Urteil des LSG Bayern vom 27.02.2007

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.02.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 2 RJ 568/99
Bayerisches Landessozialgericht L 5 KR 188/04
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Juli 2004 aufgehoben und die
Klage abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen auf Grund einer Betriebsprüfung.
1.
Die Klägerin ist ein in M. ansässiges Bauunternehmen. Auf Tätigwerden einer Firma A. Bau Gruppe, H. , NL,
zunächst vom 26.4.1996, vereinbarte die Klägerin durch "Bauausführungsvertrag" vom 02.05.1996 und 01.04.1997 mit
der Firma N. Bau Ltd. B. , U.K., dass diese Maurer zu einem Stundenlohn von 38,00 DM bei Barzahlung zur
Verfügung stellte. Dies geschah in Person der Beigeladenen zu 4) bis 12), die Entsendebescheinigungen E 101
vorlegten und als Eisenflechter auf Baustellen der Klägerin eingesetzt wurden. Sie erhielten eine Vergütung nach
geleisteten Stunden, wobei den beigeladenen britischen Arbeitnehmern das Entgelt nur zum Teil ausgezahlt wurde.
Den anderen Teil überwies die Klägerin u.a. auf Telefax-Anforderung einer Blitz-/telefonischen Überweisung der A.
Bau Gruppe, H. sowie auf Anforderung der N. Bau Ltd. jeweils auf ein in Deutschland geführtes Konto der N. Bau Ltd.
bei der Volksbank K ...
Auf Grund Betriebsprüfung vom 09.10.1998 und weiterer Ermittlungen stellte die Beklagte mit Bescheiden vom
30.11.1998/ 01.02.1999 die versicherungspflichtige Beschäftigung der beigeladenen Arbeitnehmer fest und forderte
Gesamtsozialversicherungsbeiträge von DM 32.958,32 nach. Die Klägerin habe auf ihren Baustellen die beigeladenen
Arbeitnehmer nach Überlassung durch die Firma N. Bau Ltd. wie eigene Arbeitnehmer eingesetzt. Es liege somit
Arbeitnehmerüberlassung vor, für welche jedoch keine Erlaubnis bestehe. Die Klägerin sei folglich Arbeitgeberin der
beigeladenen Arbeitnehmer und schulde für diese die errechneten Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Die Firma N.
Bau Ltd. sei lediglich eine Briefkastenfirma, welche nach Auskunft des Bundesamtes für Finanzen unter einer
Privatadresse der Eheleute N. und M. W. angesiedelt sei, ohne dass dort Betriebseinrichtungen, insbesondere ein
Telefonanschluss vorhanden seien. Die weitere Adresse in B. sei die eines früheren Gesellschafters, welcher aber die
Geschäfte nicht führe. Die N. Bau Ltd. könne deshalb mangels wirtschaftlicher Aktivität, Kommunikationsmittel und
eigener Mitarbeiter am Betriebssitz nur eine Scheinfirma sein, welche als Arbeitgeber nicht auftreten könne. Denn sie
verfüge weder über die betrieblichen noch über die organisatorischen Voraussetzungen, Dienst- oder Werkleistungen
zu erbringen, insbesondere den eingesetzten Mitarbeitern Weisungen zu erteilen.
Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, sie habe einen Werkvertrag mit der N. Bau Ltd.
abgeschlossen und könne deshalb nicht Arbeitgeberin der fremden Mitarbeiter des Werkunternehmens sein. Sie habe
auf Grund der vorgelegten englischen Entsendebescheinungen E 101 von der ordnungsgemäßen Abführung der
Lohnsteuer sowie Sozialversicherung im Heimatstaat durch die N. Bau Ltd. ausgehen dürfen. Diese habe auch im
Bundesgebiet einen Sitz und sei bei der Handwerkskammer D. eingetragen. Hierzu ermittelte die Beklagte, dass die
N. Bau Ltd. dort ihren Namen am 31.07.1997, 29.02.1996 und 17.08.1997 geändert hatte und am 27.01.1998 von
Amts wegen gelöscht worden war; der dortige Betriebsleiter war der 1929 geborene W. G. gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es habe
Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen, die Klägerin habe mit der Firma N. Bau Ltd. keinen Werkvertrag abgeschlossen.
