Urteil des LSG Bayern vom 26.10.2007

LSG Bayern: getrennt lebender ehemann, sozialhilfe, wohnung, örtliche zuständigkeit, notlage, selbsthilfe, umzug, auszug, vermieter, zusicherung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 26.10.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 52 SO 228/05
Bayerisches Landessozialgericht L 8 SO 34/05
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. Dezember 2005 und die
Bescheide vom 8. Februar 2005 und 21. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2006
abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 178,80 EUR zu zahlen. II. Im Übrigen wird die Berufung
zurückgewiesen. III. Die Beklagte hat der Klägerin 1/5 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. IV. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf die Übernahme der Kosten der Unterkunft für die
Monate Mai bis Juli 2004 hat.
Die 1943 geborene Klägerin war in der streitgegenständlichen Zeit arbeitslos ohne Leistungsbezug vom Arbeitsamt.
Sie bewohnte die Wohnung in A. seit dem Auszug ihres Ehemannes im Jahre 2003 allein. Die Klägerin und ihr
getrennt lebender Ehemann hatten diese Wohnung im April 2004 zum Monatsende Juli 2004 ordentlich gekündigt.
Die vermögens- und einkommenslose Klägerin beantragte am 19.04.2004 telefonisch bei der Beklagten Leistungen
der Sozialhilfe. Zu diesem Zeitpunkt gab sie an, dass die Miete bis April 2004 von ihrem getrennt lebenden Ehemann
getragen würde. Im Rahmen des schriftlichen Antrags zur Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe vom 22.06.2004
gab sie außerdem an, dass die Mietkosten auch weiterhin von ihrem getrennt lebenden Ehemann getragen würden
und dass ihr Auszug für den 01.07.2004 geplant sei.
Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 22.06.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 19.04. bis
30.06.2004 in Höhe von 128,57 EUR für April 2004 und in Höhe von jeweils 321,42 EUR für die Monate Mai und Juni
2004. In den dem Bescheid anliegenden Berechnungsbögen erfolgte keine Berechnung der Kosten der Unterkunft
(KdU).
Am 27.07.2004 zog die Klägerin nach P. (Oberbayern) um und erhielt dazu von der Beklagten mit
Auszahlungsanordnung vom 16.08.2004 in Rechnung gestellte Kosten in Höhe von 270,00 EUR. Seither erhielt die
Klägerin vom Sozialhilfeträger des neuen Wohnorts Hilfe zum Lebensunterhalt ohne KdU (Bescheid vom 05.12.2004).
Mit mehreren Schreiben an das Wohnungsamt der Beklagten (22.12., 26.12., 28.12.2004 und ohne Datum,
eingegangen am 04.01.2005) teilte die Klägerin schriftlich mit, Anfang Juli 2004 bemerkt zu haben, dass ihr getrennt
lebender Ehemann entgegen der Absprache die Miete für die Monate Mai bis Juli 2004 nicht gezahlt habe. Weiter gab
sie dazu an, diesen Umstand der Beklagten (Wohnungsamt) bereits am 13.07.2004 telefonisch mitgeteilt zu haben.
Nach Aufklärung über die Zuständigkeit seitens des Wohnungsamtes gab die Klägerin dem Sozialamt der Beklagten
mit Schreiben vom 31.01.2005 und verschiedenen weiteren Schreiben in der Folgezeit bekannt, die noch ausstehende
Miete der Wohnung in A. selbst in bar beglichen zu haben; zum Teil von ihrem (überzogenen) Konto zu einem
weiteren Teil mit geliehenem Geld. Sie bat die Beklagte um Erstattung in Höhe von drei Mieten je 591,00 EUR, um
hiervon private Schulden zurückzahlen zu können. Sie habe schließlich zum Zeitpunkt der Antragstellung im April
bzw. Juni 2004 nicht wissen können, dass ihr getrennt lebender Ehemann sein Wort nicht halte und die Miete nicht
überweisen werde.
