Urteil des LSG Bayern vom 19.05.2009

LSG Bayern: begründung des urteils, eugh, altersrente, soziale sicherheit, soziale vergünstigung, völkerrechtlicher vertrag, rentenanspruch, verordnung, erwerb, erfüllung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 19.05.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 9 KG 27/08
Bayerisches Landessozialgericht L 14 KG 25/08
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10. November 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld für die Zeit ab Januar 2005 nach dem Bundeskindergeldgesetz
(BKGG) i.V.m. Art. 77 der Verordnung (EWG) Nummer 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der
Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familien, die innerhalb der
Gemeinschaft zu- und abwandern (EGVO 1408/71).
Der 1939 geborene, in Griechenland lebende Kläger ist griechischer Staatsangehöriger. Er hat sowohl in Deutschland
als auch in Griechenland Rentenversicherungszeiten zurückgelegt. Seit 1. August 2004 bezieht er eine Rente aus der
deutschen Rentenversicherung, deren Voraussetzungen nur unter Berücksichtigung griechischer Versicherungszeiten
(nach Art. 45 EGVO 1408/71) erfüllt sind, da im Versicherungsverlauf des Klägers aufgrund einer früher erfolgten
Beitragserstattung nur noch insgesamt 52 Kalendermonate deutscher Beitragszeit gespeichert sind (Bescheid der
deutschen Rentenversicherung Bund - DRVB - vom 26. Juni 2006). Seit 1. Januar 2005 bezieht der Kläger auch eine
Rente aus der griechischen Rentenversicherung.
Auf seinen (erneuten) Antrag vom 18. September 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit von August bis
Dezember 2004 Kindergeld für seine Kinder A. (geboren Januar 1981) und A. (geboren Juli 1982), die in Deutschland
studieren (Bescheid vom 12. September 2007). Für die Zeit ab 1. Januar 2005 (Beginn der Rente aus der griechischen
Rentenversicherung) lehnte die Beklagte einen Antrag auf Kindergeld dagegen ab. Für die Gewährung von
Familienbeihilfen sei ab diesem Zeitpunkt gemäß Art. 77 Abs. 2 Buchst. b lit. i) EGVO 1408/71 vorrangig der
griechische Träger zuständig, da der Kläger auch in Griechenland Rente beziehe und dort seinen Wohnsitz habe.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH - Urteil vom 27. Februar 1997 - Rs. C-59/95 - und
Urteil vom 24. September 2002 - Rs. C-471/99 -) bestehe auch kein Anspruch auf Zahlung eines Differenzbetrages
(nach Art. 77 Abs. 2 EGVO 1408/71), da der Anspruch des Klägers auf Rente aus der deutschen Rentenversicherung
nicht ausschließlich auf deutschen Versicherungszeiten beruhe (weiterer Bescheid vom 12. September 2007).
Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, der
ablehnende Bescheid enthalte keine Ausführungen dazu, ob das Abkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Königreich Griechenland über Soziale Sicherheit vom 25. April 1961 (Bundesgesetzblatt II 1963
S. 679) - DGrSVA - für den Kläger günstigere Bestimmungen enthalte, die nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs.
C-471/99) durch die EGVO 1408/71 nicht verdrängt würden. Außerdem habe der Kläger, anders als in den vom EuGH
entschiedenen Fällen, mit seinen deutschen Versicherungszeiten die Mindestversicherungszeit für eine Rente aus der
deutschen Rentenversicherung erfüllt und daher nach Art. 77 Abs. 2 EGVO 1408/71 Anspruch auf deutsches
Kindergeld.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. April 2008). Sie führte zur Begründung
aus, da für die Gewährung von Familienleistungen gemäß Art. 77 Abs. 2 Buchst. b lit. i) EGVO 1408/71 vorrangig der
griechische Träger zuständig sei, könne deutsches Kindergeld nur gewährt werden, wenn der Anspruch auf eine der in
Art. 77 Abs. 1 EGVO 1408/71 genannten Renten aus der deutschen Rentenversicherung ausschließlich aufgrund
deutscher Versicherungszeiten erworben wurde. Dies gelte nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs. C-471/99) auch
dann, wenn im vorrangig zuständigen Mitgliedstaat (Griechenland) aufgrund der dortigen Bestimmungen kein
Anspruch auf Kindergeld bestehe. Der Rentenanspruch des Klägers in der deutschen Rentenversicherung sei aber
nicht allein durch deutsche Versicherungszeiten erfüllt, so dass auch kein Anspruch auf deutsches Kindergeld
bestehe.
Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 9. Juni 2008 (Eingang bei Gericht) beim Sozialgericht
Nürnberg (SG) Klage erhoben mit der Begründung, der Kläger habe sich zwischen 1963 und 1983 in Deutschland
aufgehalten und hier Rentenversicherungszeiten erworben, auf die das DGrSVA anzuwenden gewesen sei. Die
Voraussetzungen für die Zahlung von Familienbeihilfen, zu denen gemäß Art. 1 Nr. 21 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1
Nr. 1 DGrSVA auch Kindergeld gehöre, seien in Art. 38 f. DGrSVA geregelt. In Art. 39 DGrSVA heiße es dazu, dass,
wenn der Erwerb des Anspruchs auf Familienbeihilfe von Beitragszeiten abhänge, alle Zeiten berücksichtigt würden,
die nacheinander in beiden Vertragsstaaten zurückgelegt worden seien. Allein das Bestehen des Rentenanspruchs sei
also unter Zugrundelegung dieses Abkommens Voraussetzung für die Zahlung von Kindergeld. Im Gegensatz zu Art.
77 und 78 EGVO 1408/71 werde eine Bestimmung des Mitgliedstaates, nach dessen Recht sich die Gewährung von
Familienbeihilfe regle, nicht getroffen. Der Kläger habe sich deshalb darauf verlassen können, dass er entsprechend §
1 BKGG mit Eintritt des Rentenalters Kindergeld erhalten werde, ohne dass dieses Recht von den besonderen
Regelungen der EGVO 1408/71 eingeschränkt werde.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. November 2008, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers
zugestellt am 25. November 2008). Da der Kläger ab 1. Januar 2005 in Griechenland Anspruch auf eine griechische
Rente habe, sei für Leistungen für unterhaltsberechtigte Kinder vorrangig der Wohnsitzstaat (Griechenland) zuständig.
Ein Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG bestehe nicht, weil der Anspruch des Klägers auf Rente aus der
deutschen Rentenversicherung nicht allein nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften erfüllt sei. Aus dem
Rentenbescheid vom 26. Juni 2006 ergebe sich unmissverständlich, dass die für die Altersrente gemäß §§ 35 Nr. 2,
50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erforderliche Wartezeit von fünf
Jahren beim Kläger (mit deutschen Beitragszeiten) nicht erfüllt sei. Aus dem DGrSVA ergebe sich kein
weitergehender Anspruch des Klägers. Nach Art. 1 Nr. 21 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b DGrSVA
erstrecke sich der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens auf das Kindergeld für Arbeitnehmer, wobei Art. 38
Abs. 1 DGrSVA bestimme, dass auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Kindergeld bezogen werden
könne, wenn Geldleistungen der Krankenversicherung wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen der
Arbeitslosenversicherung bezogen würden und sich der Betreffende gewöhnlich im Bundesgebiet aufhalte. Das
Abkommen gelte daher nicht für Rentner. Art. 39 DGrSVA finde auf Kindergeld nach dem BKGG aber keine
Anwendung, weil der Erwerb des Anspruchs auf Kindergeld als Familienbeihilfe nach den deutschen
Rechtsvorschriften (BKGG) nicht davon abhänge, dass Beitragszeiten oder gleichgestellte Zeiten zurückgelegt
worden seien. Ob ein möglicher Rentenanspruch des Klägers auch auf der Grundlage des DGrSVA begründet werden
könnte, könne offen gelassen werden, weil auch bei dieser Fallgestaltung kein rein innerstaatlicher Rentenanspruch
des Klägers bestehen würde. Damit finde die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache C 471/99 auch auf die
vorliegende Fallgestaltung Anwendung. Insoweit werde auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug
genommen.
