Urteil des LSG Bayern vom 19.02.2002

LSG Bayern: rente, unfallfolgen, erwerbsfähigkeit, firma, gärtner, vergleich, befund, gutachter, minimal, unfallversicherung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 19.02.2002 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 4 U 245/99
Bayerisches Landessozialgericht L 3 U 327/01
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27.09.2001 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente auf unbestimmte Zeit wegen der Folgen des Arbeitsunfalls des
Klägers vom 29.07.1996 streitig.
Der am 1949 geborene Kläger war von 1967 bis 1996 als Gärtnergehilfe und Gärtnermeister, zuletzt bei der Firma A.
GmbH, beschäftigt. Am 29.07.1996 hat er einen Unfall erlitten, als er gegen 22.00 Uhr das Vordach der Lagerhalle des
Unternehmens bestieg, um eine Dachrinne zu reparieren. Beim Herabsteigen rutschte er auf der nassen Leiter aus
und stürzte auf den Betonboden. Dabei hat er sich nach dem Durchgangsarztbericht des Dr.H. vom 27.08.1996 eine
Calcaneus-Fraktur (Fersenbeinfraktur) links zugezogen.
Die Beklagte hat nach Beiziehung der einschlägigen medizinischen Unterlagen, Einholung eines Gutachtens des Dr.H.
vom 26.01.1998 sowie einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr.S. vom 04.03.1998 nachfolgend dem Kläger
wegen der Folgen des Unfalls ("Unter Verformung verheilter Fersenbeinbruch links mit Narbenbildung nach operativer
Versorgung und temporärer Entzündung, Bewegungsstörungen in beiden Sprunggelenkskammern links mit
Schwellneigung des linken Rückfußes") vorläufige Rente nach einer MdE um 20 v.H. ab 27.01.1998 bis auf weiteres
gewährt.
Aufgrund des Bescheides der LVA Niederbayern-Oberpfalz vom 24.03.1998 bezieht der Kläger seit dem 27.01.1998
Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit. Seit dem 15.02.1999 ist er bei der Firma A. GmbH als Bürohelfer tätig.
Zur Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit ließ die Beklagte den Kläger durch Dr.H. untersuchen und
begutachten. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 02.03.1999 zu der Auffassung, dass die Unfallfolgen nur noch
mit einer MdE um 10 v.H. zu bewerten seien. Dieser Auffassung stimmte der beratende Arzt der Beklagten Dr.S. am
25.03.1999 zu, die geringen Bewegungsstörungen am oberen Sprunggelenk könnten die MdE von 10 v.H. nicht
überschreiten.
Nach Anhörung des Klägers - Schreiben vom 29.03.1999 - über die beabsichtigte Rentenentziehung zum 01.05.1999
hat sie nachfolgend mit Bescheid vom 16.04.1999 die Rente mit Wirkung vom 01.05.1999 entzogen und ausgeführt,
dass ein Anspruch auf Rente für unbestimmte Zeit an Stelle dieser vorläufigen Entschädigung nicht bestehe, weil die
noch bestehenden Unfallfolgen - verheilter Fersenbeinbruch links mit nur noch restlichen Funktionsstörungen in der
oberen Sprunggelenkskammer - die Erwerbsfähigkeit nicht mehr in rentenberechtigendem Grad, sondern nur noch um
10 v.H. minderten.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13.07.1999).
Hiergegen hat der Kläger nachfolgend beim Sozialgericht Regensburg Klage erhoben: Das Gutachten des Dr.H. weise
er als reines Parteigutachten zurück und beantrage ein neutrales Gutachten.
Das Sozialgericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten von Prof.Dr.N. , Chefarzt am Krankenhaus der
Barmherzigen Brüder, R. , vom 08.05.2000 eingeholt. Er vertrat darin die Auffassung, dass die unfallbedingten
Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Fußes auch ab dem 01.05. 1999 eine MdE um 20 v.H. bedingten. Als
Folgezustand beschrieb er eine Einschränkung der Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk. Die
Gehfähigkeit auf unebenem Grund sei durch Schmerzen beeinträchtigt. Röntgenologisch finde sich ein in
mäßiggradiger Fehlstellung verheilter Fersenbeinbruch mit ausgeprägter Arthrose im unteren Sprunggelenk im Bereich
der Weichteile an der linken Fußaußenseite. Postinfektiöse Narbenbildung mit Hyperpigmentierung und Verplumpung
der Weichteile im Bereich des Rückfußes. Im Gegensatz zum zweiten Rentengutachten des Dr.H. habe er weiter eine
deutliche Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk links von 1/3 im Vergleich zur normalen Beweglichkeit
des rechten unteren Sprunggelenks gefunden. Die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk (OSP) habe sich linksseitig
ebenfalls eingeschränkt gefunden, insbesondere das Heben des Fußes im Vergleich zu rechts.
