Urteil des LSG Bayern vom 11.07.2007

LSG Bayern: commotio cerebri, kopfschmerzen, befund, ermessen, verwaltungsverfahren, behandlung, beifahrer, distorsion, verkehrsunfall, klinikum

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 11.07.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 4 U 7/06
Bayerisches Landessozialgericht L 3 B 385/07 U
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 15.03.2007 aufgehoben. Die
Kosten für das nach § 109 SGG erstattete Gutachten des Prof.Dr.T. vom 11.07.2006 werden auf die Staatskasse
übernommen.
Gründe:
I.
Der 1958 geborene Kläger erlitt am 14.09.2004 bei einem Verkehrsunfall als Beifahrer eine Platzwunde an der
Augenbraue und Unterlid links, Commotio cerebri, Schädelprellung, HWS-Distorsion, Schürfwunde linker Jochbogen,
Prellung linker Jochbogen (Durchgangsarztbericht Dr.G. vom 14.09.2004). Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die
Beklagte bei: Entlassungsanzeige des St.B. Krankenhaus vom 22.09.2004, Nachschaubericht Dr.G. vom 27.09.2004,
07.10.2004, 23.11.2004, 05.07.2005, Befundbericht Dr.G. vom 18.10.2005, Berichte des Radiologen Dr.Z. vom
22.07.2005, 01.12.2005. Mit Bescheid vom 01.09.2005 lehnte sie es ab, den Kläger auf ihre Kosten weiter zu
behandeln. Aus dem MRT-Befund vom 22.07.2005 ergeben sich unfallunabhängige Veränderungen der
Halswirbelsäule. Auf den Widerspruch des Klägers holte sie die Stellungnahme des Dr.G. vom 18.10.2005 ein
(degenerative Veränderungen im Bereich der mittleren und unteren HWS und multiple Bandscheibenprotrusionen sind
nicht unfallbedingt). Der Kläger legte ein Attest des Artzes und Zahnarztes Dr.H. vom 13.12.2005 vor. Die Beklagte
wies mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2004 den Widerspruch zurück.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg (SG) holte das SG auf Antrag des Klägers ein
Gutachten des Prof.Dr.T. (Klinikum L.) gemäß § 109 SGG vom 11.07.2006 ein. Er führte aus, nach den geschilderten
Charakteristika handle es sich bei den Kopfschmerzen des Klägers um einen sogenannten Spannungskopfschmerz.
Die Einschränkung der Beweglichkeit der HWS sei nur geringfügig. Degenerative Veränderungen an der
Halswirbelsäule hätten schon vor dem Unfall bestanden.
Mit Urteil vom 14.03.2007 wies das SG die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein.
Den Antrag des Klägers, die Kosten für das Gutachten des Prof.Dr.T. auf die Staatskasse zu übernehmen, wies das
SG mit Beschluss vom 15.03.2007 ab.
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger Beschwerde eingelegt.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für
das Gutachten nach § 109 des Prof.Dr.T. vom 11.07.2006 auf die Staatskasse.
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Kosten einer Begutachtung nach § 109 SGG von dem Antragsteller
zu tragen sind, steht in dem Ermessen des SG. Die Ermessensentscheidung ist jedoch im Beschwerdeverfahren
unbeschränkt darauf überprüfbar, ob die Voraussetzungen und die Grenzen des Ermessens richtig bestimmt und
eingehalten sind. Bei der Ermessensentscheidung hat das Gericht zu berücksichtigen, ob das Gutachten für die
gerichtliche Entscheidung Bedeutung gewonnen hat, ob es die Aufklärung und Erledigung des Rechtsstreits objektiv
gefördert hat. Es kommt also nicht allein auf das Ergebnis des Gutachtens und den Ausgang des Verfahrens an,
sondern es genügt, wenn das Gutachten das Verfahren wenigstens gefördert hat. Dies ist bereits dann der Fall, wenn
das Gutachten die vorzunehmende Beurteilung auf eine breitere und damit für das Gericht und die Beteiligten
überschaubarere und überzeugendere Grundlage gestellt hat. Dies rechtfertigt sich aus der Amtsermittlungspflicht der
Sozialgerichte gemäß § 103 SGG. Einem klagenden Versicherten sollen nicht Kosten für solche Ermittlungen
auferlegt werden, deren Durchführung Aufgabe des Gerichts gewesen wäre (vgl. Beschluss des BayLSG vom
20.01.1995, L 3 B 258/94 U).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte im Verwaltungsverfahren kein Gutachten eingeholt und sich nur auf einen
kernspintomographischen Befund der HWS vom 22.07.2005 bei ihrer Ablehnung einer weiteren Behandlung gestützt,
obwohl sich aus den Nachschauberichten des Dr.G. seit dem Unfall erhebliche Beeinträchtigungen ergaben. Eine
weitere Sachaufklärung insbesondere hinsichtlich der vom Kläger nach dem Unfall geklagten Kopfschmerzen und
laufender Medikamenteneinnahme hat nicht stattgefunden. Das SG hätte sich daher gedrängt fühlen müssen, im
Klageverfahren ein Gutachten von Amts wegen einzuholen. Ohne ein weiteres Gutachten wäre dem SG die
Entscheidung des Rechtsstreits nicht möglich gewesen. Es liegt somit auf der Hand, dass das Gutachten des
Prof.Dr.T. die Sachaufklärung gefördert hat. Es daher gerechtfertigt ist, die Kosten auf die Staatskasse zu
übernehmen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).