Mit der am 29. Dezember 2008 (Eingang bei Gericht) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten
Berufung begehrt der Kläger weiterhin Kindergeld ab 1. Januar 2005. Zur Begründung hat der Prozessbevollmächtigte
des Klägers insbesondere ausgeführt, der Kläger sei im Oktober 1963 im Rahmen eines Anwerbeprogramms als
Gastarbeiter nach Deutschland gekommen und habe hier zunächst für mehr als acht Monate eine
sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt. Später habe er ein Studium der Volkswirtschaftslehre aufgenommen.
Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums sei er zunächst wieder in Deutschland und nach seiner Übersiedlung
nach Griechenland auch dort bis zum Eintritt ins Rentenalter sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die
vor dem Studium geleisteten Beiträge zur deutschen Rentenversicherung habe sich der Kläger zu Studienbeginn
erstatten lassen, um sein Studium zu finanzieren. Diese Beiträge müssten, auch wenn sie bei der Berechnung der
deutschen Altersrente keine Berücksichtigung finden, bei der Gewährung des Kindergeldes berücksichtigt werden.
Insoweit sollte lediglich an die Tatsache angeknüpft werden, dass mindestens 60 Beiträge gezahlt worden seien, nicht
aber daran, ob aus allen Beiträgen auch ein konkreter Rentenanspruch resultiere. Sonst würden Beitragszahler, die
sich ihre Rente vorzeitig auszahlen ließen, ungerechtfertigt benachteiligt. Die Ausführungen des SG zum DGrSVA
seien nicht nachvollziehbar. Ein Art. 38 a sei in der ihm vorliegenden Fassung des Abkommens nicht enthalten. Art.
38 DGrSVA betreffe einen völlig anderen Sachverhalt als den vom SG zitierten. Dort gehe es um die Zahlung von
Familienbeihilfen für Angehörige, die sich nicht im selben Vertragsstaat aufhielten, wie der Anspruchsberechtigte.
Soweit das SG Art. 39 DGrSVA nicht für einschlägig erachte, weil der Erwerb des Kindergeldanspruchs nach
deutschem Recht nicht davon abhänge, dass Beitragszeiten zurückgelegt worden seien, erscheine dies
widersprüchlich, weil dies nach dem ersten Teil der Begründung des Urteils, die auf die EGVO 1408/71 und die dazu
ergangene Rechtsprechung des EuGH Bezug nehme, gerade doch der Fall sei. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb
das SG den Anspruch zunächst für unbegründet erachte, weil die erforderlichen Beitragszeiten nicht erfüllt seien,
dann aber ausführe, für die Gewährung von Kindergeld komme es auf die Zurücklegung von Beitragszeiten überhaupt
nicht an. In Fällen, in denen das ursprüngliche Abkommen noch anzuwenden sei, müsse dieses in Verbindung mit
den später ergangenen Rechtsvorschriften (der EGVO 1408/71) gesehen werden, soweit dies dem Zweck des
Abkommens nicht zuwiderlaufe. Die Auffassung des SG, Art. 39 DGrSVA sei nicht einschlägig, möge bei alleiniger
Bezugnahme auf das BKGG richtig sein. Allerdings müsse das Abkommen in Verbindung mit der später ergangenen
EGVO 1408/71 und der Rechtsprechung des EuGH gesehen werden mit der Folge, dass entsprechend den
Vorschriften der Verordnung die Zahlung von Kindergeld mit der Erfüllung von Rentenansprüchen verknüpft sei und in
Altfällen diese Erfüllung anhand des Abkommens schlicht durch Zusammenrechnung zu prüfen sei.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts sowie den Bescheid vom 12. September 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Januar
2005 Kindergeld für seine Tochter A. und für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Januar 2008 Kindergeld für seinen
Sohn A. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hatte hat zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides und den Tatbestand des
angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt
der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143,144,151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht
begründet.
