Urteil des LSG Bayern vom 19.11.2003

LSG Bayern: osteomyelitis, trauma, streuung, prozess, innere medizin, erste hilfe, beweisanordnung, wahrscheinlichkeit, unfallfolgen, anerkennung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 19.11.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 41 U 825/98
Bayerisches Landessozialgericht L 2 U 222/02
Bundessozialgericht B 2 U 18/04 B
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. April 2002 aufgehoben und die
Klage gegen den Bescheid vom 13.08.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.1998 abgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien ist streitig, ob es infolge eines Arbeitsunfalles zu einer Osteomyelitis gekommen ist und die
Beklagte hierfür Entschädigung leisten muss.
Am 01.11.1992 kam die Klägerin mit ihrem Pkw auf dem Weg zu ihrer Tätigkeit als Hebamme von der Straße ab. Bei
ihrer kurz darauf erfolgten Aufnahme im Krankenhaus gab sie nach dem Durchgangsarztbericht an, sie sei bei dem
Versuch, einem Hasen auszuweichen ins Schleudern geraten und die Böschung hinabgekippt. Bei der telefonischen
Einvernahme am 13.11.1992 erklärte sie gegenüber der Polizei, sie könne genaue Angaben zum Unfallhergang nicht
machen. Sie könne lediglich sagen, dass sie ein Reh auf der Fahrbahn gesehen habe, diesem Reh habe ausweichen
wollen und dadurch ins Schleudern gekommen sei. Ein entgegenkommender Verkehrsteilnehmer, der auch beim
Unfall erste Hilfe geleistet hatte, gab gegenüber der Polizeibehörde an, er habe beobachtet, wie das Heck des Autos
der Klägerin auf Grund einer für ihn grundlosen Vollbremsung etwa einen halben Meter zur Fahrbahnmitte hin versetzt
gewesen sei. Nachdem sie ordnungs- gemäß aneinander vorbei gefahren seien, habe er im Rückspiegel beobachtet,
wie der Pkw von der Fahrbahn abgekommen sei. Ein Grund hierfür sei für ihn nicht ersichtlich gewesen. Im
Ordnungswidrigkeitenverfahren widersprach die Klägerin der polizeilichen Annahme, sie habe sich im
Böschungsgraben überschlagen. Sie sei bei dem Versuch, einem Reh auszuweichen, ins Schleudern geraten und die
Böschung hinabgekippt, habe sich aber nicht überschlagen. Sie verwies dabei auch auf ein tech- nisches
Sachverständigengutachten, das kein Überschlagen festgestellt habe.
Der Durchgangsarztbericht notierte einen Spontan- und Druckschmerz in der Tabatière der linken Hand und eine
Schmerzverstärkung bei axialer Kompression. Es habe eine diskrete Weichteilschwellung ohne Hautdefekt
bestanden, die Beweglichkeit im linken Handgelenk sei frei gewesen. Am Kinn zeigte sich eine 6 cm lange
Platzwunde und an der rechten Skapula fand sich ein Spontan- und mäßiger Druckschmerz am medialen
Skapularand. Als Diagnose wurde neben einer Kinnplatzwunde der Verdacht auf eine Skaphoidfraktur links geäußert,
die nach späteren ärztlichen Äußerungen jedoch ausgeschlossen werden konnte.
Bei einer Begutachtung im Januar 1994 in der Chirurgischen Klinik Innenstadt M. ergab sich aus den dortigen
Unterlagen, dass die Klägerin am 04.01.1993 wegen der Folgen eines Treppensturzes am 03.01.1993 vorstellig
geworden war. Dabei sei sie von herabfallenden schweren Gegenständen im Gesicht, insbesondere der Nasenregion,
und am rechten Fuß verletzt worden. Es hätten sich befundmäßig entsprechende Schwellungen und Blutergüsse mit
ebenfalls entsprechenden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen gefunden, was den Fuß betreffe. Dieses
Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass es durch den streitgegenständlichen Unfall zu einer Kinnplatzwunde und einer
aktivierten Arthrose des Daumensattelgelenks links gekommen sei sowie zu einer Sesamoiditis im Bereich des
Daumengrundgelenkes links durch lang- dauernde Gipsbehandlung. In einer Ergänzung seines Gutachtens kam der
Sachverständige zu dem Ergebnis, Unfallfolgen seien ausschließlich die aktivierten Arthrosen.
Im weiteren Verwaltungsverfahren holte die Beklagte ein Gutachten des Handchirurgen Dr.R. von der
Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 01.08.1995 ein. Dort wurden überhaupt keine Unfallfolgen festgestellt,
es wurden vielmehr alle in Betracht kommenden Gesundheitsstörungen entweder überhaupt oder als Unfallfolgen
ausgeschlossen (Skaphoidfraktur; Rhizarthrose; Schnappfinger; Exostose am ersten Mittelhandknochen; Ruptur des
ulnaren Seitenbandes ((Skidaumen)); Sesamoiditis; Handgelenksarthrose; Läsion des ulnocarpalen Komplexes;
Ulnavorschub). Beschwerden der Klägerin waren ausschließlich an der linken Hand angegeben. Bei der
Unfallschilderung gab die Klägerin an, sie sei langsam, etwa 55 km/h gefahren, beim starken Bremsen sei es zu
Vibrationen des Lenkrades gekommen, welches sie mit beiden Händen gehalten habe. Es sei durch das
Bremsmanöver, bei dem sie angeschnallt gewesen sei, zu einem Über- streckungstrauma der Handgelenke
gekommen. An ein ruckartiges Verdrehen des Lenkrades könne sie sich nicht erinnern; sie sei in den Straßengraben
gefahren, eine ruckartige Abbremsung bzw. ein Aufprall auf ein Hindernis seien nicht erfolgt. Nach dem Unfall habe
sie speichenseitig am Handgelenk sowie am 1. Strahl Beschwerden gehabt.
