Urteil des LSG Bayern vom 15.02.2010

LSG Bayern: form, wohnung, zuschuss, geldleistung, rechtsschutz, ermessen, leistungsanspruch, akte, darlehensvertrag, verfügung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 15.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 32 AS 2671/09 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 62/10 B ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 23. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Beschwerdeverfahren, ob eine Erstausstattung für die Wohnung in Form einer Sach- oder Geldleistung
zu erfolgen hat und ob ein Zuschuss oder ein Darlehen die zutreffende Leistungsform ist.
Die Beschwerdeführer beziehen zusammen seit einiger Zeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für
Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Zum 01.08.2009 zogen die Beschwerdeführerin zu 1 und ihre Kinder in eine deutlich größere Wohnung. Am
04.09.2009 beantragten sie bei der Beschwerdegegnerin Leistungen für die Erstausstattung dieser Wohnung,
insbesondere zahlreiche Möbel, Küchengeräte, Teppiche und Vorhänge. Bei einem Hausbesuch am 17.11.2009 wurde
festgestellt, dass ein Teil der begehrten Möbel, Küchengeräte und Teppiche bereits vorhanden war.
Am 16.11.2009 stellten die Beschwerdeführer beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen
Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 23.12.2009 verpflichtete das Sozialgericht die Beschwerdegegnerin, den
Beschwerdeführern vorläufig darlehensweise folgende Sachleistungen zu erbringen: zwei Betten mit Matratzen, ein
Esstisch für fünf Personen, vier Stühle und ein Schreibtisch mit Stuhl. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Der
Beschluss wurde den Beschwerdeführern am 29.12.2009 bekannt gegeben.
Mit Schreiben vom 11.01.2010 forderte die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin zu 1 auf, am 18. November
2010 bei ihr vorzusprechen und einen Darlehensvertrag zu unterzeichnen. Die Sachleistungen könnten anschließend
erbracht werden. Die Beschwerdegegnerin teilte auf Anfrage des Bay. Landessozialgerichts (LSG) telefonisch mit,
dass als Vorsprachedatum der 18.01.2010 gemeint sei und lediglich ein Schreibfehler vorliege. Die
Beschwerdeführerin zu 1 habe das erkannt, weil sie bereits telefonisch mitgeteilt habe, am 18.01.2010 verhindert zu
sein. Zum Ausweichtermin am 22.01.2010 sei die Beschwerdeführerin zu 1 ohne Angabe von Gründen nicht
erschienen.
Am 25.01.2010 haben die Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts Beschwerde zum LSG erhoben.
Es werde bezweifelt, dass die Beschwerdegegnerin kompetent genug sei, die für die Lebensumstände richtigen und
geeigneten Möbel zu gewähren. Die wirtschaftlichen Verhältnisse seien nicht geeignet, ein Darlehen aufzunehmen
bzw. zurückzuzahlen. Die Erbringung der Sachleistungen zum 18.11.2010 werde der Eilbedürftigkeit nicht gerecht. Es
würden zeitnahe Geldleistungen für die bereits als eilbedürftig anerkannten Möbel in Form eines Zuschusses begehrt.
Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäß, die Beschwerdegegnerin unter Abänderung des Beschlusses des
Sozialgerichts München vom 29.12.2009 vorläufig zu verpflichten, anstelle von Sachleistungen in Form von Darlehen
Geldleistungen als Zuschuss für zwei Betten mit Matratzen, einen Esstisch, vier Stühle und einen Schreibtisch mit
Stuhl zu gewähren.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte des Sozialgerichts und die Akte
des LSG verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Zugunsten der Beschwerdeführer geht das LSG von einem Beschwerdewert von mehr als 750,- Euro aus. Die
Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat den Beschwerdeführern bestimmte Möbel (zwei Betten mit Matratzen, ein Esstisch für fünf
Personen, vier Stühle und ein Schreibtisch mit Stuhl) in Form von darlehensweise zu erbringenden Sachleistungen
zugesprochen. Streitig ist, ob die Beschwerdeführer stattdessen eine Geldleistung als Zuschuss erhalten können.