Die Entscheidung ergeht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil der Senat
die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 S. 1
und 2 SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 12. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29 April 2008, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger ab 1. Januar 2005 Kindergeld für seine Kinder
A. und A. zu zahlen. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 10. November 2008 zu Recht
abgewiesen.
Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG) sowie zur
Anwendung des Art. 77 EGVO 1408/71 ergänzend auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheids (§§ 153
Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG) Bezug genommen. Die Beklagte und das SG sind zutreffend davon ausgegangen, dass die
Beklagte gegenüber dem Kläger, der seinen Wohnsitz in Griechenland hat, nicht zur Leistung von Kindergeld
verpflichtet ist, wenn der Anspruch des Klägers auf Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung
nicht allein aufgrund deutscher Versicherungszeiten, sondern nur unter Berücksichtigung der in anderen
Mitgliedstaaten (hier Griechenland) zurückgelegten Versicherungszeiten besteht. Auf die Frage, ob der Kläger über die
bei der Bewilligung der deutschen Altersrente berücksichtigten deutschen Versicherungszeiten hinaus zu einem
früheren Zeitpunkt Versicherungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt hat, die
aufgrund einer erfolgten Beitragserstattung bei der Bewilligung der Altersrente nicht mehr zu berücksichtigen sind,
kommt es danach nicht an. Für die vom Kläger vertretene Auffassung, bei der Bewilligung von Familienleistungen an
Rentner seien nicht nur die der Rente zugrunde liegenden Versicherungszeiten, sondern ungeachtet ihrer Bedeutung
für den innerstaatlichen Rentenanspruch alle in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten
Beitragszeiten zu berücksichtigen, bietet weder Art. 77 Abs. 2 EGVO 1408/71 noch die dazu ergangene
Rechtsprechung des EuGH Anhaltspunkte.
Der aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bewilligten Altersrente des Klägers liegen laut Bescheid der
DRVB vom 26. Juni 2006, dessen inhaltliche Richtigkeit von den Beteiligten nicht infrage gestellt wurde, lediglich 52
Kalendermonate deutscher Beitragszeit zugrunde. Die Wartezeit für die vom Kläger bezogene Regelaltersrente beträgt
jedoch, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, 60 Kalendermonate, so dass der Anspruch auf diese Rente nur in
Anwendung des Art. 45 EGVO 1408/71 unter Berücksichtigung der vom Kläger in Griechenland zurückgelegten
Versicherungszeiten besteht. Auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Aus den erstatteten Beiträgen für
die vor seinem Studium in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragszeiten konnte der
Kläger ab dem Zeitpunkt ihrer Erstattung keinerlei Rechtsansprüche mehr herleiten, weil gemäß § 1303 Abs. 7
Reichsversicherungsordnung (RVO) die Beitragserstattung weitere Ansprüche des Versicherten aus den bisher
zurückgelegten Versicherungszeiten ausdrücklich ausgeschlossen hat. Haben die erstatteten Beiträge damit in der
gesetzlichen Rentenversicherung jede anspruchsbegründende Wirkung verloren, kommt auch eine Berücksichtigung
bei der Bewilligung von Leistungen, die die innerstaatliche Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente
voraussetzen, nicht in Betracht.
Wie des SG weiter zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich auch aus dem DGrSVA, das im vorliegenden Fall in der
Fassung des Zweiten Änderungsabkommens vom 21. März 1967 (Bundesgesetzblatt II 1968 Seite 514) Anwendung
findet, kein Anspruch des Klägers auf das begehrte Kindergeld. Abschnitt IV des Abkommens (Art. 38, 38 a und 39)
regelt den Leistungsanspruch auf Familienbeihilfen wie das Kindergeld nur für Personen, die Beschäftigte sind oder
die sich nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses als Bezieher von Geldleistungen der
Krankenversicherung oder der Arbeitslosenversicherung im Bundesgebiet aufhalten. Auf Bezieher einer Rente aus der
deutschen gesetzlichen Rentenversicherung finden diese Vorschriften keine Anwendung. Unabhängig davon betrifft
Art. 39 DGrSVA nur solche Familienleistungen, zu deren Anspruchsvoraussetzungen das Zurücklegen einer
bestimmten Anzahl von Beitragszeiten zählt. Der Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG setzt jedoch nicht
voraus, dass Beitragszeiten zurückgelegt wurden, so dass die in Art. 39 DGrSVA vorgesehene Zusammenrechnung
von in beiden Mitgliedstaaten zurückgelegten Beitragszeiten von vornherein nicht in Betracht kommt.