Bei dem Handchirurgen Prof.Dr.L. ist eine erstmalige Untersuchung am 28.12.1994 in den Akten dokumentiert. Der
Arztbericht an die Beklagte vom 04.01.1995 weist ausschließlich Beschwerden und Befunde an der linken Hand aus.
Auch die mit Schreiben vom 06.02.1995 mitgeteilten Diagnosen beziehen sich ausschließlich auf die linke Hand. In
einem anschließenden Klageverfahren wegen weiterer Unfallfolgen und der Gewährung von Verletztengeld holte das
Sozialgericht ein Gutachten von dem Handchirurgen Prof.Dr.L. vom 25.07.1996 ein. Dort ist zur Unfallschilderung der
Klägerin u.a. angegeben, der Wagen sei von der Straße abgekommen und die Böschung hinuntergefahren. Während
der ganzen Zeit habe die Klägerin sich am Lenkrad festgehalten. Sie habe erhebliche Schmerzen wie auch eine
Schwellung im Bereich des gesamten linken Handgelenkes sowie der linken Hand gehabt. Bezüglich der linken oberen
Extremität kam das Gutachten zu unfallbedingten Gesundheitsstörungen ausschließlich an der linken Hand. Das
Klageverfahren endete mit der Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen durch die Beklagte und der
Weitergewährung von Verletztengeld.
In der Folge kündigte die Beklagte an, dass sie Verletztengeld nur noch bis 05.02.1997 zahlen werde. Sie holte ein
Gutachten des Prof.Dr.L. vom 24.04.1997 ein. Das Gutachten erbrachte wiederum ausschließlich Beschwerden und
Gesundheitsstörungen im Bereich der linken Hand, nämlich einen Verlust der Daumengrundgelenksbeweglichkeit
sowie eine Einschränkung der Daumenendgelenkbeweglichkeit, eine schmerzhafte Einschränkung der
Handgelenkbeweglichkeit links (zu 70 % auf den Unfall zurückzuführen), eine Verminderung der groben Kraft der
linken Hand gegenüber rechts um ein Drittel (zu 70 % auf den Unfall zurückzuführen) und eine Verminderung der
Abspreizung des linken Daumens (zu 50 % auf den Unfall zurückzuführen). Im Übrigen hätten sich keine
Körperschäden und Erkrankungen im Bereich der linken oberen Extremität gefunden, die durch den Unfall verursacht
und verschlimmert worden wären. Der Sachverständige schätzte die unfallbedingte MdE mit 20 v.H. ein und empfahl
eine Nachuntersuchung in ca. einem Jahr.
Im Hinblick auf die Angaben der Klägerin, die dem Sachverständigen glaubhaft erschienen, dass sie den Beruf der
Hebamme nicht mehr ausüben könne, schätzte die Beklagte die MdE mit 30 v.H. ein und gewährte mit Bescheid vom
13.08.1997 Rente auf unbestimmte Zeit in der entsprechenden Höhe, beginnend ab dem 06.02.1997. Hierbei erkannte
sie entsprechend dem Gutachten des Prof.Dr.L. eine Reihe von Gesundheitsstörungen an der linken Hand als Folgen
des Arbeitsunfalls an. Im Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Grad der MdE sei höher
anzusetzen, weil die Resterwerbsfähigkeit vor dem Unfall mit 100 anzusetzen sei und sie zu diesem Zeitpunkt in ihrer
Erwerbsfähigkeit durch anderweitige Behinderungen bereits wesentlich eingeschränkt gewesen sei. Mit
Widerspruchsbescheid vom 17.09.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Gegen die genannten Bescheide der Beklagten hat die Klägerin Klage erhoben. Die Klage hat sich zunächst auf
weitere Bescheide der Beklagten, unter anderem über die Höhe des maßgeblichen Jahresarbeitsverdienstes,
erstreckt, insoweit sind die Verfahren jedoch vor Erlass des nunmehr angefochtenen Urteils erledigt worden.
Die Klägerin hat zunächst eine höhere MdE mit derselben Begründung wie im Widerspruchsverfahren geltend gemacht
und ein Schreiben des Prof.Dr.L. vom 24.11.1998 vorgelegt, wonach zu einer gerechten Beurteilung der
unfallbedingten MdE seines Erachtens das seit langem beeinträchtigte Leistungsvermögen der Klägerin
miteinberechnet werden müsse.
