Urteil des LSG Bayern vom 30.08.2006

LSG Bayern: erbe, treu und glauben, geschäftsführung ohne auftrag, geldleistung, beerdigungskosten, im bewusstsein, aufrechnung, geldinstitut, tod, verfügungsberechtigung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 30.08.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 10 R 2244/03
Bayerisches Landessozialgericht L 1 R 164/06
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Juni 2005 aufgehoben und die
Beklagte verurteilt, der Klägerin 453,16 Euro zu zahlen. II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Rücküberweisung einer Rentenzahlung, die nach dem Tod des
Leistungsberechtigten auf dessen Konto bei der Beklagten überwiesen wurde.
Der 1937 geborene Versicherte A. A. senior (Versicherter) bezog ab 12. April 1983 von der Beklagten eine Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit. Er verstarb am 17. März 1996. Am 29. März 1996 ging auf dem bei der Beklagten
geführten Konto des Versicherten eine Rentenzahlung in Höhe von 886,30 DM für den Monat April 1996 ein. Das
Konto wies nach dieser Gutschrift bis zum 3. April 1996 ein Guthaben in Höhe von 2.428,13 DM aus (Kontoauszug
vom 1. April und 16. April 1996).
Am 4. April 1996 unterzeichnete der Sohn des Versicherten, A. A. junior, in einer Filiale der Beklagten ein von der
Beklagten erstelltes Formular. Der Text lautet:
"Zahlung von Nachlassverbindlichkeiten aus einem Postbank-Girokonto nach dem Tod des Kontoinhabers
Postbank Girokonto Nr.
Kontobezeichnung: A. A. M.
Der Kontoinhaber ist verstorben. Ich bitte, die beiliegende (n) Rechnung (en) über Nachlassverbindlichkeiten zu
begleichen.
Ich versichere, dass keine Erbstreitigkeiten bestehen und verpflichte mich, die POSTBANK von allen
Ersatzansprüchen freizustellen, die gegebenenfalls aufgrund dieser Auszahlung von Dritten erhoben werden.
(X) Die beiliegende (n) Rechnung (en) ist/sind unbezahlt. Ich bitte, den Betrag/die Beträge an den/die Aussteller zu
überweisen.
( ) Die beiliegende (n) Rechnung (en) ist/sind bezahlt. Ich bitte, den Betrag/die Beträge zu überweisen auf
Konto-Nr ... Kontobezeichnung
Name des Geldinstituts ...
Bankleitzahl ...
Ort, Datum Antragsteller
M. 04.04.96 X A A. (Unterschrift)
Bestätigung der Unterschrift - soweit bei der kontoführenden Postbank nicht hinterlegt
Antrag eigenhändig Antragsteller Tagesstempel unterschrieben von ausgewiesen durch der Post AG ode r
Dienststempel A. A. BPA und Datum geb. 69 14 09 92 KVR M. Rundstempel P. 4.4.96 Unterschrift"
Die Kosten der Beerdigung des Versicherten betrugen laut einer Rechnung des Bestattungsinstituts vom 27. März
1996 nach Abzug eines Sterbegeldes aus der Krankenversicherung in Höhe von 2.100,00 DM insgesamt 4.577,90
DM.
DM.
Nachdem der Sohn auf das Konto des Versicherten einen Betrag in Höhe von 2.160,00 DM eingezahlt hatte, überwies
die Beklagte von diesem Konto am selben Tage den Betrag von 4.577,90 DM auf ein Konto des Bestattungsinstituts
(Kontoauszug vom 16. April 1996). Vom Restguthaben in Höhe von 10,23 DM zog die Beklagte am 18. April 1996
3,00 DM als Kontoführungsgebühren ab, löste das Konto auf und buchte den Restbetrag von 7,23 DM auf ein
Verwahrkonto (Kontoauszug vom 18. April 1996).
Mit Schreiben vom 20. Juni 1996 und 16. Juli 1996 forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Rentenzahlbetrag für
den Monat April 1996 in Höhe von 886,30 DM zurück zu überweisen.
Die Beklagte teilte daraufhin mit, eine Rücküberweisung könne nicht erfolgen, weil das Konto des Versicherten nicht
mehr bestehe. Es werde anheim gestellt, sich zur Klärung der Angelegenheit an den Sohn des Versicherten zu
wenden (Schreiben vom 26. Juli 1996). Beigefügt war die Kopie einer vom Rechtspfleger unterschriebenen
Niederschrift des Amtsgerichts M. vom 22. März 1996, wonach (u. a.) der Sohn in der Nachlasssache des
Versicherten die angefallene Erbschaft aus jedem Berufungsgrund ausgeschlagen hat.
