Urteil des LSG Bayern vom 25.02.2009

LSG Bayern: fristlose kündigung, heizung, wohnung, rechtsschutz, abschlag, hauptsache, wasser, erlass, repressalien, rückzahlung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 25.02.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 45 AS 2866/08 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 16 AS 38/09 B ER
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeführers sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist im vorläufigen Rechtsschutz die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung, für die Zeit ab
November 2008 streitig. Der 1955 geborene Beschwerdeführer (Bf) bezog seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem
SGB II. Zuletzt wurden diese mit Bescheid vom 29.05.2008 bis zum 31.10.2008 in Höhe von ingesamt 784,34 EUR
(Regelleistung in Höhe von 351,00 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 433,34 EUR) gewährt.
Der Bf legte zusammen mit dem Fortzahlungsantrag vom 23.09.2008 Betriebskostennachweise für sein 28,4 qm
großes Appartement für das Jahr 2007 vor. Bei der Überprüfung dieser Betriebskostennachweise stellte die
Beschwerdegegnerin (Bg) fest, dass der Bf weder Heizenergie noch Warmwasser in seiner Wohnung verbraucht habe.
Für Kaltwasser wurden lediglich 1,5 m3 verbraucht. Mit Schreiben vom 30.10.2008 teilte die Bg dem Bf mit, dass sie
aufgrund der geringen Verbrauchsdaten seiner Wohnung davon ausgehe, dass er diese Wohnung tatsächlich nicht
bewohne, da er in der fraglichen Abrechnungszeit keine Weiterbildungsmaßnahme gemacht habe und auch keiner
Arbeit nachgegangen sei. Dem Bf wurde aufgegeben mitzuteilen, wo er tatsächlich gewohnt habe. Gleichzeitig stellte
die Bg die Leistungen ab November 2008 vorläufig ein. Der Bf teilte mit Schreiben vom 09.11.2008 mit, dass er keine
Kosten für Warmwasser und Heizung benötige, da er weder heize noch warmes Wasser benutze. Er besuche im
Übrigen Fortbildungen der Ärztekammer und halte sich in öffentlichen Bibliotheken auf. Er sei damit einverstanden,
wenn die Bg die Miete direkt an den Vermieter überweise. Mit Schreiben vom 21.10.2008 erklärte der Bf, dass er
mehrmals in der Woche ins Schwimmbad gehe und dort dusche. Außerdem sei er sehr sparsam und versuche
möglichst wenig zu verbrauchen. Er heize aus Sparsamkeitsgründen seine Wohnung nicht, stattdessen trage er
warme Kleidung, auch benutze er kein warmes Wasser. Das Abspülwasser benutze er für die Toilettenspülung, daher
habe er auch so einen geringen Kaltwasserverbrauch. Der Bf erhielt mit Schreiben vom 22.11.2008 eine Mahnung
seiner Vermieter wegen der offenen Mietzahlungen. Diese drohten die fristlose Kündigung an. Mit Bescheid vom
05.12.2008 gewährte die Bg dem Bf die Regelleistung in Höhe von 351,00 EUR ab dem 01.11.2008 bis zum
30.04.2009. Die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung wurde ab dem 01.11.2008 abgelehnt, da aus den
Heiz- und Betriebskostenabrechnungen sowie den Stromabrechnungen ersichtlich sei, dass der Verbrauch an
Heizkosten, Stromkosten sowie Warm- und Kaltwasser so gering sei, dass davon auszugehen sei, dass die Wohnung
tatsächlich nicht bewohnt werde. Selbst bei sparsamstem Verhalten könne ein derart niedriger Verbrauch nicht
schlüssig erklärt werden. Am 01.12.2008 beantragte der Bf beim Sozialgericht München die Gewährung von
einstweiligem Rechtsschutz, da er die zustehenden Leistungen für den Lebensunterhalt und die Miete für die Monate
November und Dezember 2008 nicht erhalten habe. Er habe sich Geld leihen müssen und sei völlig mittellos,
außerdem sei ihm die fristlose Kündigung angedroht worden. Die Bg führte auf den Antrag hin aus, dass der Antrag