Mit Bescheiden vom 08.02. und 21.02.2005 lehnte es die Beklagte ab, rückwirkend Mietkosten zu übernehmen, da sie
für die Übernahme von Altschulden nicht zuständig sei. Die Klägerin habe angegeben, ihr Mann übernehme die Miete.
Gegenteiliges habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt geäußert. Nachweise über die Nichtzahlung der Miete seien
nicht eingegangen. Anrufe könnten nicht berücksichtigt werden, da schriftliche Nachweise nötig seien.
Mit den dagegen erhobenen Widersprüchen machte die Klägerin insbesondere geltend, sie habe bei der Antragstellung
nicht gewusst, dass ihr getrennt lebender Ehemann sein Versprechen nicht einhalten würde. Im Übrigen habe sie das
Wohnungsamt telefonisch davon unterrichtet, dass ihr Ehemann die Miete nicht bezahlte.
Am 03.03.2004 übersandte die Klägerin eine Quittung der Wohnungsbaugesellschaft, nach der Herr N. N. (damaliger
Ehemann der Klägerin) für die Miete im Monat Juli am 22.07.2004 417,24 EUR eingezahlt habe. Weiter wies sie
darauf hin, dass die Quittung insoweit falsch sei, als die Einzahlung nicht durch ihren damaligen Ehemann, sondern
durch sie selbst erfolgt sei. Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass es nachträglich nicht mehr feststellbar sei,
durch wen die Einzahlung am 22.07.2004 tatsächlich erfolgte.
Weitere Ermittlungen der Beklagten beim Vermieter ergaben, dass die Miete bis einschließlich Mai 2004 in vollem
Umfang beglichen wurde. Die noch offenen Mietrückstände betrugen für den Monat Juni 2004 noch 12,91 EUR und für
den Monat Juli 2004 noch 165,89 EUR (insgesamt 178,80 EUR).
Am 11.05.2005 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und die Überprüfung der
angefochtenen Bescheide der Beklagten beantragt. Mit Urteil vom 06.12.2005 hat das SG die Klage abgewiesen, weil
es an der Prozessvoraussetzung der Durchführung des Widerspruchsverfahrens fehle. Im Übrigen stünde auch
gemäß § 5 Abs.1 Bundeshilfegesetz (BSHG) keine Sozialhilfe für die Vergangenheit zu. Ein Wiederaufgreifen des
Verfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei in Angelegenheiten der Sozialhilfe nicht möglich.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Mit Beschluss vom 09.03.2006
setzte das LSG zunächst das Verfahren zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens aus und führte das Verfahren
nach Zurückweisung der Widersprüche durch Widerspruchsbescheid vom 31.05.2006 durch die Regierung von
Oberbayern fort.
Zwischenzeitlich hat die Klägerin gegen den genannten Widerspruchsbescheid gesondert Klage zum SG erhoben
(Az.: S 51 SO 397/06).
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.12.2005 und die Bescheide vom 08.02. und
21.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
1.773,00 EUR (= Gesamtmiete für die Monate Mai bis Juli 2004 - je 591,00 EUR -) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die Akten der Beklagten (Sozialamt sowie Amt für
Wohnungswesen, Wohngeld), die Verfahrensakten beider Rechtszüge und die Klageakte unter dem Az.: S 51 SO
397/06) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 Nr.1
SGG liegt nicht vor, nachdem die Klägerin von der Beklagten die KdU für die Monate Mai bis Juli 2004 (= insgesamt
1.173,00 EUR) begehrt.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als teilweise begründet, da die Klägerin Anspruch auf Übernahme der KdU
für Mai bis Juli 2004 hat, soweit diese derzeit noch nicht bezahlt sind (1), nicht aber auf Kostenerstattung (2).
Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 08.02. und 21.02.2005, in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 31.05.2006 (§ 95 SGG). Die weitere Klage unter dem Az.: S 51 SO 97/06 ist wegen
entgegenstehender Rechtshängigkeit unzulässig.