Auf weitere Anfrage der Klägerin teilte die Beklagte ergänzend mit, das Konto des Versicherten sei am 18. April 1996
gelöscht worden. Angaben über den Kontostand zum Zeitpunkt des Todes machte die Beklagte nicht. Sie gab an, vor
Eingang der Rücküberweisung sei über das Konto verfügt worden, gab als Art der Verfügung "Bestattungskosten" an
und verwies zur Frage nach dem Auftraggeber der Verfügung auf eine beigefügte, nicht vom Rechtspfleger
unterschriebene Niederschrift vom 22. März 1996 (Schreiben vom 31. Januar 1997).
Daraufhin forderte die Klägerin den Sohn des Versicherten zur Rückerstattung des streitigen Betrages auf (Schreiben
vom 1. August 1996, Bescheid vom 19. Februar 1997, Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 1997), weil er nach dem
Tod des Versicherten über dessen Konto verfügt habe.
Dagegen erhob der Sohn am 18. Juni 1997 Klage zum Sozialgericht München (SG) mit der Begründung, er sei nicht
Erbe des Versicherten und habe keine Verfügung über dessen Konto getroffen. Als nächster Angehöriger habe er sich
um die Beerdigung des Versicherten gekümmert. Weil dessen Guthaben nicht ausgereicht habe, um die
Beerdigungskosten zu decken, habe er den fehlenden Betrag aus eigenen Mitteln auf das Konto des Versicherten
eingezahlt. Die Beerdigungskosten seien dann von der Beklagten an das entsprechende Beerdigungsinstitut
überwiesen worden.
Das SG gab der Klage statt (Urteil vom 13. Januar 2000, Az.: S 30 RJ 1522/97). Der Sohn habe am 4. April 1996 über
den streitigen Betrag verfügt, indem er der Beklagten die Rechnung des Bestattungsinstitutes vorgelegt und sie
schriftlich aufgefordert habe, diese aus dem Konto des Versicherten zu begleichen.
Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG), zu dem die Beklagte
beigeladen war, nahm die Klägerin auf Hinweis des Gerichts, dass der Anspruch auf Erstattung gegen den Sohn nur
im Wege der Leistungsklage und nicht im Wege eines Verwaltungsaktes (vgl. jetzt § 118 Abs. 4 S. 2 des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der ab 29. Juni 2002 geltenden Fassung) geltend gemacht werden könne, den
angefochtenen Bescheid zurück.
Die Beklagte hatte in diesem Berufungsverfahren unter Vorlage von Kontoauszügen aus dem März und April 1996 u.a.
vorgetragen, sie sei vom Sohn angewiesen worden, das gesamte Guthaben vom Konto des Versicherten an ein
Bestattungsinstitut zu überweisen, obwohl der Sohn gewusst habe, dass er hierzu nicht verfügungsberechtigt
gewesen sei. Außerdem habe der Sohn die Beklagte von allen Ersatzansprüchen Dritter freigestellt.
Noch während des o.g. Klageverfahrens hat die Klägerin am 20. Dezember 2000 beim SG eine Leistungsklage gegen
die Beklagte erhoben. Die Beklagte sei gemäß § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI zur Rücküberweisung des streitigen
Betrages verpflichtet, weil keine entlastende Verfügung im Sinne des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI vorliege. Zwar sei
die Überweisung vom 4. April 1996 vom Sohn des Versicherten in Auftrag gegeben worden, dieser sei aber nicht zur
Verfügung über das Konto des Versicherten berechtigt gewesen, da er weder Erbe noch wirksam bevollmächtigt
gewesen sei. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) müsse sich
die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin so behandeln lassen, als sei diese Verfügung nicht erfolgt, denn sie habe die
Legitimation des verfügenden Sohnes nicht hinreichend geprüft und sei zur Überweisung vom 4. April 1996 nicht
ermächtigt gewesen. Die Klägerin hat hierzu auf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29.
November 1994, Az.: L 13 J 560/94, verwiesen, wonach die Auszahlung an unbekannte Dritte, die nicht über das
Konto verfügungsberechtigt waren, einem Rücküberweisungsanspruch des Rentenversicherungsträgers nicht
entgegensteht.
