Urteil des LSG Bayern vom 28.08.2009

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 13 AL 77/07
Bayerisches Landessozialgericht L 10 AL 268/08
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.07.2008 wird als unzulässig
verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt - zuletzt noch - die Erstattung der vom finnischen Träger an ihn ausgezahlten Leistungen der
Arbeitslosenversicherung durch die Beklagte an den finnischen Träger.
Der 1946 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Am 03.04.2006 meldete er sich erstmals bei der
Beklagten mit dem Anliegen, diese möge ihm eine Bescheinung E 301 über seine Versicherungszeiten ausstellen. Er
sei seit 01.02.1983 bei der Fa. A. AG in R./Deutschland beschäftigt gewesen. Seit dem 01.01.1997 habe er für deren
Tochterfirma in England, die A., gearbeitet. Er rechne damit, zum 31.12.2006 entlassen zu werden, und er
beabsichtige, sich in Deutschland oder Finnland eine neue Arbeit zu suchen. Hierbei plane er, sich vorerst ab Oktober
2006 in Finnland um eine Beschäftigung zu bemühen, weil er dort bessere Chancen sehe. Er habe Anspruch auf
Arbeitslosenunterstützung in Finnland oder Deutschland. Hierfür benötige er die Bescheinigung E 301.
Am 03.01.2007 meldete sich der Kläger erneut bei der Beklagten und teilte mit, dass er zum 01.01.2007 arbeitslos
geworden sei und die Bescheinigungen E 301 vom deutschen und englischen Versicherungsträger benötige, um in
Finnland, wo er nun lebe, eine soziale Unterstützung zu erhalten.
Nach Eingang der Arbeitsbescheinigung, in der durch die Fa. A. AG Beschäftigungszeiten des Klägers in Deutschland
für den Zeitraum vom 01.02.1983 bis 31.12.1996 bescheinigt worden waren, übersandte die Beklagte dem Kläger am
15.01.2007 eine Bescheinigung E 301, in der Versicherungszeiten vom 01.01.1996 bis 31.12.1996 bescheinigt
wurden.
Dem widersprach der Kläger u.a. mit der Begründung, er habe in Deutschland in der Zeit vom 04.04.1961 bis
31.12.1996 durchgehend Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt. Er verstehe nicht, aus welchen Gründen er
nach 45 Jahren Beitragszahlung keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben solle.
Auf das Vorbringen des Klägers hin erstellte die Beklagte eine neue Bescheinigung E 301, in der die
Beschäftigungszeiten nach deutschem Recht bei der Fa. A. AG für die Zeit vom 01.02.1983 bis 31.12.1996
ausgewiesen waren.
Den Widerspruch gegen die Bescheinigung E 301 vom 15.01.2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
26.01.2007 als unzulässig zurück, weil die Bescheinigung E 301 keine Regelung für den Einzelfall darstelle und
mangels Verwaltungsaktcharakters nicht mit einem Rechtsbehelf angreifbar sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 15.02.2007 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Es sei nicht
rechtmäßig, dass er in Deutschland, obwohl er 45 Jahre Steuern und Beiträge gezahlt habe, keinen Anspruch auf
Arbeitslosenunterstützung haben solle. Dies sei ihm zumindest mit dem Formblatt E 301 bescheinigt worden. Vom
finnischen Staat erhalte er ein Tagegeld von ca. 340,00 EUR monatlich, für das er jeden Tag acht Stunden arbeiten
oder zur Schule gehen müsse. Gegenüber der Agentur für Arbeit stelle er keine weiteren Ansprüche, weil er sich damit
abgefunden habe, dass das deutsche Sozialversicherungssystem versagt habe. Er wolle jedoch, dass seine
Geschichte an die Öffentlichkeit komme.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.07.2008 abgewiesen. Das Vorbringen des Klägers sei dahingehend zu
verstehen, dass er die Bewilligung von Arbeitslosengeld durch die Beklagte begehre. Eine solche Klage sei jedoch -
mangels Rechtsschutzbedürfnisses - unzulässig, weil bei der Beklagten ein entsprechendes Verwaltungsverfahren
nicht durchgeführt worden sei. Zudem bestehe ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach deutschem Recht nicht. Im
Übrigen sei die Klage unbegründet. Ein fehlerhaftes Handeln der Beklagten sei nicht ersichtlich. Die Bescheinigung E
301 sei entsprechend den Vorgaben des Klägers geändert worden.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil am 10.12.2008 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Das
Urteil des SG gebe den Sachverhalt unzutreffend wieder. Ihm sei von der Agentur für Arbeit in R. bescheinigt worden,
dass er keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung habe; ebenso vom Arbeitsamt in England. Zwischenzeitlich
habe er sich in Finnland - mit Unterstützung des finnischen Staates - selbständig gemacht. Er benötige kein
Arbeitslosengeld mehr. Er verlange jedoch, dass die vom finnischen Träger an ihn ausgezahlte
Arbeitslosenunterstützung - für die Zeit vom 01.01.2007 bis 17.06.2007 - von der Beklagten an den finnischen Träger
zurückgezahlt werde.