Geschuldet habe diese die Stellung von Arbeitnehmern auf Zeit, nicht die Errichtung eines konkreten Gewerkes. Die
Klägerin habe bei der Betriebsprüfung erklärt, die englischen Arbeitnehmer seien an ihre Weisungen gebunden und in
ihren Betrieb eingegliedert gewesen, weil sie unter dem deutschen Vorarbeiter der Klägerin mitgearbeitet hätten. Die
Vordrucke E 101 und E 111 seien unbeachtlich, da diese nur deklaratorische nicht rechtsbegründende Funktion
hätten. Die Klägerin trete deshalb auf Grund unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung in die Position des Arbeitgebers
und schulde die entsprechenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge in der festgestellten Höhe.
2.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben mit dem Antrag, den
Bescheid/Widerspruchsbescheid insoweit aufzuheben, als Sozialversicherungsbeiträge für die beigeladenen
Arbeitnehmer für die Zeiträume nachgefordert wurden, die laut den E 101-Bescheinigungen dem britischen
Sozialversicherungsrecht unterliegen. Die Klägerin habe mit der N. Bau Ltd. einen Werkvertrag zur Erstellung des
Gewerkes Eisenflechterei für ein 16-Familien-Haus in D. abgeschlossen. Hierzu habe der Vorarbeiter der englischen
Arbeitnehmer als Vorgabe einen Plan erhalten und die beigeladenen Arbeitnehmer entsprechend unterwiesen.
Weisungen habe die Klägerin nicht erteilt, schon allein mangels Sprachkenntnissen. Es lägen im fraglichen Zeitraum
zur Firma N. Bau Ltd. keinerlei Erkenntnisse vor, dass diese eine Briefkastenfirma gewesen sei, die entsprechenden
Ermittlungen seien erst nach dem streitigen Zeitraum vorgenommen worden.
Mit Schreiben vom 02.05.2002 hat die LVA Schleswig-Holstein erklärt, der frühere Gesellschafter und Geschäftsführer
T. T. , unter dessen Adresse die Firma N. Bau Ltd. aufgetreten sei, habe nach Feststellungen des Finanzamts A. 120
Briefkastenfirmen gegründet und sei dabei entsprechend dem streitigen Fall aufgetreten. Das Finanzamt A. habe
bereits mehrfach festgestellt, dass Entsendebescheinigungen E 101 von der Firma N. Bau Ltd. gefälscht worden
seien.
Die britische Inlandrevenue hat auf Anfrage erklärt, dass Akten aus dem Jahre 1996 nicht mehr vorhanden seien, so
dass sie die Echtheit der E 101-Bescheinigungen nicht mehr überprüfen könne. Es falle jedoch auf, dass der
Behördenname noch den nur bis November 1995 gebrauchten Namen enthalte, nicht jedoch denjenigen, der im
Zeitpunkt der Ausstellung des E 101 gegolten habe. Zudem seien Adressen mit "England" angegeben, während
offizielle Schreiben stets "UK" angäben. Im Übrigen hätten weder ein Herr M. noch die Firma N. Bau Ltd. inländische
Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.