Am 02.08.1999 erstattete Prof.Dr.L. einen Bericht an die Beklagte, wonach die Klägerin erstmals anlässlich einer
Vorstellung am 07.04.1998 über Schmerzen im linken Ellenbogengelenk geklagt habe. Diese Beschwerden hätten zu
diesem Zeitpunkt etwa vier Monate bestanden. Kernspintomographisch sei bei regelrechter Form der Gelenkfläche
des Ellenbogengelenks eine Ergussbildung festgestellt worden, sodass man von einer Monarthritis des
Ellenbogengelenks habe ausgehen müssen. Nach operativer Versorgung sei eine Schmerzhaftigkeit des
Ellenbogengelenks verblieben. Eine daraufhin angeregte serologische Untersuchung auf Borreliose und ähnliche
Ursachen einer Monarthritis sei ohne greifbares Ergebnis geblieben. Wegen fortdauernder Beschwerden sei die
Klägerin am 07.07.1999 nochmals operiert worden. Bei dieser Gelegenheit sei das Ellenbogengelenk arthroskopiert
worden und es habe sich überraschenderweise eine Knorpelglatze an der humeralen Gelenkfläche bei deutlicher
Ergussbildung gefunden. Ohne Zweifel sei die zunächst festgestellte Ulnariskompression am Ellenbogengelenk Folge
der Veränderungen am Ellenbogengelenk. Die Ursache hierfür habe bis jetzt nicht eindeutig geklärt werden können.
Eine infektiöse oder parainfektiöse Monarthritis erscheine durch die umfangreiche serologische Untersuchung
weitgehend ausgeschlossen. Es sei jedoch auch denkbar, dass bei dem Unfall am 01.11.1992 durch eine axiale
Traumatisierung nicht nur der ulnocarpale Komplex, sondern auch das Ellenbogengelenk geschädigt worden sei. Ein
beschwerdefreies oder -armes Intervall widerspreche diesem Mechanismus nicht.
Der histologische Befund vom 20.11.1999 ergab eine granuloma- töse Osteomyelitis mit kleinfleckigen Nekrosen. Es
lasse sich bisher noch nicht zweifelsfrei entscheiden, ob ein tuberkulöser Prozess oder nicht doch eine Sarkoidose
vorliegen könnten. Weitere Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass es bei der mitgeteilten Diagnose bleibe.
Die Ätiologie lasse sich nicht zweifelsfrei angeben. Trotz des negativen Erregernachweises spreche das Bild jedoch
eher für einen tuberkulösen Prozess als für eine Sarkoidose. In einem Bericht an die Beklagte vom 20.09.2000 führte
Prof.Dr.L. entsprechend aus, das Ergebnis der histologischen Untersuchung habe den Verdacht auf eine Tuberkulose
ergeben, es sei jedoch nicht gelungen, das Vorliegen einer Tbc-Infektion nachzuweisen. Im Augenblick laufe der
Versuch, durch eine tuberkulostatische Therapie die Veränderungen des Ellenbogengelenks positiv zu beinflussen.
Völlig offen sei die Frage eines möglichen Zusammenhangs der Veränderungen des Ellenbogengelenks mit dem
(Unfall) vom November 1992. Zwar könne die Art des Traumas mit axialer Gewalteinwirkung durchaus auch zu einer
Schädigung des Ellenbogengelenks geführt haben. Bis vor 1998 seien jedoch in den Unterlagen keine Beschwerden
dokumentiert. Die verminderte Widerstandskraft gegenüber einer Tuberkelinfektion durch vorangegangenes Trauma
könne zwar angenommen werden, sei jedoch nicht zu beweisen. In einem weiteren Bericht an die Beklagte vom
04.08.2000 führte die Oberärztin der Medizinischen Poliklinik der Universität W. Prof.Dr.R. zusammenfassend aus,
unklar sei weiterhin der Prozess im Radiusköpfchen sowie im linken Ellenbogengelenk. Histologisch sprächen die
Veränderungen eindeutig für eine Tuberkulose, mikrobiell, kulturell und in der DNA-Analytik sei kein Keimnachweis
gelungen, was jedoch eine Tuberkulose nicht ausschließe. Der Klägerbevollmächtigte legte in der Folge ein Schreiben
des Orthopäden Prof.Dr.G. vom Klinikum rechts der Isar vom 09.01.2001 vor, wonach der Tuberkulosenachweis nicht
gelungen sei, dennoch bei der Gesamtansicht des Verlaufes sowie des Krankheitsbildes vom Vorliegen einer
Tuberkulose in diesem Bereich auszugehen sei. Der Behandlungserfolg mit Tuberkulostatika spreche jedenfalls dafür.
Die gleichen Erwägungen stellte Prof.Dr.L. in einem Schreiben an die Beklagte vom 11.01.2001 an. Als
Ausgangspunkt der tuberkulösen Infektion könne der im Lungenröntgen nachgewiesene Herd angesehen werden,
wobei zu bedenken sei, dass die Klägerin als Hebamme ohne Zweifel einer erhöhten Infektionsgefährdung ausgesetzt
gewesen sei. Als Nächstes sei die Frage zu klären, ob diese spezifische Monarthritis mit dem Unfallereignis in
Zusammenhang gebracht werden müsse. Hierzu sei zu bedenken, dass szintigraphisch nachgewiesen lediglich
dieses eine Gelenk betroffen sei. Die linke obere Extremität sei in den Unfall vom 01.11.1992 involviert. Offensichtlich
habe ein axiales Trauma stattgefunden, was man sich auch gut vorstellen könne, wenn man an den
Unfallmechanismus denke. Ein solches axiales Trauma könne natürlich auch zu einer Schädigung des
Ellenbogengelenkes geführt haben, wobei es nicht verwunderlich sei, dass hier erst sehr viel später und nach einem
beschwerdefreien Intervall Syndrome aufgetreten seien. Die am 07.07.1999 gefundene Knorpelschädigung müsse
wohl in Anbetracht des Fehlens einer anderen Ursache mit dem Unfall vom 01.11.1992 in Verbindung gebracht
werden. Bei vorbestehender Schädigung sei die Entwicklung einer spezifischen Entzündung an dieser Stelle
verständlich. Aus seiner Sicht liege also eine weitgehend lückenlose Kausalkette der tuberkulösen Monarthritis des
linken Ellenbogengelenkes mit dem Unfall vom 01.11.1992 vor.
