Urteil des LSG Bayern vom 05.04.2000

LSG Bayern: witwenrente, öffentliches recht, versorgung, beratungspflicht, fürsorgepflicht, behörde, unterlassen, verwaltungshandeln, wiederaufnahme, versicherter

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 05.04.2000 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 5 V 13/98
Bayerisches Landessozialgericht L 18 V 1/00
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 01.12.1999 aufgehoben und der
Bescheid des Beklagten vom 09.01.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1998 abgeändert.
II. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Witwenversorgung ab 01.01.1992 zu gewähren. III. Der Beklagte hat der
Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Beginn einer wieder aufgelebten Witwenrente nach dem ersten Ehemann der Klägerin.
Die am ...1917 geborene Klägerin war in erster Ehe mit dem am 25.01.1943 gefallenen ... (M) verheiratet. Der
Anspruch auf Witwenversorgung war durch die Verheiratung mit ... (F) am 30.08.1947 erloschen. Nach dem Tod des F
stellte die Klägerin am 26.09.1984 erneut Antrag auf Gewährung von Witwenversorgung nach M, die der Beklagte mit
Bescheid vom 03.12.1984 gewährte. Eine zahlbare Witwenrente ergab sich wegen Anrechnung der Witwenrente aus
der Arbeiterrentenversicherung nach dem zweiten Ehemann nicht. Der Folgebescheid vom 06.11.1986 enthielt
folgenden Zusatz: "Bei den derzeitigen Einkommensverhältnissen errechnet sich kein Zahlbetrag der Witwenrente.
Der Versorgungsfall wird deshalb aus dem laufenden Bestand genommen. Eine evtl (Wieder-)Gewährung von
Witwenrente aufgrund einer Änderung ihrer Einkommensverhältnisse - ausgenommen natürlich die Erhöhung infolge
der jährlichen Rentenanpassungen - (zB als Bewilligung von Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
nach dem ersten Ehemann) ist somit nur auf Ihren entsprechenden Antrag hin möglich."
Mit Schreiben vom 25.09.1997 empfahl der Beklagte der Klägerin beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf
Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten zu stellen, da sie durch das Rentenreformgesetz (RRG 1992) einen
neuen Witwenrentenanspruch haben könnte. Im Falle einer positiven Entscheidung durch den
Rentenversicherungsträger würde ihr eine insgesamt höhere Witwenversorgung zustehen.
Am 12.10.1997 stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Witwenversorgung nach dem
Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken teilte dem
Beklagten mit Schreiben vom 10.12.1997 mit, dass der Klägerin Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des M ab
01.10.1996 bewilligt worden sei. Die Rentenhöhe betrage Null DM.
Der Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 09.01.1998 im Anschluss an den Bescheid vom 06.11.1986
von Amts wegen Witwenrente nach Wiederaufleben des Anspruches ab Oktober 1996 in Höhe von 557,00 DM und ab
Juli 1997 in Höhe von 565,00 DM.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und begehrte, ihr die Rente nach dem BVG bereits ab dem
01.01.1992 zu gewähren. Sie machte geltend, ihren Anspruch aufgrund der Unkenntnis der Rechtslage nicht früher
geltend gemacht zu haben. Der Beklagte habe es versäumt, sie rechtzeitig auf die geänderte Rechtslage
hinzuweisen. Wegen dieses Beratungsfehlers habe sie gegen den Beklagten einen sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.1998 zurück. Er bestritt das Bestehen
eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches, da er keine objektive Pflichtverletzung begangen habe. Die im Archiv
abgelegten Akten hätten nicht mehr unter laufender Überwachung gestanden. Zum Zeitpunkt der Abgabe an das
Archiv habe nicht vorhergesehen werden können, dass sich ab 01.01.1992 die Rechtslage in der gesetzlichen
Rentenversicherung so ändern werde, dass sich wieder eine Witwenrente nach dem BVG errechnen werde. Aufgrund
einer internen Weisung vom 11.11.1991 hätten die Bayer. Versorgungsämter die im EDV-Datenbestand erfassten
Fälle des § 44 BVG hinsichtlich des Anspruchs auf Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem
vorletzten Ehemann aufgrund des RRG überprüft. Die EDV-Listen hätten naturgemäß nur den laufenden Bestand und
nicht die im Archiv abgelegten Fälle enthalten. Die Auskunfts- und Beratungspflicht gehe nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) nicht soweit, dass bei jeder Rechtsänderung auch Archivfälle mit erheblichem
Verwaltungsaufwand durchforstet werden müssten.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Bayreuth hat die Klägerin weiterhin die Zahlung der
Witwenrente ab 01.01.1992 begehrt. Sie hat den Beklagten für verpflichtet gehalten, die bereits im Archiv befindlichen
Akten zeitnah nach dem In-Kraft-Treten des RRG 92 durchzusehen. Durch die unterschiedliche Organisation von
laufenden EDV- und Archivfällen sei auch der Gleichheitsgrundsatz verletzt worden.
