Urteil des LSG Bayern vom 23.11.2004

LSG Bayern: psychiatrisches gutachten, somatoforme schmerzstörung, psychische störung, endogene depression, hallux valgus, zumutbare tätigkeit, erwerbsunfähigkeit, ausschluss, berufsunfähigkeit

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 23.11.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 7 RJ 521/99
Bayerisches Landessozialgericht L 5 RJ 305/01
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 10. April 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1948 geborene Klägerin durchlief von 1964 bis 1967 eine Lehre als Kauffrau, ohne einen Abschluss zu erreichen
und war anschließend bei verschiedenen Arbeitgebern in ungelernten Tätigkeiten, zuletzt als Verpackerin und Prüferin
der Produktion, mit Schichtarbeit tätig. Aus einem ersten Heilverfahren 1992 in Bad B. wegen
Erschöpfungszustandes, Wirbelsäulensyndroms und Bluthochdruckes wurde sie gut erholt entlassen. Ein weiteres
Heilverfahren durchlief die Klägerin Ende 1998 in der Psychosomatischen Klinik Bad B. , nachdem ein Enkelsohn an
einer seltenen Stoffwechselkrankheit sowie ihre Mutter kurz nacheinander verstorben waren. Der Entlassungsbericht
vom 22.12.1998 führt eine deutliche Stabilisierung an sowie vollschichtige Arbeitsfähigkeit für leichte bis
mittelschwere Tätigkeiten einschließlich der Empfehlung, die Klägerin wegen Erschöpfungserscheinungen nicht mehr
in Schichtarbeit zu beschäftigen.
Am 01.02.1999 beantragte die Klägerin eine Rente wegen Berufs/Erwerbsunfähigkeit, welche die Beklagte aufgrund
des Kurentlassungsberichtes aus Bad B. mit Bescheid vom 15.03.1999 ablehnte. Die Klägerin sei trotz
Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit durch ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom sowie arteriellen
Bluthochdruck noch in der Lage, 8 Stunden täglich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne
Schichtbedingungen und ohne besonderen Zeitdruck zu verrichten. Weil sie mangels Berufsschutzes auf den
allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne, sei sie weder berufs- noch erwerbsunfähig.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren klärte die Beklagte die Sehfähigkeit der Klägerin dahingehend ab, dass
diese zum Autofahren Kontaktlinsen wegen Kurzsichtigkeit und Stabsichtigkeit tragen müsse. Nach Auswertung eines
Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen kam der Internist Dr.S. zum Ergebnis, dass die Klägerin
nach wie vor für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter nur qualitativen Einschränkungen
vollschichtig einsatzfähig sei. Dem folgend wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.1999 den
Widerspruch als unbegründet zurück, wobei sie zusätzlich zu den im Ausgangsbescheid genannten qualitativen
Einschränkungen den Ausschluss von besonderen Anforderungen an das Sehvermögen anführte.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Das SG hat aktuelle Befund- und
Behandlungsberichte (Dr.K. - Allgemeinärztin, Dr.G. - Neurologe/Psychiater, Dr.Z. - Psychiaterin) beigezogen und ein
psychiatrisches Gutachten des Prof.Dr.S. (08.06.2000) eingeholt. Prof.Dr.S. hat unter Würdigung der ärztlichen
Vorbefunde, der bildgebenden und Labordiagnostik sowie aufgrund ausführlicher Untersuchung keine wesentliche
Gesundheitsstörung auf psychiatrischer Seite festgestellt. Klassische Hinweise auf eine endogene Depression fehlten
ebenso wie konkrete Anzeichen einer psychogenen Depression. Nach den Angaben der Klägerin fühle sie sich
beruflich und privat nicht zuletzt durch die Sorge und Betreuung von insgesamt vier Enkeln und der komplett
alleinigen Haushaltsführung völlig überfordert. Aus psychiatrischer Sicht sei deshalb das berufliche
Leistungsvermögen der Klägerin nicht eingeschränkt.
