Urteil des LSG Bayern vom 26.06.2007

LSG Bayern: beitragspflichtige beschäftigung, betriebsmittel, nachforderung, ausnahme, gewerbe, baustelle, verhinderung, lagerplatz, form, anweisung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 26.06.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 1 R 4215/99 E
Bayerisches Landessozialgericht L 5 KR 308/06
Bundessozialgericht B 12 KR 70/07 B
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24. August 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat dem Beigeladenen zu 7) dessen notwendige außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge zu
erstatten. III. Sonstige außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen aufgrund
einer Betriebsprüfung der Beklagten.
Die Klägerin betreibt in M. ein Einzelunternehmen mit Gegenstand Gerüstbau und Gerüstverleih. Die Beigeladenen zu
1) bis 7) sind bzw. waren als Gerüstbauer für die Klägerin tätig. Aufgrund einer Baustellenprüfung des Hauptzollamtes
und in Auswertung von Befragungen der Gerüstbauer machte die Beklagte mit Bescheid vom
30.10.1998/Widerspruchsbescheid vom 11.06.1999 für den Prüfungszeitraum 01.07.1994 bis 31.05.1998 eine
Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen in Höhe von DM 328.833,60 geltend. Die
Klägerin habe die Beigeladenen zu 1) bis 7) als selbständige Gerüstbauer geführt, diese seien jedoch
versicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer gewesen. Sie seien in den Betriebsablauf der Klägerin eingegliedert
gewesen, hätten ihrer regelmäßigen Kontrolle unterlegen, ihnen seien Weisungen erteilt worden und sie hätten die
gleichen Arbeiten wie fest angestellte Arbeitnehmer ausgeführt. Sie hätten ihre Arbeitszeit nicht frei gestalten können,
ausschließlich Gerüste, Fahrzeuge und zum Teil Werkzeuge der Klägerin benutzt; diese habe auch die
Preisgestaltung vorgegeben und bei plötzlicher Verhinderung eine Abmeldung verlangt. Sie hätten über keine eigenen
Geschäftsräume verfügt, ebensowenig über eigene Betriebsmittel oder eigenes Kapital, hätten keine
Unternehmerrisiken getragen aber auch keine Unternehmenschancen gehabt und ihre Leistungen nur im Namen und
auf Rechnung der Klägerin erbracht. Dem Vorbringen der Klägerin, die Gerüstbauer hätten ihre Arbeitstätigkeit frei
gestalten können, seien nur auf Grund Werkvertrages tätig geworden, hätten ein selbständiges Gewerbe angemeldet
und seien deshalb Selbständige, folgte die Beklagte nicht.
Im anschließenden Klageverfahren hat sich die Klägerin - mit Ausnahme des zur Familie gehörigen A. S. - gegen die
Nachforderungen gewandt und Bescheidaufhebung beantragt. Die beigeladenen Gerüstbauer hätten ihre Tätigkeit nur
auf Grund von Werkverträgen entfaltet, den entsprechenden Werklohn jeweils nach eigenständigem Auftrag in
Rechnung gestellt und dabei Umsatzsteuer abgeführt. Die Vergütung sei als angemessener Preis festgelegt worden.
Die beigeladenen Gerüstbauer seien nicht verpflichtet gewesen, die Aufträge der Klägerin anzunehmen und hätten
diese vielmehr auch ablehnen können. Sie seien deshalb als selbständig Tätige anzusehen. Auch ein
Gerüstbauunternehmen müsse die notwendigen Betriebsmittel nicht zu Eigen haben, wie insbesondere der
klägerische Betriebszweck "Gerüstverleih" beweise.
Im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 06.06.2006 haben die Beigeladenen zu 1) bis 7) im Wesentlichen
erklärt, sie hätten sich regelmäßig morgens am Lagerplatz der Klägerin getroffen und seien von deren Bauleiter Herrn
F. eingeteilt worden. Sie seien regelmäßig in Trupps von mindestens zwei Personen in Fahrzeugen der Klägerin zur
Baustelle gefahren und hätten dort Gerüstbauleistungen mit den Gerüsten erbracht. Im Sommer habe man regelmäßig
keinen Urlaub genommen, im Falle einer Verhinderung habe der Bauleiter informiert werden müssen. Zunächst sei
nach Stunden, später nach Quadratmeter abgerechnet worden. Nachverhandlungen wegen zu niedriger Preise habe es
nur selten gegeben.