nach Erlass des Bescheides vom 05.12.2008 nicht begründet sei, da der Bf keinen Anspruch auf Gewährung von
Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs.1 SGB II habe. Der Bf lebe offensichtlich nicht in der von ihm
angegebenen Wohnung, was sich zweifelsfrei aus den Wasser- und Energiekosten ergebe. Das Sozialgericht
München gewährte mit Beschluss vom 16.12.2008 vorläufig die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von
390,00 EUR monatlich für die Zeit vom 01.12.2008 bis zum 28.02.2009 längstens jedoch bis zu einer
bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache. Der Antrag auf einstweiligem Rechtsschutz sei hinsichtlich der
Regelleistung in Höhe von 351,00 EUR wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da die Bg mit
Bescheid vom 05.12.2008 die Regelleistung bewilligte. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft sei der Antrag im
tenorierten Umfang begründet. Der Bf zahle monatlich Kosten der Unterkunft in Höhe von 440,00 EUR. Abzüglich
Kosten der Warmwasserbereitung von 6,33 EUR monatlich ergäben sich zu erstattende 433,67 EUR monatlich. Da
das Gericht Zweifel an der tatsächlichen Nutzung der Wohnung durch den Bf habe und diese im Rahmen eines
Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nicht ausgeräumt werden konnten, nahm es einen Abschlag von 10 % vor
und sprach die Leistungen lediglich für drei Monate zu, damit die Beteiligten den Sachverhalt in der Zwischenzeit
aufklären können. Gegen diesen Beschluss hat der Bf mit der Begründung Beschwerde eingelegt, dass er am
29.12.2008 eine Summe von 1.065,94 EUR und am 30.12.2008 von 749,64 EUR überwiesen bekam. Für ihn sei nicht
erkennbar, wofür dieser Betrag verrechnet werden sollte. Er habe die Mietrückstände für November und Dezember
2008 sowie die Miete für Januar 2009 bezahlt. Außerdem habe er Schulden abbezahlt. Die Bg führte aus, dass die
Zahlungen am 29.12.2008 aus der Regelleistung für Oktober und November in Höhe von je 316,30 EUR zuzüglich der
Kosten der Unterkunft für Oktober in Höhe von 433,34 EUR geleistet worden sei und die Zahlung vom 30.12.2008
umfasse die Regelleistung in Höhe von 316,30 EUR und die Kosten der Unterkunft in Höhe von 433,34 EUR für
Dezember 2008. Auf telefonische Nachfrage hat die Bg erklärt, dass die Regelleistung um 34,70 EUR gemindert
ausgezahlt werde, da der Bf am 17.01.2008 ein Darlehen in Höhe von 450 EUR erhalten habe für dessen Rückzahlung
monatlich 34,70 EUR einbehalten werden. Die Kosten für Unterkunft und Heizung seien entgegen dem Beschluss des
Sozialgerichts München in voller Höhe (443,34 EUR) geleistet worden und zuletzt für den Monat Februar 2009
ausgezahlt worden. Auf den Hinweis des Senats, dass der Bf lediglich Anspruch auf die Regelleistung zuzüglich der
Kosten der Unterkunft haben könne und das Sozialgericht München die Kosten der Unterkunft um 10 % gekürzt habe,
da es sich um ein Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz handle, die Beschwerde wenig Aussicht auf Erfolg habe,
führte der Bf aus, dass er durch die Repressalien während seiner Fortbildungszeit in N. vom 16.01.2008 bis
01.07.2008 Gesundheitsschäden erlitten habe. In seinem Schreiben führte er die Repressalien näher aus und erklärte,
dass er daher den einstweiligen Rechtsschutz weiter aufrechterhalten werde. Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird
auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Bg sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug
genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) Beschwerde des
Bf ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, soweit der Bf die vollständige Übernahme der Kosten der