Auf Anfrage des SG hat der Beklagte mit Schreiben vom 25.06.1998 mitgeteilt, dass nach Auskunft seiner EDV-
Abteilung im Jahr 1991 die Wiederaufnahme des ruhenden Bestandes in den laufenden Bestand rein technisch
möglich gewesen sei. Wegen des erheblichen Programmieraufwands und vieler anderer Programmierarbeiten sei von
einer Wiederaufnahme des ruhenden Bestandes aber abgesehen worden. An eine zeitraubende und personalintensive
Durchforstung der im Archiv gelagerten Fälle sei damals und jetzt nicht gedacht gewesen. Das Versorgungsamt
Bayreuth habe von sich aus etwa im Sommer/Herbst 1997 in einer Phase des geringeren Arbeitsdrucks das Archiv
durchforstet und dabei neben vielen anderen gleichgelagerten Fällen den vorliegenden Fall aufgegriffen. Ein konkreter
Anlass zur Beratung habe nicht bestanden, da die für die Klägerin offensichtlich positive Dispositionsmöglichkeit nicht
im Wege der normalen Aktenbearbeitung erkennbar gewesen sei.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 01.12.1999 abgewiesen. Es hat ein objektives Fehlverhalten des Beklagten
verneint und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Beklagte im Rahmen seiner Organisationsgewalt
selbständig über den Personaleinsatz entscheiden dürfe und dies vom Gericht zu respektieren sei.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und zusätzlich zu ihrem bisherigen Vorbringen die Auffassung
vertreten, die Fallgruppe der Witwenrente nach dem vorletzten Ehemann hätte bei der Herausnahme aus dem
laufenden Bestand in der EDV vermerkt werden müssen. Eine möglicherweise fehlerhafte Archivierung und der damit
verbundene erhöhte Programmieraufwand könnten nicht zu ihren Lasten gehen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Bayreuth vom 01.12.1999 aufzuheben und den Bescheid vom 09.01.1998 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 13.03.1998 abzuändern sowie den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin
Witwenversorgung ab 01.01.1992 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 01.12.1999 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Beschädigtenakte des Beklagten, die beigezogene Witwenrentenakte der
Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken 18 28 07 14 M 028 und die Gerichtsakten beider
Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Witwenversorgung ab 01.01.1992 im Wege des
Herstellungsanspruches.
Die Wiedergewährung der Witwenversorgung nach dem BVG beruhte auf einer Gesetzesänderung durch das RRG
1992 mit Wirkung ab 01.01.1992, wonach ein rentenversicherungsrechtlicher Anspruch nach dem vorletzten
Ehegatten nicht mehr davon abhing, ob im Zeitpunkt der Wiederheirat ein Anspruch auf Rente bestanden hat (§ 46
Abs 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -SGB VI-). Nach dem RRG 1992 wird im Fall eines neuen
Witwenrentenanspruches nach dem vorletzten Ehegatten der Anspruch auf Witwenrente, Versorgung, Unterhalt oder
auf sonstige Renten nach dem letzten Ehegatten auf die neue Witwenrente angerechnet (§ 90 Abs 1 SGB VI).
