Urteil des LSG Bayern vom 27.01.2009

LSG Bayern: künstliche befruchtung, krankheit, klagefrist, behandlung, zustand, einverständnis, verfassungsrecht, injektion, erfüllung, schwangerschaft

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.01.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 19 KR 1193/05
Bayerisches Landessozialgericht L 5 KR 452/07
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.10.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte die Kosten einer Maßnahme der künstlicher Befruchtung nicht nur in Höhe von 50 v.H. der
Kosten, sondern in vollem Umfang zu tragen hat.
Die am 1977 geborene, seit 12.03.2004 verheiratete Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Wegen Unfruchtbarkeit beantragte sie am 18.01.2005 und 02.05.2005, die Kosten für eine künstliche Befruchtung
durch Intrazytoplasmatische Spermien-Injektion im Spontanzyklus zu übernehmen. Mit Bescheiden vom 25.01.2005,
06.05.2005 und 14.07.2005, die jeweils keine Rechtsbehelfsbelehrung beinhalteten, in der Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 11.07.2005 sowie vom 19.09.2005 erkannte die Beklagte die Erfüllung der tatsächlichen
gesetzlichen Voraussetzungen einer Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft an und sagte insoweit die
hälftige Kostenübernahme zu. Zugleich lehnte sie das Begehren der Klägerin, die Kosten voll zu übernehmen, mit der
Begründung ab, die gesetzliche Regelung, die formell und materiell rechtmäßig sei und gegen die
verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden, gestatte nur eine hälftige Kostenübernahme.
Die gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.09.2005 erhobene und mit Verstößen gegen Verfassungsrecht
begründete Klage ist erfolglos geblieben. Das Sozialgericht München hat im abweisenden Urteil vom 25.10.2007
ausgeführt, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen die seit 01.01.2004 gültige nur hälftige
Kostenübernahmepflicht der gesetzlichen Krankenkassen nicht bestünden, was sich nicht zuletzt aus dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 22.02.2007 - 1 BvL 5/03 ergebe.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und sich erneut auf Verfassungswidrigkeit der Regelungen des SGB V
berufen. Sie hat Belege für die ärztlichen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Gestalt von drei
Behandlungszyklen im Februar/März, Juli/August sowie September/Oktober 2005 über insgesamt Euro 2.416,40
vorgelegt und sinngemäß beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.10.2007 aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Bescheides
vom 14.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2005 zu verurteilen, die von ihr getragenen
Kosten von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung iHv Euro 2.416,40 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), jedoch
unbegründet. Die Entscheidung durfte gemäß § 124 SGG ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil die Beteiligten
ihr Einverständnis dazu erteilt hatten.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 14.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
19.09.2005, mit welchem die Beklagte die Übernahme der hälftigen Kosten des dritten Behandlungszyklus von
Maßnahmen der künstlichen Befruchtung gewährt hat. Nicht zu befinden ist über Bescheide vom 25.01.2005 und
06.05.2005, gegen den insoweit ergangenen Widerspruchsbescheid vom 11.07.2005 nicht innerhalb der einmonatigen
Klagefrist gemäß § 87 Abs 2 SGG Klage erhoben wurde. Zudem richten sich Klage und Berufung nach den
unzweifelhaften schriftsätzlich gestellten Anträgen ausschließlich gegen den Bescheid vom 14.07.2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2005.
Die Berufung gegen das abweisende Urteil des Sozialgerichts München vom 25.10.2007 bleibt ohne Erfolg. Zum einen
kann die Klägerin volle Kostenerstattung nicht für die Behandlungen im Februar/März und Juli/August geltend
machen, weil insoweit die Ablehnung der Beklagten in den Bescheiden vom 25.01.2005 und 06.05.2005 in der
Fassung des Widerspruchsbescheids mangels fristgerechter Klage bestandskräftig geworden ist. Zum anderen hat die
Beklagte zu Recht gemäß § 27a SGB V nur die Hälfte der Kosten einer Maßnahme der künstlichen Befruchtung
übernommen.
Die Klägerin, die die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Maßnahme der künstlichen
Befruchtung nach § 27a Abs. 1 Ziffer 1 bis 5 SGB V ebenso erfüllt wie ihr Ehemann und bei der Ausschlussgründe
gemäß § 27a Abs. 2 und 3 SGB V nicht bestehen, kann gemäß § 27 Abs. 3 Satz 3 SG V nur die Übernahme von 50
v.H. der Kosten verlangen, die entsprechend dem von der Beklagten genehmigten Behandlungsplan für Maßnahmen
der künstlichen Befruchtung angefallen sind. Die gesetzliche Regelung, die ab 01.01.2004 nach der Änderung durch
das Gesetz vom 14.11.2003 (BGBl I S. 2190) insoweit nur noch eine hälftige Kostenübernahme und in der Folge nur
eine hälftige Kostenerstattung gem. § 13 Abs 3 SGB V erlaubt, ist im Wortlaut eindeutig und einer erweiternden oder
verändernden Auslegung nicht zugänglich.
Die Begrenzung auf die hälftige Kostenübernahme gemäß § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V verstößt auch nicht gegen
höherrangiges Recht. Nach der Konzeption des SGB V handelt es sich bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung
nicht um solche der Behandlung einer Krankheit. Dazu zählten nur Therapien in Betracht, die direkt auf die
Beseitigung der Infertilität gerichtet sind. Diese sind hier aber nicht strittig.
Sollen die Folgen der Infertilität als regelwidrigem körperlichem Zustand - wie vorliegend -beseitigt werden, handelt es
sich um keine Leistung der Krankenbehandlung, sondern eine Beseitigung der Folgen einer Krankheit. Insoweit ist der
Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht gehindert, eine Kostenbeschränkung einzuführen oder die Kostenübernahme
gänzlich auszuschließen (vgl. BSG Urteil vom 19.09.2007 - B 1 KR 6/07 R; BVerfG Urteil vom 28.02.2007 - 1 BvL
5/03).
Die Klägerin kann somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Änderung der Ausgangsentscheidung sowie des
angefochtenen Urteils und Kostenübernahme in vollem Umfange erreichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nach der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des
Bundesverfassungsgerichts nicht erkennbar, § 160 SGG.