Urteil des LSG Bayern vom 10.03.2010

LSG Bayern: psychologisches gutachten, vergütung, entschädigung, einzelrichter, erwerbsfähigkeit, minderung, kopie, gutachter, nachricht, vergleich

Bayerisches Landessozialgericht
Kostenbeschluss vom 10.03.2010 (nicht rechtskräftig)
Bayerisches Landessozialgericht L 15 SF 397/09
Die Entschädigung der Antragstellerin für die Fertigung des testpsychologischen Zusatzgutachtens vom 20.10.2009
wird gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auf 913,33 EUR festgesetzt. Der Antragstellerin sind 89,25 EUR nachzuentrichten.
Gründe:
I.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) anhängigen Rechtsstreit M. S. gegen Kommunaler
Sozialverband Sachsen (KSV Sachsen) mit Az.: L 15 VG 21/08 ist Priv.-Doz. Dr.S. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden. Hierfür hat die Antragstellerin das
testpsychologische Zusatzgutachten vom 20.10.2009 gefertigt (Akten-Bl.119 bis 139).
Die Kostennote der Antragstellerin vom 20.10.2009 mit Kenn-Nr.7083/09 über 2.023,00 EUUR ist mit Nachricht der
Kostenbeamtin des BayLSG vom 04.11.2009 auf 824,08 EUR gekürzt worden. Berücksichtigungsfähig sei nicht der
geltend gemachte Zeitaufwand von 19,5 Stunden, sondern gerundet ein Zeitaufwand von nur 13 Stunden. Hierfür sei
eine Honorierung nach der Honorargruppe M1 und nicht nach M3 angemessen.
Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 13.11.2009 hervorgehoben, das testpsychologische Zusatzgutachten sei im
Rahmen des Auftrags zum Gutachten nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) erstellt worden, wofür die
Entschädigung nach der Honorargruppe M3 (Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad) vorgesehen sei. In solchen
Verfahren würden testpsychologische Zusatzgutachten immer nach dieser Honorargruppe abgerechnet, weil der
Schwierigkeitsgrad eines Gutachtens nicht durch das Fachgebiet, in dem es erstattet werde, sondern durch den
konkreten Gegenstand, also die Fragestellung des Gutachtens, bestimmt werde. Damit könne der erforderliche
Schwierigkeitsgrad auch in einem testpsychologischen Zusatzgutachten gegeben sein, insbesondere wenn dieses wie
im vorliegenden Fall u.a. auf die Befunde höherer testpsychologischer Untersuchungen eingehe und einen Vergleich
zwischen aktuellen Ergebnissen und früheren Befunden vollziehe und so eine detaillierte Persönlichkeitsbeschreibung
und auch Persönlichkeitsprognose abgebe. - Bezüglich der Kürzung der Untersuchungszeit sei anzumerken, dass die
Untersuchungsdauer bei einer Person mit einer Intelligenzminderung im Allgemeinen länger als bei durchschnittlich
Intelligenten sei, wie es auch im Fall des Klägers (Gesamt-IQ von 53) gewesen sei. Neben dieser nur geringfügig
längeren Untersuchungszeit sei auch zu berücksichtigen, dass die Durchführung einiger Testverfahren mindestens
eine Stunde, in der Regel 1,5 bis zwei Stunden betrage und dies ohne Auswertung und Interpretation. Insofern
entspreche eine pauschale Ansetzung von 0,5 Stunden pro Testverfahren nicht den reellen Gegebenheiten. - Für die
Abfassung, Diktat und Durchsicht des Gutachtens werde, wie auch im psychiatrischen Gutachten, die tatsächlich
aufgewendete Zeit in Rechnung gestellt.
Der Kostenbeamte des BayLSG hat dem Begehren der Antragstellerin nicht abgeholfen und den Vorgang dem 15.
Senat des BayLSG als Kostensenat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 4 Abs.1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn die Berechtigte
dies wie hier mit Schriftsatz vom 13.11.2009 beantragt. Die Entschädigung für das gefertigte testpsychologische
Zusatzgutachten vom 20.10.2009 ist auf 913,33 EUR festzusetzen. Der Antragstellerin sind 89,25 EUR
nachzuentrichten.
Entsprechend der Grundsatzentscheidung des 15. Senats des BayLSG als Kostensenat vom 19.03.2007 - L 14 R
42/03.Ko hat der Präsident des BayLSG mit Schreiben vom 25.05.2007 neue Bemessungskriterien für die
Feststellung der Vergütung für in erster Linie medizinische Gutachten nach dem JVEG verfügt. Danach ist für das
Aktenstudium 100 Blatt pro Stunde einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten bei mindestens 25 %
medizinisch gutachtensrelevantem Inhalt anzusetzen. In allen anderen Fällen dagegen erscheinen 150 bis 200 Blatt
pro Stunde angemessen. Das von der Rechtsprechung des Kostensenats im Einzelfall zugebilligte und davon
abweichende Aktenstudium bleibt natürlich davon unberührt, z.B. nur eine bis zwei Stunden bei einem
testpsychologischen Zusatzgutachten nach dem JVEG.
