Urteil des LSG Bayern vom 30.05.2005

LSG Bayern: aufschiebende wirkung, vollmacht, versicherungspflicht, verwaltungsakt, härte, vollziehung, erlass, erbe, rechtsschutz, subordinationsverhältnis

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 30.05.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 10 LW 5/05 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 16 B 181/05 LW ER
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 04.02.2005
aufgehoben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27.12.2004 angeordnet. II.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens zu tragen. III. Der Streitwert wird auf
3.558,98 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
In einem vor dem Sozialgericht Augsburg anhängigen Klageverfahren (Az.: S 10 LW 1/05) streiten die Beteiligten über
die Beitrags- und Versicherungspflicht der am 16.03.2002 verstorbenen Ehefrau des Antragstellers (Ast.) zur
landwirtschaftlichen Alterskasse für die Zeit vom 01.11.1993 bis 16.03.2002. Mit Bescheid vom 12.12.2001 hatte die
Antragsgegnerin (Ag.) die Beitrags- und Versicherungspflicht festgestellt sowie mitgeteilt, dass das Beitragskonto
einen Rückstand von 20.175,00 DM aufweist. Dagegen erhob die Ehefrau des Ast. am 04.01.2002 Widerspruch mit
der Begründung, der im Bescheid aufgeführte Flächenbestand sei falsch. Nach dem Tod der Ehefrau ermittelte die
Ag., dass der Ast. deren Alleinerbe geworden ist. Mit Schreiben vom 21.05.2003 kündigte sie den Erlass eines
Haftungsbescheides gegen den Ast. als Alleinerben an. Mit Bescheid vom 06.06.2003 hob die Ag. den Bescheid über
die Versicherungspflicht mit Wirkung vom 17.03.2002 auf und führte in der Begründung aus, Beitragspflicht habe für
die Zeit vom 01.01.1997 bis 31.03.2002 bestanden, das Beitragskonto weist einen Rückstand von 12.440,42 EUR auf.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2004 wies die Ag. den Widerspruch der verstorbenen Ehefrau als unbegründet
zurück. Dagegen hat der Ast. als Rechtsnachfolger am 03.01. 2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und
im wesentlichen ausgeführt, die bewirtschaftete Fläche habe unter der Mindestgröße von 5,2 ha gelegen.
Mit Bescheid vom 27.12.2004 forderte die Ag. den Ast. als Erben seiner Ehefrau auf, bis 15.01.2005 den
Alterskassenbeitrag nebst Kosten in der Gesamthöhe von 14.235,92 EUR zu zahlen. Der Beitragsbescheid sei der
Verstorbenen noch zu Lebzeiten bekanntgegeben worden.
Hiergegen erhob der Ast. am 27.01.2005 Widerspruch und beantragte zugleich beim Sozialgericht Augsburg, die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 04.02.2005 abgelehnt.
Der Antrag sei wegen fehlender Vollmachtsvorlage unzulässig. Der dagegen unter Vorlage einer Vollmacht eingelegten
Beschwerde hat das Sozialgericht nicht abgeholfen.
Der Ast. vertritt die Auffassung, der Beitragsbescheid sei rechtswidrig, da die von der Ehefrau bewirtschaftete Fläche
unter der Mindestgröße geblieben sei. Auch stelle die Vollziehung des Bescheides unter Berücksichtigung der
Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine unbillige Härte dar.
Die Ag. weist die Zweifel an der Rechtmäßigkeit zurück und verweist darauf, dass die Beitragsrückstände ihre
Ursache in der Zahlungsunwilligkeit und nicht in der Zahlungsunfähigkeit hätten. Die Ag. hält insbesondere die
Inanspruchnahme des Ast. als Erben seiner Ehefrau durch Leistungsbescheid für zulässig und verweist darauf, dass
sie ihre Beitragsforderung gegen den Ast. auch als Ehemann im Rahmen seiner gesamtschuldnerischen Haftung nach
§ 71 Abs. 1 Satz 2 ALG geltend machen könne.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß den §§ 172 ff. SGG zulässig.
Durch die mit der Beschwerde vorgelegte, am 27.01.2005 ausgestellte Vollmachtsurkunde, ist der zunächst
bestehende Mangel der fehlenden Vollmacht rückwirkend geheilt, zumal das Sozialgericht im Antragsverfahren keine
Frist für die Einreichung der Vollmacht gesetzt hatte (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., Rdnr. 18a zu § 73 SGG).
Die Beschwerde ist auch begründet, da an der Rechtmäßigkeit des mit Widerspruch angefochtenen
Beitragsbescheides ernstliche Zweifel bestehen.
Gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag durch
Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn - wie hier - Widerspruch oder
Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Nach dem in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zum Ausdruck
gekommenen Grundgedanken soll die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Beitragsbescheid
angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen
oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene
Härte zur Folge hätte.
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen und pauschalen Prüfung der Sach-
und Rechtslage bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 27.12.2004, da keine
rechtliche Grundlage ersichtlich ist, Beitragsforderungen gegen den Erben einer Beitragsschuldnerin mittels
Verwaltungsakt durchzusetzen.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid nimmt die Ag. den Ast. ausdrücklich als Erben der verstorbenen
Beitragsschuldnerin in Anspruch. Wenn der Erbe auch nach den §§ 1922, 1967 BGB im Rahmen der
Gesamtrechtsnachfolge auch für den Nachlassverbindlichkeiten haftet, dann tritt er doch nicht in das zwischen der
Erblasserin und der Ag. bestehende Sozialrechtsverhältnis ein. Vielmehr besteht zwischen dem Ast. als Erben der
Beitragsschuldnerin und der Ag. kein Subordinationsverhältnis. Dies jedoch wäre mangels anderweitiger gesetzlicher
Ermächtigung Voraussetzung der Befugnis der Ag. gewesen, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Diese von der
Rechtsprechung zu Rückforderungsansprüchen gegen Erben entwickelten Grundsätze (vgl. z.B. BSG in SozR 3-2600
§ 118 Nr. 2) lassen sich auch auf Beitragsansprüche gegen Erben übertragen.
Unerheblich ist dabei die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe die Ag. den Ast. im Rahmen der gesamtschuldnerischen
Haftung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 ALG in Anspruch nehmen könnte. Dies hat die Ag. mit dem streitgegenständlichen
Bescheid gerade nicht getan.
Wegen der somit aus formellen Gründen bestehenden erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides
vom 27.12.2004 ist der Beschwerde stattzugeben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 - 162 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 GKG, wobei für das Verfahren
im vorläufigen Rechtsschutz 1/4 der streitigen Geldsumme angemessen ist.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.