Urteil des LSG Bayern vom 20.09.2007

LSG Bayern: stationäre behandlung, ärztliche behandlung, privatklinik, zusage, krankenversicherung, krankenkasse, erwerbsfähigkeit, sachleistung, akte, bayern

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 20.09.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 3 KR 363/01
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 86/06
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 1. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, Kosten zu erstatten, die der Klägerin für die Behandlung in einer
Privatklinik entstanden sind.
Die 1981 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Sie hat bis 20.06.2001 wegen Erkrankungen der rechten
Hand insgesamt 1 1/2 Jahre Krankengeld bezogen. Zur Überprüfung der Minderung der Erwerbsfähigkeit erfolgte am
18.05.2001 eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK), wobei
festgestellt wurde, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin erheblich gemindert ist und zur Fortführung der
neurologischen Behandlung geraten wurde. Die Klägerin hat nach ihren Angaben telefonisch bei der Beklagten die
Kostenübernahme für eine Behandlung in der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) Klinik in G. beantragt, die mit
Schreiben vom 06.06.2001 mit der Begründung abgelehnt wurde, es handele sich um eine Privatklinik.
Daraufhin hat die Mutter der Klägerin mit Schreiben vom 21.06.2001 erneut die Kostenübernahme beantragt. Sie legte
hierzu den von der Ärztin Dr.H. am 25.05.2005 gestellten Antrag auf Leistungen einer stationären Heilbehandlung in
einer gemischten Krankenanstalt vor. Weiter ist aktenkundig ein Schreiben des Anästhesisten Dr.S. , wonach dieser
der Klägerin empfohlen hat, sich, um den Schwellungszustand und die Funktionseinschränkung des Armes günstig zu
beeinflussen, in der TCM-Klinik einer Behandlung zu unterziehen. Die Akte der Beklagten enthält außerdem eine
Telefonnotiz vom 28.06.2001 über ein Gespräch mit der Mutter der Klägerin, wonach in der TCM-Klinik in K.
Wartezeiten von ca. sechs bis zwölf Monaten gegeben seien, die Behandlung der Klägerin aber keinen Aufschub
dulde. Die Aufnahme in der Klinik G. sei für den 03.07.2001 geplant. Der erneut angehörte MDK (Internist Dr.S.) kam
am 02.07.2001 zu dem Ergebnis, aus medizinischer Sicht bestehe keine Notwendigkeit der Behandlung in einer
Nichtvertragseinrichtung.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 12.07.2001 den Antrag auf Kostenübernahme mit der Begründung abgelehnt, es
sei bereits am 06.06.2001 mitgeteilt worden, dass es sich um eine reine Privatklinik handele. Als Alternative sei die
TCM-Klinik in K. empfohlen worden, die eine Kassenzulassung besitze. Mit am 30.07.2001 bei der Beklagten
eingegangenem Schreiben gaben die Bevollmächtigten der Klägerin an, die Mandantin habe sich der stationären
Behandlung bereits unterzogen. Wegen der langen Wartezeiten sei die empfohlene Klinik in K. ausgeschieden. Die
außervertragliche Kostenübernahme sollte bestätigt werden. Die Beklagte hörte hierzu den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung in Bayern (Dr.B.) an, der zu dem Ergebnis kam, für eine Behandlung in einer Klinik ohne
Versorgungsvertrag lasse sich nach Aktenlage keine Indikation herleiten; auch nicht für eine Behandlung mit
außervertraglichen und unkonventionellen Methoden und Außenseiterverfahren.
Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2001 zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich
die am 10.12.2001 beim Sozialgericht Würzburg eingegangene Klage, die u.a. damit begründet wurde, dass in der
Klinik am S. 15 % Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt würden. Im Termin zur mündlichen
Verhandlung am 01.12.2005 erklärte die Klägerin, die Behandlung sei vom 03.07. bis 20.07.2001 in der Klinik am S.
stationär durchgeführt worden, anschließend sei sie dort ambulant weiterbehandelt worden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 01.12.2005 abgewiesen. Unstreitig sei, dass die Klägerin wegen der
Beschwerden im rechten Arm der Behandlung als Sachleistung bedurfte. Nach § 27 SGB V werde die ärztliche
Behandlung als Sachleistung zur Verfügung gestellt. Die Versicherten könnten unter den an der vertragsärztlichen
Versorgung teilnehmenden Ärzten auswählen. Die Voraussetzungen des § 13 Abs.3 SGB V, die als Ausnahme vom
Sachleistungsprinzip Kostenerstattung ermöglichen, seien nicht gegeben. Es habe keine unaufschiebbare Leistung
vorgelegen. Ebensowenig seien Systemstörungen oder Versorgungslücken gegeben gewesen. Es habe für die
Behandlung der Klägerin ausreichend Vertragsärzte und Therapeuten sowie zugelassene Krankenhäuser gegeben.
Darüberhinaus habe die Beklagte der Klägerin eine Behandlung in der TCM-Klinik K. angeboten. Es sei zwar
zutreffend, dass dort Wartezeiten bis zu einem Jahr bestehen, jedoch erfolge die Aufnahme nach Dringlichkeit,
welche anhand der vorgelegten Krankenunterlagen bestätigt werde. Die Klägerin habe sich gar nicht um einen
Aufnahmetermin in der TCM-Klinik K. bemüht, bereits zum 03.02.2001 sei in der Privatklinik am S. die Behandlung
begonnen worden.
