Urteil des LSG Bayern vom 24.03.2004

LSG Bayern: ingenieur, ausbildung, lehrmeister, schlosser, berechtigung, qualifikation, kreis, schüler, form, anfang

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 24.03.2004 (rechtskräftig)
S 6 RJ 432/00
Bayerisches Landessozialgericht L 20 RJ 199/03
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.02.2003 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zuordnung von Leistungsgruppen nach der Anlage 1 zum Fremdrentengesetz (FRG)
alter Fassung, speziell um die Eingruppierung der Zeit vom 01.01.1977 bis 31.08.1980 in die Leistungsgruppe 2 für
Angestellte.
Der 1936 geborene Kläger ist im Februar 1990 aus der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt. Zu
seinem Lebens- und Berufsweg hat er folgende Angaben gemacht und entsprechende Belege vorgelegt: Vom
01.09.1952 bis 28.02.1955 Ausbildung zum Schlosser im VEB Walzwerk H. , dort in Arbeit als Schlossergeselle bis
März 1959, von April 1959 bis August 1961 Dienst bei der Nationalen Volksarmee, bis August 1962 erneut Schlosser
im VEB Walzwerk H. , von September 1962 bis Dezember 1963 Ausbildung an der Fachschule zum Meister, von
Januar 1964 bis August 1980 Meister im VEB Walzwerk H. , ab 01.07.1964 zusätzlich tätig als "Ingenieur-Pädagoge"
in der Abteilung Berufsvorbereitung, ab 1977 in der Funktion eines Gruppenleiters.
Der Kläger legte auch verschiedene Änderungen zu seinen Arbeitsverträgen vor, u.a. den Vertrag vom 02.12.1976: Mit
Wirkung vom 01.01.1977 wurde das Aufgabengebiet durch die Übertragung der Gruppenleiterfunktion im Bereich der 9.
und 10. Klassen erweitert. Eine weitere Änderung erfolgte mit Vertrag vom 30.06.1980: Der Kläger nahm ab
01.07.1980 eine Tätigkeit als Ingenieur für Investrealisierung im Bereich der WTP auf.
Im Rahmen der Kontenklärung erteilte die Beklagte den Bescheid vom 21.05.1999, in dem sie u.a. die Zeiten vom
01.01.1965 bis 31.08.1980 der Leistungsgruppe 3 der Angestelltenversicherung und die Zeiten ab 01.09.1980 bis
02.02.1990 der Leistungsgruppe 2 zuordnete. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und verlangte im Wesentlichen,
bereits ab 01.01.1977 eine Einstufung in die Leistungsgruppe 2 der Angestellten vorzunehmen. Er habe bereits 1971
das Fachschulstudium der Fachrichtung Maschinenbau abgeschlossen und sei anschließend als Ingenieur-Pädagoge
und später dann als Gruppenleiter tätig gewesen. Ihm habe die Verantwortung oblegen, Lehrmeister und Werkmeister
in den Betriebsabteilungswerkstätten einzusetzen und sie verantwortlich zu unterweisen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 30.05.2000 zurück. Die Einstufung als Lehrmeister
(Werkmeister) in die Leistungsgruppe 2 sei grundsätzlich erst ab Vollendung des 45. Lebensjahres möglich. Vor
diesem Zeitpunkt komme diese Leistungsgruppe nur dann in Betracht, wenn Meister mit hohem beruflichen Können
und besonderer Verantwortung großen Werkstätten oder Abteilungen vorstünden bzw Meister, die die besonderen
Erfahrungen der Leistungsgruppe 2 erkennbar schneller erworben hätten als die übrigen Angestellten mit ihrem
Berufsweg. Der Kläger habe vor dem 01.01.1977 wie auch danach Personen an Werkzeugmaschinen praktisch und
theoretisch ausgebildet. Allein die Übertragung einer "Gruppenleiterfunktion" berechtige nicht für die Einstufung in die
Leisstungsgruppe 2. Zudem sei nicht erkennbar, dass der Kläger das erforderliche persönliche Merkmal der
"besonderen Erfahrung" in seinem Beruf bereits vor dem 45. Lebensjahr erreicht habe.
Dagegen hat der Kläger am 29.06.2000 Klage beim Sozialgericht Würzburg erhoben. Er hat sein Verlangen nach
Einstufung in die Leistungsgruppe 2 vor Vollendung des 45. Lebensjahres im Wesentlichen damit begründet, dass die
Kombination aus der beruflichen Qualifikation des Klägers mit einer verantwortungsvollen Aufgabe im
Ausbildungszentrum eine Einstufung in die Leistungsgruppe 2 rechtfertige. Im Übrigen wurde das Vorbringen aus dem
Vorverfahren wiederholt. Insbesondere verwies er erneut darauf, dass er ab 1977 als Gruppenleiter eingesetzt
gewesen sei. Er hat dazu ein Schreiben seines ehemaligen Arbeitskollegen und Vorgesetzten K. K. vom 06.01.2002
vorgelegt. Mit Urteil vom 10.02.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der
Kläger die "besonderen Erfahrungen" für die Leistungsgruppe 2 nicht vor dem von der Beklagten angenommenen
Zeitpunkt erworben habe. Selbst wenn man die zusätzliche Aufgabenzuweisung für den Kläger durch die
Gruppenleiterfunktion berücksichtige, könne nicht davon ausgegangen werden, dass bereits mit der Zuweisung dieser
erweiterten Funktion eine Höherstufung in den Leistungsgruppen gerechtfertigt sei. Vielmehr könne erst nach
mehrjähriger Ausübung des erweiterten Aufgabenbereichs an eine Höherstufung in den Leistungsgruppen gedacht
werden; die Beklagte habe dem mit der Zuordnung der Leistungsgruppe 2 bereits ab 01.09.1980 Rechnung getragen.