Nach § 44 Abs 2 BVG lebt der Anspruch auf Witwenversorgung wieder auf, wenn die neue Ehe aufgelöst oder für
nichtig erklärt wird. Die Neuregelung durch das RRG hatte direkte Auswirkungen auf den Anspruch nach dem BVG,
weil nach § 44 Abs 5 Satz 1 BVG Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche, die sich aus der neuen Ehe
herleiten, auf die Witwenrente (Abs 2) nur insoweit anzurechnen sind, als sie nicht schon zur Kürzung anderer
wiederaufgelebter öffentlich-rechtlicher Leistungen geführt haben. Der neue Anspruch gegen den Träger der
gesetzlichen Rentenversicherung, der auch Null DM betragen kann, führt somit zu einem höheren Anspruch nach dem
BVG.
Die Voraussetzungen für den Herstellungsanspruch liegen hier vor. Die verspätete Antragstellung der Klägerin auf
Wiedergewährung der Witwenversorgung ist durch ein objektives Fehlverhalten des Beklagten verursacht worden. Der
Beklagte war verpflichtet, die Klägerin bereits im Jahr 1992 zur Antragstellung beim Rentenversicherungsträger
anzuregen.
Der Herstellungsanspruch ist in der Rechtsprechung des BSG ua anerkannt, wenn ein Versicherter durch eine
Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflicht der Verwaltung von der rechtzeitigen Wahrnehmung ihm
zustehender Rechte abgehalten wurde (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 20). Es muss sich um Sachverhalte handeln, bei
denen durch ein objektives Fehlverhalten der Verwaltung die Entscheidung des Versicherten über die Wahrnehmung
von Rechten zu seinen Ungunsten fehlgeleitet wurde, das Verwaltungshandeln (oder -unterlassen) somit zu der für
den Versicherten ungünstigen Rechtsposition beigetragen haben (aaO).
Die Versorgungsverwaltung hatte im Rahmen ihrer (fortbestehenden) Fürsorgepflicht festzustellen, welche Leistungen
der Klägerin zustehen. Der Beklagte war gemäß § 17 Abs 1 Nr 1 SGB I verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die
Klägerin die ihr zustehenden Sozialleistungen umfassend erhält. Die Behörde hat im Rahmen ihrer Fürsorge- und
Betreuungspflicht alles zu tun, damit der Bürger, der ihrem amtlichen Wirken anvertraut ist, alle Leistungen erhält,
deren materiell-rechtliche Voraussetzungen er erfüllt. Dabei ist das Antragsprinzip nicht schematisch und formalisiert
zu handhaben (Rohr/Strässer Kommentar zum BVG § 1 K 40 unter Verweisung auf BSG-Rechtsprechung).
Ausgehend von diesen Voraussetzungen ist ein Herstellungsanspruch der Klägerin zu bejahen. Der Beklagte war
verpflichtet, die Neuregelung des RRG 1992 auf alle von ihm betreuten Hinterbliebenen anzuwenden. Hierzu hatte der
Beklagte geeignete Maßnahmen zu treffen, dass auch einschlägige Archivfälle (ruhender Bestand) in den Genuss der
Neuregelung kommen. An dem Erfordernis einer Antragstellung der betroffenen Versorgungsberechtigten o h n e eine
entsprechende Aufforderung durch den Beklagten hat der Beklagte - anders als im Zusatz zum Bescheid der Klägerin
vom 06.11.1986 - nicht festgehalten. Vielmehr hat er den im laufenden EDV-Bestand enthaltenen
Versorgungsberechtigten im Jahr 1991 anheim gestellt, bei den Versicherungsträgern einen Antrag auf Gewährung
einer Versichertenrente nach dem ersten Ehemann zu stellen.