Im anschließend eingeleiteten Berufskrankheitenverfahren holte die Beklagte ein Gutachten von der Ärztin für innere
Medizin und Lungen- und Bronchialheilkunde Dr.W. vom 02.03.2001 ein. Dort ist ausgeführt, hinsichtlich einer früher
abgelaufenen Tuberkulose sei die Anamnese leer; Vorbefunde (Röntgenaufnahmen des Thorax, Ergebnisse von
Tuberkulintestungen) lägen nicht vor. Eine konkrete tuberkulöse Infektionsgefährdung durch Kontakt mit an einer
offenen Tuberkulose erkrankten Patientinnen oder Mitarbeitern sei nicht bekannt, ebenso wenig im privaten Umfeld.
Bezüglich einer vorbestehenden Lungentuberkulose kommt die Sachverständige zu dem Ergebnis, zweifellos sei
früher eine Lungentuberkulose abgelaufen, die einen geringfügigen Narbenrestbefund hinterlassen habe. Sie schließt
dies aus einer Befundung von 1981, in der narbige fibröse Veränderungen im rechten Oberfeld beschrieben waren, und
aus Aufnahmen von 1998 und 2000, die einen alten tuberkulösen Herd im rechten Oberfeld gezeigt hätten. Im
Radiusköpfchen sei ein alter tuberkulöser Prozess zumindest nicht sicher ausgeschlossen, wohl aber eine aktive
Tuberkulose. Eine primäre Knochentuberkulose gebe es nicht, es sei denn auf dem Weg einer offenen Verletzung; der
tuberkulöse Knochenprozess komme sonst immer durch hämatogene Streuung nach einer Primärtuberkulose, die
meistens in der Lunge sitze, zu stande. Die röntgenologi- schen Befunde bewiesen, dass früher eine
Oberlappentuberkulose rechts abgelaufen sei. Der Knochenprozess - wenn es denn eine Tuberkulose sei - sei auf
dem Wege hämatogener Streuung aus dem primären Lungenprozess zu Stande gekommen. Es sei bekannt, dass aus
solchen Streuherden die Entwicklung einer aktiven Knochentuberkulose sich oft erst nach Jahren und Jahrzehnten
manifestiere.
Daraufhin hat der Klägerbevollmächtigte geltend gemacht, die Tbc-Erkrankung habe sich unmittelbar aus dem
schädigende Ereignis entwickelt.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat das Sozialgericht ein Gutachten des Prof.Dr.L. vom 12.11.2001
eingeholt. Aus dem radiologischen Zusatzgutachten ergibt sich u.a., dass eine Knochenbiopsie einen begründeten
Hinweis für eine Knochentuberkulose ergeben habe. Die Diagnostik habe den Nachweis einer Osteomyelitis ergeben,
die nach tuberkulostatischer Therapie sich letztlich komplett zurückgebildet habe. Damit sei trotz des fehlenden
Erregernachweises von einer tuberkulösen Ursache der Osteomyelitis auszugehen.
In der beim Gutachter festgehaltenen Unfallschilderung ist ausgeführt, dass der Wagen der Klägerin von der Straße
abgekommen sei und sich überschlagen habe. Die Geschwindigkeit habe etwa 80 km/h betragen. Hiervon geht der
Sachverständige auch in seiner Beurteilung aus. Was das Ellenbogengelenk betrifft, führt er aus, die Ursache für den
Gelenkerguss sei zunächst unklar gewesen. Er habe Ausdruck einer Arthrose sein können, die als Spätfolge des
Unfalls aufgetreten sei. Im weiteren Verlauf habe sich jedoch als weitaus wahrscheinlicher herauskristallisiert, dass
der Erguss eine Begleitarthritis der tuberkulösen Osteo- myelitis des Radius sei. Der Sachverständige geht davon
aus, dass sich die Klägerin 1985 wegen einer Pleuritis in stationärer Behandlung befunden habe. Auch wenn damals
die tuberkulöse Genese dieser Rippenfellentzündung nicht genannt worden sei, müsse doch davon ausgegangen
werden, dass es sich um eine tuberkulöse Pleuritis gehandelt habe. Dafür, dass die Klägerin in der Vergangenheit
eine tuberkulöse Primärinfektion durchgemacht habe, sprächen die Pleuritis von 1985 und ein Test vom August 2000.