Der MdE-Bewertung durch Prof.Dr.N. trat die Beklagte mit Stellungnahme vom 26.06.2000 unter Berufung auf die
Stellungnahme ihres Beratungsärztlichen Dienstes, entgegen: Unstreitig sei, dass Bewegungsstörungen im Bereich
der linksseitigen Sprunggelenke vorliegen, nicht jedoch in dem Umfang, wie sie Prof.Dr.N. bezeichnet habe
(erhebliche Bewegungseinschränkung). Die Erfassung und Dokumentation von Bewegungsstörungen sei sehr
schwierig, so dass mit einer erheblichen Messfehlerbreite gerechnet werden müsse. Die Beklagte verweist ferner
darauf, dass es zwar gesicherten ärztlichen Erfahrungen entspreche, dass nach einer Fersenbeinfraktur im unteren
Sprunggelenk Bewegungseinschränkungen zurückbleiben, diese jedoch letztendlich für die Belastbarkeit des Fußes
und den Abrollvorgang so gut wie bedeutungslos seien, sofern nicht eine instabile Wackelsteife vorliege. Dies treffe
hier aber nach übereinstimmender Feststellung beider Sachverständigen nicht zu. Ebenso übereinstimmend hätten
beide Gutachter festgestellt, dass die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk nur minimal eingeengt sei. Für die
Einschätzung der MdE sei der gesamte Funktionsstatus im Fußbereich maßgeblich. Entscheidend sei, dass beide
Sachverständige ein ungestörtes Gangbild bestätigt haben. Bei dem vorliegenden Befund, dem Funktionsstatus sei
somit eine MdE von 20 v.H. nicht begründbar.
Auf Anregung der Beklagten hat das Sozialgericht eine ergänzende Stellungnahme von Prof.Dr.N. vom
20.09.2000/02.02. 2001 eingeholt. Hierin verblieb er bei seiner bisherigen Bewertung. Zur Begründung verwies er vor
allem auf die Einschränkungen des Klägers im Bewegungsablauf im Treppabgehen, Kniebeuge-Gehen, Einschränkung
der Gehfähigkeit auf unebenem Grund etc., die ihn vor allem in seiner beruflichen Tätigkeit als Gärtner stark
einschränkten.
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.04.1999 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.1999 zu verurteilen, ihm Rente auf unbestimmte Zeit nach einer
MdE um 20 v.H. ab 01.05. 1999 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 27.09.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage auf Gewährung von Rente auf
unbestimmte Zeit sei unbegründet, weil die Unfallfolgen eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht mehr
bedingen. Der MdE-Bewertung im Gutachten des Prof.Dr.N. habe sich das Gericht im Hinblick auf die Grundsätze der
Unfallbegutachtung - Funktionsbegutachtung - nicht anschließen können. Die Befunderhebung, die im Wesentlichen
unstreitig sei, rechtfertige nach den Unfallbegutachtungsrichtlinien keine höhere MdE als um 10 v.H., da eine
Versteifung des unteren Sprunggelenks schließlich mit einer MdE von 15 v.H. und erst eine völlige Versteifung des
oberen und unteren Sprunggelenks mit einer MdE von 20 v.H. angesetzt werden könne. Für die Einschätzung der
MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung sei allein die funktionelle Auswirkung einer Gesundheitsstörung auf die
Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, nicht jedoch die zur Unfallzeit konkret
ausgeübte Tätigkeit entscheidend. Demzufolge gehe Prof.Dr.N. fehl, wenn er die Einschätzung der MdE mit 20 v.H.
mit den Behinderungen rechtfertige, denen der Kläger in seinem Beruf als Gärtner ausgesetzt sei.
Hiergegen hat der Kläger - unter Aufrechterhaltung seines Begehrens auf Gewährung von Rente auf unbestimmte Zeit
nach einer weiterhin auf das Gutachten des Prof.Dr.N. und dessen MdE-Bewertung gestützt. Dies könne auch sein
Hausarzt Dr.H. bestätigen; er habe ständige Schmerzen und sei stark gehbehindert und in ärztlicher Behandlung.
Der Kläger beantragt - sinngemäß -, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom
27.09.2001 und Abänderung des Bescheides vom 16.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
13.07.1999 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 29.07.1996 Verletztenrente nach einer
MdE von 20 v.H. auf unbestimmte Zeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil zutreffend sei.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten
sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat mit Recht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf
Weitergewährung von Rente nach einer MdE um 20 v.H. über den 30.04.1999 hinaus bzw. Gewährung von Rente auf
unbestimmte Zeit (§ 62 Abs.2 SGB VII) wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 29.07.1996, weil er durch die
Folgen dieses Unfalls in seiner Erwerbsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben nicht mehr in rentenberechtigendem
Grad - hier wenigstens 20 v.H. - gemindert ist. Dies hat das Sozialgericht eingehend und überzeugend dargelegt und
des Weiteren auch gut nachvollziehbar ausgeführt, weshalb auf die MdE-Bewertung des Prof.Dr.N. im Ergebnis der
geltend gemachte Anspruch nicht gestützt werden kann.
Dieser Auffassung schließt sich der Senat an und nimmt zur weiteren Begründung gemäß § 153 Abs.2 SGG auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergänzend Bezug.
Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren nichts vorgebracht, was eine andere Entscheidung rechtfertigen könnte
oder weiteren Aufklärungsbedarf in medizinischer Hinsicht ergäbe. Soweit er - wiederholt - auf das
Gutachtensergebnis des Prof. Dr.N. Bezug nimmt, ist dieses aus dem bereits vom Sozialgericht eingehend
dargelegten Gründen nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen.
Nach allem konnte daher die Berufung keinen Erfolg haben, sie ist unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG
nicht vorliegen.