Eine Anwendung des Art. 39 DGrSVA auf Vorschriften der EGVO 1408/71 kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die
Vorschriften des mit Beitritt Griechenlands zur Europäischen Union gemäß Art. 6 EGVO 1408/71 außer Kraft
getretenen DGrSVA finden nach der Rechtsprechung des EuGH anstelle der Verordnung Anwendung, wenn dieses
Abkommen zum Zeitpunkt des Beitritts eine soziale Vergünstigung gewährte, die durch die Anwendung der EGVO
1408/71 - hier Kapitel 8 - verloren gehen würde (vgl. EuGH Urteil vom 7. Februar 1991, Rs. C-227/89). Damit soll
verhindert werden, dass durch den Beitritt eines Mitgliedstaats zur Europäischen Union bereits aufgrund eines
bilateralen Abkommens bestehende Ansprüche verloren gehen. Da Abschnitt IV des DGrSVA jedoch auf Bezieher
einer Rente keine Anwendung gefunden hat, kann ein abkommensrechtlicher Anspruch (oder eine Anwartschaft) des
Klägers, im Falle eines Rentenbezuges Kindergeld zu erhalten, im Zeitpunkt des Beitritts nicht bestanden haben.
Eine kumulative Anwendung von Verordnung und Abkommen zur Begründung neuer Ansprüche, die weder vor dem
Beitritt Griechenlands durch das DGrSVA (zumindest im Sinne einer Anwartschaft) gewährt wurden noch nach dem
Beitritt durch die EGVO 1408/71 gewährt werden, sieht weder das EG-Recht noch die Rechtsprechung des EuGH vor
(vergleiche EuGH Urteil vom 5. Februar 2002 Rs. C-277/99). Deshalb kann der Ansicht des Klägers, über den - schon
tatbestandlich auf ihn als Rentenbezieher nicht anwendbaren - Art. 39 DGrSVA müsse er bei der Anwendung des Art.
77 Abs. 2 EGVO 1408/71 so gestellt werden, als habe er die Voraussetzungen für die deutsche Altersrente allein mit
deutschen Beitragssatz erfüllt, nicht gefolgt werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein
Sozialversicherungsabkommen als bilateraler völkerrechtlicher Vertrag nach dem Willen der vertragsschließenden
Parteien auszulegen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Griechenland
bei Abschluss des Abkommens und der späteren Änderungsabkommen oder in der Folgezeit die Anwendung der von
ihnen im DGrSVA getroffenen Regelungen auf Vorschriften des Europäischen Rechts (hier der erst 1971 in Kraft
getretenen EGVO 1408/71) auch nur in Erwägung gezogen oder gar gewollt haben, liegen jedoch nicht vor.
Das Urteil des SG weist diesbezüglich auch keine Widersprüche auf. Das SG ist vielmehr zutreffend davon
ausgegangen, dass bei Anwendung des Art. 77 Abs. 2 EGVO 1408/71 die nach innerstaatlichem Recht für den
Anspruch auf Altersrente erforderlichen Versicherungszeiten (neben den innerstaatlichen Anspruchsvoraussetzungen
für die Familienbeihilfe), bei Anwendung des Art. 39 DGrSVA dagegen nur die gegebenenfalls nach innerstaatlichem
Recht erforderlichen Beitragszeiten für die Familienbeihilfe selbst zu prüfen sind, wobei für den Erwerb des Anspruchs
auf Kindergeld nach dem BKGG solche Beitragszeiten nicht erforderlich sind.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren auch im
Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.