Urteil des LSG Bayern vom 12.03.2001

LSG Bayern: berufliche erfahrung, auflage, vergleich, erwerbsfähigkeit, behinderung, arbeitsunfall, zustand, akte, qualifikation, minderung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 12.03.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 9 U 5008/97 L
Bayerisches Landessozialgericht L 2 U 376/99
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25. August 1999 wird
zurückgewiesen. II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu
erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Weitergewährung einer Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall.
Bei dem Arbeitsunfall am 11.08.1994 zog sich der Kläger nach dem Durchgangsarztbericht des Prof.Dr.R ...,
Krankenhauszweckverband A ..., vom selben Tage eine Schnittverletzung des linken Zeigefingers und Mittelfingers
mit Beugesehnendurchtrennung und einen Gefäßnervenschaden radialseitig am linken Mittelfinger zu. Ferner bestand
der Verdacht auf Nervenverletzung am linken Zeigefinger. In der Folge entwickelte sich ein Morbus Sudeck.
In einem ersten Rentengutachten vom 07.12.1995 kam der Chirurg Dr.Ru ..., Zentralklinikum A ..., zu dem Ergebnis,
beim Kläger bestünden Belastungsschmerzen im verletzten linken Zeige- und Mittelfinger, Wetterfühligkeit und starke
Kälteempfindlichkeit dieser beiden Finger, Behinderung durch eingeschränkte Beweglichkeit von Zeige- und
Mittelfingermittel- und endgelenk; eine Störung der Berührungsempfindung beider verletzter Finger: Pelzigkeit der
Fingerkuppen, Missempfindung der Beugeseite des Mittelfingermittelgliedes (im Sinne von Neuromschmerzen);
geringere Einschränkung der Beweglichkeit der Mittelgelenke, starke Einschränkung der Beweglichkeit der
Endgelenke beider Finger: dadurch nicht ganz vollständiger Faustschluss, Streckdefizit jeweils 2 cm; verminderte
Kraft in beiden Fingern; stark verdünnter Weichteilmantel im Bereich der Mittel- und insbesondere Endglieder beider
Finger; ausgedehnte Narbenbildungen beidseits an beiden Fingern, flächenförmig mit Neuromschmerzen der
Beugeseite des Mittelfingermittelgliedes; röntgenologischer Nachweis einer geringeren Kalksalzminderung des
Handskelettes. Die unfallbedingte MdE betrage vom 03.07.1995 bis 31.05.1996 20 v.H. und danach 10 v.H. Diesem
Gutachten stimmte der beratende Arzt der Beklagten, der Orthopäde Dr.Sch ..., mit Stellungnahme vom 07.02.1996
zu und machte besonders auf die Begrenzung des Zeitraumes für eine MdE mit 20 v.H. aufmerksam.
Mit Bescheid vom 27.08.1996 gewährte die Beklagte vorläufige Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. vom
03.07.1995 bis 31.05.1996 und lehnte die Weitergewährung einer Rente ab dem 01.06.1996 ab, weil die
Erwerbsfähigkeit nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert sei.