Die Beklagte hat dagegen im Wesentlichen eingewandt, die Klägerin könne ihre Forderung allenfalls nach
Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) geltend machen, da § 118 Abs. 3 SGB VI keine materiell-rechtliche
Anspruchsgrundlage enthalte. Im Übrigen sei eine Rücküberweisung nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI schon deshalb
ausgeschlossen, weil ein Dritter (der Sohn des Versicherten) über das Guthaben verfügt habe. Dass der Verfügende
hierzu auch berechtigt gewesen sein müsse, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Ausreichend sei daher, dass die
Beklagte im Zeitpunkt der Verfügung des Sohnes hinsichtlich dessen Verfügungsberechtigung gutgläubig gewesen
und aufgrund der getätigten Überweisung auch tatsächlich entreichert sei. Außerdem werde mit Nichtwissen
bestritten, dass der Versicherte überhaupt oder zum behaupteten Zeitpunkt verstorben und der Sohn nicht dessen
Erbe geworden sei. Im Übrigen sei der Sohn vom Versicherten vor dessen (bestrittenen) Ableben bevollmächtigt
worden, die Beerdigungskosten vom Konto des Versicherten zu zahlen. Auch könne eine Rücküberweisung schon
deshalb nicht erfolgen, weil das Konto des Versicherten geschlossen worden sei. Im Übrigen sei der Sohn
totenfürsorgeberechtigt und deshalb bezüglich der Beerdigungskosten als Geschäftsführer ohne Auftrag berechtigt
gewesen, über das Konto des Versicherten zu verfügen. Eine angemessene Beerdigung habe im mutmaßlichen
Interesse des Versicherten und dessen Erben gelegen. Auch die Beklagte selbst sei bei der Überweisung der
Beerdigungskosten als Geschäftsführerin ohne Auftrag tätig geworden. Sie habe gegen die Klägerin einen Anspruch
auf Erstattung der Beerdigungskosten. Wegen der erfolgten Erbausschlagung des Sohnes sei der Fiskus Erbe des
Versicherten geworden und müsse die Beerdigungskosten tragen. Da die Klägerin Teil des Fiskus sei, könne der
Anspruch auch ihr gegenüber geltend gemacht werden. Mit diesem Anspruch erkläre die Beklagte sowohl gegen die
Forderung der Klägerin auf Rücküberweisung der Rentenzahlung für den Monat April 1996 als auch gegen den
Auszahlungsanspruch der Erben bezüglich des an das Beerdigungsinstitut überwiesenen Kontoguthabens jeweils in
Höhe der streitigen Forderung die Aufrechnung. Aufgrund der Aufrechnung gegenüber dem Auszahlungsanspruch der
Erben sei dieser Auszahlungsanspruch bereits vor Eingang der Rücküberweisungsforderung der Klägerin erloschen,
so dass das Konto des Versicherten kein Guthaben aufgewiesen habe, aus dem eine Rücküberweisung hätte erfolgen
können.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. Juni 2005, der Klägerin zugestellt am 22. November 2005). Es hat
zur Begründung lediglich ausgeführt, es stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Sohn des Versicherten
über dessen Konto verfügt habe. Das Risiko, dass ein Erbe oder Sonderrechtsnachfolger über den gutgeschriebenen
Betrag verfüge, bevor die Rückforderung geltend gemacht werde, trage der Rentenversicherungsträger. Auf welche
Tatsachen und rechtlichen Überlegungen sich die Kammer bei ihrer Feststellung zur "Verfügung" und zur Stellung des
Sohnes als Erben oder Sonderrechtsnachfolger gestützt hat, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Es lässt auch keine
Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten erkennen.
Auf die Beschwerde der Klägerin vom 22. Dezember 2005 hat der Senat die Berufung zugelassen (Beschluss vom 1.
März 2006). Die Beklagte hat im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde ergänzend vorgetragen, der Sohn
des Versicherten habe sich anlässlich der Formularerklärung vom 4. April 1996 ihr gegenüber als Erbe ausgegeben,
als Sohn des Versicherten ausgewiesen und die Sterbeurkunde vorgelegt.