Dass die Veränderung im Bereich des linken Ellenbogengelenks tuberkulöser Genese sei, nimmt der Sachverständige
im Hinblick auf die bereits genannten Einschätzungen anderer Ärzte an. Mit Bezug auf E.Fritze "Die ärztliche
Begutachtung" 2001 führt der Sachverständige aus, dass durch traumatische Einwirkungen auf Thorax oder Lunge ein
ruhender tuberkulöser Prozess reaktiviert werden könne. Gelegentlich und mit unterschiedlicher Latenz könne sich
nach einer Lungentuberkulose eine anderweitige Organtuberkulose entwickeln. Hierunter werde ausdrücklich die
Knochentuberkulose erwähnt. Es bestehe also sowohl die Möglichkeit, dass durch das axiale Trauma der linken
oberen Extremität ein vorher ruhender tuberkulöser Prozess mit einer sechsjährigen Latenz aktiviert worden sei, als
auch dass es durch das Trauma zu einer hämatogenen Aussaat gekommen sei. Hierdurch sei eine sechsjährige
Latenzzeit ohne weiteres erklärlich. Die Osteomyelitis im Radiuskopf müsse deutlich nach 1989, aber vor 1998
aufgetreten sein. Es sei also ein lücken- loser Zusammenhang gegeben zwischen dem Unfall vom November 1992
und der tuberkulösen Osteomyelitis im Radiuskopf, deren Begleiterscheinungen erstmals 1998 manifest geworden
seien. Der Gutachterin Dr.W. stimmt der Sachverständige dahingehend zu, dass der Knochenprozess auf dem Wege
hämatogener Streuung aus einem Lungenprozess entstanden sei und dass sich aus solchen Streuherden die
Entwicklung zu einer aktiven Knochentuberkulose oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten manifestiere. Der Unfall habe
zusätzlich zu einer tuberkulösen Osteo- myelitis im Radiuskopf bzw. -hals mit begleitender Ergussbildung im
Ellenbogengelnk und nachfolgender Kompression des Nervus ulnaris geführt. Davon seien eine endgradige
Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenkes mit deutlicher Schmerzhaftigkeit dieses Gelenkes und eine
Minderung der groben Kraft der linken Hand um ein Drittel und des Spitzgriffes um zwei Drittel der Gegenseite
verblieben. Insgesamt betrage die MdE ab dem 06.02.1997 80 v.H.
Die Beklagte hat hierzu eine beratungsfachärztliche Stellungnahme des Chirurgen Prof.Dr.H. von der
Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. vom 28.02.2002 vorgelegt. Prof.Dr.H. weist darauf hin, dass die
Osteomyelitis erstmals fünfeinhalb Jahre nach dem Unfallereignis festgestellt worden sei. Prof.Dr.L. meine, dass
durch ein Stauchungstrauma auch die Verletzung am Ellenbogen erklärt würde. Dies sei jedoch nur dann denkbar,
wenn Erreger direkt in eine Wunde eindringen oder wenn Erreger von einem Erstinfekt durch eine hämatogene
Streuung ausgingen. Während dieser Streuung schaffe ein Trauma als Lokalisationsfaktor die örtliche Disposition für
eine hämatogene Herdsetzung. Es sei aber auch denkbar, dass an einem Knochenabschnitt ein latenter Herd
vorliege, der durch ein Unfallereignis zum Aufflackern gebracht werde (Kontusionstuberkulose). Zur Anerkennung einer
Tuberkulose an einem Gelenk seien folgende Voraussetzungen notwendig: 1. einwandfreier Nachweis des Unfalles, 2.
Betroffensein der erkrankten Stelle, 3. gesicherter Nachweis der Tuberkulose, 4. Entstehung der Tuberkulose nicht
vier Wochen vor und nicht später als sechs Monate nach der Verletzung, 5. Nachweis von Brückenzeichen (Schmerz,
Schwellung, schlechte Wundheilung, Atrophie), 6. Übereinstimmung des Erregers mit jenem der in Betracht
kommenden Infektionsquelle. (Insoweit zitiert der Sachverständige die entsprechenden Ausführungen in
Schoenberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, nunmehr 7. Auflage, S.811 f.).
Der Nachweis eines Unfalls am betroffenen Ellenbogengelenk sei bisher nicht erbracht. Es liege lediglich die
Vermutung des Prof.L. vor, dass eine Stauchung des Ellenbogengelenkes eingetreten sei, wobei die Beschwerden
jedoch mehr als fünf Jahre nach dem Unfall erstmals aufgetreten seien. Somit werde eine Verletzung des
Ellenbogengelenkes durch das Ereignis vom 01.11. 1992 unwahrscheinlich. Des Weiteren fehle der gesicherte
Nachweis der Tuberkulose und es sei Voraussetzung, wenn eine Tuberkulose als Unfallfolge anzuerkennen sei, dass
diese nicht später als sechs Monate zum Ausbruch komme. Der Nachweis von Brückenzeichen liege nicht vor und
eine Übereinstimmung des Erregers mit jenen der in Betracht kommenden Infekton liege ebenfalls nicht vor, da
überhaupt kein Erregernachweis bisher geführt sei.
Zusammenfassend sei zu sagen: Bei der Versicherten könne die Diagnose einer tuberkulösen Osteomyelitis im
Bereich des Radiuskopfes nicht als gesichert angesehen werden. Die tatsächliche Diagnose könne anhand der
Aktensituation nicht gestellt werden, differenzialdiagnostisch müsse eine Sarkoidose diskutiert werden. Mit
Wahrscheinlichkeit sei nicht davon auszugehen, dass der Unfall rechtlich wesentlich zur Schädigung des linken
Radiusköpfchens geführt habe.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides
vom 13.08. 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09. 1998 zu verurteilen, die als weitere Folgen
des Unfalls durch den Sachverständigen Prof.Dr.L. benannten Gesundheitsstörungen und Funktionseinschränkungen
anzuerkennen und ab 06.02.1997 die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Mit Urteil vom 24.04.2002 hat das Sozialgericht die Beklagte zu der begehrten Leistung verurteilt und in der
Begründung die gutachterlichen Ausführungen des Prof.Dr.L. referiert. Prof. Dr.H. habe diese Ausführungen nicht
entkräften können.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und sich im Wesentlichen auf die Einwendungen des Prof. Dr.H.
gestützt.