Auf Antrag der Klägerin hat das SG ein neurologisch/psychiatrisch/psychotherapeutisches Gutachten des Dr.L.
eingeholt (19.10.2000), welcher ausgeführt hat, bei der Klägerin seien aufgrund des in der Untersuchung beobachteten
Verhaltens, des Wakefield-Selfassessment Depression Inventory sowie des Hamilton-Rating-Scale for Depression
Anzeichen einer Depression bzw. einer mittleren Depression festzustellen. Wegen einer ausgeprägten
posttraumatischen Belastungsreaktion mit über 2 1/2- jährigem Verlauf ohne entscheidende Besserung sei sie in ihrer
Leistungsfähigkeit soweit herabgesetzt, dass sie nur noch zwei bis unter vier Stunden täglich arbeiten könne. In einer
Stellungnahme nach Aktenlage hat Dr.W. dem entgegengehalten, der Sachverständige habe subjektive Angaben und
Beschwerden mit objektiven Befunden gleichgesetzt und sich mit den entgegenstehenden Akteninhalten sowie dem
Gutachten des Prof.Dr.S. nicht ausreichend auseinandergesetzt.
Mit Urteil vom 10.04.2001 hat das SG die Klage abgewiesen und sich im wesentlichen auf die Einschätzung des
Prof.Dr.S. bezogen. Demgegenüber sei das Gutachten des Dr.L. nicht schlüssig und erkläre nicht ausreichend die
zeitlich herabgesetzte Einsatzfähigkeit der Klägerin.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und durch Vorlage von Bestätigungen ihrer Töchter vorgetragen, dass
diese selbst für die Betreuung ihrer Kinder sorgten. Die Angaben des Prof.Dr.S. zu einem Rentenwunsch der Klägerin
aufgrund familiärer Belastung seien deshalb unzutreffend.
Der Senat hat die einschlägigen aktuellen Befund- und Behandlungsberichte beigezogen und ein
neurologisch/psychiatrisches Gutachten der Dr.P. (03.06.2003), ein orthopädisches Gutachten des Dr.K. (16.11.2003)
sowie auf Antrag der Klägerin ein orthopädisches Gutachten des Dr.E. (15.06.2004) und ein psychiatrisches
Gutachten des Dr.K. (01.08.2004) eingeholt.
Dr.P. hat eine ängstlich-depressive Anpassungs- und somatoforme Schmerzstörung bei zwanghaft depressiv
strukturierter Primärpersönlichkeit, Hypertonie, Wirbelsäulensyndrom und Myopie beidseits - durch Linsenversorgung
ausgeglichen - diagnostiziert.
Sie hat ausgeführt, aufgrund des Lebensweges der Klägerin sei eine psychosomatische Entwicklung und auch eine
krankheitswertige Beeinträchtigung in Form einer ängstlich-depressiven Anpassungsstörung nachvollziehbar. Eine
posttraumatische Belastungsstörung liege jedoch nicht vor, vielmehr sei die Affektivitätsstörung eingebettet in eine
langjährige neurotische Vorentwicklung, die durch Todesfälle und Verlusterlebnisse aktualisiert worden sei. Eine
gravierende Angst- oder Panikstörung mit ausgedehntem Vermeidungshandeln werde jedoch nicht erreicht,
ebensowenig wie eine durchgehende eigenständige schwere Depression. Aufgrund einer ängstlich-depressiven
Verstimmung wechselnden Ausmaßes, die Anfang 2003 infolge Besserung zur Absetzung der ohnehin nur
unzureichenden Medikation geführt habe, könne die Klägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten ohne
Zwangshaltungen im Wirbelsäulenbereich, ohne schweres Heben und Tragen sowie ohne häufiges Bücken, ohne
Tätigkeiten mit Schwindelneigung sowie ohne Tätigkeiten unter Zeitdruck, Akkord oder Fließbandbedingungen
vollschichtig ausüben.
Dr.K. hat fortgeschrittenen HWS-Verschleiß, beginnenden LWS-Verschleiß bei anlagebedingter Aufbaustörung, ein
Impingement-Syndrom, einen Verdacht auf Carpaltunnel-Syndrom links, einen symptomfreien, beginnenden
Hüftverschleiß beidseits sowie Senk-Spreizfuß beidseits und beginnende Großzehenfehlstellung diagnostiziert. Aus
orthopädischer Sicht werde die Klägerin durch die Einschränkungen der HWS beeinträchtigt und könne unter den
üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes vollschichtig tätig sein unter Ausschluss von Arbeiten in Zwangshaltungen,
mit Hantieren von Lasten über 10 kg sowie in Rumpfbeugehaltung und Überkopfarbeiten.