Mit den genannten Bescheiden versagte die Beklagte erstmalig KdU als Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit Bescheid vom
22.06.2004, war die Beklagte zunächst davon ausgegangen, dass eine örtliche Zuständigkeit für Leistungen nach dem
01.07.2004 wegen des für diesen Zeitpunkt geplanten Umzugs der Klägerin nicht mehr bestünde. Aufgrund der
Zusicherung der Kostenübernahme bzw. der tatsächlichen Übernahme der Kosten für den zunächst am 22.07.2004
geplanten und tatsächlich erst am 27.07.2004 durchgeführten Umzug wurde ihr dann aber bekannt, dass sich die
Klägerin noch bis Ende Juli 2004 in ihrer Wohnung in A. aufhielt. Der genannte Bescheid vom 22.06.2004 hat keine
Regelung über die KdU getroffen, weder in negativer noch in positiver Hinsicht. Nach allgemeinen Auslegungsregeln
fehlt es an jeglichem Erklärungsinhalt dieses Bescheides zu den KdU. Aus dem bloßen Schweigen dazu kann nicht
auf eine ablehnende Entscheidung geschlossen werden. Ausführungen zu einer Verpflichtungsklage im Sinne des §
44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sind daher fehl am Platze.
1. Daher handelt es sich hier zum einen um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54
Abs.4 SGG, gerichtet auf Aufhebung der Bescheide vom 08.02. und 21.02.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 31.05.2006 und Leistung von Sozialhilfe aufgrund einer Bedarfslage infolge
entstandener KdU. Ein Anspruch auf eine derartige Leistung ist zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nur zu
einem geringen Teil gegeben.
Die Sozialhilfe umfasst Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenlagen. Aufgabe der Sozialhilfe ist es,
dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, dass der Würde des Menschen entspricht. Die
Hilfe soll soweit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; hierbei muss er nach seinen Kräften mitwirken (§
1 BSHG).
Die Sozialhilfe als eine staatliche Hilfe tritt nur ein, wenn und soweit die Selbsthilfe und die Hilfe Dritter nicht
ausreicht. Die Sozialhilfe ist somit nach ihrem Grundgedanken Hilfe in einer Notlage. Sie ist dann zu gewähren, wenn
der Hilfesuchende hilfebedürftig ist. Hilfebedürftigkeit besteht - geht es, wie hier, um die Mitttel zur Bestreitung des
notwendigen Lebensunterhalts - in dem Mangel an diesen Mitteln. Zudem ist die Sozialhilfe subsidiär (nachrangig).
Sozialhilfe erhält derjenige nicht, der sich selbst helfen kann (§ 2 Abs.1 BSHG). Dies gilt auch nach § 9 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB I), der den Nachrang der Sozialhilfe ausdrücklich bestätigt. Daraus folgt, dass es nicht im
Belieben des Hilfesuchenden steht, zwischen der Selbsthilfe und der Inanspruchnahme der Sozialhilfe zu wählen. Zur
Selbsthilfe gehört vor allem der Einsatz des eigenen Einkommens und (unter Beachtung von Schongrenzen) des
Vermögens (vgl. § 11 Abs.1 Satz 1 BSHG). Die Hilfe soll nur demjenigen zuteil werden, der sich nicht selbst helfen
kann, und selbstverständlich hat derjenige, dem geholfen werden soll, nach Kräften mitzuwirken (§ 1 Abs.2 Satz 2).
Das Bedürftigkeitsprinzip bedeutet aber auch, alles zu unternehmen, um eigenes Einkommen zu erzielen, z.B. durch
den Einsatz der Arbeitskraft, durch das aktive Durchsetzen anderer Ansprüche, seien es zivilrechtliche
Unterhaltsansprüche oder andere oder Ansprüche auf andere, vorrangige Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld,
Renten, Wohngeld, Kindergeld und usw.
