Urteil des LSG Bayern vom 21.07.2006

LSG Bayern: heizung, eltern, abschlagszahlung, form, geburt, beihilfe, nachzahlung, beleuchtung, bestandteil, sozialhilfe

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 21.07.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 1 AS 563/05
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 76/06
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 8. März 2006 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherungs des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) - Alg II - streitig.
Der 1971 geborene Kläger bezog bis 24.03.2003 Arbeitslosengeld (Alg) I und anschließend Arbeitslosenhilfe - Alhi -.
Ab 01.01.2005 bewilligte die Beklagte ihm und seiner 1980 geborenen Ehefrau Alg II, ab 26.06.2005 auch seiner an
diesem Tag geborenen Tochter.
Die Beklagte bewilligte mit Änderungsbescheid vom 02.08.2005 für die Monate April und Mai 2005 monatlich 1.047,92
EUR, für Juni 1.049,68 EUR und für Juli bis September 1.047,92 EUR. In der Begründung heißt es, der Mehrbedarf für
Schwangerschaft sei berücksichtigt und für die Tochter K. eine einmalige Beihilfe von 320,00 EUR angewiesen
worden.
Mit Bescheid vom 19.09.2005 bewilligte die Beklagte Alg II für die Zeit vom 01.10.2005 bis 31.03.2006 in Höhe von
monatlich 1.102,50 EUR. Für die Monate August und September bewilligte sie eine Nachzahlung von insgesamt
109,16 EUR.
Gegen die Bescheide vom 02.08. und 26.09.2005 legte der Kläger Widersprüche ein und machte geltend, es fehle der
vom Einkommen abzusetzende Pauschalbetrag von 30,00 EUR. Auch sei die Beihilfe für die Tochter in Höhe von
320,00 EUR zu niedrig angesetzt. Von der zweimonatigen Abschlagszahlung von 131,00 EUR seien nur 109,16 EUR
erstattet worden.
Mit Bescheid vom 11.10.2005 bewilligte die Beklagte für die Babyerstausstattung 230,00 EUR. Im Übrigen wies sie
mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2005 die Widersprüche als unbegründet zurück. Das minderjährige Kind K. lebe
mit den Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft, folglich könne die Pauschale von 30,00 EUR nicht berücksichtigt
werden; weder der Kläger noch seine Ehefrau erzielten Einkommen. Für die Erstausstattung für Kinderzimmer und für
die Babyerstausstattung seien zu Recht Pauschalbeträge von 320,00 EUR bzw. 230,00 EUR bewilligt worden.
Nach Vorlage einer neuen Abrechnung des Gasversorgers vom 06.09.2005 über die monatliche Abschlagszahlung
von 86,23 EUR berücksichtigte die Beklagte diese rückwirkend ab 01.04.2005.
Mit seiner zum Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe eine
Privathaftpflichtversicherung auf seinen Namen abgeschlossen, die für die ganze Familie gelte. Pauschalen müssten
ohne Nachweis bewilligt werden. Auch verlange er die Differenz zwischen der monatlichen Abschlagszahlung von
65,50 EUR und den bewilligten 54,98 EUR. Bezüglich der Babyerstausstattung habe man ihm keine detaillierte
Berechnungsgrundlage gegeben; er beantrage die Zahlung weiterer 500,00 EUR, da die bisher bewilligten Leistungen
nicht ausreichten.
Mit Urteil vom 08.03.2006 hat das SG die Klage abgewiesen: Nach § 3 der Alg-II-V sei ein Betrag in Höhe von 30,00
EUR monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen abzusetzen vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger
und von dem Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger, soweit diese nicht mit volljährigen Hilfebedürftigen in
Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs.3 SGB II lebten; nach dem klaren Regelungswortlaut komme somit ein Abzug der
Pauschale für die Tochter K. nicht in Betracht. Aus der Abschlagspauschale seien die Energiekosten für die
Warmwasserversorgung herauszurechnen, weil diese im Regelsatz enthalten seien. Es sei nicht zu beanstanden,
wenn in Anlehnung an § 9 Abs.3 Heizkostenverordnung ein Abzug in Höhe von einem Sechstel des Gesamtbetrages
erfolge. Nach § 23 Abs.3 Satz 5 SGB II könnten die Leistungen für Erstausstattungen bei Geburt auch in Form von
Pauschalbeträgen erbracht werden; die Beklagte habe zutreffend ihre Pauschale von 230,00 EUR zugrunde gelegt, die
den Erfahrungswerten entspreche.
Mit seiner Berufung macht der Kläger weiterhin den Abzug der Pauschale von 30,00 EUR, die Erstattung der vollen
Heizungskostenpauschale und zusätzlich 500,00 EUR für Babyerstausstattung geltend.
Das Gericht hat den Kläger mit Schreiben vom 30.05.2006 darauf hingewiesen, dass er bisher nicht schlüssig
nachgewiesen habe, dass ihm die gewährten Pauschalen (320,00 EUR für die Ausstattung des Kinderzimmers und
230,00 EUR für die Beschaffung der Kleidung) nicht ausreichten; der Kläger hat sich hierzu nicht geäußert.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 08.03.2006 aufzuheben sowie die
Bescheide vom 02.08.2005, 19.09.2005, 11.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2005 und
des Bescheides vom 15.12.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höhere Leistungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der
Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein
Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet. Dem Kläger stehen höhere Leistungen nicht zu.