Der Senat hat zunächst mit Beweisanordnung vom 13.12.2002 den Handchirurgen Prof.Dr.B. zum Sachverständigen
ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nach einem Streit der Klägerin mit dem
Sachverständigen hat der Senat die Beweisanordnung aufgehoben und der Klägerin eine Frist zur Stellung eines
Antrags nach § 109 SGG gesetzt, innerhalb deren diese die Orthopädin Dr.N. benannt hat. Der Senat hat die Klägerin
darauf hingewiesen, dass das Antragsrecht nach § 109 SGG auch verbraucht sei, wenn die Sachverständige die
Beweisfragen aus ihrem Fachgebiet nicht beantworten könne. Eben diesen Gesichtspunkt hat die Sachverständige
dann am 21.03.2003 gegenüber dem Senat geäußert und dieser hat die Beweisanordnung am 25.03.2003 aufgehoben,
zugleich eine Frist für einen neuen Antrag bis 16.04.2003 gesetzt und angekündigt, dass danach einem weiteren
Antrag nicht mehr stattgegeben werde. Mit einem Antrag vom 14.04.2003 hat die Klägerin den Handchirurgen Prof.
Dr.S. benannt und ausgeführt, dieser sei mit der Übernahme des Auftrags einverstanden. Eine entsprechende
Beweisanordnung hat der Senat am 15.05.2003 erlassen. Am 27.05.2003 hat der Sachverständige mitgeteilt, dass er
wegen Krankheit und Arbeitsüberlastung den Auftrag nicht übernehmen könne und der Senat hat die Beweisanordnung
am 28.05.2003 aufgehoben. Am 04.07.2003 hat der Senat der Klägerin mitgeteilt, dass der Fall zur Sitzung
vorgesehen sei. Am 10.07.2003 hat die Klägerin als Sachverständigen den Orthopäden Prof.Dr.G. (und den
Radiologen Prof.Dr.R.) benannt, am 14.07.2003 stattdessen den Orthopäden Prof. Dr.R ...
Der Senat hat daraufhin mitgeteilt, dass er keine weitere Beweiserhebung mehr durchführen werde, dass die letzte
Aufhebung einer Beweisanordnung der Klägerin am 03.06.2003 zugegangen und der nunmehr berichtigte Antrag bei
Gericht am 14.07.2003 eingegangen sei. Ferner hat der Senat darauf hingewiesen, dass einem Antrag nach § 109
SGG bereits in der ersten Instanz stattgegeben worden ist und ein erneutes Antragsrecht nur unter bestimmten
Voraussetzungen bestehe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.04.2002 auf- zuheben und die Klage gegen
den Bescheid vom 14.08.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.1998 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise gemäß § 109 SGG Prof.Dr.G. und Prof.Dr.R.
gutachterlich zu hören.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akte
des Sozialgerichts München in dem vorangegangenen Klageverfahren sowie einem Klageverfahren aus dem Jahre
1995. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach
§ 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist auch begründet, denn die in der sozialgerichtlichen Entscheidung zugesprochenen
Gesundheitsstörungen der Klägerin sind nicht nachweislich Folge des Unfalls vom 01.11. 1992 und die Beklagte ist
deshalb auch nicht verpflichtet, ihretwegen Leistungen zu erbringen.
Die Entscheidung über den Rechtsstreit richtet sich auch im Berufungsverfahren nach den bis 31.12.1996 geltenden
Vorschriften der RVO, weil der Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist (§ 212 SGB VII) und keiner der
im Gesetz genannten Ausnahmefälle für die Anwendung des seit 01.01.1997 geltenden SGB VII vorliegt (§§ 213 ff.).
Nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs.1 SGG ist der im Berufungsverfahren erlassene Bescheid der
Beklagten vom 25.09.2002, mit dem in Abänderung des Bescheides vom 13.08.1997 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17.09.1998 der Jahresarbeitsverdienst höher festgesetzt wurde. Voraussetzung für die
Wirkung des § 96 SGG ist, dass die Rechtsfrage, über die der neue Bescheid entscheidet, noch rechtshängig ist (vgl.
Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage, Rdnr.3 ff.). Bezüglich der Entscheidung über den
Jahresarbeitsverdienst ist dies im Berufungsverahren nicht mehr der Fall, denn die Klägerin hat die Aufhebung bzw.
Abänderung der Bescheide vom 13.08.1997 im Klageverfahren insoweit nicht mehr geltend gemacht.
Das Berufungsverfahren ist beschränkt auf die vom Sozialgericht ausgesprochene zusätzliche Anerkennung von
Gesundheitsstörungen und der daraus resultierenden Leistungsverpflichtung dem Grunde nach. Dieser Klageantrag
war, wiewohl er nach Ablauf der Klagefrist gestellt war und von dem ursprünglichen Klageantrag abwich, zulässig,
denn es wurde nach § 99 Abs.3 Ziffer 3 SGG statt der ursprünglich geforderten Leistung einer höheren Verletztenrente
wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung, nämlich die Anerkennung einer weiteren, mit der
Beweiserhebung eingeführten Gesundheitsstörung und deren grundsätzliche Entschädigung verlangt.