Da die Beschwerdeführer eine Erweiterung ihrer Rechtspositionen anstreben, ist eine einstweilige Anordnung in Form
einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Das Sozialgericht hat
zutreffend dargelegt, dass hierfür sowohl ein Anordnungsanspruch (ein Anspruch auf die begehrte Leistung) als auch
ein Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung zur Abwendung wesentlicher Nachteile)
glaubhaft sein müssen.
Die Beschwerde ist zurückzuweisen, weil ein Anspruch auf Geldleistungen fern liegt und im Eilverfahren nicht
entschieden werden muss, ob der Anspruch in Form eines Darlehens oder eines Zuschusses zu gewähren ist.
Der Anspruch auf ein Darlehen für die Möbel ergibt sich aus § 23 Abs. 1 SGB II, wenn es sich um die
Ersatzbeschaffung vorhandener Möbel handelt. Es ist z.B. kaum vorstellbar, dass in der bisherigen Wohnung keine
Stühle und kein Esstisch vorhanden waren. Falls die begehrten Möbel bisher noch nicht vorhanden waren, ergibt sich
ein Anspruch ohne Darlehen aus § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II in Form von Leistungen für Erstausstattungen für die
Wohnung. Welcher Anspruch tatsächlich gegeben ist, kann hier offen bleiben.
Die Beschwerdeführer müssen sich mit Sachleistungen begnügen, weil es für beide Ansprüche im Ermessen der
Beschwerdegegnerin steht, ob die Leistungen als Sachleistung oder als Geldleistung erbracht werden (für einen
Vorrang von Geldleistungen sprechen sich Lang/Blüggel aus in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 23 Rn.
37). Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall lediglich eine Erbringung von Geldleistungen ermessensgerecht
wäre, sind nicht ersichtlich. Nach dem Bericht zum Hausbesuch sind zwar zwei Fernsehgeräte vorhanden, aber kein
Esstisch. Dies spricht für die Gewährung von Sachleistungen. Die Beschwerdegegnerin wird voraussichtlich nicht die
konkreten Möbel zur Verfügung stellen, sondern Gutscheine für ein Möbellager ausgeben.
Die Frage, ob die Leistungen auf Grundlage eines Darlehens oder als Zuschuss zu gewähren sind, muss nicht im
einstweiligen Rechtsschutz geklärt werden. Im einstweiligen Rechtsschutz wird ohnehin nur eine vorläufige Regelung
getroffen. Erst im Hauptsacheverfahren wird entschieden, ob überhaupt und ggf. welcher Leistungsanspruch besteht.
Allerdings scheint die Beschwerdegegnerin vor der Leistungsgewährung einen Darlehensvertrag abschließen zu wollen
(vgl. Schreiben vom 11.01.2010). Dies ist hier nicht angezeigt, weil die Frage, "ob" die Leistung zu gewähren ist,
aufgrund der gerichtlichen Anordnung nicht im Ermessen der Beschwerdegegnerin steht, wobei ein Darlehen nicht
aufgedrängt werden kann (vgl. Lang/Blüggel a.a.O. § 23 Rn. 35, 57). Da strittig und ungeklärt ist, ob und inwieweit ein
Leistungsanspruch in Form eines Darlehens besteht, kann darüber derzeit kein Vertrag geschlossen werden. Die
Beschwerdegegnerin hat die vom Sozialgericht verfügten Sachleistungen zu erbringen und kann erst im
nachfolgenden Hauptsacheverfahren (durch Verwaltungsakt) entscheiden, ob und inwieweit ein Zuschuss oder ein
Darlehen zu erbringen ist und in welchem Umfang ggf. eine Aufrechnung erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.