Der Beklagte beruft sich bei seiner Ablehnung zu Unrecht auf die im Bereich der Rentenversicherung ergangene
Rechtsprechung des BSG zum Herstellungsanspruch. Das BSG hat entschieden, dass ein Tätigwerden der Behörde
im Rahmen der Betreuungspflicht nur dann zu bejahen ist, wenn sich ein konkreter Anlass im Rahmen eines
Verwaltungsverfahrens ergibt, den Versicherten spontan auf klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeiten
hinzuweisen (so BSG SozR 3-2600 § 115 Nrn 2, 3 und 4 mwN). Dabei setzt die Annahme eines konkreten Anlasses
für die Beratung im Allgemeinen voraus, dass zumindest tatsächlich eine Sachbearbeitung durch einen Mitarbeiter
des Versicherungsträgers stattgefunden hat und nicht nur eine EDV-gestützte Abarbeitung massenhafter Rentenfälle
vorliegt (aaO). Das BSG hat einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auch nach einer Verletzung der aus § 115
Abs 6 SGB VI resultierenden Hinweispflicht auf einen Rentenantrag in Betracht gezogen (aaO). Nach dieser Vorschrift
sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine
Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Diese gesetzliche Regelung hat den Sinn und Zweck,
Versicherte in bestimmten Fällen vor den Nachteilen des Antragsprinzips zu bewahren, zumindest dann, wenn sie im
Hinblick auf eine komplizierte gesetzliche Regelung schwierig vorauszusehen sind. Wenn die Adressaten derartiger
Hinweise - jedenfalls als "Fallgruppe" - bestimmbar sind, steht den Angehörigen dieser Gruppe ein subjektiv-
öffentliches Recht auf Erteilung eines Hinweises zu. Im Gegensatz zur allgemeinen Aufklärung der Versicherten über
ihre Rechte (§ 13 SGB I) ist hier der Rentenversicherungsträger verpflichtet, den Angehörigen der Fallgruppe die
entsprechenden Hinweise im Regelfall zu geben, wenn es ihm möglich ist, zu erkennen, dass bei typischen
Sachverhalten die Angehörigen einer abgrenzbaren Gruppe von Versicherten durch die Rentenantragstellung höhere
Leistungen in nicht unerheblichem Umfang erhalten (aaO).
Diese für den Bereich der Rentenversicherung entwickelte Rechtsprechung zum Herstellungsanspruch kann nicht
ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall des sozialen Entschädigungsrechts übertragen werden. Zum einen ist es
schon zweifelhaft, ob die Grundsätze über eine Spontanberatung bei archivierten Fällen überhaupt zur Anwendung
kommen können, da derartige Versorgungsfälle nicht mehr im Rahmen der "normalen" Sachbearbeitung und
Bestandspflege bearbeitet werden. Zum anderen findet sich im Versorgungsrecht keine dem § 115 Abs 6 SGB VI
vergleichbare Regelung. Dies ist nach Auffassung des Senats aber auch nicht erforderlich. Denn auch ohne
ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht eine der Vorschrift des § 115 Abs 6 SGB VI vergleichbare Verpflichtung
des Beklagten zur Beratung aufgrund der im sozialen Entschädigungsrecht zu fordernden gesteigerten Fürsorgepflicht
des Beklagten. Die Nichterfüllung der Beratungspflicht im Zusammenhang mit der mangelhaften Erfassung der
Fallgruppe "Null-Fälle bei wieder aufgelebter Witwenrente" stellt ein objektives Fehlverhalten des Beklagten dar, für
das er im Rahmen des Herstellungsanspruches einzustehen hat.
