Urteil des LSG Bayern vom 30.09.2004

LSG Bayern: gerät, medizinische rehabilitation, versorgung, behinderung, krankengymnastik, gebrauchsgegenstand, verordnung, krankenversicherung, behinderter, kranker

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 30.09.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 7 KR 283/02
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 292/03
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28. August 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Kos-ten für einen Einzelzug-Muskeltrainer in Höhe von
3.184,20 EUR zu bezahlen.
Der 1960 geborene Kläger ist als Rentenantragsteller Mitglied der Beklagten. Er leidet an einem chronischen
Wurzelkompressionssyndrom C7 rechts sowie an einem myostatischen BWS-Syndrom rechts bei
Thorakolumbalskoliose. Er hat mit Schreiben vom 25.02.2002 bei der Beklagten die Kostenübernahme für ein
Einzelzugs-Trainingsgerät beantragt und ein Angebot der Bullinger + Weber GmbH hierzu zum Preis von 1.190,00
EUR zuzüglich Mehrwertsteuer vorgelegt.
Die Beklagte hat den Antrag mit Bescheid vom 07.03.2002 abgelehnt, es handele sich nicht um ein Hilfsmittel im
Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Den hiergegen am 18.03.2002 eingelegten Widerspruch begründete der
Kläger damit, er sei durch das Training im Rehazentrum mit dem Gerät vertraut und habe bereits gute Erfolge erzielt.
Die Beklagte würde mit der Übernahme der Kosten seine Genesung fördern und zur Wiederherstellung seiner
Arbeitsfähigkeit einen sinnvollen und auch auf Dauer kostensparenden Beitrag leisten.
Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2002 zurückgewiesen, nachdem sie vorher
eine (ablehnende) Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom
13.05.2002 eingeholt hatte. Hiergegen richtete sich die zum Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage, zu deren
Begründung die Bevollmächtigten des Klägers vortrugen, der beantragte Einzelzug-Muskeltrainer sei ständig bei der
ambulanten und teilstationären Rehabilitation des Klägers eingesetzt worden. Er ermögliche ein kontinuierliches,
allgemeines, gezieltes Muskeltraining im Bereich der Wirbelsäule, diene damit der Sicherung der erreichten
Therapieerfolge und sei für die medizinische Rehabilitation unentbehrlich. Es handele sich nicht um einen allgemeinen
Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Ohne die Finanzierung dieses Gerätes wäre eine dauerhafte
Krankengymnastik erforderlich, die trotzdem nicht die gewünschten und erhofften Ergebnisse erziele. Der Kläger
könne das Gerät nicht selbst bezahlen. Das günstigere Gerät sei für den Kläger nicht geeignet, ein weiteres Angebot
einer anderen Firma in Höhe von 3.184,20 EUR entspreche den Anforderungen des Klägers. Das Sozialgericht hat mit
Beschluss vom 13.12.2002 abgelehnt, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, diese
Kosten zu übernehmen. Im Beschwerdeverfahren legte der Kläger eine Verordnung der Ärzte Dres. K. vom
06.02.2003 für ein Therapiegerät: Einzelzug mit Zubehör und Trainingsbank vor. Der Senat hat die Beschwerde mit
Beschluss vom 21.05.2003 zurückgewiesen.
Zum Nachweis der Tatsache, dass der Kläger dringend des Trainingsgerätes bedürfe, übersandten seine
Bevollmächtigten Rechnungen und ärztliche Bescheinungen über Behandlungen und Krankengymnastik.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 28.08.2003 abgewiesen. Die Klage sei nicht begründet, weil der Kläger
keinen Anspruch auf Kostenübernahme des im Kostenvoranschlag genannten Einzelzug-Muskeltrainers habe. Auch
sei die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger ein solches Gerät zur Verfügung zu stellen. Das Gerät sei nicht gemäß
§ 33 SGB V geeignet, eine Behinderung auszugleichen. Es diene nicht dazu, ausgefallene körperliche Funktionen
ganz oder teilweise zu ersetzen. Als Leis-tungszweck gemäß § 33 SGB V komme im vorliegenden Fall nur die
Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung in Betracht. Beim Kläger sei ein Bandscheibenvorfall nachgewiesen.