Nach dem Widerspruch des Klägers schlug Dr.Sch ... vor, man solle den Versicherten untersuchen lassen, dann
werde man weiter sehen. Der als Sachverständige vorgeschlagene Orthopäde Dr.G ..., A ..., kam in seinem
Gutachten vom 08.01.1997 zu dem Ergebnis, die Unfallfolgen bedingten eine Gebrauchsbehinderung der linken Hand,
insbesondere für den kraftvollen Faustschluss und wegen der Gefühlsstörungen, insbesondere an den
Langfingerendgelenken D 2 und D 3, eine Beeinträchtigung des Spitzgriffes. Man könne die Funktionsbeeinträchtigung
der linken Hand etwa mit dem Verlust der Endglieder des Mittel- und Zeigefingers gleichsetzen. Eine Gleichsetzung
mit einem Verlust im Bereich der Mittelgelenke sei jedoch nicht zu begründen, da die Mittelgelenke weitgehend frei
beweglich seien und somit wesentlich zum Faustschluss beitragen könnten. Der Verlust der Endgelenke D 2 und 3 für
die rechte und linke Hand werde nach Izbicki, Unfallbegutachtung, 9. Auflage, Tafel I Abbildung C mit einer MdE von
10 % bewertet. Im vorliegenden Fall lägen jedoch deutliche Narbenbildungen an den Langfingern vor. Daneben
bestehe eine schmerzhafte Neurombildung am linken Mittelfinger. Es sei deshalb gerechtfertigt, jetzt und zur
erstmaligen Festsetzung der Dauerrente die MdE auf 10 v.H. einzuschätzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.1997 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger beantragt, ihm über den 31.05.1996 hinaus Verletztenrente nach
einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Neben der Beiziehung von Unterlagen hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von
der Handchirurgin Dr.W ..., U ..., vom 23.09.1998. Die Sachverständige führt aus, als Folge des Unfalls fänden sich
eine leichte Einschränkung der Beweglichkeit des linken Handgelenks gegenüber rechts, leichte Einschränkung der
Beweglichkeit des Daumens im Grund- und Endgelenk, Faustschlussbeeinträchtigung sämtlicher Langfinger links, in
starker Beugestellung wackelsteife Fingerendgelenke an Zeige- und Mittelfinger links mit starker Einschränkung der
Mittelgelenksbeweglichkeit, ausgedehnte Narbenbildungen an beiden Fingern, ausgeprägte Störung des
Berührungsempfindens an Mittel- und Zeigefinger mit Weichteilverschmächtigung, Neuromschmerz am beugeseitigen
Mittelfingermittelglied, Gebrauchsminderung der linken Hand mit Kraftminderung und Herabsetzung des
Feingeschicks, Muskelminderung linker Ober- und Unterarm, erklärbare subjektive Beschwerden und der
beschriebene radiologische Befund. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage ab 01.06.1996 aufgrund dieser
unfallbedingten Gesundheitsstörungen 20 v.H. Die Situation an Zeige- und Mittelfinger links sei in etwa vergleichbar
mit dem Verlust beider Finger in den Mittelgelenken. Beide Finger seien ab Höhe Mittelgelenk weitgehend
unbrauchbar, da die beschriebenen Fehlstellungen mit Beugestellung in den Endgelenken sowie leichte Überstreckung
in den Mittelgelenken vorlägen, außerdem fänden sich ausgeprägte Gefühlsstörungen mit am Zeigefinger nicht einmal
Spitz-/Stumpfunterscheidung. Sowohl für den Grobgriff mit noch zusätzlich Schmerzhaftigkeit am Mittelfinger
aufgrund eines Neuroms, als auch für den Feingriff seien die Finger nicht einzusetzen. Lediglich die Grundglieder
übernähmen beim Grobgriff noch eine gewisse Gegenhaltfunktion. Der Verlust von Zeige- und Mittelfinger der linken
Hand werde nach Schoenberger-Mehrtens mit 20 % gewertet (5. Auflage S.540 Abbildung 2.23). Der Verlust von End-
und Mittelglied werde für die linke Hand nach Schoenberger mit 15 v.H. bewerett. Aufgrund der bestehenden
Schmerzhaftigkeit bei dem vorliegenden Neurom, der Narbensituation an den gesamten beugeseitigen Fingern und der
erheblichen Kraftminderung der linken Hand mit Muskelminderung an Ober- und Unterarm sei der Zustand bei dem
Kläger etwas schlechter zu bewerten als der alleinige Verlust von Mittel- und Endglied an den Fingern. Hinzu komme
nach der stattgehabten sympathischen Reflexdystrophie (Morbus Sudeck) eine zusätzliche Einschränkung der
Beweglichkeit an den Fingern 4 und 5 im Faustschluss sowie eine leichte Bewegungseinschränkung im linken
Handgelenk und auch im Daumenstrahl links.