Die Beklagte habe die beanspruchte Leistung auch zu Recht abgelehnt. Die TCM-Klinik sei kein zugelassenes
Krankenhaus. Schließlich ergebe sich eine andere Beurteilung auch nicht dadurch, dass gelegentlich gesetzliche
Krankenkassen die Kosten für eine Behandlung in der TCM-Klinik am S. übernommen hätten. Anspruch auf
Gleichbehandlung bestehe nach Art.3 GG nur auf rechtmäßiges Verwaltungshandeln, nicht jedoch auf rechtswidriges.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 13.03.2006 beim Sozialgericht eingegangene Berufung, die die
Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 18.10.2006 damit begründen, im angegriffenen Urteil bleibe
unberücksichtigt, dass nach der Operation am 20.01.2000 im Klinikum A. , bei der der Plexus brachialis verletzt
wurde, sämtliche schulmedizinischen Therapieformen erfolglos blieben. Die Behandlung in der Klinik am S. sei von
den behandelnden Ärzten empfohlen worden. Dr.S. habe einen kurzfristigen Aufnahmetermin erreichen können. Bevor
die Klägerin den Termin zusagte, habe sie sich an die Beklagte in deren Geschäftsstelle in A. gewendet, deren
zuständiger Mitarbeiter mitteilte, er sehe für eine Aufnahme in der Klinik am S. kein Problem. Dadurch sei eine
Zusage erteilt worden oder zumindest ein Vertrauenstatbestand geschaffen, an den sich die Beklagte festhalten
lassen müsse und auf den die Klägerin auch vertrauen konnte. Es sei tatsächlich so gewesen, dass die bisherigen
Behandlungsmaßnahmen erfolglos waren und die Behandlung in der Klinik am S. zum Erfolg führte.
Am 17.09.2007 gingen die vom Senat angeforderten Rechnungen der TCM-Klinik ein, die erst nach der mündlichen
Verhandlung dem Senat zur Kenntnis kamen.
Die zum Termin nicht erschienene und nicht vertretene Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg
vom 01.12.2005 und die Bescheide der Beklagten vom 06.06.2001 und 12.07.2001 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 09.11.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die
Behandlung in der TCM-Klinik am S. vom 03.07.2001 bis 20.07.2001 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Aspekte. Aus einer telefonisch abgegebenen Zusage könne
kein Leistungsanspruch hergeleitet werden, es fehle die Schriftform. Außerdem liege eine solche Zusage nicht vor,
vielmehr sei die Klägerin vor Beginn der stationären Behandlung sowohl schriftlich als auch telefonisch über die
Ablehnung der Kostenübernahme informiert worden. Das Sozialgericht habe zutreffend ausgeführt, dass die
Voraussetzungen des § 13 Abs.3 SGB V nicht gegeben seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten und der Gerichtsakten
beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung nach § 144 SGG bedarf,
ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.
Das Sozialgericht geht zutreffend davon aus, dass die Klägerin keinen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs.3
SGB V, der als einzige Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, hat. Nach § 13 Abs.3 SGB V in der im Jahr 2001
geltenden Fassung sind von der Krankenkasse Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung
notwendig war, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine
Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschafte Leistung Kosten entstanden sind.
Dass der Klägerin tatsächlich Kosten entstanden sind und in welcher Höhe, ist durch die mit Schreiben des
Klägerbevollmächtigten vom 17.09.2007, beim LSG eingegangen am selben Tag, vorgelegten Rechnungen belegt. Es
ist nicht nachvollziehbar, weshalb dieses Schreiben und die Rechnungen dem Senat nicht vor der mündlichen
Verhandlung zur Kenntnis kamen. Der Senat hält nicht an der zu Protokoll gegebenen Erklärung fest, die Klage
erscheine als unzulässig. Die Berufung ist jedoch zurückzuweisen, weil bereits die Klage unbegründet ist.
Die Vorlage der Rechnungen führt nicht zur Kostentragungspflicht der Beklagten, weil die stationäre Behandlung
weder eine unaufschiebbare Leistung war noch die Beklagte sie zu Unrecht abgelehnt hat. Der Senat schließt sich
den Ausführungen des Sozialgerichts zur Unaufschiebbarkeit bzw. deren Fehlen an und sieht von insoweit gemäß §
153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Darüberhinaus ist unbestritten, dass die
Klinik am S. nicht zu den Krankenhäusern gehört, die zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen
Krankenkassen zugelassen sind. Dies ergibt sich aus § 108 SGB V.
Schließlich führt auch der vom Klägerbevollmächtigten zitierte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht zu
einer Zahlungsverpflichtung der Beklagten. Die Klägerin hat weder an einer lebensbedrohlichen oder an einer
regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung gelitten. Die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
06.02.2007 (1 BvR 3101/06) aufgestellten Kriterien sind nicht gegeben. Danach ist eine Krankheit auch dann als
regelmäßig tödlich zu qualifizieren, wenn sie "erst" in einigen Jahren zum Tod des Betroffenen führt. Der Senat
unterschätzt nicht den Leidensdruck, unter dem die Klägerin stand. Dass Tendovaginitis jedoch zum Tod führt, ist
auszuschließen. Die in Betracht kommenden vertraglichen Behandlungsmöglichkeiten sind der Klägerin von Dr. U.
vom MDK bei der Untersuchung am 18.05.2001 aufgezeigt worden.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.