Er beantragt (sinngemäß), die Beklagte zu verpflichten, die vom finnischen Träger der Arbeitslosenversicherung an
den Kläger für den 01.01.2007 bis 17.06.2007 gezahlten Leistungen an diesen Träger zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie wendet ein, dass für das zuletzt noch geltend gemachte Klagebegehren des Klägers eine Rechtsgrundlage nicht
gegeben sei. Im Übrigen halte sie das Urteil des SG für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten
erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die fristgerechte Berufung des Klägers (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist unzulässig.
Im Hinblick auf den mit der Berufung allein noch streitig gestellten Verfahrensgegenstand, die Erstattung der vom
finnischen Träger an den Kläger gezahlten Arbeitslosenunterstützung durch die Beklagte an den finnischen Träger,
fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.
Grundsätzlich genügt für das Rechtsschutzbedürfnis und damit die Zulässigkeit einer Klägerberufung das Vorliegen
einer formellen Beschwer, die in aller Regel bereits dann gegeben ist, wenn mit dem klageabweisenden Urteil ein
erstinstanzlich vorgetragenes Begehren abgelehnt wurde (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 9.
Aufl., vor § 143 Rn. 6). Hiervon ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn mit der Berufungseinlegung kein
schutzwürdiges Interesse weiterverfolgt wird (vgl. Leitherer aaO vor § 143 Rn. 5 mwN).
Vorliegend bestehen zwar bereits erhebliche Zweifel, ob der Kläger im Verfahren vor dem SG - wie dort angenommen -
die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach deutschem Recht begehrt hat, denn der Kläger hatte zuletzt ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass er keinerlei Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit mehr wolle. Auch ist nicht
nachvollziehbar, dass der Kläger erstinstanzlich die Entscheidung der Beklagten vom 26.01.2007 sachlich in Frage
gestellt hätte, denn er hat sich auch in keiner Weise mit der Problematik auseinandergesetzt, dass die Übermittlung
der Versicherungszeiten im Rahmen des Formblattes E 301 ihm gegenüber keinen Verwaltungsakt darstelle. Er hat
lediglich bemängelt, dass ihm bescheinigt worden sei, keine Arbeitslosenunterstützung zu erhalten. Im Ergebnis kann
diese Frage jedoch offen bleiben, denn mit der Berufung hat der Kläger weder die Rechtswidrigkeit des
Widerspruchsbescheides vom 26.01.2007 gerügt noch hat er einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach deutschem
Recht geltend gemacht.
Allein streitig gestellt hat der Kläger mit der Berufung die Erstattung der Arbeitslosenunterstützung, die der finnische
Träger ihm im Zeitraum vom 01.01.2007 bis 17.06.2007 gewährt habe. Diese vom finnischen Träger gezahlten
Leistungen seien von der Beklagten an den finnischen Träger zu erstatten. Insoweit ist ein schutzwürdiges Interesse
des Klägers nicht im Ansatz zu erkennen, denn mit der Berufung verfolgt der Kläger allein einen Anspruch weiter, für
den er nicht klagebefugt ist. Soweit ein solcher Erstattungsanspruch überhaupt gegeben ist, wäre dieser durch den
finnischen Träger geltend zu machen, der die Arbeitslosenunterstützung an den Kläger erbracht hat. Es gibt jedoch
keinerlei Anhaltspunkte, dass der Kläger - eventuell im Rahmen einer gewillkürten Prozessstandschaft - berechtigt
wäre, das - nach eigenem Bekunden fremde Recht - im eigenen Namen geltend zu machen.
Darüber hinaus hat der Kläger mit dem Rechtsmittel keine Beeinträchtigung seines eigenen Rechtskreises mehr
geltend gemacht, so dass die Berufung im Ergebnis bereits als unzulässig zu verwerfen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.