Mit Urteil vom 20.08.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, die
Nachforderung der Beklagten für den streitigen Zeitraum sei rechtmäßig, weil die Klägerin die Beigeladenen zu 1) bis
7) als versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt habe. Mangels eigener Betriebsstätte, eigener Betriebsstruktur
sowie Verfügbarkeit von Gerüsten seien die Beigeladenen zu 1) bis 7) nicht in der Lage gewesen, ein selbständiges
Gerüstbauunternehmen zu betreiben. Zudem könne ein Gerüst nur mit Hilfe mehrerer Personen errichtet werden in
arbeitsteiligem Zusammenwirken. Auszugehen sei deshalb von Arbeiten auf Weisung der Klägerin unter Verwendung
ihrer Betriebsmittel. Die Pflicht, sich morgens gegen 7.00 bis 7.30 Uhr am Lagerplatz einzufinden, die anschließende
Einteilung in Trupps und Zuteilung des Materials , das Fahren zur Baustelle mit Fahrzeugen und die Gerüsterrichtung
und Anweisung des Bauleiters der Klägerin seien mit einer selbständigen Tätigkeit nicht zu vereinbaren. Auch im
Übrigen seien Merkmale eigenständiger unternehmerischer Tätigkeit der beigeladenen Gerüstbauer nicht erkennbar,
welche Kalkulationen oder eigenständige Preisgestaltung in Folge der Einteilung morgens zwischen 7.00 und 7.30 Uhr
gar nicht hätten durchführen können. Zudem hätte sich die Tätigkeit der beigeladenen Gerüstbauer nicht von
derjenigen der mit Arbeitsvertrag tätigen Gerüstbauer unterschieden.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt, selbständiges Subunternehmertum der Beigeladenen zu 1) bis 7)
behauptet und Sozialversicherungspflicht bestritten. Die betroffenen Gerüstbauer hätten ein eigenes Gewerbe
angemeldet und sich selbst renten- und krankenversichert, so dass die Beklagte nicht doppelt Beiträge von den
Beigeladenen und der Klägerin erhalten dürfe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.08.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.11.1998 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.06.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 7), 10) und 11) haben sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 26.06. 2007 waren die Verwaltungsakten der
Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber
unbegründet.
Die Beklagte hat mit dem streitigen Bescheid vom 30.10.1998/ Widerspruchsbescheid vom 11.06.1999 zu Recht eine
beitragspflichtige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bis 7) im Betriebsprüfungszeitraum 01.07.1994 bis
31.05.1998 angenommen sowie die daraus resultierenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen dem
Grunde und der Höhe nach zutreffend geltend gemacht. Dies hat auch das Sozialgericht Würzburg im angegriffenen
Urteil vom 24.08.2006 - mit Ausnahme des Gerüstbauers A. S. , für den die Klägerin aus familiären Hintergründen die
Beitragspflicht im gerichtlichen Verfahren nicht bezweifelt hat - zu Recht bestätigt.
Der Senat weist die Berufung aus den Gründen des angegriffenen Urteils als unbegründet zurück und sieht von einer
weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs.2 SGG.
Ergänzend wird in Bezug auf die Versicherungspflicht der beigeladenen Beschäftigten nach § 7 Abs.1 SGB IV, § 168
Abs.1 Satz 1 AFG (bis 31.12.1997), § 25 Abs.1 SGB III, § 5 Nr.1 SGB V, § 20 SGB XI, § 1 Nr.1 SGB VI darauf
hingewiesen, dass der Unternehmenszweck des Gerüstbauers den arbeitsteiligen Einsatz von Arbeitnehmern und den
sächlichen Einsatz von Betriebsmitteln, insbesondere von Gerüsten erfordert. Selbständiger Gerüstbauer kann also
nicht sein, wer weder weitere Gerüstbauer noch Gerüste einsetzen kann. Dies war jedoch der Fall bei den
Beigeladenen zu 1) bis 7), die weder andere Personen bei der Errichtung von Gerüsten zu Hilfe genommen haben oder
zu Hilfe nehmen konnten noch über eigene, angemietete oder geleaste Gerüste verfügt hatten. Die im Rahmen der
Gesamtbetrachtung für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte überwiegen somit die für eine
selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 7) sprechenden Gesichtspunkte überdeutlich, wie das Sozialgericht
zutreffend ausgeführt hat.
Die Klägerin kann sich von der Zahlungspflicht von Umlagen und Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die von ihr
beschäftigten Personen nicht dadurch entlasten, das diese in Folge unzutreffender Einschätzung im fraglichen
Zeitraum sich auf eigene Kosten gegen das Risiko von Krankheit und Alter sowie von Unfällen oder von
Pflegebedürftigkeit abgesichert hatten.
Die Berufung bleibt damit in vollem Umfange ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht wegen der Anhängigkeit der Klage seit 14.07.1999 auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.