Urteil des LSG Bayern vom 27.12.2005

LSG Bayern: befreiung von der versicherungspflicht, vorläufige einstellung, zwangsvollstreckung, aussetzung, anfang, beitragspflicht, vollstreckbarkeit, verzicht, einfluss, erfüllung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 27.12.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 10 LW 31/05 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 16 B 632/05 LW ER
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 23. September 2005
wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die einstweilige Aussetzung der Zwangsvollstreckung aus einem Beitragsbescheid.
Mit bindendem Bescheid vom 28.07.2004 hatte die Antragsgegnerin (Ag.) die Versicherungs- und Beitragspflicht der
Antragstellerin (Ast.) zur Land- und Forstwirtschaftlichen Alterskasse ab 01.07.2003 festgestellt. Da keine
Beitragszahlungen erfolgten, wurden der Ast. monatlich die Beitragsrückstände unter Setzung einer Zahlungsfrist
mitgeteilt. Mit Forderungsbescheid vom 12.11.2004 forderte die Ag. die Ast. zur Zahlung der Beiträge für die Zeit vom
01.07.2003 bis 31.10.2004 nebst Säumniszuschlägen in der Gesamthöhe von 3.279,00 EUR auf. Auch dieser
Bescheid wurde bindend. Am 02.06.2005 erteilte die Ag. auf der Grundlage einer vollstreckbaren Ausfertigung dieses
Bescheides dem Amtsgericht B. einen Vollstreckungsauftrag über den Gesamtbetrag von 3.482,00 EUR.
In der Folge wurde die Ast. auf ihren Antrag mit Bescheid vom 03.08.2005 ab 30.06.2005 von der Versicherungs- und
Beitragspflicht befreit.
Am 23.08.2005 erhob die Ast. beim Sozialgericht Bayreuth Vollstreckungsgegenklage und führte zur Begründung aus,
sie sei nicht zur Land- und Fortwirtschaftlichen Alterskasse versicherungspflichtig. Sie habe im Juli 2003 lediglich
freiwilliges Mitglied werden wollen. Da dies nicht akzeptiert worden sei, sei der Antrag auf Mitgliedschaft hinfällig.
Zugleich beantragte die Ast., die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Vollstreckungsbescheides einstweilen
auszusetzen, da durch den Gerichtsvollzieher die Vollstreckung eines Haftbefehls angekündigt sei.
Mit Beschluss vom 23.09.2005 hat das Sozialgericht den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. Die
bestandskräftigen Bescheide der Ag. seien ohne weiteres vollstreckbar und die Anordnung einer Aufschiebung der
Zwangsvollstreckung offensichtlich nicht geboten. Auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs gegen den Bescheid vom 03.08.2005 sei abzulehnen, da weder ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit dieses Bescheides bestünden noch die Vollziehung eine unbillige Härte für die Ast. zur Folge hätte.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Ast., der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung verweist
sie im Wesentlichen darauf, dass die Feststellung einer Alterskassenbeitragspflicht von Anfang an falsch gewesen
sei. Außerdem könne sie das Zustandekommen der Höhe der Pflichtbeiträge nicht verstehen.
Die Ag. verwies darauf, dass die Widersprüche der Ast. mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2005 zurückgewiesen
worden seien und weder ein Widerspruchs- noch eine Klageverfahren die Beitragsforderung betreffend anhängig sei.
II.
Die gemäß den §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die einstweilige Aussetzung der Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid
vom 12.11.2004 abgelehnt.
Für die Vollstreckung aus einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Verwaltungsaktes gelten u.a. die §§ 767, 769 ZPO
entsprechend (§ 66 Abs.4 Satz 1 SGB X).
Gemäß § 769 ZPO kann das Prozessgericht durch Beschluss auf Antrag anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils
über die in den §§ 767, 768 ZPO bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstrcckung eingestellt wird.
Für diese Anordnung ist die Zuständigkeit des Sozialgerichts gegeben, da bei ihm eine entsprechende
Vollstreckungsabwehr- klage (Vollstreckungsgegenklage) anhängig ist, auch wenn hierfür vom Sozialgericht noch kein
Aktenzeichen vergeben wurde. Das Sozialgericht ist auch gemäß § 51 Abs.1 SGG sachlich für die Entscheidung über
die Vollstreckungsabwehrklage zuständig (vgl. Urteil des Senats vom 06.07.2005 - L 16 LW 14/04 -).
Eine einstweilige Anordnung auf Aussetzung bzw. vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt aber nicht in
Betracht, da die Vollstreckungsabwehrklage der Ast. im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung keine
Aussicht auf Erfolg hat.
Im Rahmen des § 767 ZPO sind Einwendungen nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst
nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in dem die Einwendungen spätestens hätten geltend gemacht
werden können bzw. nach Eintritt der Bestandskraft des vollstreckbaren Verwaltungsaktes entstanden sind. In diesem
Rahmen sind deshalb nur rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendungen zu berücksichtigen, wie z.B.
Erfüllung, Verzicht usw. (vgl. Thomas/Putzo, § 767 ZPO, Rn.20). Nicht Gegenstand der Klage ist die Rechtmäßigkeit
des Vollstreckungstitels (Thomas/Putzo a.a.O., Rn.1 und 3).
Es ist deshalb nicht zu prüfen, ob die mangels Widerspruch bestandskräftigen Bescheide der Ag. formell und materiell
rechtmäßig sind. Das von der Ast. im Wesentlichen vorgebrachte Argument, sie sei von Anfang an nicht
versicherungs- und beitragspflichtig gewesen, kann somit nicht berücksichtigt werden. Erst nach dem
Beitragsbescheid vom 12.11.2004 entstandene Gründe, die einer Vollstreckung entgegenstehen könnten, sind von der
Ast. weder vorgetragen noch ersichtlich.
Keinen Einfluss auf die Bestandskraft und damit Vollstreckbarkeit des Bescheides vom 12.11.2004 hat der bei der
Ag. gestellte Überprüfungsantrag sowie die zum 30.06.2005 ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht.
Soweit das Sozialgericht eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den
Befreiungsbescheid vom 03.08.2005 diskutiert hat, kommt eine solche Anordnung bereits deswegen nicht mehr in
Betracht, weil der Widerspruch der Ast. nach den Angaben der Ag. mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2005
zurückgewiesen und hiergegen keine Klage erhoben wurde.
Die Beschwerde kann somit keinen Erfolg haben, weshalb sie als unbegründet zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.