Unterkunft im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt. Nach § 86 b Abs.2 Satz 2 SGG kann das Gericht der
Hauptsache, soweit ein Fall des Abs.1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die einstweilige Anordnung soll den Zeitraum bis zu
einer abschließenden Hauptsacheentscheidung durch eine Zwischenregelung überbrücken und auf diese Weise den
Rechtsstreit in der Hauptsache entscheidungsfähig erhalten. Voraussetzung für deren Erlass ist, dass sowohl der
Anordnungsgrund als auch den Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht sind (§ 86 b Abs.2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920
Abs.2, 294 Abs.1 Zivilprozessordnung - ZPO -). Bei der erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage zeigt
sich, dass es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu klären ist, ob der Bf einen
Anordnungsanspruch geltend machen kann. Nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGG II sind die Leistungen für Unterkunft und
Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Hier ist streitig, ob der
Bf die von ihm angegebene Wohnung tatsächlich bewohnt. Da hieran Zweifel bestehen, die im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes nicht aufzuklären sind, hat das Sozialgericht die Leistungen mit einem Abschlag von etwa 10 %
gewährt Dem Bf wurde mit Bescheid vom 05.12.2008 die volle Regelleistung in Höhe von 351,00 EUR monatlich für
die Zeit vom 01.11.2008 bis 30.04.2008 bewilligt. Das Einbehalten von 34,70 EUR zur Rückzahlung des gewährten
Darlehens ist im einstweiligen Rechtsschutz nicht zu überprüfen. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft hat die Bg
laut ihrem Schreiben vom 10.02.2009 und telefonischer Auskunft die Kosten der Unterkunft in Höhe von 433,34 EUR
entgegen dem Beschluss des Sozialgerichts München ohne Abschlag von 10 % übernommen. Zuletzt wurden die
Kosten für Unterkunft und Heizung für den Monat Februar 2009 ausgezahlt. Im einstweiligen Rechtsschutz nicht zu
beanstanden ist, dass die Bg lediglich 433,34 EUR übernommen hat statt der eigentlich zustehenden Kosten der
Unterkunft und Heizung in Höhe von 433,67 EUR monatlich. Wegen des fehlenden Teilbetrages ist ein
Anordnungsgrund nicht ersichtlich, da es sich um einen sehr geringen Fehlbetrag für einen kurzen Zeitraum handelt.
Hieraus ergibt sich, dass der Bf hinsichtlich der für den Zeitraum von Dezember 2008 bis Februar 2009 zu
gewährenden Leistungen keinen Anordnungsgrund geltend machen kann, da er die von ihm beantragten Leistungen -
zwar ohne Rechtsgrund, da ein entsprechender Verwaltungsakt fehlt - erhalten hat. Daher bleibt kein Raum für eine
weitergehende Anordnung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Anzumerken bleibt, dass die Kürzung der
Kosten der Unterkunft im vorläufigen Rechtsschutz nur in engen Ausnahmefällen möglich ist. Hier hat das
Sozialgericht eine Kürzung der Kosten der Unterkunft für drei Monate um ca. 10 %, das heißt um monatlich 43,67
EUR vorgenommen, da es erhebliche Zweifel daran hat, ob der Bf seine Wohnung tatsächlich nutze. Da hier diese
Regelung lediglich für drei Monate getroffen wurde scheint eine solche Kürzung noch zulässig. Für einen längeren
Zeitraum wäre sie jedenfalls nicht hinzunehmen, da andernfalls in den grundrechtlich geschützten Bereich des
Existenzminimums eingegriffen würde. Da der Bf die vollen Kosten der Unterkunft erhalten hat und ein
Anordnungsgrund derzeit nicht besteht, ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München
zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung. Dieser Beschluss ist gemäß
§ 177 SGG unanfechtbar.