In der Zeugeneinvernahme vom 23.10.2003 hat der Geschäftsführer der Klägerin erklärt, im fraglichen Zeitraum habe
man Maurer und Eisenbinder benötigt, die britischen Arbeitnehmer hätten einen Plan erhalten und dementsprechend
die Arbeiten ausgeführt. Außer den beiden bekannten habe es keine weiteren Bauausführungsverträge gegeben. Die
beigeladenen Arbeitnehmer seien nur auf der konkreten Baustelle beschäftigt gewesen. Die Ehefrau des
Geschäftsführers der Klägerin hat erklärt, zufällig sei sie auf das Fax der Firma N. Bau Ltd. gestoßen, telefonisch
habe sie gegenüber einem Herrn B. den Bedarf an Arbeitkräften mitgeteilt. Dieser habe zugesichert, kompetente
Arbeitnehmer mit ordnungsgemäßer Sozialanmeldung zur Verfügung stellen zu können. Herr B. habe keine weiteren
Unterlagen erhalten, denn die Pläne sollten vor Ort dem deutsch sprechenden Vorarbeiter ausgehändigt werden. Der
als Zeuge einvernommene J. W. hat erklärt, er habe das Geschehen auf der Baustelle überwacht. Die britischen
Arbeitnehmer hätten die Eisenbinderei übernommen; mit ihnen habe man sich aber nicht verständigen können.
Mit Urteil vom 28.07.2004 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben mit der Begründung, die beigeladenen
Arbeitnehmer unterlägen nach den E 101-Entsendebescheinigungen ausschließlich dem britischen
Sozialversicherungsrecht. Die E 101-Bescheinigungen seien für die Beklagte verbindlich, so dass die
Arbeitnehmerüberlassung mit der Briefkastenfirma N. Bau Ltd. deutschem Sozialversicherungsrecht nicht unterliege.
3.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und ausgeführt, die Auslegung des erstinstanzlichen Urteils
widerspreche Sinn und Zweck des europäischen Rechts, weil im vorliegenden Fall der soziale Schutz der
beigeladenen Arbeitnehmer unterlaufen werde. Falls das sozialgerichtliche Urteil Bestand habe, würden für die
Beschäftigung der beigeladenen Arbeitnehmer weder in Deutschland noch in Großbritannien
Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Zudem seien die Bescheinigungen gefälscht, was ein erneutes
Auskunftsschreiben der englischen Verbindungsstelle vom 20.04.2004 nahe lege.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28.07.2004 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie
auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch
begründet. Mit den angegriffenen Bescheiden vom 30.11.1998/01.02.1999, beide in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29.07.1999 hat die Beklagte zu Recht Sozialversicherungsbeiträge aus der
Beschäftigung der beigeladenen britischen Bauarbeiter im Zeitraum 01.05.1996 bis 31.07.1997 in Höhe von DM
32.958,32 nachgefordert. Denn auf Grund Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis ist die Klägerin in die Position des
Arbeitgebers eingetreten und muss deshalb die nach deutschem Sozialversicherungsrecht zu entrichtenden
Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.
1.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 30.11.1998 in der Fassung des abändernden Bescheides vom 01.02.1999,
beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.1999 insoweit, als dort Sozialversicherungsbeiträge
auch für Zeiten nachgefordert wurden, welche von den Bescheinigungen E 101 der Beigeladenen zu 4) bis 12)
umfasst waren. Die die streitgegenständliche Entscheidung der Beklagten zunächst in vollem Umfang anfechtende
Klage vom 27.08.1999 hat die Klägerin nur noch auf diesen Zeitraum bezogen entsprechend ihrem Antrag vor dem
Sozialgericht vom 28.07.2004. Streitig ist somit noch ein Gesamtsozialversicherungsbeitrag von DM 25.640,44 =
EUR 13.109,75. Der Betrag von 7.285,49 DM = 3.725,01 EUR ist nicht mehr Streitgegenstand.
