger offensichtlich nicht. In dem
rechtserheblichen Zeitraum vom 01.12.1994 bis 31.05.1996 war der Kläger lediglich für 59 Tage arbeitssuchend bei
einem deutschen Arbeitsamt gemeldet und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden. Dies ergibt sich aus den vom
Kläger nicht bestrittenen Ermittlungen des Arbeitsamtes Göppingen. Der Kläger erfüllt daher nicht die gesetzlichen
Voraussetzungen für eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.
Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf andere Anspruchsgrundlagen, insbesondere nicht aus einem sog.
Herstellungsanspruch auf Grund mangelnder Beratung, stützen. Jeder Versicherte wird ausnahmslos anlässlich eines
Antrags auf Arbeitslosengeld darauf hingewiesen, dass als Anspruchsvoraussetzung auf Arbeitslosengeld die
bestehende Arbeitslosigkeit und dabei die dauernde Verfügbarkeit durch Aufenthalt in Deutschland gehört und damit
bei Verzug ins Ausland keine Arbeitslosigkeit im Sinne der gesetzlichen Vorschriften mehr vorliegt. Das Wissen über
diesen Tatbestand hat der Kläger spätestens durch seinen Antrag vom 18.07.1994 auf die Genehmigung eines
Auslandsaufenthaltes bewiesen, worauf ihm ein Aufenthalt von 17 Wochen genehmigt worden war, mit der Auflage,
dass er sich am 25.10.1994 zurückzumelden habe. Anlässlich dieses Antrages wurde dem Kläger ein Merkblatt
ausgehändigt, worin die Voraussetzungen einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 38 SGB VI ausdrücklich
aufgeführt sind, ebenso wie der schrift- liche Hinweis über die Verfügbarkeit bei Auslandsaufenthalt - Formblatt AA
621/I2/108/7.93-154/9.93 BA III 6a 7.92 - Auswärtiger Aufenthalt -. Es ist deshalb ausgeschlossen, dass der Kläger
nicht über die Folgen seines Handelns ausreichend aufgeklärt worden ist.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht erfüllt sind.