Bei der Rehabilitation sei dem Kläger die Fortführung des erlernten Trainingsprogramms mit Beibehaltung eines
rückengerechten Verhaltens empfohlen worden. Der Kläger gehe zweimal wöchentlich zur Krankengymnastik, wo er
Geräte zum Muskelaufbau nutzen könne. Er habe erklärt, er wolle das verordnete Gerät mehrmals täglich nutzen. Es
könne letztlich dahinstehen, ob die beabsichtigte selbstbestimmte Nutzung sinnvoll sei, da jedenfalls eine Kos-
tenübernahme schon im Hinblick auf die Bestimmung des § 12 Abs.1 SGB V ausscheide. Die Gründe, die es bereits
zweifelhaft erscheinen lassen, ob es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele, führen
jedenfalls dazu, in dieser Versorgung ein Missverhältnis der Kosten-Nutzen-Relation zu sehen. Es fehle an der
Relation zwischen den Kosten und dem mit dem Gerät zu erzielenden Heilerfolg, auch wenn man den Sachvortrag
des Klägers zugrunde lege. Es könne auch nicht unterstellt werden, dass bei der Nutzung des Gerätes keine weiteren
Behandlungskosten anfallen. Der Einzelzug-Muskeltrainer würde zusätzlich zu den von der Beklagten
durchzuführenden Behandlungen nötig sein. Die Trainingsgeräte würden in privaten oder öffentlichen Einrichtungen
angeboten, damit sie von einer Vielzahl von Menschen genutzt werden können. Eine Nutzung eines Gerätes durch
einen Einzelnen zu Lasten der Krankenkasse sei schon deshalb unwirtschaftlich, weil ein solches Gerät, wenn es
Vielnutzern offensteht, auch viel stärker in Gebrauch ist und damit die Anschaffung bezogen auf die Nutzung des
Gerätes wesentlich wirtschaftlicher ist. Dem einzelnen Versicherten sei zuzumuten, das Gerät dort zu nutzen, wo es
einer Vielzahl von Versicherten offensteht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung, zu deren Begründung ausgeführt wird, es sei bereits erstinstanzlich
unter Sachverständigenbeweis gestellt worden, dass der Kläger mehrmals täglich und nicht nur zweimal wöchentlich
mit dem Einzelzug-Muskeltrainer trainieren müsse. Das Training finde dergestalt statt, dass der Kläger mehrmals
täglich eine viertel Stunde trainiert und so für den entsprechenden Muskelerhalt sorge. Der Kläger sei nicht in der
Lage, wie gesunde Menschen einmal oder zweimal pro Woche trainieren zu gehen. Die Behinderung, die der Kläger
ausgleichen wolle, seien die Probleme aufgrund der Bandscheibenvorfälle. Dies führe zu Einschränkungen der
Beweglichkeit im Rücken, der Halswirbelsäule und bis zu Kribbelparästhesien in den Händen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.08.2003 und den zugrundeliegenden Bescheid
der Beklagten vom 07.03. 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08. 2002 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Anschaffung eines Einzelzug-Muskeltrainers mit Zubehör zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Mit der Berufungsbegründung seien im Wesentlichen keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten
beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht
der Zulassung nach § 144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.
Die Beklagte und das Sozialgericht haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf einen
Einzelzug-Muskeltrainer gegen die Beklagte hat. Als einzige Anspruchsgrundlage kommt § 33 SGB V in Betracht.
Das Sozialgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, dass als Leistungszweck gemäß § 33 SGB V beim Kläger nur die
Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung in Betracht kommen könne. Nach dessen Abs.1 Satz 1 haben
Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln,
die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung
vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände
des täglichen Lebens anzusehen sind. Bei dem beantragten Trainingsgerät handelt es sich um einen
Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Dies sind Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwendet
werden, Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt
worden sind und von diesem Personenkreis ausschließlich oder ganz überwiegend benutzt werden, sind nicht als
allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Trainingsgeräte, die, wie der Kläger selbst
angibt, in Fitnessstudios aufgestellt werden, sind nicht für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter
Menschen hergestellt. Somit ist allein schon wegen der fehlenden Hilfsmitteleigenschaft die Versorgung des Klägers
mit einem solchen Gerät zu Lasten der Beklagten ausgeschlossen.
Der Anspruch des Klägers auf die Versorgung mit dem Muskeltrainer ergibt sich auch nicht aus der vertragsärztlichen
Verordnung vom 06.02.2003. Dies folgt schon daraus, dass nach § 275 Abs.3 Nr.2 SGB IV die Krankenkassen vor
Bewilligung eines Hilfsmittels in geeigneten Fällen durch den MDK prüfen lassen können, ob das Hilfsmittel
erforderlich ist (s. BSG, Urteil vom 16.09.1999, SozR 3-2500 § 33 Nr.31).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 144 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.