Hiergegen hat die Beklagte durch Dr.Sch ... eingewendet, weder verletzungsbedingt noch komplikationsbedingt
(Morbus Sudeck) finde eine Bewegungsstörung am Handgelenk eine hinreichende Erklärung. Ähnliches gelte für die
angegebenen Bewegungsstörungen am linken Daumen. Skepsis sei auch geboten bezüglich der angegebenen
Muskelminderung am linken Arm, die allen gesicherten Erfahrungen mit einer langsamen Anpassung und Gewöhnung
widerspreche. Die Gleichsetzung mit dem kompletten Verlust des Mittel- und Endgliedes der beiden Finger erscheine
alles andere als nachvollziehbar. Die Überstreckbarkeit von 10 Grad am linken Mittelfinger und das Streckdefizit von
10 Grad am linken Zeigefinger seien für die Funktionen dieser Finger völlig bedeutungslos. Die Finger nähmen am
Faustschluss teil. Die verbleibende Wackelsteife am Mittelfingerendgelenk und die Restbeweglichkeit am
Zeigefingerendgelenk seien sogar gebrauchsgünstig, da sie für den Faustschluss noch eine relativ gute
Gebrauchstüchtigkeit der beiden Langstrahlen bewirkten. Ohnehin bewege sich die Handchirurgin schon relativ weit
auf neurologisches Fachgebiet. Die Gleichsetzung oder gar höhere Bewertung als der Verlust des Mittel- und
Endgliedes der beiden Finger sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die verlorene Taktilität eigentlich nur die
Fingerbeeren betreffe und auch nur in den Endgelenken ein wesentlicher Funktionsverlust bestehe. Insofern läge der
Vergleich mit den Endgliedverlusten sehr viel näher.
Die Sachverständige Dr.W ... führt hierzu in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 11.04.1999 im Wesentlichen
aus, die Bewegungsstörung am linken Handgelenk sei von ihr gemessen worden. Im Verlauf von lang dauernden
Behandlungen von Fingerverletzungen sei häufig auch eine Beeinträchtigung der Beweglichkeit von nicht beteiligten
Fingern und auch des Handgelenkes zu sehen. Dafür müsse nicht ein sogenannter Morbus Sudeck vorliegen. Der von
Dr.Sch ... beschriebene langsame Mehrgebrauch einer geschädigten Hand entfalle natürlich dann, wenn sich Dinge,
wie Bewegungseinschränkung und Sensibilitätsstörung nicht weiter besserten und somit dauerhaft eine
eingeschränkte Greiffähigkeit vorliege, die den Unfallverletzten dazu zwinge, vorwiegend die andere Hand
einzusetzen. Eine Überstreckung in den Mittelgelenken und Beugestellung in den Endgelenken werde durchaus als
Fehlstellung bezeichnet, bedeute aber nicht, dass es sich hier um eine komplette Einsteifung der Gelenke handele,
sei andererseits aber für die beschriebenen Beeinträchtigungen für die Finger nicht bedeutungslos. Die
Gebrauchstüchtigkeit der hier maßgeblichen Langfinger hänge weniger mit der Bewegungseinschränkung, vielmehr mit
der Gefühlsstörung und der trophischen Störung dieser Finger zusammen. Eine fehlende Zweipunktediskriminierung
entspreche auch einer fehlenden taktilen Gnosis mit Präzisionsgriff. Eine solche sensible Störung müsse in die
Beurteilung einbezogen werden, ein sogenannter blinder Finger sei wertlos. Ohne die genannte taktile Gnosis könne
kein Griff mit der erforderlichen Präzision und Geschwindigkeit ausgeführt werden. Ein Handchirurg sei
selbstverständlich in der Lage, das Vorliegen eines Neuroms festzustellen. Im vorliegenden Fall könne der Zustand
bei erheblicher Sensibilitätsstörung ab dem beugeseitigen Mittelgelenk und Störung der Greiffunktion mit einem
Amputationsschema verglichen werden. Die verlorene Taktilität betreffe nicht nur die Fingerbeeren, sondern auch das
Mittelglied und das gesamte Endglied. Dies sei auch aus der klinischen Beschreibung mit trophischen Störungen und
verschmächtigten Fingern deutlich zu erkennen.