Die Beitragspflicht der Klägerin nach § 28e Abs.2, Abs.4 SGB IV resultiert aus Beschäftigungsverhältnissen zwischen
ihr und den gemäß § 75 Abs.2 SGG beigeladenen Arbeitnehmern aus Großbritannien; die Zuständigkeit der Beklagten
für einen entsprechenden Beitragsbescheid beruht auf § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV. Die beigeladenen Arbeitnehmer
hatten keinen Arbeitsvertrag mit der Klägerin, standen zu dieser aber in einem Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis im
Sinne von § 7 Abs.1 SGB IV nach den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Dessen
Voraussetzungen sind erfüllt, es hatte tatsächlich Arbeitnehmerüberlassung bestanden, die aber gemäß § 1 AÜG
ohne Erlaubnis gewesen war, sodass gemäß § 10 Abs.1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen den beigeladenen
Arbeitnehmern und der Klägerin zustande gekommen ist. In der Folge ergibt sich die Beitragspflicht der Klägerin aus
einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs.1 SGB IV i.V.m. § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V, § 20 Abs.1 Nr.1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr.1
SGB VI und § 25 Abs.1 SGB III (bis 31.12.1997: § 168 Abs.1 AFG). Die Anwendung dieser Normen deutschen
Rechts ist nicht durch höherrangiges zwischenstaatliches Recht ausgeschlossen.
2.
In Würdigung des gesamten Akteninhalts ist der Senat überzeugt, dass die Firma N. Bau Ltd. die beigeladenen
Beschäftigten der Klägerin als Arbeitnehmer überlassen hat.
Die Klägerin hatte mit der Firma N. Bau Ltd. Arbeitnehmer-Überlassungsverträge, nicht aber Werkverträge
abgeschlossen. Die beiden "Bauausführungsverträge" vom 02.05.1996 und vom 31.05.1996 hatten zum Inhalt, dass
die N. Bau Ltd. 2 bzw. 8 Maurer zu einem Stundenlohn von DM 38,00 "stellt". Die Gestellung erfolgte für "ca. 3
Monate" bzw. "ca. 4 Wochen", sie wurde auf "unbestimmte Zeit/längstens bis Ende November 2006" verlängert.
Vertragsgegenstand war damit die Überlassung von Arbeitnehmern auf unbestimmte Zeit gegen Bezahlung eines
konkreten Stundenlohnes. Die N. Bau Ltd. war nicht zur Erstellung eines bestimmten, näher bezeichneten
abgeschlossenen Bauwerkes, Bauwerksteiles oder Gewerkes verpflichtet, wie es Wesen eines Werkvertrages nach §
631 BGB wäre. Abgeschlossen und entsprechend ausgeführt wurde ein Dienstvertrag, bei welchem die Klägerin
fremde Arbeitnehmer wie eigene in Anspruch genommen hat. Die beigeladenen Arbeitnehmer wurden von der Klägerin
auf deren Baustellen und nach deren konkreten Anweisungen eingesetzt und mit Stundenvergütung bezahlt. Die
Klägerin hat die beigeladenen britischen Arbeitnehmer wie eigene Arbeitnehmer vor Ort eingesetzt für Tätigkeiten, die
sie ihnen konkret zugewiesen hatte unter Gestellung der Baumaterialien sowie eines Bauwagens. Dabei war eine
Abnahme eines Abschnittes oder Gewerkes weder vereinbart noch gehandhabt. Dies ergibt sich aus den
unzweifelhaften Angaben des vom Sozialgericht vernommenen Zeugen W., den vorliegenden Verträgen und
Entgeltabrufungen. Damit lag Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 Satz 1 AÜG vor; für diese hatte die
Entleihfirma N. Bau Ltd. nicht die erforderliche Erlaubnis nach §§ 1, 2 AÜG.
In der Folge war die verabredete Arbeitnehmerüberlassung unwirksam gemäß § 9 Abs.1 Nr.1 AÜG, so dass ein
Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und den beigeladenen Arbeitnehmern als zustandegekommen gilt, § 10 Abs.1
AÜG. Die Klägerin hat damit als Arbeitgeberin gemäß § 28e Abs.1 SGB IV die Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu
zahlen, die die Beklagte entsprechend den vereinbarten und geschuldeten Stundenlöhnen dem Grunde und der Höhe
nach zutreffend berechnet hat.
3.
