Urteil des LSG Bayern vom 19.09.2008

LSG Bayern: befangenheit, bevorzugung, fehlerhaftigkeit, willkür, rüge, beteiligter, unparteilichkeit, schweigepflicht, ernährung, verfügung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 19.09.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 46 SO 410/06
Bayerisches Landessozialgericht L 5 SF 112/08 SO
Die Ablehnung des Vorsitzenden der 46. Kammer des Sozialgerichts München, B. am Sozialgericht H., wegen
Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet.
Gründe:
Die Klägerin führt vor der 46. Kammer des Sozialgerichts München (SG), deren Vorsitzender der B. am Sozialgericht
(RiSG) H. ist, gegen die Beklagte einen Rechtsstreit wegen Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Die
seit August 2006 anhängige Klage wurde von der Klägerin trotz Ankündigung nicht näher begründet. Im
Verhandlungstermin vom 18.04.2008 wurde das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten erörtert. Dabei wurde
den Beteiligten aufgegeben, sämtliche zur Verfügung stehenden ärztlichen Unterlagen vorzulegen und die Klägerin
wurde aufgefordert, Namen und Anschriften der behandelnden Ärzte sowie Klinikaufenthalte mitzuteilen.
Entsprechende Unterlagen gingen in der Folge beim SG ein. Die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht
erfolgte durch die Klägerin jedoch mit der Einschränkung, dass die genannten Ärzte sich nur zur Erkrankung
"Polyneuropathie" sowie zu den sich daraus ergebenden Folgeerkrankungen äußern dürften. Mit Schreiben vom
27.05.2008 ließ RiSG H. die Klägerin darauf hinweisen, dass die Schweigepflichtentbindung nicht ausreichend sei, da
nach Auffassung des Gerichts die Polyneuropathie in keinerlei Zusammenhang mit dem geltend gemachten
Mehrbedarf stehe. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 10.06.2008 lehnte die Klägerin daraufhin RiSG H. wegen
Besorgnis der Befangenheit ab. Das Ablehnungsgesuch stützt er im Wesentlichen darauf, dass RiSG H. ohne
Fachmann zu sein behaupte, dass Polyneuropathie in keinem Zusammenhang mit dem geltend gemachten
Mehrbedarf stünde. Er rügt ferner das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2008 als äußerst dürftig und
unvollständig. Er hege die Befürchtung, dass RiSG H. mit der Beklagten dazu beitragen wolle, die Klägerin im
Psychiatriesystem zu "entsorgen". Sinngemäß hält er dem Kammervorsitzenden auch die Bevorzugung der Beklagten
im Verhandlungstermin vor. RiSG H. hat sich zum Ablehnungsgesuch dienstlich geäußert, wozu der
Klägerbevollmächtigte Stellung genommen hat. II. Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen B. der
Sozialgerichte abgelehnt werden, ist das Landessozialgericht zuständig (§ 60 Abs.1 Satz 2 SGG). Nach § 60 SGG
i.V.m. den §§ 42 ff. ZPO kann ein B. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt,
der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am
Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und
objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig
denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Klägerin keinen Anlass,
die Unvoreingenommenheit und objektive Einstellung des RiSG H. in Zweifel zu ziehen. Soweit die Klägerin
bemängelt, dass RiSG H. einen möglichen Zusammenhang der Polyneuropathie mit dem geltend gemachten
Mehrbedarf verneine, so wendet sie sich gegen die dadurch zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung des
Richters. Die Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist jedoch grundsätzlich kein geeignetes Mittel,
sich gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, es sei denn die
mögliche Fehlerhaftigkeit beruhte auf Willkür des Richters. Objektive Anhaltspunkte hierfür vermag der Senat im
vorliegenden Sachverhalt und im Vorbringen der Klägerin nicht zu erkennen. Worauf sich die Befürchtung stützen
sollte, der B. wolle die Klägerin einer psychiatrischen Begutachtung unterziehen, ist nicht nachvollziehbar. Die Rüge
des Inhalts des Sitzungsprotokolls vom 18.04.2008 geht ins Leere, da die Niederschrift den Anforderungen des § 122
SGG i.V.m. § 160 ZPO entspricht und vor allem Protokollierungsanträge nicht gestellt wurden. Letztlich entbehrt der
Vorhalt der Bevorzugung der Beklagten im Verhandlungstermin jeder Grundlage, zumal dies auch nicht im Sinne des
§ 44 Abs.2 ZPO glaubhaft gemacht wurde. Das Ablehnungsgesuch gegen RiSG H. ist somit als unbegründet
zurückzuweisen. Diese Entscheidung ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.