Das Sozialgericht hat die Akte S 8 Vs 620/96 in dem Schwerbehindertenverfahren beigezogen und das dort von dem
Chirurgen Dr.P ..., A ..., am 13.11.1996 erstattete Gutachten in die mündliche Verhandlung vom 08.07.1999
einbezogen. Dieser Sachverständige beschreibt im Wesentlichen dieselben Gesundheitsstörungen und
Funktionsbehinderungen und hält u.a. die Muskelminderung an Ober- und Unterarm links für einen Ausdruck der
deutlichen Gebrauchsminderung der linken Hand. Der Kläger sei in etwa einem Verletzten gleichzusetzen, der an der
linken Hand den Zeigefinger und den Mittelfinger verloren habe. Einerseits sei er in einer etwas besseren Situation, da
die Grundglieder bei Grobgriff noch eine gewisse Funktion übernehmen könnten. Zeige- und Mittelfinger seien für den
Feingriff durch die Gefühlsstörungen und die Bewegungsschmerzen allerdings unbrauchbar. Auf der anderen Seite sei
der Kläger sogar in einer etwas schlechteren Position, da seine Finger aufgrund der ungünstigen starken
Beugestellung in den Endgelenken sowohl bei Fein- als auch bei Grobgriffen eher störend wirkten und da
Bewegugnsschmerzen bestünden. Wie stark die Funktion der linken Hand insgesamt herabgesetzt sei, zeige die
Muskelminderung am linken Ober- und Unterarm. Der Verlust von zwei Fingern werde nach den Anhaltspunkten mit 30
v.H. bewertet, der Verlust von Zeige- und Mittelfinger der linken Hand werde nach Schoenberger-Mehrtens-Valentin 5.
Auflage S.540 Abbildung 2.23 mit 20 v.H. bewertet. Andererseits werde der Verlust von End- und Mittelglied für die
linke Hand nach Schoenberger mit 15 v.H. bewertet. Da die Funktion der Grundglieder für Grobgriffe noch erhalten sei,
die beiden Finger bei Fein- und Grobgriffen aber andererseits auch störend wirkten und Schmerzen vorhanden seien,
halte er eine Einschätzung mit 20 v.H. für gerechtfertigt. Gegen die Einschätzung im ersten Rentengutachten wendet
sich der Sachverständige ausdrücklich.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.07.1999 haben die Beteiligten einen für die Beklagte widerruflichen Vergleich
geschlossen, wonach diese über den 31.05.1996 hinaus Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. gewährte. Den
Vergleich hat die Beklagte widerrufen und eine Stellungnahme des Dr.Sch ... vorgelegt. Darin führt dieser aus, er
könne die weitere Stellungnahme der Handchirurgin über weite Strecken nicht nachvollziehen. Die Behauptung, dass
ein blinder Finger wertlos sei, entspreche einer gutachterlichen Vorstellung "von gestern" und habe mit den
zwischenzeitlich erarbeiteten Prinzipien der modernen Begutachtungsmedizin nichts mehr zu tun, weil der Griff
ausgeführt werden könne, nur eben nicht mit einer solchen exakten Präzision, wie mit vorhandener Taktilität. Er könne
auch nicht nachvollziehen, dass ein Grad der Behinderung mit 20 im Schwerbehindertenverfahren automatisch eine
MdE um 20 v.H. ergeben müsse.
Mit Urteil vom 25.08.1999 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 27.08.1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 27.02.1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den 31.05.1996
hinaus wegen es Unfalls vom 11.08.1994 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. In der Begründung
hat sich das Sozialgericht auf die Gutachten der Sachverständigen Dr.W ... gestützt und ausgeführt, die hiergegen
von der Beklagten vorgebrachten Argumente könnten dieses Gutachten nicht entkräften. Es hat zur Argumentation
stützend das Gutachten des Dr.P ... herangezogen und dargelegt, inwieweit dessen Bewertung sich an die
anerkannten Bewertungsmaßstäbe der gesetzlichen Unfallversicherung angelehnt hat. Die Angriffe gegen die
Qualifikation der Sachverständigen Dr.W ... hat das Sozialgericht zurückgeweisen und u.a. darauf hingewiesen, dass
der beratende Arzt der Beklagten den Kläger selbst nie untersucht habe.