Der Senat hat die Beklagte im Berufungsverfahren aufgefordert, Nachweise für die von ihr aufgestellten
Tatsachenbehauptungen vorzulegen und ihre Rechtsansichten zu erläutern. Die Beklagte hat hierzu lediglich
mitgeteilt, der Sachverhalt könne von ihr wegen Zeitablaufs und zahlreicher Umstrukturierungen nicht weiter aufgeklärt
werden und war nicht bereit, sich zu den vom Senat gestellten Fragen inhaltlich zu äußern.
Zur Klärung des Sachverhalts, insbesondere den Behauptungen der Beklagten, der Sohn des Versicherten sei
(Konto)Bevollmächtigter oder Erbe des Versicherten gewesen und habe sich als Erbe ausgegeben sowie zu der
Frage, ob und wann der Sohn der Beklagten eine Sterbeurkunde und die Niederschrift über die Erbausschlagung
vorgelegt hat, hat der Senat den Sohn als Zeuge vernommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 453,16 Euro
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten der Klägerin und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt
der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Senat zugelassene Berufung (§ 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist auch im Übrigen zulässig und
begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rücküberweisung des Betrages von 453,16 Euro
(886,30 DM).
Anspruchsgrundlage ist entgegen der Auffassung der Beklagten § 118 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Satz 1 SGB VI. Danach hat
ein Geldinstitut Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod eines Berechtigten auf ein Konto bei ihm überwiesen
wurden, der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurück zu überweisen, wenn diese sie als
zu Unrecht erbracht zurückfordern. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den
entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die
Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann (S. 3). Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur
Befriedigung eigener Forderungen verwenden (S. 4).
Das Gesetz macht die Entstehung dieses in § 118 Abs. 3 SGB VI selbst geregelten materiell-rechtlichen
Rücküberweisungsanspruchs allein davon abhängig, dass die Geldleistung für die Zeit nach dem Tode des
Berechtigten auf ein Konto des Berechtigten bei einem Geldinstitut überwiesen wurde. Die Vermögensverschiebung
aus dem Vermögen des Rentenversicherungsträgers in das Vermögen des Geldinstituts, das jedenfalls bis zur
Gutschrift auf das Konto des Berechtigten die Verfügungsmacht über den Wert der Geldleistung erhält, begründet
diesen speziellen öffentlich-rechtlichen (nicht zivilrechtlichen) Erstattungsanspruch (nicht Bereicherungsanspruch).
Dabei steht das Geldinstitut hinsichtlich der jeweiligen Geldleistung in keinem originären Rechtsverhältnis zum
Rentenversicherungsträger, sondern nur in seiner bankvertraglichen Beziehung zum Überweisungsadressaten. Der
Wert der Geldleistung gelangt daher in seine Verfügungsmacht nur als vom Überweisungsadressaten dem
Rentenversicherungsträger angegebene Zahlungsadresse. Insoweit ist die Auffassung der Beklagten, der
Rücküberweisungsanspruch der Klägerin beruhe nicht auf einem zwischen der Klägerin und der Beklagten aufgrund
der Rentenzahlung begründeten Rechtsverhältnis, durchaus zutreffend.
Ungeachtet dessen statuiert § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI aber allein wegen der faktischen Verfügungsmacht und der
im Rahmen des Bankvertrages gegenüber dem Bankkunden erweiterten wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten
des Geldinstituts dessen Haftung auf Erstattung des Wertes der Geldleistung. Der Erstattungsanspruch erlischt erst,
sobald und soweit der Wert der Geldleistung sowohl aus der unmittelbaren Verfügungsmacht als auch aus der
bankvertraglich begründeten Verwertungsbefugnis des Geldinstituts endgültig ausgeschieden ist und ein anderer als
das Geldinstitut durch ihm gegenüber rechtswirksame Verfügungen den Kontostand unter den Wert der Rückforderung
gesenkt hat. Entstehungsvoraussetzungen für den Rücküberweisungsanspruch der Klägerin sind deshalb nur, dass
die Vermögensverschiebung durch die Überweisung eines Geldbetrages (Rente für den Monat April 1996) an die
Beklagte zwecks Gutschreibung auf das angegebene Konto des Versicherten als soziale Geldleistung an diesen
bewirkt wurde, dieser Zweck aber nicht mehr erreicht werden konnte, weil der Versicherte vor Beginn des
Bezugszeitraums gestorben ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG - in BSGE 82, 239).
