Urteil des LSG Bayern vom 29.07.2008

LSG Bayern: verfahrensmangel, sanktion, anhörung, verschulden, unrichtigkeit, rechtseinheit, fahrlässigkeit, irrtum, stadt, ermessensausübung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 29.07.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 19 AS 964/07
Bayerisches Landessozialgericht L 11 AS 145/08 NZB
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialge- richts A-Stadt vom 22. 02.2008 wird
zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung ihres Arbeitslosengeldes II (Alg II) für die Zeit vom 01.08.2007 bis
31.10.2007 in Höhe von 31,00 EUR monatlich wegen Nichterscheinens zum Meldetermin am 25.06.2007.
Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat die Klage gegen den Bescheid vom 27.06.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23.08.2007 nach Anhörung der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am
13.02.2008 mit Urteil vom 22.02.2008 abgewiesen. Zwar sei der Klägerin lediglich einfache Fahrlässigkeit
vorzuwerfen, hingegen genüge dies den Anforderungen des § 31 Abs.6 i.V.m. Abs.2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II), an dessen Verfassungsmäßigkeit kein Zweifel bestehe.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Das SG habe unberücksichtigt
gelassen, dass ihr von der Beklagten zeitlich keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, ihren Irrtum zu erklären und
dass diese im Rahmen einer ermessensfehlerfreien Beurteilung von der Sanktion hätte Abstand nehmen müssen,
zumal sie zu keinem anderen Zeitpunkt ein Fehlverhalten gezeigt habe.
Zugleich hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt.
II.
Die von der Klägerin fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs.1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes
ausgeschlossene Berufung zuzulassen.
Nach § 144 Abs.2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr.1), das
Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der
Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht
(Nr.2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und
vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr.3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Die Klägerin hat weder die Abweichung des SG von einer höchstrichterlichen Entscheidung noch einen
Verfahrensmangel geltend gemacht. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das
sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, sodass es
nicht um die Richtigkeit der Entscheidung gehen kann, sondern lediglich um das prozessuale Vorgehen des Gerichts
auf den Weg zum Urteil oder die Zulässigkeit des Urteils. Die Klägerin rügt mangelnde Anhörung von Seiten der
Beklagten und unterlassene Ermessensausübung. Ein Verfahrensmangel des Verwaltungsverfahrens kann jedoch
ebenso wenig Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde sein wie der Inhalt des Urteils, das von einer
gebundenen Verwaltungsentscheidung ausgegangen ist (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG,
8.Aufll, § 144 Rdnr. 32).
Die Rechtssache ist auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist
gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im
allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei
ein Individualinteresse nicht genügt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO § 144 Rdnr. 28). Klärungsbedürftig ist eine
Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand von Rechtsprechung und Literatur nicht ohne Weiteres
beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist
(BSG SozR 1500 § 160 Nr.17) oder praktisch von vorneherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr.4).
Nach dem Gesetzeswortlaut des § 31 Abs.2 SGB II knüpft sich an den Tatbestand des Verstoßes gegen
Meldepflichten zwingend die Rechtsfolge der Absenkung von Alg II sowie des Wegfalls von Zuschlägen gemäß § 24
SGB II.
Pflichtgemäßes Ermessen kommt dem Leistungsträger nicht zu (Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, 2.
Aufl., § 31 Rdnr.4). Ob der Klägerin ein Verschulden zum Vorwurf gemacht werden kann und die getroffene Sanktion
als Reaktion auf das konkrete Fehlverhalten gerechtfertigt war, ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu
prüfen. Die von der Klägerin behauptete sachliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung stellt keinen Grund
dar, eine Kraft Gesetzes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Bei Verfahren mit geringem Streitwert soll es
grundsätzlich mit einer gerichtlichen sachlichen Überprüfung des Klagebegehrens sein Bewenden haben. Die
Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Antrag auf PKH war mangels Erfolgsaussicht als unbegründet abzulehnen (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). Nach § 145 Abs.4 Satz 5 SGG wird das Urteil des SG mit der
Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.