Urteil des LSG Bayern vom 22.05.2001
LSG Bayern: angina pectoris, zumutbare tätigkeit, erwerbsunfähigkeit, arbeitsmarkt, berufsunfähigkeit, erwerbsfähigkeit, ausbildung, zustand, stress, myokardinfarkt
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 22.05.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 7 RJ 5044/97 It
Bayerisches Landessozialgericht L 5 RJ 215/99
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. März 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
In diesem Rechtsstreit geht es um die Weitergewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente über den 31.12.1994 hinaus.
Der am 1950 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Italien. In der Bundesrepublik
Deutschland hat er von April 1969 bis August 1975 66 Monate Pflichtbeitragszeit erworben. Nach seiner Rückkehr
nach Italien hat er dort zuletzt als Schweisser gearbeitet.
Am 03.05.1988 erlitt der Kläger in Italien einen Myokardinfarkt, aufgrund dessen ihm mit Bescheid vom 31.05.1995
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit vom 02.11.1988 bis 30.06.1992 gewährt wurde. Auf seinen Widerspruch hin
wurde die Rente mit Bescheid vom 14.05.1997 bis zum 31.12.1994 verlängert. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 07.07.1997 zurückgewiesen, weil der Kläger ab 01.01.1995 wieder in der Lage sei, leichte
Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu ebener Erde vollschichtig zu verrichten.
Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Augsburg (SG) mit Urteil vom 17.03.1999 ab. Der Kläger habe
über den 31.12. 1994 hinaus keinen Anspruch auf Rente mehr, weil nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen,
die vom Medizinalreferat der Beklagten ausgewertet worden seien, davon ausgegangen werden müsse, dass der
Kläger wieder leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten könne. Neuere
medizinische Unterlagen habe er nicht vorgelegt, und er sei auch trotz Hinweises auf die Mitwirkungspflicht nicht
bereit gewesen, mitzuteilen, wo weitere Nachweise zu erhalten seien. Vielmehr habe er auf den Hinweis überhaupt
nicht reagiert.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Berufung eingelegt mit der Begründung, er beziehe
seit 1988 vom italienischen Rentenversicherungsträger eine Teilrente auf Dauer. Die vom italienischen
Versicherungsträger erstellten Gutachten zeigten, dass auch über den 31.12.1994 hinaus bis auf weiteres
Erwerbsunfähigkeit vorliege. Eine neuerliche Untersuchung des Klägers sei unumgänglich.
Der Senat hat daraufhin mit Beweisanordnung vom 11.10.2000 den Internisten Dr.H. mit der Untersuchung des
Klägers beauftragt. Dieser erschien jedoch nicht zum vorgesehenen Untersuchungstermin, sondern legte ein Attest
seines behandelnden Arztes vor, wonach er unter Agoraphobie leide und nicht in der Lage sei, Verkehrmittel zu
benutzen. Außerdem könne er wegen einer Anstrengungsangina keine weiteren Reisen unternehmen. Vorgelegt
wurden ferner Klinikberichte aus den Jahren 1989 bis 1993, eine Herzkatheteruntersuchung vom Oktober 1994,
kardiologische Untersuchungensberichte vom 20.02.1995, 26.09.1996 und 03.02.1997 aus der Heimat des Klägers mit
EKG und Ergometrie in drei Stufen. Zuletzt liegen noch ein Belastungs-EKG vom Februar 1999 vor sowie ein
Myokard-Szintigramm vom 22.09.1999.
Der Sachverständige erstellte daraufhin ein Gutachten nach Aktenlage vom 05.01.2001, in dem die vorgenannten
ärztlichen Unterlagen ausgewertet wurden. Er kommt zu folgende Diagnosen: 1. Manifeste arterielle Hypertonie. 2.
Hyperlipoproteinämie. 3. Antero-Septalinfarkt 1988 bei 1. und 2. 4. Zustand nach Dreifach aorto-coronarem Bypass
1994 ohne Anhalt für Bypassdysfunktion mit guter linksventrikulärer Funktion mit stabiler angina pectoris bei 3.