Der Anspruch auf Sozialhilfe ist unter Aufgreifen des Subsidiaritätsgrundsatzes in § 11 Abs.1 Satz 1 BSHG für die
Bedarfsgemeinschaft bestimmt. Sein Umfang, der notwendige Lebensunterhalt, ist in § 12 BSHG geregelt. Danach
umfasst dieser insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche
Bedürfnisse des täglichen Lebens.
Die KdU (Unterkunft und Heizung) gehören also zu den grundlegenden Bedarfen, die bei Bedürftigkeit durch Sozialhilfe
zu decken sind. Einzelheiten sind in der sog. Regelsatzverordnung beschrieben. Danach werden nach § 3 der
Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG vom 20.07.1992 die laufenden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen gewährt.
Bezüglich der Höhe des Hilfebedarfs der von der Klägerin bezeichneten drei Monatsmieten von insgesamt 1.773,00
EUR hatte der Senat keine Zweifel. Der Bedarf ist hier durch die in den Akten vorhandenen Mietverträge und sonstige
Urkunden belegt. Die Klägerin wohnte bis zu ihrem Umzug am 27.07.2004 in ihrer Wohnung in A ... Hinsichtlich der
von Mai bis Juli 2004 anfallenden Mietkosten - soweit diese derzeit noch offen sind - war die Klägerin auch bedürftig,
da sie diese nicht selbst aufbringen konnte bzw. von anderen nicht erhalten hat.
Hilfe zum Lebensunterhalt ist aber nur dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht
ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann (§ 11 Abs.1 Satz 1 BSHG).
Vorliegend ist die Klägerin weitgehend durch Eigenhilfe in Vorlage getreten. Nach ihren eigenen Angaben, deren
Richtigkeit nach Ansicht des Senats auch nicht zu bezweifeln sind , hatte sie an ihren Vermieter aus ihren eigenen
liquiden Mitteln bzw. von Freunden gewährten Darlehen die Mietforderungen für den genannten Zeitraum bis auf einen
Umfang in Höhe von 12,91 EUR für den Monat Juni 2004 und 165,89 EUR für den Monat Juli 2004 erfüllt. Dies zeigt
zur vollen Überzeugung des Senats, dass die Klägerin die streitigen KdU bis zu einer Höhe von 179,80 EUR aus
eigenen Mitteln bestreiten konnte.
Der Senat kann es daher dahingestellt sein lassen, ob damit das Erlöschen eines bestehenden Anspruchs auf Hilfe
zum Lebensunterhalt bewirkt worden ist, der im Sinne von § 5 Abs.1 BSHG mit Kenntnis von der Bedarfslage bei
Anmeldungen im April 2004 entstanden ist, oder ob rückwirkend die Bedarfslage entfallen ist.
Durch die selbsttätige Befriedigung des Bedarfs kann es auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei den von der
Klägerin beschafften Mitteln um Einkommen im Sinne von § 76 BSHG handelt, die einzusetzen waren. Sie wäre
weder gemäß § 76 Abs.1 Satz 1 BSHG vom Einsatz des Einkommens ausgenommen, noch hätte es sich um
Leistungen im Sinne von §§ 77, 78 BSHG gehandelt. Ihr späterer Zufluss zum Zeitpunkt bereits vorhandener
Mietschulden verhindert als zweckbezogene Zuwendungen nicht ihre Zuordnung zu den Monaten Mai bis Juli 2004.
Ebenfalls kann es unentschieden bleiben, ob wegen mangelnder Kongruenz von Einkommen und Bedarf die
Mittelbeschaffung dem Vermögen und dessen Einsatz zuzuordnen wäre und unter den Betrag des Schonvermögens
(kleiner Barbetrag) fallen würde.
Unerheblich ist es damit auch, ob die Mietschulden von der Klägerin selbst oder ihrem geschiedenen Ehemann
abgelöst worden sind. Von daher war auch eine Einvernahme des ehemaligen Ehemannes nicht angezeigt.
Was aber den Rest des Anspruchs im zugesprochenen Umfang (Monat Juni 2004 12,91 EUR und Monat Juli 2004
(165,89 EUR) anbelangt, ist die Bedarfslage im Sinn von § 5 BSHG nicht entfallen.