Dieser Anwendung nationalen Rechts steht zwischenstaatliches Recht nicht entgegen. Die Klägerin hat zwar
Fotokopien von Entsende-Bescheinigungen E 101 nach Art.81 der EWG-Verordnung 1408/71 i.V.m. VO 574/72 für die
beigeladenen Arbeitnehmer in Bezug auf den strittigen Zeitraum vorgelegt. In einer Gesamtschau ist der Senat jedoch
aufgrund einer Vielzahl von Fakten und Hinweisen überzeugt, dass diese Bescheinigungen nicht von der allein
zuständigen britischen Behörde ausgestellt sein können. Das ergibt sich aus folgendem:
- Mit Schreiben vom 12.05.2003 und 20.04.2004 hat der zuständige englische Träger erklärt, dass die
Bescheinigungen E 101 einen Behördenamen tragen, der im Zeitpunkt der Ausstellung bereits nicht mehr verwendet
wurde. Die Bescheinigungen bezeichnen als Ausstellungsbehörde die "Overseas Contributions", während diese im
November 1995 ihren Namen in "International Services" geändert hatte.
- Die Bescheinigungen E 101 bezeichnen in Sektion 2 die Adresse mit "England", was der britischen Behördenpraxis
widerspricht, als Landesbezeichnung "United Kingdom" bzw. "UK" zu verwenden.
- Die Gestellung der Arbeitnehmer hatte die Klägerin mit Telefax vom 25.4.1996 mit der A. Bau Gruppe, H. - Herr B. -
verabredet, dieser hatte das Entsprechende mit Telefax vom 26.4.1996 unter gleicher Firma zugesagt. Die
Entsendebescheinigungen waren aber auf die N. Bau Ltd. ausgestellt und datierten vom 2.5.1996.
- Es wurden keine Sozialversicherungsbeiträge nach englischem Recht für die beigeladenen englischen Arbeitnehmer
entrichtet.
- Das nach Stundenlohn berechnete Entgelt hat die Klägerin den beigeladenen britischen Arbeitnehmern nur zum Teil
ausbezahlt, ein Entgeltanteil wurde z.T. auf Anforderung der Firma A. Gruppe in H. , z.T. auf Anweisung der N. Bau
Ltd. an diese ausgezahlt.
- Die Zahlungen an die Firma N. Bau Ltd. mit Sitz in B. U.K. gingen stets auf ein Konto bei der Volksbank K. , welche
der Niederlande benachbart ist.
- Die Firma N. Bau Ltd. hat den Namen der in Deutschland registrierten Niederlassung binnen zwei Jahren zweimal
geändert, bis sie von Amts wegen gelöscht wurde.
- Der vormalige Geschäftsführer der N. Bau Ltd. hat nach der glaubhaften Auskunft der LVA Schleswig-Holstein rund
120 ähnliche Briefkastenfirmen wie die N. Bau Ltd. gegründet und ist mit diesen im Geschäftsverkehr tätig geworden.
- Die Firma N. Bau Ltd. hat unter der angegebenen Adresse in B. U.K. keinen Firmensitz und keine
Firmeneinrichtungen, mit denen die Beschäftigung von und die Verbeitragung zugunsten von mehreren Arbeitnehmern
zu bewerkstelligen gewesen wäre. Die Firma N. Bau Ltd. ist vielmehr noch nicht einmal als eine Briefkastenfirma
anzusehen, denn sie war gemeldet unter der Privatadresse eines Ehepaars, welches mit der Firma nichts zu tun hatte
und welche auch keinen Briefkasten oder Telefonanschluss für die N. Bau Ltd. zur Verfügung stellte.
- Nach den glaubhaften Auskünften der LVA Schleswig-Holstein haben die Finanzbehörden bereits in 120 weiteren
Fällen festgestellt, dass die Bescheinigungen E 101 der Firma N. Bau Ltd. gefälscht waren.
