Urteil des LSG Bayern vom 14.02.2003

LSG Bayern: gleiche zeit, post, zugang, verfügung, arbeitsamt, kenntnisnahme, behörde, fahrlässigkeit, merkblatt, akte

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 14.02.2003 (rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 10 AL 40/99
Bayerisches Landessozialgericht L 8 AL 147/02
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15. Februar 2001 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 15. bis
25.08.1997 und die Erstattung von 695,70 DM streitig.
Der 1958 geborene Kläger war bis 31.10.1994 als Kokillengießer beschäftigt und bezog anschließend Alg. Vom
17.07.1995 bis 14.07.1997 absolvierte er eine Umschulung und erhielt von der LVA Niederbayern-Oberpfalz
Übergangsgeld (Übg), und zwar zunächst bis 14.08.1997. Mit Bescheid vom 22.07.1997 hatte die LVA dem Kläger
mitgeteilt, Übg stehe im Anschluss an eine erfolgreich abgeschlossene berufsfördernde Rehabilitationsleistung bis zu
sechs Wochen nur dann zu, wenn er sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet habe und der beruflichen Eingliederung
zur Verfügung stehe; der Anspruch bestehe ab 15.07. bis längstens 25.08.1997.
Die LVA bewilligte dem Kläger Übg bis zu diesem Zeitpunkt.
Der Kläger hatte sich am 30.06.1997 beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Dieses wurde ihm
(Verfügung vom 26.08.1997) ab 15.08.1997 bewilligt.
Mit Bescheid vom 11.02.1998 nahm die Beklagte die Bewilligung für die Zeit vom 15. bis 25.08.1997 zurück und
forderte die Erstattung von 695,70 DM. Nachdem an den Kläger von der Einzugsstelle eine Zahlungsaufforderung
ergangen war, teilte dieser mit, er habe keinen Rückforderungsbescheid erhalten. Mit Schreiben vom 07.09.1998
übersandte die Beklagte daraufhin eine Kopie dieses Bescheides. Mit einem am 24.09.1998 eingegangenen Schreiben
legte der Kläger Widerspruch ein und gab auf Anfrage der Beklagten hin an, er könne keine Gründe dafür nennen,
warum der Bescheid vom 11.02.1998 nicht zugegangen sei; den Zugangsbeweis habe die Beklagte zu führen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.1999 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Dieser gelte als am
14.02.1998 zugestellt.
Mit seiner zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin geltend gemacht, den Bescheid
vom 11.02. 1998 nicht erhalten zu haben.
Mit Urteil vom 15.02.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe wissen müssen, dass ihm neben dem
Übg in Höhe von täglich 81,- DM nicht noch Alg in Höhe von 77,30 DM täglich zustehen könne. Im übrigen habe die
Beklagte den Widerspruch zu Recht als unzulässig verworfen. Auch nach Auffassung der Kammer genüge die bloße
Behauptung, keinen Bescheid erhalten zu haben, nicht, um die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X außer Kraft zu
sezten.
Auf die gegen dieses Urteil zunächst eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hin hat der Senat mit Beschluss vom
27.03.2002 die Berufung zugelassen.
Der Kläger macht geltend, die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides hätte sich nicht aus dem Bescheid selbst
ergeben. Auch sei der Bescheid vom 11.02.1998 unschlüssig, da er ausführt, der Kläger habe Übg bis 15.08.1997
erhalten.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15.02.2001 und den Bescheid vom
11.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und den
Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und vom Senat zugelassene Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 des
Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), in der Sache jedoch nicht begründet.
Allerdings durfte der Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.02. 1998 nicht als unzulässig verworfen werden, da ein
Zugang dieses Bescheides vor der Übersendung mit Schreiben vom 07.09.1998 nicht nachgewiesen ist. Dieser gilt
auch nicht gemäß § 37 Abs. 2 SGB X als mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post erfolgt; unabhängig davon,
dass "im Zweifel" die Behörde den Zugang des Verwaltungsakte nachzuweisen hat, tritt die Zugangsfiktion
grundsätzlich nur ein, wenn die Akte zumindest einen Vermerk über den Tag der Aufgabe zur Post enthält (vgl. von
Wulffen, SGB X, 4. Aufl., Rdnr. 12 zu § 37 mit weiteren Nachweisen). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.
Jedoch war der Widerspruch unbegründet, weshalb das SG zu Recht die Klage abgewiesen hat.
Gemäß § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X war die Bewilligung des Alg für die Zeit vom 15.
bis 25.08. 1998 aufzuheben. Denn falls der Kläger nicht erkannt haben sollte, dass die Bewilligung des Alg für diesen
Zeitraum rechtswidrig war, so würde dies auf grober Fahrlässigkeit beruhen. Nachdem dem Kläger von der LVA mit
Bescheid vom 22.07.1997 mitgeteilt worden war, ihm würde für den Fall der Arbeitslosmeldung Übg bis 25.08.1997
bewilligt werden, musste ihm im Zeitpunkt der Bewilligung des Alg klar sein, dass er für die gleiche Zeit bis
25.08.1997 nicht zusätzlich Alg erhalten konnte. In dem ihm bei der Arbeitslosmeldung ausgehändigten Merkblatt,
dessen Erhalt und Kenntnisnahme er unterschriftlich bestätigt hatte, war er darauf hingewiesen worden, dass der
Anspruch auf Alg u.a. dann ruht, wenn er mit Übg zusammentrifft. Diese Rechtsfolge beruht auf § 142 Abs. 1 Nr. 2
SGB III. Nachdem diese Belehrung leicht verständlich ist, müsste es als grobfahrlässig angesehen werden, falls dem
Kläger diese Rechtsfolge nicht bewußt gewesen sein sollte.
Der Erstattungsanspruch ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Somit war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15.02.2001 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.