Die Beklagte hat die Leistungen zutreffend berechnet und dem Kläger und seiner Ehefrau die Regelleistung von je
311,00 EUR und für die Tochter K. die Regelleistung von 207,00 EUR bewilligt. Weiterhin hat sie die Grundmiete von
278,92 EUR, die monatlichen Nebenkosten von 94,00 EUR sowie die Kosten der Heizung von 54,58 EUR
übernommen. Nach Anrechnung des Kindergeldes von 154,00 EUR ergibt sich der bewilligte Betrag von 1.102,50
EUR. Aufgrund der mit Rechnung der Stadtwerke Augsburg vom 06.09.2005 für die Zeit vom 16.03. bis 09.08.2005
geforderten Nachzahlung für den Gasverbrauch von 86,23 EUR hat die Beklagte einen einmaligen
Nachzahlungsbetrag - nach Abzug von einem Sechstel für die Warmwasserversorgung - von 71,86 EUR bewilligt.
Zu Unrecht wendet sich der Kläger gegen einen Abzug von einem Sechstel von der Heizungspauschale. Denn die
Kosten für die Haushaltsenergie, wozu auch die Kosten für die Warmwasseraufbereitung zählen, sind in der
Regelleistung des § 20 Abs.1 SGB II enthalten. Dass die Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist und nicht
zu den Kosten der Heizung nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II zählt, hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 20
Abs.1 SGB II durch das Gesetz vom 20.07.2006 (BGBl.I S.1706) klar gestellt. Es handelt sich hierbei nicht um eine
Neuregelung, die für die Zeit vor dem 01.08.2006 nicht anzuwenden wäre. Vielmehr stellt diese Regelung "klar, dass
die Regelleistung auch die Bedarfe für Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile umfasst. Dies
bedeutet, dass insbesondere die Energiekosten für die Kochfeuerung, Warmwasserbereitung und Beleuchtung aus der
Regelleistung zu bestreiten sind und nicht als Bestandteil von Kosten der Unterkunft und Heizung gesondert
übernommen werden. Die Klarstellung ist vor dem Hintergrund notwendig, dass die Sozialhilfe grundsätzlich als
Referenzsystem für die Bemessung der Regelleistung im SGB II dient. Bei der Bemessung des Regelsatzes nach der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe werden insbesondere auch die Bedarfe für die Kochfeuerung, die
Warmwasserbereitung und Beleuchtung berücksichtigt. Eine Übernahme dieser Kosten im Rahmen der Leistungen für
Unterkunft und Heizung würde daher zu einer systemwidrigen "doppelten" Leistungserbringung führen" (BT-
Drs.16/1410 S.59). Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber von Anfang an den bereits im Sozialhilferecht
geltenden Grundsatz regeln wollte, dass die Kosten für die Warmwasserbereitung nicht auch Kosten der Heizung sind.
Das Kindergeld ist als Einkommen des Kindes gemäß § 11 Abs.1 Satz 3 SGB II ungekürzt anzurechnen. Ein Abzug
für Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen im Sinne des § 11 Abs.2 Nr.3 SGB II ist nicht vorzunehmen,
da für die Tochter K. keine eigene Versicherung dahingehend abgeschlossen wurde, dass sie Versicherungsnehmerin
wäre. Auch ein Pauschbetrag von 30,00 EUR ist nicht abzusetzen. Dies wäre nach § 3 Nr.1 der Verordnung zur
Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld
II/Sozialgeld (Alg II-V) nur der Fall, wenn die minderjährige Tochter nicht mit ihren volljährigen Eltern in
Bedarfsgemeinschaft leben würde. Diese Vorschrift ist rechtmäßig und wirksam und verstößt nicht gegen höheres
Recht. Denn für diese Vorschrift existiert ein sachlicher Grund, da minderjährige Kinder, die mit Volljährigen, in der
Regel den Eltern, in Bedarfsgemeinschaft leben, gewöhnlich keine eigenen Versicherungen abgeschlossen haben. Bei
Nachweis einer solchen Versicherung kann der jeweilige Versicherungsbeitrag abgesetzt werden.
Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte anlässlich der Geburt der Tochter für Erstausstattungen der
Wohnung und Bekleidung gemäß § 23 Abs.3 Satz 1 Nrn.1 und 2 SGB II insgesamt 550,00 EUR gezahlt hat. Gemäß §
23 Abs.3 Satz 4 SGB II können diese Leistungen in Form von Pauschalbeträgen erbracht werden. Nach § 23 Abs.3
Satz 5 SGB II sind bei der Bemessung der Pauschalbeträge geeignete Angaben über die erforderlichen
Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen. Der Beklagten kommt bei der Festlegung
der Pauschalen entsprechend ihren Erfahrungswerten ein Beurteilungsspielraum zu. Ein Betrag von 550,00 EUR ist im
Regelfall ausreichend. Der Kläger hat trotz Hinweis des Gerichts nicht nachgewiesen, dass in seinem Fall höhere
Aufwendungen erforderlich waren, so dass keine geeigneten Angaben über die erforderlichen Aufwendungen im Sinne
des § 23 Abs.3 Satz 5 SGB II vorliegen. Damit erweist sich auch diese Entscheidung der Beklagten als rechtmäßig.
Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 08.03.2006 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.