Die Klägerin hat ihren Anspruch in der von der Rechtsprechung geforderten Weise (vgl. BSGE a.a.O.) erstmals mit
Schreiben vom 20. Juni 1996 bei der Beklagten geltend gemacht. Sie hat der Beklagten insbesondere Namen,
Todestag und Kontonummer des Versicherten sowie Art, Höhe und Bezugszeitraum der betroffenen Geldleistung
mitgeteilt und die Beklagte zur Rücküberweisung aufgefordert. Die Beklagte war daher zur Rücküberweisung des
geforderten Betrages verpflichtet.
Diese Verpflichtung ist nicht dadurch entfallen, dass das Konto des Versicherten zu diesem Zeitpunkt bereits
gelöscht und das nach Eingang der Rentenzahlung am 29. März 1996 bestehende Guthaben durch eine Überweisung
an das Bestattungsinstitut, eine Überweisung an ein Verwahrkonto (in Höhe von 7,23 DM) und eine Sollstellung für
Kontoführungsgebühren (in Höhe von 3,00 DM) aufgebraucht war.
Über den Betrag von 10,23 DM liegt schon nach eigenem Vortrag der Beklagten keine sie entlastende Verfügung im
Sinne des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI vor. Soweit die Beklagte das Guthaben am 18. April 1996 um
Kontoführungsgebühren vermindert hat, liegt hierin eine Verwendung zur Befriedigung eigener Forderungen, zu der die
Beklagte gemäß § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI nicht befugt war. Der Betrag von 7,23 DM stand über die Auflösung des
Kontos des Versicherten hinaus zur Rücküberweisung zur Verfügung. Die Beklagte hat nicht dargelegt, auf wessen
Veranlassung das Konto gelöscht und das Restguthaben auf ein Verwahrkonto überwiesen worden ist. Somit ist
davon auszugehen, dass die Beklagte selbst diese Verfügungen getroffen hat. Die Verschiebung des Guthabens auf
ein anderes, bei der Beklagten zur bloßen Verwahrung geführtes Konto ist keine Verfügung eines Dritten im Sinne des
§ 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI und hat den Guthabensbetrag im Übrigen nicht dem Verfügungsbereich der Beklagten
entzogen. Sofern das verbliebene Guthaben auf dem Verwahrkonto durch weitere Entgeltforderungen der Beklagten
zwischenzeitlich weiter gemindert oder aufgezehrt sein sollte, liegt auch insoweit lediglich eine die Beklagte nicht
entlastende Verwendung zu Befriedigung eigener Forderungen im Sinne des § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI vor.
Dasselbe gilt für die Überweisung an das Bestattungsinstitut, soweit die Beklagte vorgetragen hat, sie habe diese
Überweisung mit dem Willen vorgenommen, selbst als Geschäftsführerin ohne Auftrag für den Versicherten - was
nach dessen Tod rechtlich unmöglich war - oder dessen Erben tätig zu werden. Ob die Beklagte sich dabei zur
Geschäftsführung unmittelbar des Guthabens auf dem Konto des Versicherten bedienen wollte - wofür die Tatsache
spricht, dass sie die Bestattungskosten unmittelbar aus diesem Konto beglichen hat - oder der Rückgriff auf das
Guthaben der Befriedigung eines vermeintlichen eigenen Aufwendungsersatzanspruches dienen sollte, ist dabei ohne
Belang. Beruhte die Überweisung nicht auf einer die Beklagte bindenden Verfügung eines Dritten, sondern allein auf
dem Willen der Beklagten zur (eigenen) Führung fremder Geschäfte, so liegt keine Verfügung im Sinne des § 118
Abs. 3 S. 3 SGB VI vor, die einem Rücküberweisungsanspruch entgegengehalten werden könnte.