Demgegenüber hat Dr.E. ein ausgeprägtes, generalisiertes myofasziales Schmerzsyndrom mit generalisierten
Bewegungsstörungen, eine Spondylose der HWS, einen betonten myofaszialen Schulter-Arm-Schmerz mit
Impingement-Symptom, einen betont myofaszialen Bewegungsschmerz rechts und links an der Hüfte und einen
Senk-Spreizfuß beidseits mit Hallux valgus diagnostiziert. Er stimme mit Dr.K. in der Diagnose eines
fortgeschrittenen HWS-Verschleißes überein. Jedoch sei bei der Klägerin infolge Bewegungseinschränkung der
Schulter-Nacken-Muskulatur ein ausgeprägtes chronifiziertes myofasziales Schmerzsyndrom festzustellen, welches
sich aufgrund der psychiatrischen Erkrankungen und psychosomatischen Spannungen gefestigt habe. Deshalb sei die
Klägerin nur noch in der Lage, weniger als vier, jedoch mindestens drei Stunden täglich tätig zu sein.
Dr.K. hat eine schwere depressive Störung und posttraumatische Belastungsreaktionen diagnostiziert. Die Klägerin
leide eindeutig unter einer depressiven Störung und könne nur noch weniger als zwei Stunden täglich einer
regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehen.
Entsprechend aktuellem Befundbericht des Dr.G. vom 02.09.2004 hat dieser ein depressives Syndrom mitgeteilt;
Arbeitsunfähigkeitszeiten seien von ihm nicht attestiert worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 10.04.2001 sowie des Bescheides vom
15.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.1999 zu verurteilen, ihr ab dem 01.02.1999 Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 10.04.2001 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2004 waren die Verwaltungsakten der
Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht
begründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 15.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
26.07.1999, mit welchem sie die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß Antrags vom
01.02.1999 abgelehnt hat. Die dagegen erhobene Klage hat das SG zu Recht mit Urteil vom 10.04.2001 abgewiesen,
denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Rente.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.
Dezember 2000 geltenden alten Fassung (a.F.), weil sie den Rentenantrag vor (Montag) 3. April 2001 gestellt und
Rente (auch) für Zeiten vor dem 1. Januar 2000 begehrt hat (§ 300 Abs.2 SGB VI i.V.m. § 26 Abs.3 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch - SGB X). Soweit (erstmals) ein Rentenanspruch ab dem 01.01.2001 in Betracht kommt, richtet
sich der Anspruch der Klägerin nach dem SGB VI in der ab 1. Januar 2001 gültigen neuen Fassung (n.F.).
Nach § 43 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, soweit sie - neben weiteren
hier nicht näher zu erörternden Voraussetzungen - berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte
derjenigen von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen
Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen
ist, umfasst alle Tätigkeiten, die den Kräften und Fähigkeiten der Versicherten entsprechen und ihnen unter
Berücksichtigung von Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes und der besonderen
Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare
Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.2
SGB VI a.F.).
Erwerbsunfähigkeit besteht bei solchen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf Dauer außer Stande
sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder -einkommen zu erzielen,
das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (ab 1. April 1999: DM 630,00) übersteigt (§ 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI
a.F.).
Weil der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit an strengere Voraussetzungen geknüpft ist, als derjenige der
Berufsunfähigkeit, folgt aus der Verneinung von Berufsunfähigkeit ohne weiteres das Fehlen von Erwerbsunfähigkeit
(ständige Rechtsprechung, vgl. BSG-Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 61/00 R).
Gemessen an den vom Bundessozialgericht (BSG) zur sozialen Verweisbarkeit von Versicherten aufgestellten
Kriterien (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.33, 140, 164) ist die Klägerin, die über keine
abgeschlossene Berufsausbildung verfügt und die in ihrem Erwerbsleben in verschiedenen ungelernten Tätigkeiten
sowie insbesondere in den letzten zehn Jahren ihres Berufslebens als Arbeiterin/Prüferin in der Produktion tätig war,
der Gruppe mit dem Leitberuf von ungelernten Arbeitern zuzuordnen. Dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht
streitig. Sie ist deshalb auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für ungelernte Tätigkeiten ist die Klägerin gesundheitlich noch in der Lage,
vollschichtig bei lediglich qualitativen Einschränkungen tätig zu sein. Das ergibt sich aus den überzeugenden
Sachverständigengutachten der Dr.P. , des Dr.K. sowie des Prof.Dr.S ... Sie sind unter Einbezug der Vorbefunde und
der gesamten medizinischen Dokumentation sowie nach einer umfassenden ambulanten Begutachtung zu dem
Ergebnis gelangt, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten unter Ausschluss von Überkopfarbeiten, Fließbandarbeiten,
Bildschirmarbeiten, von Hantieren mit Lasten über 10 kg sowie von Rumpfbeugehaltung und von besonderem
Zeitdruck vollschichtig ausüben kann.