Dementsprechend sind, wie beantragt, für das Aktenstudium hier zwei Stunden vergütungsfähig.
Weiterhin hat der 15. Senat des BayLSG als Kostensenat in ständiger Rechtsprechung zuletzt mit Beschluss vom
02.01.2007 - L 16 R 443/03.Ko - bestätigt, dass je testpsychologischer Untersuchung 0,5 Stunden anzusetzen sind.
Es handelt sich hierbei um eine pauschalierende Betrachtungsweise, die grundsätzlich Abweichungen nach unten und
oben im konkreten Einzelfall ausgleicht. Wenn die Kostenbeamtin des BayLSG hier für insgesamt neun Tests nur 4,5
Stunden angesetzt hat, entspricht dies zwar der ständigen Kostenrechtsprechung des 15. Senats. In diesem
besonderen Fall sind jedoch die tatsächlich erbrachten sechs Stunden an Untersuchung zu berücksichtigen. Denn
bereits im Vorfeld ist mit dem Gutachter Priv.-Doz. Dr.S. erörtert worden, dass es sich um einen außergewöhnlich
schwierigen Probanden handelt, der aufgrund der bei ihm bestehenden Funktionseinschränkungen auf
nervenfachärztlichem Gebiet stationär zu begutachten gewesen ist. Diese Ausnahmesituation rechtfertigt und gebietet
es hier in Abweichung von der ständigen Kostenrechtsprechung, die tatsächlich erforderlichen sechs Stunden an
Untersuchung zu berücksichtigen.
Im Übrigen hält der 15. Senat des BayLSG als Kostensenat an seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass bei der
Fertigung testpsychologischer Zusatzgutachten für die Abfassung des Gutachtens bei objektiv drei Seiten Beurteilung
auch drei Stunden zu vergüten sind (vgl. Beschluss des Kostensenats des BayLSG vom 14.07.1998 - L 3 U
297/93.Ko).
Der Zeitaufwand für Diktat und Durchsicht des insgesamt 20 Seiten umfassenden testpsychologischen
Zusatzgutachtens ist mit 3,3 Stunden in Ansatz zu bringen. Denn der 15. Senat des BayLSG hat mit
Grundsatzentscheidung vom 19.03.2007 - L 14 R 42/03.Ko ausgeführt, dass für Diktat und Durchsicht eine Stunde für
je sechs Seiten zugrunde zu legen sind, wobei auch hier jeweils für eine ganze Seite 1.800 Anschläge (30 Zeilen x 60
Anschläge) nach DIN 1422 auszugehen ist.
Zu vergüten sind somit 14,3 Stunden, die gemäß § 8 Abs.2 Satz 2 JVEG auf 14,5 Stunden aufzurunden sind.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erfolgt hierfür keine Vergütung nach der Honorargruppe M3 (= 85,00 EUR
pro Stunde), sondern nach der Honorargruppe M1 (= 50,00 EUR je Stunde). Denn die Antragstellerin hat kein
medizinisches oder psychologisches Gutachten im Sinne von § 9 Abs.1 JVEG gefertigt, sondern nur ein
testpsychologisches Zusatzgutachten, das im Wesentlichen durch entsprechende Testungen gekennzeichnet ist. Im
System der Anlage 1 zu § 9 Abs.1 JVEG sind testpsychologische Zusatzuntersuchungen einfachen gutachterlichen
Beurteilungen zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung vergleichbar. - Im Übrigen gibt es auch
keinen Grundsatz dahingehend, dass die Honorierung des testpsychologischen Zusatzgutachtens immer der
Honorierung des Hauptgutachtens (hier: M3) zu folgen hat. - Bei insgesamt 14,5 Stunden vergütungsfähiger Tätigkeit
ergibt sich bei einem Stundensatz von 50,00 EUR je Stunde nach der Honorargruppe M1 eine Vergütung von 725,00
EUR.
Zuzüglich Schreibgebühren (27,00 EUR), hier einer entschädigungsfähigen Kopie des testpsychologischen
Zusatzgutachtens vom 20.10.2009 für den Hauptgutachter in Höhe von 10,50 EUR und Portokosten in Höhe von 5,00
EUR beträgt die Netto-Vergütung der Antragstellerin 767,50 EUR. Zuzüglich 19 % Umsatzsteuer in Höhe von 145,83
EUR ergibt sich eine Gesamtvergütung in Höhe von 913,33 EUR. Hierauf hat die Antragstellerin bereits 824,08 EUR
erhalten, so dass ihr 89,25 EUR nachzuentrichten sind.
Hierüber hat das BayLSG gemäß § 4 Abs.7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt. Eine Übertragung
auf den Senat gemäß § 4 Abs.7 Satz 2 JVEG ist nicht geboten gewesen, weil nur aufgrund der Besonderheiten
dieses Einzelfalles für neun Testungen die tatsächlich aufgewandten sechs Stunden als vergütungsfähig erachtet
worden sind.
Die Entscheidung ist gemäß § 177 SGG endgültig. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4
Abs.8 JVEG).