Über den (weiteren) Rücküberweisungsbetrag liegt auch keine andere Verfügung im Sinne des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB
VI vor. Unabhängig davon, dass diese Norm nur solche Verfügungen erfasst, die im Verhältnis zum Geldinstitut
rechtswirksam - also auf der Grundlage einer Verfügungsberechtigung über das betroffene Konto - erfolgt sind, nicht
aber Verfügungen, die von einem nicht befugten Berechtigten getroffen wurden (vgl. BSG 82, 239; mit überzeugender
Begründung auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. November 1994, Az.: L 13 J 560/94), liegt hier bereits
keine Verfügung vor. Die am 4. April 1996 vom Sohn des Klägers auf einem Formblatt der Beklagten geäußerte Bitte,
eine Rechnung über die Kosten für die Bestattung des Versicherten von dessen Konto zu begleichen, stellt noch
keine die Beklagte bindende Verfügung über das Konto dar. Die abgegebene Erklärung lässt nach Wortlaut und
Gestaltung nicht erkennen, dass der Sohn des Versicherten im Bewusstsein einer - tatsächlich fehlenden -
Verfügungsberechtigung eine bindende Verfügung über das dortige Guthaben treffen wollte. Ein solcher Wille, den der
Sohn bereits im eigenen Klageverfahren vor dem SG (Az.: S 30 RJ 1522/97) ausdrücklich bestritten hat, ist auch
seiner Aussage als Zeuge nicht zu entnehmen. Er hat glaubhaft bekundet, er sei sich am 4. April 1996 bewusst
gewesen, nicht Erbe seines Vaters zu sein und könne sich auch nicht erinnern, von ihm bevollmächtigt worden zu
sein. Die von der Beklagten vorgelegte Formblatterklärung spricht für die Richtigkeit dieser Aussage. Wären die
Beklagte und der Sohn des Versicherten bei Abgabe der Erklärung von einer (tatsächlichen oder behaupteten)
Verfügungsberechtigung ausgegangen, hätte es der Formularerklärung auch nicht bedurft. Die in der Erklärung
enthaltene Freistellung der Beklagten von Ersatzansprüchen Dritter zeigt vielmehr, dass die Beklagte zumindest
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorgesehenen Überweisung hatte. Die Freistellungserklärung selbst berührt -
unabhängig von der Frage ihrer rechtlichen Wirksamkeit im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Sohn des
Versicherten - den Rücküberweisungsanspruch der Klägerin nicht. Dieser Anspruch ist kein Ersatzanspruch gegen die
Beklagte aufgrund der getätigten Überweisung an das Beerdigungsinstitut. Die Überweisung entfaltet keine die
Beklagte entlastende Wirkung i.S.d. § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI.
Der Beklagten war die fehlende Erbenstellung des Sohnes am 4. April 1996 sogar positiv bekannt, denn die von ihr
später an die Klägerin übersandte Niederschrift über die Erbausschlagung vom 22. März 1996 ist der Beklagten, wie
der Sohn als Zeuge glaubhaft ausgesagt hat, am 4. April 1996 von ihm selbst ausgehändigt worden.
Auch die Behauptung der Beklagten, der Sohn sei vom Verstorbenen zur Verfügung über dessen Konto
bevollmächtigt worden, hat der Zeuge nicht bestätigt. Zwar hat er angegeben, es sei (zwischen ihm und seinem Vater)
klar gewesen, dass er als Sohn im Todesfalle für die Beerdigung sorgen solle und sein Vater habe auf dem Konto bei
der Beklagten hierfür Geld angespart. Ob hieraus ein Wille des Verstorbenen abgeleitet werden könnte, seinen Sohn
jedenfalls bedingt (für den Todesfall) und begrenzt (auf die Kosten der Beerdigung) zur Verfügung über sein Konto zu
ermächtigen, kann dahinstehen. Der Zeuge hat glaubhaft ausgesagt, er könne sich nicht erinnern, von seinem Vater
eine Bankvollmacht bekommen zu haben. Damit fehlte es jedenfalls auf Seiten des Sohnes bereits am subjektiven
Willen, als Bevollmächtigter des Versicherten tätig zu werden. Für eine solche, von der Beklagten lediglich behauptete
Vollmacht liegen auch sonst keine Anhaltspunkte vor.
Danach war der Sohn des Versicherten am 4. April 1996 tatsächlich nicht ermächtigt, über das Konto des
Versicherten zu verfügen. Eine solche Ermächtigung könnte sich auch nicht aus der vom SG ohne nähere Prüfung
und Erläuterung angesprochenen Sonderrechtsnachfolge (§ 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - SGB I - )
ergeben. Diese Vorschrift begründet lediglich einen Zahlungsanspruch des Sonderrechtsnachfolgers gegenüber den
Sozialleistungsträgern auf im Zeitpunkt des Todes bereits fällig gewordene laufende Leistungen an den Versicherten.
Die Begründung einer Verfügungsbefugnis über Konten oder Vermögenswerte des Versicherten ist erkennbar nicht
Gegenstand dieser Vorschrift. Auch betrifft der hier streitige Rücküberweisungsanspruch der Beklagten keine fällige
Leistung im Sinne des § 56 SGB I, denn im Zeitpunkt der Zahlung (29. März 2004) bestand weder für den
Versicherten selbst noch für dessen (Sonder)Rechtsnachfolger ein Anspruch auf Zahlung von Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit über den Todesmonats März 2004 hinaus.