Mit der dagegen eingelegten Berufung beantragt die Beklagte,
das Urteil aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 27.08.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.02.1997 abzuweisen.
Sie bezieht sich dabei auf die Schriftsätze und die beratungsärztlichen Stellungnahmen im vorinstanzlichen Verfahren
und regt eine Begutachtung durch eine andere Stelle an.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Beklagte mit Schreiben vom 11.04.2000 darauf hingewiesen, dass er von der Möglichkeit des § 153
Abs.4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gebrauch zu machen gedenke. Die Beklagte hat hierzu wiederum auf ihre
Schriftsätze im vorinstanzlichen Verfahren und die Begründung der Berufung verwiesen.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der Entscheidung sind die Akte der Beklagten und die Akten des
Sozialgerichts Augsburg in den Verfahren S 8 Vs 620/96 und S 9 U 5008/97 L. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der
Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach
§ 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil das Sozialgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass beim Kläger
über den 31.05.1996 hinaus die Folgen des Arbeitsunfalles eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. bedingen
und deshalb Verletztenrente weiter zu gewähren ist.
Die Entscheidung des Rechtsstreits richtet sich auch im Berufungsverfahren nach den Vorschriften der
Reichsversicherungsordnung (RVO), da der streitige Unfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über eine
Entschädigung für einen davorliegenden Zeitraum zu entscheiden ist (§§ 212, 214 Sozialgesetzbuch - SGB VII).
Der Senat hält die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Augsburg für unbegründet
und sieht entsprechend § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Die Beklagte hat insoweit keine weiteren Ausführungen als bereits im Klageverfahren gemacht. Diese sind in der
angefochtenen Entscheidung abgehandelt. Lediglich ergänzend ist zur Bewertung der MdE bei den vorliegenden
Handverletzungen darauf hinzuweisen, dass die in dem Verfahren berücksichtigten Sachverständigenmeinungen eher
von dem Kläger ungünstigen vergleichenden Bewertungsmaßstäben ausgegangen sind. So hat sich zum einen die
früher übliche Unterscheidung zwischen Gebrauchshand und Nichtgebrauchshand bei der Bewertung nicht mehr halten
lassen, zum anderen bewerten Schoenberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, S.598
den Verlust der Finger 1 und 2 im Mittelglied mit 20 v.H. und im Endglied mit 25 v.H. Zum anderen ist nicht zu
übersehen, dass die sogenannten Amputationstafeln bei davon abweichenden Verletzungsfolgen, insbesondere
komplexeren Gesundheitszuständen, wie sie beim Kläger vorliegen, allenfalls als Kontrollwerte verwendbar sind. Das
Sozialgericht hat deshalb zu Recht dem Gutachten der Sachverständigen Dr.W ... den Vorzug gegeben. Für sie
spricht in der Tat die bessere fachliche Qualifikation, die entsprechende berufliche Erfahrung und der unmittelbare
Eindruck von der Behinderung des Klägers.
Einer Berichtigung des Urteilsausspruches bedurfte es nicht. Zwar ist dem Wortlaut des Urteils nach der Bescheid
vom 27.08.1996 in Gänze aufgehoben worden, wiewohl darin vorläufige Rente für einen begrenzten Zeitraum gewährt
wurde und der Kläger Verletztenrente nur für den anschließenden Zeitraum begehrt hat. Nach den Urteilsgründen ist
jedoch davon auszugehen, dass das Gericht inhaltlich eine entsprechende Aufhebung nicht aussprechen wollte und
nach der Prozessgeschichte und dem materiellen Begehren des Klägers ist auch nicht zu besorgen, dass der
Urteilsausspruch insoweit missverstanden werden könnte.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Der Senat konnte durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhanldung nicht für erforderlich hielt (§ 153 Abs.4 SGG).