Urteil des LSG Bayern vom 07.04.2009

LSG Bayern: wiedereinsetzung in den vorigen stand, berufungsfrist, stationäre behandlung, rente, rechtsmittelbelehrung, wohnung, chemotherapie, briefkasten, zustellung, verhinderung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 07.04.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 14 R 175/08
Bayerisches Landessozialgericht L 14 R 114/09
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Dezember 2008 wird als unzulässig
verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung und hierbei die Zulässigkeit seiner
Berufung.
Am 14. März 2008 (Eingang bei Gericht) erhob die in A-Stadt wohnende Ehefrau und Prozessbevollmächtigte des
Klägers (Prozessbevollmächtigte) beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage gegen einen Bescheid der Beklagten vom
28. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2008, mit dem es die Beklagte
abgelehnt hatte, dem Kläger auf seinen Antrag Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen. Der Widerspruchsbescheid
war dem Kläger am 30. Januar 2008 per Einschreiben zugestellt worden.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2008 als unzulässig ab. Der Gerichtsbescheid wurde
der Prozessbevollmächtigten am 24. Dezember 2008 unter ihrer Wohnanschrift durch Einwurf in den zur Wohnung
gehörenden Briefkasten zugestellt. Dem Urteil war folgende Rechtsmittelbelehrung beigefügt:
"Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen
Landessozialgericht ... schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Augsburg ... schriftlich
oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird ..."
Am 13. Februar 2009 ging beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) ein von der Prozessbevollmächtigten
unterschriebenes, auf den 11. Februar 2009 datiertes Berufungsschreiben ein. Darin gab die Prozessbevollmächtigte
u.a. an, sie hoffe auf Verständnis, dass sie nicht fristgerecht gegen den Gerichtsbescheid Widerspruch erhebe. Sie
befinde sich seit längerer Zeit in Chemotherapie und könne deshalb nicht immer gleich reagieren. Weitere
Ausführungen zu den Gründen der verspäteten Berufungseinlegung machte die Prozessbevollmächtigte nicht.
Nach Beiziehung der SG-Akte wies der Senat die Prozessbevollmächtigte auf die Versäumung der Berufungsfrist
sowie auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hin. Die Prozessbevollmächtigte teilte
daraufhin mit, die Verzögerungen seien hinlänglich bekannt.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt sinngemäß,
dem Kläger bezüglich der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Beklagte unter
Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Dezember 2008 sowie des Bescheides
vom 28. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2008 zu verurteilen, dem Kläger
aufgrund seines Antrags vom 30. Juli 2007 Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt
der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden (§ 158 S. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Der Kläger hatte Gelegenheit, sich zur Versäumung der Berufungsfrist zu äußern (§§ 153 Abs. 1, 128 Abs. 2
SGG).
Die gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Dezember 2008 eingelegte Berufung ist als
unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger die Berufung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt hat (§ 158 S. 1
SGG).
Der Gerichtsbescheid wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. Dezember 2008 im Wege der
Ersatzzustellung durch Einwurf in den zu ihrer Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGG
i.V.m. § 180 Zivilprozessordnung). Die einmonatige Frist zur Einlegung der Berufung (§ 151 Abs. 1 SGG) begann am
25. Dezember 2008 (§ 64 Abs. 1 und 2 SGG) und endete mit Ablauf des 26. Januar 2009, einem Montag (§ 64 Abs. 2
und 3 SGG). Die Berufungsschrift der Prozessbevollmächtigten ist jedoch erst am 13. Februar 2009 und damit nach
Ablauf der Berufungsfrist beim LSG eingegangen.
Dem Gerichtsbescheid des SG war eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung beigefügt. In der Rechtsmittelbelehrung
wurde darauf hingewiesen, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden kann, die innerhalb eines
Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beim LSG oder beim SG München, deren Anschriften ebenfalls
angegeben waren, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen ist.
Dem Kläger ist hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist auch keine Widereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67
Abs. 1 SGG) zu gewähren. Der Kläger war nicht ohne Verschulden verhindert, die Berufungsfrist einzuhalten.
Seine Prozessbevollmächtigte hat lediglich angegeben, sie befinde sich seit längerer Zeit in Chemotherapie und
könne deshalb nicht immer gleich reagieren. Dass sie durch diese Behandlung während der gesamten Berufungsfrist
von einem Monat daran gehindert war, Berufung einzulegen, wozu ein kurzer formloser Brief ausgereicht hätte, ergibt
sich daraus nicht. Selbst eine stationäre Behandlung stellt in der Regel keinen Grund für eine Wiedereinsetzung dar,
es sei denn, der Betroffenen war (z.B. infolge Bewusstseinsstörungen) nicht in der Lage, seine persönlichen
Angelegenheiten zu regeln oder einen Dritten hiermit zu beauftragen. Im Übrigen hätte der Kläger bei tatsächlicher
Verhinderung seiner bevollmächtigten Ehefrau auch selbst für eine rechtzeitige Einlegung der Berufung Sorge tragen
müssen. Dass er innerhalb der Berufungsfrist hieran gehindert war, ist nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass die Berufung erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.