Urteil des LSG Bayern vom 26.04.2005

LSG Bayern: psychovegetatives syndrom, stationäre untersuchung, psychiatrisches gutachten, diabetes mellitus, befund, arbeitsmarkt, arbeiter, heimat, erwerbsfähigkeit, busfahrer

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 26.04.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 3 RJ 25/03 A
Bayerisches Landessozialgericht L 5 R 635/04
I. Die Berung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18. Juni 2004 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der am 1948 im vormaligen Jugoslawien geborene Kläger ist Angehörender des Staates Bosnien und Herzegowina mit
dortigem Wohnsitz. Er besuchte in seiner Heimat die vierklassige Grundschule, leistete 1967/1968 den Wehrdienst
und arbeitete als ungelernter Arbeiter sowie als Busfahrer bei mehreren Firmen. Von 1971 bis 1976 legte er in
Deutschland 57 Monate mit Pflichtbeiträgen zurück sowie drei Monate wegen Arbeitslosigkeit und leistete für Januar
und Februar 1989 zwei Monate freiwillige Beiträge (Versicherungsverlauf vom 27.01.2003). Er war in Deutschland als
ungelernter physischer Arbeiter beschäftigt (Formblatt B-BIH 207 vom 20.01.2000) insbesondere als ungelernter
Maschinenarbeiter in der Bleistiftfertigung bei der Firma F ...
Nach der Rückkehr in die Heimat besuchte er dort von 1979 bis 1981 die Mittelschule für Verkehr und Elektro in Doboj
und war anschließend als qualifizierter Busfahrer tätig. Laut Formblatt BIH-D 205 vom 10.06.1999 legte der Kläger
ununterbrochene Versicherungszeiten vom 26.12.1977 bis 15.08. 1983 zu Lasten des slowenischen
Versicherungsträgers sowie vom 16.08.1983 bis 05.02.1999 zu Lasten des bosnisch/herzegowinischen
Versicherungsträgers zurück. Dort ist er seit 07.01.2000 als Invalide anerkannt und bezieht eine entsprechenden
Pension.
Einen ersten Antrag auf Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit (EU/BU) vom 21.04.1999 lehnte die Beklagte mit
bestandkräftigen Bescheid vom 18.11.1999 ab, weil der Kläger trotz gesundheitlicher Einschränkungen noch
vollschichtig unter nur qualitativen Einschränkungen leichte Arbeiten ausüben könne und deshalb weder berufs- noch
erwerbsunfähig sei.
Einen erneuten Rentenantrag vom 06.12.1999 übersandte der bosnisch/herzegowinische Versicherungsträger mit
Formblatt BOH-D 201 vom 30.01.2001 an die Beklagte. Diese veranlasste unter Berücksichtigung der einschlägigen
Befund- und Behandlungsberichte aus der Heimat sowie des Formblattgutachtens BOH-D 207 vom 05.02.1999 und
des weiteren Formblattgutachtens BOH-D 207 vom 07.01.2000 eine klinisch-stationäre Untersuchung des Klägers in
der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg (25./26.02. 2002) durch den Psychiater Dr.A. einschließlich internistischer,
radiologischer, echokardiographischer, dopplersonographischer, lungenfunktionslaboratorischer sowie
Blutbilduntersuchung. Hieraus ergaben sich die Diagnosen Bluthochdruck bei Übergewicht ohne wesentliche
Auswirkungen auf den Herzmuskel, anamnestisch angegebene diätpflichtige diabetische Stoffwechsellage sowie
somatoforme Störung. In Folge hiervon sei der Kläger in der Lage, mittelschwere Arbeiten zeitweise im Stehen,
Gehen und Sitzen vollschichtig auszuüben. Dem folgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.04.2002 die
Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab im Wesentlichen mit der Begründung, der Kläger
könne nach den festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens
sechs Stunden täglich tätig sein. Ein anschließendes Widerspruchsverfahren, in welchem der Kläger ein
neuropsychiatrisches Gutachten des Dr.J. der Straf- und Besserungsanstalt Z. vom 06.04.2002 sowie weitere Befund-
und Behandlungsberichte vorlegte, blieb nach einer abschlägigen prüfärztlichen Stellungnahme des Dr.D. (17.09.2002)
ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 18.11.2002).
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut hat der Kläger beantragt, ihm
Erwerbsminderungsrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Nach Vorlage von Dokumenten zum
schulischen und beruflichen Werdegang hat das Sozialgericht Landshut ein internistisches
Sachverständigengutachten des Dr.P. (16./17.06.2004), ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten des
P.J.Riedinger (16.06.2004) sowie ein fachorthopädisches Gutachten des Dr.E. (16.06.2004) eingeholt. Unter
Berücksichtigung von röntgenologischen, echokardiographischen, sonographischen, elektroradiographischen,
lungenfunktionstechnischen, Blut- und laborchemischen Zusatzuntersuchungen hat P.J.Riedinger diagnostiziert:
- Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Wurzelreizerscheinungen,
- leichtes psychovegetatives Syndrom,
- akzentuierte Persönlichkeit mit leichten schizoiden und depressiven Zügen.