Wie Dr.P. zutreffend diagnostiziert hat, besteht bei der Klägerin eine ängstlich-depressive Anpassungsstörung sowie
eine somatoforme Schmerzstörung bei zwanghaft depressiv strukturierter Persönlichkeit. Dr.P. hat bei dieser
Feststellung die Biographie der Klägerin nach deren eigenen Schilderung und anhand der aus den Akten
entnommenen Angaben dargestellt, ihre Entwicklung detailliert nachgezeichnet mit den prägenden Erlebnissen in der
eigenen Familie sowie den dort erlebten Belastungen einschließlich der Ursachen für das Auftreten der ersten
psychosomatischen Symptome, die zur Heilmaßnahme 1992 geführt hatten. Dr.P. hat ebenso nachvollziehbar und
überzeugend dargelegt, dass der kurz aufeinander folgende Verlust eines Enkelkindes sowie der Mutter zusammen
mit der familiären Belastung zu einer Beeinträchtigung im seelischen Bereich geführt hatte. Jedoch ist die
entsprechende psychische Störung nicht als gravierende Angst- oder Panikstörung oder als eigenständiges schweres
Syndrom anzusehen, weil die Klägerin - wie Dr.P. ausführt - nicht über ein ausgedehntes Vermeidungsverhalten
verfügt. Die jahrelange psychotherapeutischer Behandlung - ohne Medikation, welche die Klägerin ohnehin selbst
wieder abgesetzt hatte - ergibt ebenfalls keinen Hinweis auf eine schwerwiegende, tiefergreifende psychische Störung,
die das zeitliche Einsatzvermögen der Klägerin herabsetzen könnte. Weil Dr.P. Symptome einer anderweitigen
schwerwiegenden Störung nicht hat verifizieren können, ist deren Einschätzung des vollschichtigen
Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten ohne besondere nervliche Anforderungen wie Schicht- oder Akkordarbeit
überzeugend. Zudem befindet sich Dr.P. insoweit in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlich gehörten
Sachverständigen Prof.Dr.S. , welcher ebenfalls aufgrund eigenständiger ausführlicher Untersuchung unter Einbezug
der medizinischen Dokumentation psychiatrischerseits wesentliche Gesundheitsstörungen ausgeschlossen hatte.
Auf orthopädischem Fachgebiet hat Dr.K. auf der Basis bildgebender Diagnostik, dem Einbezug der medizinischen
Vorbefunde und Dokumentation und aufgrund eigener Untersuchung als führende Einschränkung einen
fortgeschrittenen HWS-Verschleiß in Form einer Spondylosis deformans der Wirbelkörper C4 bis C7 sowie einer
Atlantoachsialarthrose genannt. Hieraus resultieren deutliche Einschränkungen in der Leistungsbreite der Klägerin, die
durch das leichte LWS-Syndrom, die Einschränkungen beider Schultergelenke sowie den Verdacht auf eine
Mittelnerveneinengung am Handgelenk links weiter eingeschränkt wird. Zusätzlich zu den von Dr.P. angeführten
Leistungseinschränkungen sind deshalb Arbeiten mit Zwangshaltungen oder in Rumpfbeugehaltungen sowie
Überkopfarbeit ausgeschlossen.
Weitergehende Leistungsminderungen aufgrund anderer Erkrankungen bestehen nicht. Wie im Widerspruchsverfahren
zutreffend festgestellt, sind die Einschränkungen des Sehvermögens der Klägerin korrigierbar und auch durch
Kontaktlinsen ausreichend korrigiert. Die weiteren Störungen, insbesondere in Form des Bluthochdrucks führen nicht
zu weiteren wesentlichen Einschränkungen, weil die Klägerin ohnehin nur noch leichte Arbeiten verrichten kann, so
dass der Ausschluss von Arbeiten auf Gerüsten, Leitern oder mit Schwindelgefahr keine wesentliche weitere Einbuße
darstellt.