Durch den bloßen Zeitablauf ist das nicht der Fall. Der Sozialhilfeempfänger ist nach keiner gesetzlichen Vorschrift
Durch den bloßen Zeitablauf ist das nicht der Fall. Der Sozialhilfeempfänger ist nach keiner gesetzlichen Vorschrift
verpflichtet, seinen Bedarf ständig neu anzumelden oder geltend zu machen. Insbesondere ist die Sozialhilfe nicht
von einem Antrag abhängig. Eine Verjährung im Sinne von § 45 SGB I, die im Übrigen nur auf Einrede der Beklagten,
die wiederum in deren Ermessen stünde, ist jedenfalls nicht eingetreten.
Am 19.04.2004 hat die Klägerin ihren Bedarf der Beklagten telefonisch angezeigt. Im Rahmen der schriftlichen
Antragsaufnahme vom 22.06.2004 gab die Klägerin zwar an, dass die Mietkosten auch "weiterhin" von ihrem getrennt
lebenden Ehemann getragen würden und dass der Auszug aus der Wohnung in A. für den 01.07.2004 geplant sei.
Damit hat sich aber die Bedarfslage im Sinne von § 5 BSHG nicht erledigt. Danach setzt Sozialhilfe ein, sobald dem
Träger der Sozialhilfe bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen. Denn die Sozialhilfe
richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls, bei der die besondere Situation des individuellen
Sozialhilfeempfängers berücksichtigt werden muss.
Sozialhilfe kann im Einzelfall nur dann voll wirksam werden, wenn sie unverzüglich einsetzt und vorhandenen
Notständen auch ohne förmlichen Antrag begegnet. § 5 BSHG will vor allem vermeiden, dass - obwohl einem Träger
der Sozialhilfe oder einer Gemeinde Hilfebedürftigkeit in einem konkreten Fall bekannt ist - die Erbringung der Leistung
zur Behebung der Notlage deshalb unterbleibt, weil der Hilfebedürftige von der Möglichkeit der Leistung nichts weiß
(und sie infolgedessen nicht beantragt) oder sich schämt, Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen
(BVerwGE 66, 90), oder sein Begehren bei einer unzuständigen Stelle vorgebracht ist. "Bekannt werden" im Sinne des
§ 5 BSHG bedeutet, dass die Notwendigkeit der Leistung dargetan oder sonst wie erkennbar ist. Dem Sozialhilfeträger
wird also nicht angesonnen, die Notwendigkeit der Leistung zu "erahnen". Er hat jedoch nach Kenntnisnahme von
Amts wegen den Sachverhalt zu erforschen (vgl. auch § 20 Abs.1 SGB X), wenn begründete Anhaltspunkte dafür
gegeben sind, dass ein Leistungsfall vorliegt. Dies bezieht sich im Rahmen des Gesamtfallgrundsatzes dann auf alle
in Betracht kommenden Leistungen.
Danach hat die Sozialhilfe hier einzusetzen, sobald dem Träger bekannt geworden ist, dass die Voraussetzungen für
die Gewährung vorliegen, dass demnach die Beklagte bereits während der Dauer der noch offenen Miete Kenntnis
davon erhalten hat, dass die Klägerin auch hinsichtlich der KdU bedürftig ist. Diese Kenntnis betrifft zum einen die
tatsächliche Nutzung der Wohnung in A. und die unterlassene Übernahme der Miete durch den Ehemann.
Hierbei war zu beachten, dass sich die Klägerin in einer sozialen Umbruchslage befunden hat und keineswegs
gewährleistet war, dass ihr seinerzeit getrennt lebender Ehemann tatsächlich den Wohnbedarf befriedigte. Nicht ohne
Grund hat der Gesetzgeber in der Neufassung des Sozialhilferechts im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)
den Individualisierungsgrundsatz gepaart mit umfassenden Beratungs- und Unterstützungspflichten, bei deren
Erfüllung zwangslos zu Tage getreten wäre, dass sich die Erwartung der Klägerin auf Bezahlung ihrer Miete durch den
ehemaligen Ehemann tatsächlich nicht erfüllt hat.
Es wäre auch treuwidrig, der Klägerin, die erhebliche Eigenbemühungen unternommen hat, das Fehlen eines
beständigen Geltendmachens des Bedarfs entgegenzuhalten, wohingegen die Beklagte - aus ihrer Sicht
nachvollziehbar - eine nachgehende Beratung und Unterstützung der Klägerin unterlassen hat. Immerhin hatte die
Klägerin zahlreiche Vorsprachen beim Wohnungsamt unternommen, in denen sie mitgeteilt hat, dass die Zusage von
ihrem Ehemann nicht eingehalten wurde. Letztlich hatte die Beklagte ja auch von dort - wenn auch wesentlich später -
die Auskunft über die genaue Höhe der Schulden erlangt. Auch diese Kenntnis ihrer Untergliederung muss sie sich
zurechnen lassen (vgl. § 5 Abs.2 BSHG). In diesem Fall ist eben die Einschätzung (Prognose) der Klägerin
enttäuscht worden, was nicht zu einer Entlastung des Sozialhilfeträgers führen kann. Denn die Bedarfslage besteht
unabhängig davon, wie weit sie nach ihrem Entstehen mehr oder weniger dringend vorgebracht wird. Am
Vorhandensein restlicher Mietrückstände in dem tenorierten Umfang besteht kein Zweifel. In diesem Umfang hat sich
dies durch von der Beklagten selbst eingeholten Einkünfte ergeben, an deren Ergebnis der Senat keine Zweifel hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG handelt es sich somit nicht um das Problem der Übernahme von
Altschulden oder um Sozialhilfe für die Vergangenheit (in präteritum non vivitur), schon gar nicht um eine Hilfe zum
Lebensunterhalt in Sonderfällen nach § 15a BSHG.
Zwar hat der Sozialhilfeträger die Möglichkeit, ausnahmsweise die Kosten der Unterkunft auch für Zeiträume zu
übernehmen, die vor seiner Kenntnisnahme der Notlage liegen (§ 15a Abs.1 BSHG). Dann müsste die Übernahme der
Mietkosten gerechtfertigt sein, um die Unterkunft zu sichern oder eine vergleichbare Notlage zu beheben. Die
Sicherung der Wohnung in A. war aber gerade nicht nötig, da die Klägerin Ende Juli 2004 ausgezogen ist.
Anhaltspunkte für eine vergleichbare Notlage sind nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat zur Überzeugung des Senats bereits am 19.04.2004, dann wiederum im Juni 2004 und letztlich am
13.07.2004 Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen der Sozialhilfe hinsichtlich der KdU erlangt. Die Klägerin hat
zur Überzeugung des Senats am 13.07.2004 telefonisch dem Amt für Wohnungswesen/Wohngeld (im Folgenden
Wohnungsamt) der Beklagten mitgeteilt, dass die Zusage von ihrem Ehemann nicht eingehalten wurde. Zwar ist ein
entsprechender Anruf in den Akten des Wohnungsamtes nicht dokumentiert. Daraus folgt aber nicht, dass ein solcher
nicht stattgefunden hat. Im Gegenteil ergibt sich aus der Akte, dass Telefonate zumindest zum Teil nicht in deren
unmittelbaren Anschluss, sondern erst und ausschließlich im Zusammenhang mit einem auf das geführte Telefonat
Bezug nehmendes Schreiben dokumentiert wurden. Auch wird ein entsprechendes Telefonat von der Beklagten nicht
bestritten. Deren Einlassung, telefonische Angaben seien nicht ausreichend, vielmehr seien schriftliche Nachweise
erforderlich, spricht eher dafür, dass auch die Beklagte von dem von der Klägerin behaupteten Anruf ausgeht.
Unschädlich ist es dabei, dass die Klägerin sich nicht beim Sozialamt der Beklagten, sondern beim Wohnungsamt
gemeldet hat. Denn wenn § 5 Abs.2 BSHG und § 16 Abs.2 SGB I die (rechtzeitige) Antragstellung bei anderen
Leistungsträgern zulassen, muss dies erst recht für die "Antragstellung" bei einer an sich nicht zuständigen
Organisationseinheit des zuständigen Leistungsträgers gelten. Aufgrund der Zusicherung der Kostenübernahme bzw.
der tatsächlichen Übernahme der Kosten für den zunächst am 22.07.2004 geplanten und tatsächlich am 27.07.2004
durchgeführten Umzug wurde der Beklagten schließlich bekannt, dass sich die Klägerin noch bis Ende Juli 2004 in
ihrer Wohnung in A. aufhielt. Es wäre nach dieser Kenntnislage Sache der Beklagten gewesen, weitere Ermittlungen
anzustellen und gegebenenfalls die Klägerin zur Mitwirkung aufzufordern, schriftliche Nachweise vorzulegen.
2. Darüber hinaus ist im Sinne einer Leistungsklage kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer verauslagten
Aufwendungen gegeben. Aus dem in der Sozialhilfe geltenden Prinzip der Bedarfsdeckung ergibt sich, dass der
Bedarf täglich neu zu decken ist. Dies gilt auch für die KdU. Wie bereits ausgeführt, ist aber mit den Anzahlungen
beim Vermieter der Bedarf in dieser Höhe nach § 2 Abs.1 BSHG entfallen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass
Sozialhilfe nach ihrem Grundgedanken Hilfe in einer Notlage ist. Hilfebedürftigkeit besteht - geht es, wie hier, um die
Mittel zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts - in dem Mangel an diesem Mittel. Es wurde bereits darauf
hingewiesen, dass die Sozialhilfe subsidiär (nachrangig) ist.
Bei einer nach dem Zeitpunkt des § 5 BSHG stattfindenden Be-darfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe
Dritter bleibt der Wegfall des Bedarfs vor der Entscheidung des Sozialhilfeträgers nur dann unberücksichtigt, wenn es
dem Hilfesuchenden nicht zuzumuten war, diese Entscheidung abzuwarten. Insoweit erlangt der Grundsatz der
Sozialhilfe vom Leistungsverbot für die Vergangenheite keine Bedeutung. Denn in Höhe des Betrages von 1.594,70
EUR (volle Miete abzüglich der von der Klägerin nicht geleisteten Zahlungen) ist der Anspruch auf Sozialhilfe einer für
die Vergangenheit. Die Klägerin hat insoweit ihrem Bedarf selbst abgeholfen und kann dies nicht mehr rückwirkend ein
weiteres Mal tun.
Ein der vom nachträglichen Bedarfsdeckungsverbot abweichender Ausnahmefall liegt bei der Klägerin nicht vor. Das
Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Sozialhilfe dem Grundsatz nach für die
Vergangenheit regelmäßig nicht geltend gemacht werden kann (BVerwGE 21, 274). Das Bundesverwaltungsgericht
hat aber von dem Grundsatz "Keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" immer Ausnahmen um der Effektivität der
gesetzlichen Gewährung des Rechtsanspruchs des Hilfebedürftigen auf Fürsorgeleistungen (BVerwGE 26, 217 - 220 -)
und um der Effektivität des Rechtsschutzes auf Sozialhilfewillen (vgl. BVerwGE 94, 127 - 133 -) - was hier
tatbestandlich nicht einschlägig ist, zugelassen. Dementsprechend hat das BVerwG auch von seiner Aussage, es sei
grundsätzlich nicht Aufgabe der Sozialhilfe, Schulden zu tilgen, in ständiger Rechtsprechung stets die Schulden
ausgenommen, die dadurch entstanden sind, dass der Bedarf nicht rechtzeitig mit Mitteln der Sozialhilfe gedeckt
worden, die Behörde also in diesem Sinne säumig geblieben ist. Hat ein Dritter den Bedarf des Hilfebedürftigen
tatsächlich gedeckt, darf dies dem Sozialhilfeanspruch dann nicht entgegengehalten werden, wenn der Dritte die
Hilfeleistung - gleichsam an Stelle des Sozialhilfeträgers und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens - nur deshalb
erbracht, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat (vgl. BVerwGE 94, 127 -
135 -). Dieser Rechtsprechung liegt die Überzeugung zu Grunde, dass es gegen die gesetzliche Gewährung des
Rechtsanspruchs auf Sozialhilfe verstoßen würde, wenn der Hilfebedürftige seinen Anspruch wegen anderweitiger
Bedarfsdeckung allein deshalb verlieren würde, weil er die ihm zustehende Hilfe nicht rechtzeitig vom Sozialhilfeträger
erhalten hat (BVerwGE 161 - 162 -). Zugleich betont sie die Subjektstellung des auf Sozialhilfe angewiesenen
Bürgers. Dieser ist kein Almosenempfänger, sondern Inhaber eines subjektiven öffentlichen Rechts (vgl. BVerwGE 1,
159 - 161 f. -; 5, 27 - 31 -). Dieser Rechtsprechung ist auch unter der Judikatur der Sozialgerichtsbarkeit zu folgen.
Sie ist vernünftig.
Der Klägerin ist der Vorwurf einer "Säumigkeit" bei der Verfolgung eines möglicherweise bestehenden
Sozialhilfeanspruchs zu machen. Die Frage, welche Zeitspanne dem Hilfesuchenden bei der Geltendmachung seines
Anspruchs zugemutet werden kann, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen. Dabei kann eine sofortige
Hilfeleistung nur in Eilfällen erwartet werden (BVerwG vom 30.04.1992, 5 C 12/87). Im vorliegenden Fall hat die
Klägerin bereits neun Tage, nachdem sie ihren nach dem endgültigen Scheitern ihrer Prognose der Zahlung durch den
Ehemann offensichtlich zu Tage tretenden Bedarf bei der Beklagten geltend gemacht hat, selbst die Anzahlung auf
die Juli-Miete geleistet. Diese Zeitspanne entspricht bei Weitem keiner unangemessen langen Bearbeitungsdauer. Im
Übrigen sind keine Gründe erkennbar oder vorgetragen, auf Grund derer der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt ein
weiteres Zuwarten auf die Entscheidung der Beklagten nicht zumutbar gewesen wäre. Insbesondere wurde das
Vorliegen entsprechender Mahnschreiben des damaligen Vermieters weder behauptet noch nachgewiesen. Der
Wunsch der Klägerin nach geordneten finanziellen Verhältnissen ist kein ausreichender Grund. Daher besteht insoweit
kein Anspruch der Klägerin auf originäre, nachträglich zu leistende Sozialhilfe für die Vergangenheit.
Auch im Übrigen ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, wonach die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die
Mietkosten oder die durch deren Begleichung durch die Klägerin aufgenommenen Schulden zu begleichen. Gesetzlich
normierte Erstattungsansprüche kennt das BSHG nur für den Nothelfer (§ 122 BSHG) bzw. den Erben (§ 92c BSHG),
was offensichtlich bei der Klägerin nicht gegeben ist. Insbesondere hat sie nicht als Dritte in einem Eilfall Hilfe
gewährt, die der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis nach diesem Gesetz gewährt haben würde (§ 121
Satz 1 BSHG). Angesichts des Ausnahmecharakters der beiden genannten Vorschriften verbietet sich auch eine
analoge Anwendung. Im Übrigen lägen aber auch die Voraussetzungen der letztgenannten Vorschrift nicht vor. Denn
wie bereits dargelegt, fehlte es auch für "Dritte" an den Voraussetzungen eines Eilfalles.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Sache selbst.
Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG) liegen nicht vor.