Auf die Argumentation der Beklagten, der Sohn des Versicherten und die Beklagte selbst hätten die
Beerdigungskosten jeweils als Geschäftsführer ohne Auftrag im vermeintlichen Interesse des Verstorbenen oder
dessen Erben aus dem Guthaben des Kontos überweisen lassen bzw. überwiesen, ist hier nicht näher einzugehen.
Selbst wenn der Sohn oder die Beklagte als (vermeintliche) Geschäftsführer ohne Auftrag tätig werden wollten, könnte
dies allenfalls einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Erben des Versicherten begründen, der gemäß § 1968
BGB zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet ist. Eine Rechtsvorschrift, die es dem Geschäftsführer ohne
Auftrag erlauben würde, zur Geschäftsführung selbst oder zu Befriedigung eines Aufwendungsersatzanspruches (§
683 BGB) unmittelbar auf fremdes Vermögen zuzugreifen, ist dem geltenden Recht nicht zu entnehmen und auch von
der Beklagten trotz Aufforderung des Senats nicht benannt worden. Ihre Argumentation ist daher nicht geeignet, über
das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag eine Verfügungsberechtigung des Sohnes oder der Beklagten
selbst über das Konto des Versicherten zu begründen.
Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht durch eine Aufrechnung erloschen. Es erscheint schon zweifelhaft, ob die
Beklagte eine hinreichend bestimmte Aufrechnungserklärung (§ 388 Satz 1 BGB) abgegeben hat, denn ihren
Einlassungen hierzu ist nicht zu entnehmen, ob sie eine Forderung des Sohnes, deren Abtretung an die Beklagte
weder dargelegt noch ersichtlich ist und die sie daher nicht als eigene Forderung geltend machen könnte, oder eine
eigene Forderung - jeweils im Sinne eines Aufwendungsersatzanspruches (§ 683 BGB) - zur Aufrechnung stellen will
und gegen wen sich die Aufrechnungserklärung richtet. Die Beklagte hat die Aufrechnung sowohl gegen den
Rücküberweisungsanspruch der Beklagten als auch gegen einen möglichen Anspruch der Erben auf Auszahlung des
(früheren) Kontoguthabens erklärt.
Dies kann aber dahinstehen, denn es fehlt im vorliegenden Fall offenkundig an der notwendigen Gegenseitigkeit der
Forderungen. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, so kann
jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teiles aufrechnen, sobald er die ihm gebührende
Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Danach kann die Beklagte gegen den
Rücküberweisungsanspruch der Klägerin nur mit einer eigenen Forderung aufrechnen, deren Schuldner die Klägerin
selbst ist. Der zur Aufrechnung gestellte Aufwendungsersatzanspruch kann sich aber - wovon auch die Beklagte
ausgeht - nur gegen die Erben des Versicherten (oder den als nächsten Angehörigen gemäß § 15 Abs. 1 Bayerische
Bestattungsverordnung zur Bestattung verpflichteten Sohn des Versicherten) richten. Die Klägerin ist jedoch selbst
dann nicht Erbe des Versicherten, wenn - worüber keine Angaben vorliegen - in Ermangelung anderer Erben der
Fiskus gemäß § 1936 BGB Erbe des Versicherten geworden sein sollte. Der Begriff des Fiskus umfasst entgegen der
nicht näher begründeten Auffassung der Beklagten keineswegs alle Einrichtungen, Körperschaften und Anstalten des
öffentlichen Rechts. Die Beklagte übt in der Rechtsform einer selbständigen Körperschaft des öffentlichen Rechts
vielmehr eine von der staatlichen (Fiskal)Verwaltung unabhängige Funktion als Träger der gesetzlichen
Rentenversicherung aus und ist damit weder gemäß § 1936 BGB noch in anderer Weise Erbe des Versicherten
geworden.
Auf die Berufung der Klägerin war daher das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Juni 2005 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 886,30 DM (453,16 Euro) zurück zu überweisen.
Da die Aufwendungen der Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig
sind, haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten (§ 193 Abs. 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002
geltenden Fassung i.V.m. Art. 17 Abs. 1 S. 1 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom
17. August 2001).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.