Nicht gefolgt werden kann hingegen den Einschätzungen des Dr.E. , des Dr.K. und des Dr.L ...
Dr.E. stimmt zunächst mit der von Dr.K. auf orthopädischem Fachgebiet festgestellten führenden
Leistungsbeschränkung des HWS-Bereiches überein. Er überschreitet jedoch sein Fachgebiet, soweit er die
Beschwerden der Klägerin im Schulter-Nacken-Bereich als schweres chronifiziertes Schmerzsyndrom einordnet,
welches nach Theorien der "Life-Event-Forschung" durch schicksalshaft eintretende Lebensereignisse negativ
beinflusst und unterhalten werde. Denn insoweit handelt es sich um neurologisch/psychiatrische Diagnosen und
Einschätzungen, die von Dr.E. als Orthopäden nicht einzuschätzen sind. Diesen Bereich hat vielmehr das Gutachten
der Dr.P. zutreffend eingeschätzt. Mit rein orthopädischen Diagnosen war das Gutachten des Dr.E. nicht in der Lage,
die zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin zu begründen. Dem Gutachten kann deshalb nicht
gefolgt werden.
Das Gutachten des Dr.K. krankt bereits an einer unsachgemäßen Kürze, welche sich in einer nicht ausreichend tiefen
Befundung und Anamnese niederschlägt. Es fehlt an einer Begründung, weshalb das Leistungsvermögen der Klägerin,
anders als von Dr.P. eingeschätzt, auf weniger als drei Stunden täglich herabgesetzt sein sollte. Auch eine
Verschlechterung des psychischen Zustandes zum Zeitpunkt der Untersuchung des Dr.K. kann eine zeitlich
herabgesetzte Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht begründen, dem widerspricht der zeitnahe Befundbericht des
behandelnden Neurologen/Psychiaters Dr.G. vom 02.09.2004, welcher nur bereits Bekanntes wiederholt. Den
Einschätzungen des Dr.K. kann deshalb nicht gefolgt werden.
Das Gutachten des Dr.L. ist - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - nicht überzeugend, weil der Sachverständige die
Angaben der Klägerin übernommen und als Befund aufgelistet hat, ohne zu überprüfen, ob die subjektiven Angaben
durch objektive oder objektivierbare Befunde bestätigt oder widerlegt werden. Zudem hat Dr.L. eine Diagnose der
behandelnden Therapeutin übernommen, ohne die Diagnose selbst gestellt oder begründet zu haben. Dem Gutachten
fehlt zusätzlich die Begründung, weshalb das zeitliche Leistungsvermögen auf drei bis unter vier Stunden
herabgesetzt sein sollte.
Im Rahmen der vollschichtigen Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten darf die Klägerin auf den allgemeinen
Arbeitsmarkt verwiesen werden, ohne dass eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden müsste. Denn die
qualitativen Einschränkungen der Klägerin begründen weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen oder eine
Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die ausnahmsweise eine solche Benennung erforderlich
machen würden (vgl. BSGE 80, 24). Für ungelernte Tätigkeiten typische Verrichtungen wie z.B. das Zureichen,
Abnehmen, Sortieren, Verpacken oder Montieren sind der weder hinsichtlich der Konzentrations- und
Umstellungsfähigkeit noch in der Feinmotorik wesentlich eingeschränkten Klägerin ohne weiteres möglich. Der
Ausschluss von Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen, von Zwangshaltungen oder von Arbeiten mit
Schwindelneigung sowie von Arbeiten mit besonderem Zeitdruck (insbesondere Schicht-, Akkord- oder Nachtarbeit),
schränken die Einsatzfähigkeit der Klägerin nicht so weitreichend ein, dass Zweifel am Vorhandensein geeigneter
Arbeitsplätze entstehen könnten.
Ist die Klägerin nicht berufsunfähig nach § 43 Abs.2 SGB VI a.F., so liegt auch keine Erwerbsunfähigkeit nach § 44
SGB VI a.F. oder Erwerbsminderung nach §§ 43, 240 SGB VI n.F. vor, die ein weiter eingeschränktes
Leistungsvermögen als die Berufsunfähigkeit erfordern.
Die Berufung musste daher vollumfänglich ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG.