Urteil des LSG Bayern vom 20.03.2007

LSG Bayern: merkblatt, erwerbsunfähigkeit, firma, berufsunfähigkeit, beweislast, durchschnittslohn, zusammenrechnung, wartezeit, arbeitszeugnis, altersrente

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 20.03.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 14 R 69/06 A
Bayerisches Landessozialgericht L 6 R 840/06
Bundessozialgericht B 5a/4 R 255/07 B
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 17. November 2006 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung von Erwerbsminderungsrente.
Der Kläger ist 1946 geboren. Er hat in Serbien Versicherungszeiten von etwas mehr als 27 Jahren im Zeitraum
zwischen 1961 und Februar 1997 zurückgelegt. In Deutschland war er von März 1974 bis Februar 1977, von Mai 1977
bis April 1978 sowie von September bis Dezember 1978 insgesamt 48 Monate versicherungspflichtig beschäftigt und
vier Monate arbeitslos gemeldet.
Der Kläger hat bereits in mehreren Verfahren versucht, Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Ein
erstes Rentenverfahren im Jahr 1994 blieb erfolglos. Weitere Verfahren wurden von November 1996 bis April 1997 und
von Juli 1997 bis März 1998 durchgeführt. Im letztgenannten Verfahren hat die Beklagte erfolglos Arbeitgeberanfragen
an die Arbeitgeber des Klägers, Firma S. , Firma D. und Firma G. gerichtet. Mit Widerspruchsbescheid vom
17.03.1998 hat sie dann festgestellt, dass der Kläger noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte
Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck habe. Berufsschutz sei bei ihm nicht nachgewiesen und daher auch nicht
anzuerkennen. Unter "sonstige Hinweise" wurde der Kläger auf die besonderen versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen hingewiesen, wobei aufgrund der Übergangsvorschrift erforderlich sei, dass jeder Kalendermonat "in
der Zeit vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit mit Beiträgen oder
gleichgestellten Tatbeständen belegt" sei. Die Belehrung lautet wörtlich, wie folgt: "Die zur Aufrechterhaltung des
Versicherungsschutzes bei zukünftig eintretender Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gemäß den §§ 240, 241, a.a.O.
erforderliche lückenlose Belegung kann auch mit freiwilligen Beiträgen erfolgen. Dabei ist Folgendes zu beachten:
Freiwillige Beiträge können grundsätzlich nur bis zum 31.03. des Jahres, das dem folgt, für das sie gelten sollen,
gezahlt werden (§§ 197 Abs.2 SGB VI). Die Frist für die wirksame Zahlung freiwilliger Beiträge wurde durch das
Renten- bzw. anschließende Widerspruchsverfahren unterbrochen (§ 198 Satz 1 SGB VI). Freiwillige Beiträge für
Zeiten ab 01.01.1997 können nach dieser Bestimmung daher noch bis zum Ablauf von drei Monaten nach
Rechtsverbindlichkeit dieses Widerspruchsbescheides fristgerecht nachgezahlt werden. Nur wenn Sie Beiträge für alle
zurückliegenden nicht belegten Zeiten zahlen, kann Ihr Versicherungsschutz durch laufende ununterbrochene Zahlung
freiwilliger Beiträge aufrecht erhalten werden."
Ein weiteres Rentenverfahren wurde von September 1999 bis Februar 2002 durchgeführt. Die Ablehnung der Rente
durch die Beklagte erfolgte zunächst mangels neuer medizinischer Erkenntnisse - Schreiben vom 02.12.1999 - und
dann aufgrund mangelnder Mitwirkung - Widerspruchsbescheid vom 05.02.2002: Der Kläger war nicht zur
Untersuchung nach Deutschland angereist.
Am 14.09.2004 beantragte der Kläger, die bisherigen ablehnenden Entscheidungen zu überprüfen. Mit Bescheid vom
13.10.2004 lehnte die Beklagte dies ab, da in Bezug auf die gesundheitlichen Verhältnisse keine Änderung
vorgetragen sei.
Auf den Widerspruch veranlasste die Beklagte dann aber doch eine internistische Untersuchung durch Dr.S. , der im
Gutachten vom 30.11.2005 ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeit in wechselnder Körperhaltung
festgestellt hat. Er ging dabei insbesondere von den Gesundheitsstörungen Diabeteserkrankung, Bluthochdruck,
Wirbelsäulensyndrom, Schulterbeschwerden, Bronchitis und Ventilationsstörung aus. Mit Widerspruchsbescheid vom
15.12.2005 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück. Es hätten sich im Rahmen des
Überprüfungsverfahrens - insbesondere bei der neuerlichen Untersuchung - keine neuen Tatsachen ergeben.
Die hiergegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) Landshut mit Gerichtsbescheid vom 17.11.2006 ab. Im
Rahmen der Überprüfung nach § 44 SGB X seien Bescheide dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig seien. Dies sei
hier nicht der Fall. Der Kläger erfülle die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur bis März 1999, da er
Pflichtbeiträge nur bis Februar 1997 habe. §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum Jahr 2000 geltenden Fassung forderten
u.a., dass in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit mindestens drei Jahre mit
Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung belegt seien, wobei bestimmte Aufschubtatbestände zu
berücksichtigen seien. Da der Bezug der serbischen Invalidenrente kein solcher Aufschubtatbestand sei, erfülle der
Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur, wenn er spätestens im März 1999 erwerbs- oder
berufsunfähig geworden wäre. Auch die Vorschrift des §§ 240 Abs.2 bzw. 241 Abs.2 SGB VI a.F. stelle den Kläger
nicht besser. Erforderlich sei eine durchgehende Belegung mit Beiträgen oder Anwartschaftserhaltungszeiten ab
Januar 1984. Der Kläger habe heute nicht mehr die Berechtigung, freiwillige Beiträge für die Jahre vor 2004
nachzuzahlen; die entsprechenden Fristen seien abgelaufen. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch greife
zugunsten des Klägers nicht ein. Der Kläger sei umfassend mit "Merkblatt 6" über die Notwendigkeit der
Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes durch Zahlung freiwilliger Beiträge aufgeklärt worden und habe davon
keinen Gebrauch gemacht. Für den Zeitpunkt März 1999 stehe zur Überzeugung des Gerichts ein vollschichtiges
Leistungsvermögen fest. Befundberichte des Jahres 1998 seien vom Kläger bereits im Überprüfungsverfahren 1999
eingereicht worden. Bereits damals habe die Beklagte hieraus auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen
geschlossen. Auch die im hiesigen Verfahren durchgeführte Begutachtung im November 2005 habe dieses Ergebnis
bestätigt. Aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen sei Dr.S. nachvollziehbar zum Ergebnis eines nach wie
vor bestehenden vollschichtigen Leistungsvermögens gekommen. Auch berufsunfähig sei der Kläger damals nicht
gewesen. Er habe nachweisbar lediglich die 2. Klasse der Maurerausbildung durchlaufen und gebe selbst an, als
Maurer, Zimmermann und Akustikmonteur tätig gewesen zu sein. Dies seien jeweils eigene Ausbildungsberufe. Es sei
unwahrscheinlich, dass der Kläger jeweils die vollen theoretischen und praktischen Kenntnisse dieser
Ausbildungsberufe besessen habe. Auf ein vorgelegtes jugoslawisches Arbeitszeugnis komme es nicht an. Auch der
1987 erzielte Durchschnittslohn von ca. 1.000,00 DM habe nicht einem damaligen Facharbeiterlohn entsprochen, wie
sich aus Tabelle 11 (Bauwirtschaftsanlage 14 zum SGB VI) ergebe. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast
ergehe die Nichterweislichkeit eines Berufsschutzes zu Lasten des Klägers. Somit müsse auch eine konkrete
Verweisungstätigkeit für ihn nicht benannt werden. Berufsunfähigkeit habe bei dem Kläger im Jahr 1999 somit nicht
vorgelegen.
Hiergegen richtet sich die Berufung vom 11.12.2006.
Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht aussichtsreich erscheine. Der Kläger hat auf
seine serbische Versicherungszeit von 27 Jahren hingewiesen sowie auf die Tatsache, dass er seinen ersten
Rentenantrag schon 1997 gestellt habe und seither jugoslawische Invalidenpension beziehe. Er vermochte eine Lücke
in seiner Versichertenbiographie nicht zu erkennen.
Er beantragt sinngemäß, 1. den Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 17.11.2006 so wie den Bescheid vom
13.10.2004 in Gestalt des Wider spruchsbescheids vom 15.12.2005 aufzuheben und 2. die Beklagte zu verpflichten,
den Bescheid vom 02.12. 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 aufzuheben und ihm
Rente wegen Erwerbsunfä higkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit ab September 1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte der Beklagten, des SG und die
Berufungsakte hingewiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG Landshut die Klage mit dem angefochtenen
Gerichtsbescheid abgewiesen. Der Senat schließt sich dieser Entscheidung auch in ihrer Begründung an und sieht
von einer nochmaligen Darstellung insoweit ab (§ 153 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auch dann nicht existiert, wenn
man im "Merkblatt 6" keine ausreichende Information des Versicherten sieht, wozu der Senat in der Tat neigt. Denn
über das "Merkblatt 6" hinaus wurde dem Kläger eine ausreichende Einzelfallbelehrung über die Möglichkeit und
Notwendigkeit freiwilliger Beitragszahlung erteilt.
Ein Hinweis auf vorzeitige Altersrente musste dem Kläger nicht erteilt werden, da er auch bei Zusammenrechnung der
deutschen und serbischen Versicherungszeiten die Wartezeit von 35 Versicherungsjahren deutlich verfehlt und somit
sich eine entsprechende freiwillige Beitragszahlung - bei einer derzeitigen fiktiven Rentenhöhe von 70,84 EUR - als
Gestaltungsmöglichkeit nicht aufgedrängt hat.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Dem entspricht auch die Kostenentscheidung (§§ 183, 193 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.