Urteil des LSG Bayern vom 08.01.2007

LSG Bayern: hauptsache, verfügung, erlass, deckung, form, rechtsgrundlage, zivilprozessordnung, obsiegen, akte, bekleidung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 08.01.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 10 AY 5/06 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 11 B 553/06 AY ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.06.2006 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Streitig ist die Bewilligung von Leistungen nach § 3 Abs 1 Satz 4 Asylbewerberleistungsgsetz (AsylbLG).
Der Antragsteller (ASt) ist iranischer Staatsangehöriger und bezieht seit Februar 2004 Leistungen von der
Antragsgegnerin (Ag). Mit Bescheid vom 20.09.2005 wurde der Leistungsumfang eingeschränkt. Leistungen gemäß §
3 Abs 1 Satz 4 AsylbLG wurden nicht mehr erbracht. Mit Schreiben vom 03.04.2006 beantragte der ASt die
Gewährung eines Taschengeldes. Dies lehnte die Ag mit Bescheid vom 10.05.2006 ab, gegen den der ASt
Widerspruch einlegte. Über diesen ist bislang nicht entschieden.
Am 22.05.2006 beantragte der ASt beim Sozialgericht Bayreuth den Erlass einer einstweiligen Anordnung
dahingehend, ihm bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den von ihm gestellten Asylfolgeantrag gemäß § 3 Abs 1
Satz 4 AsylbLG 40,00 EUR auszuzahlen. Ihm stünden seit längerer Zeit keinerlei Geldmittel zur Deckung des
täglichen Bedarfs zur Verfügung. Er habe einen Asylfolgeantrag gestellt. Er sei vom Islam zum Christentum
übergetreten. Mit Beschluss vom 02.06.2006 hat das Sozialgericht Bayreuth (SG) den Antrag abgelehnt. Es fehle an
einem Anordnungsgrund. Die Eilbedürftigkeit sei nicht zu erkennen, zumal das begehrte Taschengeld nicht vom
verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum umfasst werde. Der notwendige Bedarf des ASt werde
grundsätzlich durch Sachleistungen der Ag gedeckt.
Hiergegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung vorgetragen, er
erhalte keine Gutscheine für Bekleidung und habe zurzeit nur Wintersachen zur Verfügung. Die zur Verfügung
gestellten Körperpflegemittel würden nicht ausreichen und würden im Übrigen von allen Bewohnern der Einrichtung
benützt werden. Von dem zur Verfügung gestellten Essen, das zum Teil bereits angefault sei, werde er nicht satt.
Einen Arztbesuch könne er sich nicht leisten. Hierzu hat die Ag vorgetragen, er erhalte einen Berechtigungsschein für
die Kleiderkammer, Körperpflegemittel stünden im ausreichenden Umfang zur Verfügung, die hygienischen
Anforderungen seien erfüllt, verfaulte Nahrungsmittel könne er umtauschen und bei einem Arztbesuch entstünden ihm
keine Kosten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter
Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig. Das SG hat
ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa
dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare
Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so
BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003,
1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und
das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren
stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs
2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86 b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des
Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und
Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927,
NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache
erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der
Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem
Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die
Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist
gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu
entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 und vom 22.11.2002 aaO).
Vorliegend fehlt es an einem Anordnungsgrund. Diesbezüglich wird zunächst auf die Ausführungen des SG in dem
Beschluss vom 02.06.2006 gemäß § 142 Abs 2 Satz 3 SGG Bezug genommen. Selbst wenn die Erfolgsaussichten in
der Hauptsache als offen anzusehen wären, kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht in
Betracht, denn existenzsichernde Leistungen stehen vorliegend nicht in Frage. Der ASt erhält von der Ag
ausreichende Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums. Insbesondere sind die im Rahmen des
Beschwerdeverfahrens angegebenen Einschränkungen zur Deckung des persönlichen Bedarfs für den Senat nicht
nachvollziehbar. Nachdem dem ASt nach Mitteilung der Ag jederzeit Berechtigungsscheine für Kleiderkammen zur
Verfügung stünden, ausreichend Körpferpflegeartikel vorhanden sind und verfaultes Essen umgetauscht werden kann
sowie ein Arztbesuch jederzeit möglich ist, ohne dass dem ASt hierdurch Kosten entstehen, ist ein Abwarten der
Entscheidung in der Hauptsache dem ASt zuzumuten.
Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Mangels hinreichender Erfolgsaussicht ist Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).