Der Beklagte bestreitet die ihm obliegende Fürsorgepflicht zur Anregung einer Antragstellung nach dem RRG 1992
nicht. Dies ergibt sich schlüssig aus der von ihm durchgeführten Aufklärungsaktion im Jahr 1991. Der Beklagte fordert
auch für die vom RRG 1992 erfasste Fallgruppe der wiederaufgelebten Witwenrenten nicht die strenge Einhaltung des
Antragsprinzips. Dies ist rechtens, da es sich in diesen Fällen nicht um Erstanträge auf Versorgung handelt. Es ist
deshalb auch rechtlich zutreffend, wenn der Beklagte den Bescheid vom 09.01.1998 von Amts wegen und nicht auf
Antrag hin erlassen hat. Für die Herausnahme des Versorgungsfalles der Klägerin aus dem laufenden Bestand gab es
keine gesetzliche Grundlage. Der Speichervermerk des Beklagten vom 13.11.1986 im Datenbestand "weggefallen ab
12/86 wegen Entzugs" stellt lediglich einen internen Arbeitsvermerk dar, der im Übrigen nicht zutreffend war, da der
Klägerin die Witwenversorgung nicht entzogen worden ist. Eines erneuten Antrags der Klägerin bei dem Beklagten zur
"Wiedergewährung der Witwenrente" bedurfte es daher nicht. Selbst in den gesetzlich geregelten Fällen des Ruhens
von Versorgungsleistungen gemäß § 65 BVG (Ausschluß von Doppelleistungen bei gleichzeitigem Bezug von
Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder nach beamtenrechtlichen Bestimmungen) erlischt der
Anspruch auf Versorgung nicht (VV Nr 1 zu § 65 BVG) und es bedarf keiner erneuten Antragstellung bei Wegfall des
Ruhensgrundes, vielmehr ist die Versorgung von Amts wegen zu gewähren (Rohr/Strässer aaO § 65 K 2).
Der Beklagte hat die archivierten Null-Fälle zu Unrecht nicht in die Aufklärungsaktion des Jahres 1991 einbezogen. Er
hätte die Archivfälle auch unter Inkaufnahme eines erheblichen Arbeitseinsatzes wieder aufgreifen müssen. Es kann
und darf nicht vom zufälligen Willen und den personellen Möglichkeiten des jeweiligen Versorgungsamtes abhängen,
ob entsprechende Nachforschungen im Archiv angestellt werden. Dadurch dass der Beklagte es unterlassen hat, für
Bayern eine generelle Regelung zur Erfassung der Altfälle zu treffen, hat er den Boden gesetzmäßigen
Verwaltungshandelns verlassen. Wenn der Beklagte die EDV-mäßige Erfassung der abgrenzbaren Gruppe von
Versorgungsberechtigten zeitnah überhaupt nicht für realisierbar gehalten hat, ist hierin nicht - wie das SG annimmt,
ein vom Gericht hinzunehmendes Verwaltungshandeln als Ausfluss der behördlichen Organisationsgewalt zu sehen.
Vielmehr erfüllt der Beklagte bewusst nicht den in § 17 Abs 1 Nr 1 SGB I normierten gesetzlichen Auftrag, den
Kriegsopfern die ihnen zustehenden Versorgungsleistungen umfassend und schnell zu gewähren. Diese allein der
Sphäre des Beklagten zuzurechnende Weigerung, soziale Leistungen zu gewähren, geht zu Lasten des Beklagten und
ist durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auszugleichen. Dabei bleibt es selbstverständlich dem
Beklagten überlassen, wie er sein vorhandenes Personal einsetzt. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns des
Beklagten wird aber nicht dadurch ausgeräumt, dass ihm möglicherweise im EDV-Bereich die personellen und
sächlichen Möglichkeiten zur Erfassung der abgrenzbaren Gruppe der Versorgungsberechtigten gefehlt haben. Denn
der Herstellungsanspruch fordert lediglich die Feststellung einer objektiven Pflichtverletzung und es ist ohne Belang,
worauf sich diese Pflichtverletzung letztlich gründet. Dass eine EDV-mäßige Erfassung - und nicht nur eine
zeitraubende Durchforstung des Archivs - der wieder aufgelebten Witwenrenten möglich gewesen wäre, hat der
Beklagte selbst eingeräumt.
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch bleibt im Rahmen der nicht mehr als vier Jahre rückwirkenden
nachträglichen Leistungsgewährung (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 25).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision iSd § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.