Die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls nach § 55 Abs.1 Nr.3 SGG und deren
Entschädigung nach §§ 560 ff., 580 ff. RVO setzt voraus, dass der Gesundheitsschaden Folge eines Arbeitsunfalles
nach § 548 RVO ist. Mit Ausnahme des Ursachenzusammenhangs, für den die Beweisanforderung der
Wahrscheinlichkeit ausreichend ist, bedürfen hierbei alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises der
Gestalt, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben müssen (vgl. BSGE 45, 285).
Dies betrifft u.a. den Unfallvorgang selbst sowie alle für die Beurteilung des Ursachenzusammenhanges erheblichen
Tatsachen. Lassen sich die für die Annahme einer entscheidungserheblichen Ursache notwendigen Tatsachen nicht in
vollem Umfang beweisen, trägt das Risiko dieses Misslingens derjenige, der seinen Anspruch auf diese Tatsache
stützt (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage, § 103 Rdnr.19 f. m.w.N.).
Im vorliegenden Fall sind für die Annahme einer wesentlichen Ursache notwendige Tatsachen nicht in vollem Umfang
bewiesen.
In der Beweiswürdigung durch den Senat sind sowohl das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten des Prof.Dr.L. als
auch die gutachterliche Stellungnahme des Prof.Dr.H. zu berücksichtigen, desgleichen das Gutachten der
Sachverständigen Dr.W. und die von ihnen in Bezug genommenen ärztlichen Feststellungen und Bewertungen.
Miteinzubeziehen sind hierbei die Literaturstellen, auf die die Sachverständigen jeweils explizit Bezug nehmen.
Nach dem das klägerische Begehren stützenden Gutachten des Prof.Dr.L. stehen zunächst zwei
Entstehungsmöglichkeiten der Osteomyelitis gleichberechtigt nebeneinander. Zum einen spricht der Sachverständige
von der Möglichkeit, dass durch das axiale Trauma der linken oberen Extremität ein vorher ruhender tuberkulöser
Prozess mit einer sechsjährigen Latenzzeit aktiviert wurde. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass es durch das
Trauma zu einer hämatogenen Aussaat gekommen ist. Auch hierbei sei eine sechsjährige Latenzzeit ohne weiteres
erklärlich. Letztere Möglichkeit erfährt eine gewisse Präzision in der Stellungnahme des Sachverständigen zu dem
Gutachten der Dr.W ... Danach stimmt der Sachverständige dem Gutachtensergebnis insoweit zu, dass der
Knochenprozess auf dem Wege hämatogener Streuung aus einem primären Lungenprozess entstanden sei. In beiden
Fällen lässt sich jedoch zur Überzeugung des Senats ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall am
01.11.1992 und der später festgestellten Osteomyelitis nicht begründen.
Die erste der genannten Möglichkeiten setzt nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gutachtens des Prof.Dr.L. und
der dabei in Bezug genommenen Literaturstelle voraus, dass vor dem Unfall ein ruhender tuberkulöser Prozess am
linken Ellebnbogen bestanden hat. Hierfür gibt es keinerlei Beweis, wie Prof. Dr.H. ausführt. Dem Gutachten des
Prof.Dr.L. ist nicht einmal der Versuch eines solchen Beweises zu entnehmen, es sind auch sonst keinerlei
Anhaltspunkte dafür vorhanden. Insoweit kommt es dann auf die Frage, ob am linken Ellenbogengelenk beim Unfall
überhaupt eine Verletzung aufgetreten ist und ob diese Verletzung dann wesentlich wenigstens Mitursache der
späteren Osteomyelitis geworden ist, nicht mehr an.
Der zweite vom Prof.Dr.L. angenommene Geschehensablauf setzt, zunächst unter Außerachtlassung weiterer
spezifisch medizinischer Kausalitätsanforderungen, voraus, dass vor dem Unfall eine Lungentuberkulose bestanden
hat. Des Weiteren müsste ein axiales Trauma sowohl im linken Ellenbogengelenk, als auch am Thorax und/oder der
Lunge der Klägerin eingetreten sein. Letzteres hätte zu einer hämatogenen Aussaat der Tuberkulose führen und die
Osteomyelitis am linken Ellenbogengelenk verursachen müssen.
Zusätzlich sind zur Überzeugung des Senats die von Prof. Dr.H. von medizinischer Seite genannten Anforderungen
zu erfüllen, denn der Sachverständige zitiert insoweit nicht nur die entsprechend in Schoenberger-Mehrtens-Valentin
Arbeitsunfall und Berufskrankheit a.a.O. aufgelisteten Kriterien, sondern inhaltlich auch die im Wesentlichen
gleichlautenden und vom Sachverständigen Prof.Dr.L. als Anlage zu seinem Gutachten beigefügten und ausdrücklich
angestrichenen Kriterien aus Fritze "Die ärztliche Begutachtung".