Es deutet auch das gesamte Vorgehen der Klägerin, ausgehend von einem konkreten Arbeitskräftemangel per Telefon
und Telefax über die Niederlande Maurer gegen Stundenlohn anzuwerben und das Entgelt gesplittet an Arbeitnehmer
und -überlassungsfirma auszuzahlen (noch dazu auf ein Konto der Firma N. Bau Ltd. in Deutschland auf Faxabruf der
A. Gruppe in den Niederlanden), massiv darauf hin, dass sie termingebundene Bauleistungen fristgerecht fertigstellen
wollte, ohne dabei die rechtlichen Vorgaben genau zu beachten.
Der Senat ist somit in einer Gesamtschau dieser Indizien überzeugt, dass die nur in Fotokopie vorhandenen
Bescheinigungen E 101 durchaus nicht von der zuständigen Behörde stammen, sondern gefälscht sein dürften.
Endgültige Gewissheit kann allerdings insoweit nicht mehr hergestellt werden. Nach Ausschöpfung der zu Gebote
stehenden Beweismittel, vor allem nach den schriftlichen Auskünften der britischen Behörden, dass diese nicht mehr
über die Originalakten aus dem fraglichen Zeitraum verfügen, ergibt sich somit eine Situation der Nichterweislichkeit.
Auch wenn dem sozialgerichtlichen Verfahren wegen der Amtsermittlungspflicht gemäß §§ 103, 128 SGG eine
subjektive Beweisführungslast fremd ist, können einem der Beteiligten nach den Grundsätzen über die objektive
Beweislast (Feststellungslast) gleichwohl nachteilige Folgen daraus treffen, dass das Gericht eine bestimmte
Tatsache nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht feststellen kann. Dabei gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte
die Beweislast für diejenigen Tatsachen - in Bezug auf das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer
Tatbestandsmerkmale - trägt, welche die von ihm geltend gemachte Rechtsfolge begründen (BSGE 6, 70, 73; BSGE
71, 256, 260 m.w.N. = SozR 3-4100 § 119 Nr.7 m.w.N.; BSG Urteil vom 8.11.2005, B 1 KR 18/04 R; Leitherer in:
Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 103 Rdnr.19a m.w.N.). Bezogen auf die hier streitige, die
Anwendung nationalen Rechts ausschließende Wirkung der Bescheinigungen E 101 bedeutet dies, dass die
dargelegten Regelungen des AÜG und des SGB, welche aufgrund des Territorialprinzips gemäß § 3 SGB IV gelten,
nicht durch abweichende Relungen gemäß § 6 SGB IV verdrängt sind.
Damit setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH und des BGH zur Bindungswirkung
von Entsendebescheinigungen E 101. Der streitige Fall unterscheidet sich deutlich insbesondere von der
Rechtssache C 2/05 - Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.01.2006 - sowie vom Urteil des
Bundesgerichtshofs 1-StR 44/06 vom 24.10.2006. Dort war nur über die Rechtswirkungen von echten, das heißt von
der zuständigen Behörde ausgestellten Bescheinigungen entschieden worden. Im Urteil des Bundesgerichtshofes war
zwar die Bescheinigung auf Grund unzutreffender Angaben erstellt, jedoch von der zuständigen Behörde ausgestellt
worden, also ohne Zweifel echt. Die Rechtswirkung der Entsendebescheinigungen kommt nach der genannten
Rechtsprechung nur echten, nicht aber gefälschten Entsendebescheinigungen zu. Sind aber wie vorliegend die
Original-Bescheinigungen nicht auffindbar und bestehen massive Zweifel an der Echtheit und zudem konkrete
Hinweise auf eine Fälschung der Kopien, verbleibt es bei der allgemeinen Rechtsfolge der Nichterweislichkeit von
Tatsachen. Diese gehen hier zu Lasten der Klägerin, die sich auf eine Ausnahmevorschrift beruht.
Auf die Berufung der Beklagten war deshalb das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28.07.2004 aufzuheben und
die Klage im zuletzt streitigen Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a SGG findet auf das Verfahren, bei welchem seit 30.08.1999
Rechtshängigkeit besteht, keine Anwendung (Art.17 Satz 2 6.SGG-ÄndG).
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).