Mit Bescheid vom 02.09.1999 hatte die Beklagte dem Kläger bereits Altersrente für langjährig Versicherte ab
01.10.1999 bewilligt (in Höhe von DM 2.649,30 mtl); die Berechnung der Rente erfolgte unter Außerachtlassung der
hier streitigen Ansprüche.
Gegen das Urteil des SG richtet sich die am 09.04.2003 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung des
Klägers. Dieser verlangt weiterhin, die Einstufung in die Leistungsgruppe 2 bereits ab dem 01.01.1977 (bis
31.08.1980) vorzunehmen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Original-Versicherungsausweis, ausgestellt am 31.01.1968,
vorgelegt und nochmals seine Berufstätigkeit in der streitigen Zeit erläutert.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 10.02.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung
des Bescheides vom 21.05.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2000 zu verurteilen, die
Einstufung in die Leistungsgruppe 2 bereits ab dem 01.01.1977 vorzunehmen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte des SG Würzburg sowie der "Ausweis für
Arbeit und Sozialversicherung" des Klägers vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den
gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Es wird im Ergebnis um
laufende Geldleistungen für mehr als ein Jahr Dauer gestritten.
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass
dem Kläger die Leistungsgruppe 2 der Rentenversicherung der Angestellten nach der Anlage zum FRG nicht bereits
ab 01.01.1977 zusteht (sondern erst ab 01.09.1980).
Nach der Definition der Leistungsgruppen ist die Leistungsgruppe 2 Angestellten mit besonderen Erfahrungen und
selbständigen Leistungen in verantwortlicher Tätigkeit mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, die Angestellte
anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen haben, vorbehalten; außerdem Angestellten,
die als Obermeister, Oberrichtmeister oder Meister mit hohem beruflichen Können und besonderer Verantwortung
großen Werkstätten oder Abteilungen vorstehen. Dazu zählen beispielhaft die Ingenieure (aller Fachrichtungen und
Berufsgruppen) im Alter von über 45 Jahren.
Im Übrigen sind die Ingenieure aller Fachgruppen bis zum vollendeten 30. Lebensjahr regelmäßig in die
Leistungsgruppe 4 und vom 30. bis zum 45. Lebensjahr in die Leistungsgruppe 3 einzustufen.
Der Kläger erfüllt für die streitige Zeit die hohen Anforderungen an die Leistungsgruppe 2 der Angestellten nicht. Er
war in dem Betrieb des Walzwerks H. von Anfang an als Schlosser, später als Meister und dann erst zusätzlich in der
berufspraktischen Ausbildung beschäftigt. Dabei ist davon auszugehen, dass allein die Berechtigung, die
Bezeichnung "Ingenieur-Pädagoge" zu führen, den Kläger noch nicht aus dem Kreis der übrigen Ingenieure
heraushebt, sondern seine Aufgabenzuweisung lediglich in eine bestimmte Richtung lenkt. Auch die Zuweisung der
Funktion eines Gruppenleiters ab 1977 hat die Merkmale der vom Kläger ausgeübten Beschäftigung nicht wesentlich
verändert; der Kläger war, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ganz überwiegend für den Einsatz der
ca. 60 im Betrieb beschäftigten Schüler verantwortlich iS der Arbeitszuteilung und der Arbeitsaufsicht. Der Kläger war
jedoch nicht im Rahmen einer Lehrlingsausbildung tätig, auch nicht iS einer allgemein schulischen Ausbildung,
sondern allein im berufspraktischen Bereich, dem die Schüler ohne Entlohnung zugewiesen waren. Das hebt ihn nach
Auffassung des Senats weder nach dem Maß seiner Verantwortung noch nach dem geforderten Umfang seines
fachlichen Könnens aus dem Kreis der übrigen Ingenieure heraus; vielmehr steht der Kläger in etwa einem Ingenieur
gleich, der bei ähnlicher Vorbildung und vergleichbarem Lebensalter einer Produktionsabteilung vorsteht.
Berücksichtigt man weiter, dass der Kläger erst im Jahre 1971, mithin im Alter von 35 Jahren, die Berechtigung
erworben hat, die Berufsbezeichnung Ingenieur-Pädagoge (Lehrkraft für den berufspraktischen Unterricht) zu führen,
kann nicht davon ausgegangen werden, dass er die "besonderen Erfahrungen" für die Leistungsgruppe 2 bereits
wesentlich vor Vollendung des 45. Lebensjahres erworben hat. Diese besonderen Erfahrungen werden regelmäßig erst
nach einem langjährigen, stetigen Berufsleben, und damit für gewöhnlich erst ab Vollendung des 45. Lebensjahres
vorliegen; Ausbildung und Berufspraxis stehen dabei in einer Wechselbeziehung. Wenn die Beklagte den Kläger, der
im Jahre 1962 die Meisterprüfung abgelegt und im Jahre 1971 die Berufsbezeichnung Ingenieur-Pädagoge erworben
hat, bereits ab 01.09.1980 in die Leistungsgruppe 2 eingestuft hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
Aus dem vom Kläger vorgelegten Sozialversicherungsausweis ergibt sich lediglich, dass dieser ab 1965 bis August
1980 als Lehrmeister und ab September 1980 als Ingenieur für Investrealisierung geführt wurde. Eine besondere
berufliche Qualifikation und ein dementsprechender beruflicher Aufstieg ist dem für die streitige Zeit nicht zu
entnehmen.
Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen mit der Folge, dass die Beteiligten einander außergerichtliche
Kosten nicht zu erstatten haben.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.