Dass es zu den von Prof.Dr.L. angenommenen axialen Stauchungen bei dem Unfall gekommen ist, ist nicht mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen. Es gibt nicht einmal hinreichende Anhaltspunkte hierfür. Der
Sachverständige Prof. Dr.L. nennt selbst keinerlei Beweise, er spricht vielmehr, wie bereits in früheren
Einschätzungen, nur davon, dass ein solcher Geschehensablauf vorstellbar oder möglich sei. Einen Schluss auf den
notwendigen Beweis begründet der Sachverständige nicht, er ist auch nicht zu begründen. Die Anamnese der Klägerin
und die sonst in den Akten befindlichen Angaben zum Unfall selbst und den danach festgestellten Unfallfolgen geben
hierfür nichts her. Die Klägerin hat bis zum vorhergehenden Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr.L. stets
nachhaltig beteuert, dass sie langsam gefahren sei, stark abgebremst habe und ohne Überschlagen, selbst ohne
einen Anprall in der Böschung zum Stehen gekommen sei. Die einzige Auswirkung auf die Extremitäten, die die
Klägerin bis dahin beschrieben hatte, bestanden neben der Beeinträchtigung des Daumengelenkes in der Vibration der
Arme beim Festhalten des Lenkrades während des Abbremsvorganges. Eine solche Schilderung ist unvereinbar mit
einer axialen Stauchung des Ellenbogengelenkes und des Thorax. Es ist in diesem Zusammenhang auch befremdlich,
dass der Sachverständige Prof.Dr.L. nunmehr in seinem Gutachten von einer Geschwindigkeit von 80 km/h und
einem Überschlag des Autos der Klägerin ausgegangen ist. Eine solche Annahme steht im Widerspruch zum
gesamten vorhergehenden Akteninhalt, wie er ihn auch seiner vorhergehenden Begutachtung noch zugrunde gelegt
hatte. Befremdlich ist auch, dass die Klägerin nunmehr solche Angaben gemacht oder ihnen jedenfalls nicht
widersprochen hat, während sie solche bis dahin ausdrücklich in Abrede gestellt hatte.
Neben den Stauchungsvorgängen nicht bewiesen ist auch das angenommene axiale Trauma am linken
Ellenbogengelenk der Klägerin. Hierzu gibt es weder einen unfallnahen Erstbefund noch überhaupt
Beschwerdeschilderungen der Klägerin in den ersten fünf Jahren nach dem Unfall. Nicht bewiesen sind auch eine
Kontusion des Thorax und/oder der Lunge, desgleichen nicht eine hämato- gene Streuung bzw. Aussaat aus dem
angegnommenen Tbc-Herd in zeitlich unfallnahmem Zusammenhang.
Da es schon am Nachweis dieser entscheidungserheblichen Tatsachen fehlt, bedarf es der Erörterung der weiteren
Erfordernisse nicht. Es ist also nicht mehr entscheidungserheblich, ob sich ein Ursachenzusammenhang zwischen
einer axialen Stauchung und einer hämatogenen Streuung aus einem Lungenprozess im vorliegenden Fall mit der
notwendigen Wahrscheinlichkeit begründen ließe. Nicht mehr entscheidungserheblich ist insoweit auch, ob vor dem
Unfall überhaupt der Nachweis einer Tuberkulose geführt worden ist und ob nach dem Unfall im Ellenbogengelenk der
Klägerin eine Tuberkulose aufgetreten ist. Nach den von Prof. Dr.H. angeführten Literaturstellen und seiner eigenen
gutachterlichen Meinung, würden die Schlüsse des Prof.Dr.L. auf eine Tuberkulose vor dem Unfall und eine
Tuberkulose am linken Ellenbogengelenk nach dem Unfall insoweit keineswegs ausreichen, denn es wäre die
Übereinstimmung des Erregers nachzuweisen, wovon im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden könnte, weil
weder für die vor dem Unfall angenommene Tuberkulose noch für eine mögliche Tuberkulose am linken Ellenbogen
nach dem Unfall jemals ein Erregernachweis geführt worden ist.
Nach alledem kann nicht als mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwiesen angesehen werden, dass die
Osteomyelitis der Klägerin am linken Ellenbogengelenk Folge des Arbeitsunfalls ist und als solche zu entschädigen.
Dem Antrag der Klägerin nach § 109 SGG war nicht stattzugeben. Ist, wie im vorliegend Fall, in erster Instanz ein
Gutachten ach § 109 SGG eingeholt worden, muss das in zweiter Instanz nicht erneut geschehen, wenn nicht
besondere Umstände vorliegen (vgl. BSG SozR 3-1500 § 109 Nr.1; Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 109
Rdnr.11a). Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Auch wenn dies im vorliegenden Fall anders zu sehen wäre, war dem letzten Antrag der Klägerin nicht mehr
stattzugeben. Bei der Fristsetzung für einen Antrag nach § 109 SGG bis 16.04.2003 wurde die Klägerin darauf
hingewiesen, dass einem weiteren Antrag nicht mehr stattgegeben werde. Nachdem auch die nächste
Beweisanordnung am 28.05.2003 aufgehoben werden musste, hätte die Klägerin, wenn sie berechtigterweise der
Annahme sein konnte, dass ihr Antragsrecht immer noch nicht verbraucht wäre, ihren Antrag innerhalb einer
zumutbaren Frist von höchstens vier Wochen stellen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Zulassung des
weiteren Antrags, der wiederum mit einem Wechsel des benannten Sachverständigen verbunden war, hätte die
Erledigung des Rechtsstreits verzögert und der zuletzt gestellte Antrag ist zur Überzeugung des Senats dem
gesamten Geschehensablauf aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden. Dies gilt erst recht, nachdem
in der mündlichen Verhandlung wiederum ein anderer Sachverständiger benannt wurde.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass die Klägerin im Ergebnis
nicht obsiegt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Der vor der mündlichen
Verhandlung von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel bezüglich ihres Antrages nach § 109 SGG ist nach
§ 160 Abs.2 Nr.3 2. Halb- satz SGG nicht revisibel.