Seit den Vorgutachten sei eine Besserung des Gesundheitszustands des Klägers eingetreten durch den dreifach
aorto-coronaren Bypass im Oktober 1994, der eine gute Funktion aufweise und zu einer stabilen angina pectoris
geführt habe, so dass wieder vollschichtiges Leistungsvermögen ab Januar 1995 gegeben sei. Die übrigen
Gesundheitsstörungen hätten keine Verschlimmerung erfahren. Der Kläger werde bei Tätigkeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt durch diese Gesundheitsstörungen nur insofern behindert, als schwere und mittelschwere körperliche
Arbeiten nicht mehr zumutbar seien. Das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg habe zu entfallen, ebenso wie
Arbeiten unter Stress sowie Akkordarbeiten. Bezüglich des Anmarschweges und der Arbeitshaltung bestünden keine
Einschränkungen. Die Arbeiten könnten sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen durchgeführt werden.
Auf die Frage des Senates, ob die Berufung unter diesen Umständen aufrechterhalten werde, erfolgte keine Reaktion.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17.03.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der
Bescheide vom 31.05.1995 und 14.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1997 zu
verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.12.1994 hinaus auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17.03.1999 zurückzuweisen.
Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG Augsburg.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.
Ein Anspruch auf Rente steht dem Kläger über den 31.12.1994 hinaus nicht mehr zu.
Nach §§ 43 Abs.1, 44 Abs.1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der hier einschlägigen bis zum 31.12.2000
geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65.Lebensjah- res Anspruch auf Rente wegen
Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit, wenn sie berufs- bzw. erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor
Eintritt der Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder
Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt
haben.
Gemäß § 43 Abs.2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder wegen
Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit
ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach
denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und
Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres
bisherigen Berufs oder der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Diese Voraussetzungen sind beim Kläger seit Januar 1995 nicht mehr erfüllt. Zwar hat er am 03.05.1988 einen
Myokardinfarkt erlitten, aufgrund dessen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis 31.12.1994 gewährt wurde. Die
Folgen dieser Erkrankung konnten jedoch durch eine erfolgreiche dreifach aorto-coronare Bypassoperation im Oktober
1994 weitestgehend behoben werden. Dies konnte der vom Senat mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte
Internist und Angiologe Dr.H. aufgrund der zahlreichen ärztlichen Unterlagen, die einen Zeitraum von 1989 bis
September 1999 abdecken, zweifelsfrei feststellen. So konnte bei mehreren Belastungs-EKG s (Juli 1996, Februar
1999) die Belastung bis auf 100 Watt gesteigert werden, ohne Hinweise auf eine coronare Herzerkrankung. Ein
Myokard-Szintigramm vom September 1999 wies eine hervorragende Bypassfunktion auf. Die derzeitige Medikation
beschränkt sich auf den Thrombozyten-Aggregationshemmer Acetylsalicilsäure. Orale Nitrate werden nicht benötigt.
Somit handelt es sich beim Kläger um einen sehr guten postoperativen Zustand, wie Dr.H. überzeugend nachweist.
Die von dem Sachverständigen darüber hinaus diagnostizierte arterielle Hypertonie sowie die Hyperlipoproteinämie
wurden medikamentös eingestellt.
Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen, die sich auf die ärztlichen Unterlagen aus der Heimat des Klägers
beziehen, hat der Senat nicht. Weitere, leistungseinschränkende Befunde sind nicht nachgewiesen. Der Kläger hat es
abgelehnt, zur Untersuchung zu erscheinen.
Mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen ist er noch in der Lage, leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten.
Lediglich schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten, die das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg beinhalten
sowie Arbeiten unter Stress und im Akkord scheiden aus. Damit kann er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, noch
mehr als die Hälfte eines vergleichbaren körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und
gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten verdienen. Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt muss er sich verweisen
lassen, da er zuletzt die Tätigkeit eines Schweissers, also eine Anlerntätigkeit ausgeübt hat.
Der Kläger ist demnach seit dem 01.01.1995 nicht mehr berufsunfähig im Sinne von § 43 Abs.2 SGB VI a.F ...
Erwerbsunfähigkeit liegt damit erst recht nicht vor, da diese ein noch weiteres Absinken der Erwerbsfähigkeit
voraussetzen würde und der Kläger zudem noch vollschichtig einsatzfähig ist (§ 44 Abs.2 SGB VI).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Neufassung des § 43 SGB VI mit Wirkung vom 01.01.2001, weil hierfür
das Leistungsvermögen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf unter sechs Stunden und für eine
Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unter drei Stunden abgesunken sein müsste (§ 43 Abs.1 Satz 2, Abs.2
Satz 2, Abs.3 SGB VI in der Fassung vom 20.12.2000).
Die Berufung des Klägers kann damit keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.