Die psychische Symptomatik sei unter Medikation gut kompensiert, es zeigten sich keine Hinweise für Aggressivität,
Halluzinationen oder Illusionen. Das Denken sei ohne Befund, inhaltliches und formelles Denken regelgerecht ohne
Denkstörungen, Störungen des Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnisses seien nicht festzustellen gewesen.
Dr.E. hat diagnostiziert:
1. Cervikalsyndrom,
2. Lumbalsyndrom,
3. Hinweis auf lumbale WS-Kanalstenose sowie
4. degenerative Innenmeniskusläsion links.
In Folge hiervon sei der Kläger nur noch in der Lage, leichte Arbeiten abwechselnd im Sitzen und Stehen ohne
Zwangshaltungen, ohne längeres Gehen, ohne längeres Stehen, ohne schweres Heben und Tragen unter den auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt üblichen Bedingungen acht Stunden täglich zu verrichten.
Dr.P. hat zusammenfassend diagnostiziert:
1. Cervikalsyndrom (spondylosis deformans), muskuläre
2. Dysbalance, Lumbalsyndrom (Bandscheibenschaden L5/S1),
3. Hinweise auf lumbale Wirbelkanalstenose,
4. degenerative Innenmeniskusläsion links,
5. leichtes psychovegetatives Syndrom,
6. akzentuierte Persönlichkeit mit leichten schizoiden und depressiven Zügen sowie
7. Bluthochdruck bei Risikofaktoren Übergewicht, Fettstoffwechselstörung und
8. anamnestisch angegebener diätpflichtiger diabetes mellitus.
Diese Gesundheitsstörungen lägen seit Antragstellung vor. Der Kläger könne leichte Arbeiten im Wechsel zwischen
Sitzen, Gehen und Stehen ohne Zwangshaltungen überwiegend in geschlossenen Räumen, ohne Heben und Tragen
von schweren Lasten, ohne besondere nervliche Belastung unter den arbeitsmarktüblichen Bedingungen acht Stunden
täglich ausüben, insbesondere in Tätigkeiten wie Montieren, Sortieren, Verpacken von Kleinteilen oder als Pförtner
sowie als Verrichter.
Mit Urteil vom 18.06.2004 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger könne trotz der von den
Sachverständigen festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch
vollschichtig unter nur qualitativen Einschränkungen tätig sein. Ausgehend von der zuletzt auf Dauer in Deutschland
ausgeübten Tätigkeit als Maschinenarbeiter in der Bleistiftfertigung dürfe er als ungelernter Arbeiter auf alle
Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sozial zumutbar verwiesen werden, ohne dass eine konkrete
Verweisungstätigkeit benannt werden müsste. Der Kläger sei damit weder erwerbs- noch berufsunfähig noch ganz
oder teilweise erwerbsgemindert.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, dass "mit der Politik der LVA aufgehört werde"; er verlange
nur Arbeit oder eine Entschädigung. Auf das Hinweisschreiben, dass der Senat beabsichtige, die Berufung
zurückzuweisen, hat der Kläger vorgetragen, er beantrage eine möglichst baldige Entscheidung und die "Versetzung
in die Rente". Ergänzend hat er auf ein Schreiben des Versicherungsträgers Tuzla vom 03.04.2001 verwiesen, das die
Bewilligung einer Unterstützung aus dem Jahre 1976 dokumentiert.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Landshut vom 18.06.2004 sowie
des Bescheids vom 05.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2002 zu verurteilen, ihm Rente
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß Antrag vom 06.12.1999 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 18.06.2004 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, über deren Beiziehung der Kläger in
der Ladung zum Termin 26.04.2005 benachrichtigt worden ist und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren,
sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) jedoch
nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 18.11.2002, mit welchem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger gemäß Antrag vom
06.12.1999 eine Rente wegen EU/BU/Erwerbsminderung zu gewähren. Die dagegen gerichtete Klage hat das SG
Landshut mit Urteil vom 18.06.2004 zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung
dieser Rente.
Der Anspruch des Klägers richtet sich nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum
31.12.2000 geltenden alten Fassung (a.F), weil er den Rentenantrag vor dem 01.01. 2001 gestellt und Rente (auch) für
Zeiten vor diesem Datum begehrt hat (§ 300 Abs.2 SGB VI). Soweit erstmals ein Rentenanspruch ab dem 01.01.2001
in Betracht kommt, richtet sich der Anspruch des Klägers nach dem SGB VI in der ab 01.01.2001 gültigen neuen
Fassung (n.F.).
Der Senat weist die Berufung des Klägers aus den Gründen des angefochtenen Urteils des Sozialgericht Landshut als
unbegründet zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs.2 SGG). Zu
einer weiteren Sachverhaltsaufklärung besteht kein Anlass, weil Anhaltspunkte für eine Änderung im
Gesundheitszustand des Klägers nicht erkennbar und die drei erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten
(einschließlich ausführlicher Zusatzuntersuchungen) in sich schlüssig und überzeugend sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).