Urteil des LSG Bayern vom 24.10.2007

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 24.10.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 10 R 203/04
Bayerisches Landessozialgericht L 19 R 264/06
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.03.2006 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (BU)
streitig.
Der 1951 geborene Kläger arbeitete zunächst als Mechaniker und Bauarbeiter versicherungspflichtig und betrieb von
1984 bis 1988 selbstständig einen Baubetrieb. Im Jahre 1987 legte er die Meisterprüfung als Stuckateur (Trockenbau)
ab. Seit Januar 2001 ist er nach eigenen Angaben als angestellter Geschäftsführer der G. GmbH tätig. Gegenstand
des Unternehmens ist die Ausführung von Putz- und Trockenbauarbeiten. Der Kläger ist als Gesellschafter der GmbH
seit 26.03.2001 versicherungsfrei in der Rentenversicherung; der letzte Beitrag ist am 25.03.2001 (Pflichtbeitrag)
entrichtet worden.
Aufgrund des Rentenantrags vom 20.08.2003 wurde der Kläger begutachtet vom Facharzt für
Allgemeinmedizin/Sozialmedizin Dr.Th.M. vom ärztlichen Dienst der Beklagten. Dieser gelangte im Gutachten vom
09.10.2003 zu dem Ergebnis, der Kläger könne vollschichtig noch leichte, gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten
bei Beachtung verschiedener Funktionseinschränkungen verrichten. Zwar sei der Stuckateurberuf nicht mehr
zumutbar, als Geschäftsführer sei er jedoch vollschichtig einsatzfähig. Im Hinblick auf diese Beurteilung lehnte die
Beklagte Rentenleistungen mit Bescheid vom 14.10.2003 und Widerspruchsbescheid vom 13.02.2004 ab und verwies
den Kläger auf die bisher ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer des Stuckateurbetriebs.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Dieses hat nach Beinahme verschiedener
ärztlicher Unterlagen und Befundberichte als Sachverständigen den Orthopäden Dr.M. gehört, der im Gutachten vom
19.10.2004 und in den Stellungnahmen vom 17.02.2005 und vom 13.07.2005 zu der Beurteilung gelangte, der Kläger
sei unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen noch in der Lage, leichte und mittelschwere Tätigkeiten
mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. In seinem Beruf als Stuckateurmeister könne er noch 3 bis unter 6
Stunden täglich tätig sein.
In der mündlichen Verhandlung des SG vom 08.07.2005 hat der Kläger angegeben, er beschäftige in seinem Betrieb 4
angelernte Kräfte. Etwa ab dem Jahr 2000 habe er aus gesundheitlichen Gründen seine Tätigkeit nach und nach
einstellen müssen. Gegenwärtig mache er fast nichts mehr. Im Termin vom 23.11.2005 hat er sich dahingehend
eingelassen, dass er an nicht handwerklichen Tätigkeiten lediglich handschriftliche Angebote geschrieben und
Rechnungen erstellt habe. Mit dem Büro habe er "keine Berührungspunkte".
Der weiter vom SG gehörte ärztliche Sachverständige Dr.G. hat im Gutachten vom 23.11.2005 ausgeführt, dass der
Kläger auf die Tätigkeit eines Geschäftsführers verweisbar sei. Die von der Beklagten benannten
Verweisungstätigkeiten eines Bauabrechners und Baukalkulators könne er innerhalb von 3 Monaten erlernen, wenn
sich diese Tätigkeiten auf seinen spezifischen Handwerksbereich bezögen. Bezüglich der Einsatzfähigkeit hat Dr.G.
auf die Einsatzbeschränkungen verwiesen, wie sie von Dr.M. beschrieben wurden. Zusätzlich seien Tätigkeiten mit
der Notwendigkeit des räumlichen Sehvermögens nicht mehr möglich.
Die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Bayern, hat auf Anfrage des SG mitgeteilt, dass es auf dem
Arbeitsmarkt eine nennenswerte Nachfrage nach Stuckateurmeistern gebe, bei denen nach der Stellenausschreibung
ausschließlich vorbereitende, koordinierende und (an-)leitende Tätigkeiten verlangt würden bzw. eindeutig im
Vordergrund stünden. Diese Stellenausschreibungen zeigten keine anderen Tätigkeiten mit daraus folgenden
körperlichen Belastungen auf, denen der Kläger aufgrund seiner Leistungseinschränkungen nicht mehr iS einer
vollwertigen Berufsausübung nachkommen könne. Die Handwerkskammer für Mittelfranken hat dem SG unter dem
25.08.2005 mitgeteilt, die überwiegende Erfahrung zeige, dass die bei einer Gesellschaft als Geschäftsführer
angestellten Stuckateurmeister selbst in aller Regel nur noch selten auf den Baustellen tätig seien. Nur in schwierigen
und komplexen Fällen greife der Meister selbst noch auf der Baustelle ein.
Mit Urteil vom 10.03.2006, das ohne mündliche Verhandlung erging, hat das SG die Klage abgewiesen. Volle
Erwerbsminderung liege beim Kläger nach den Ausführungen des Orthopäden Dr.M. sowie nach den Ermittlungen der
Beklagten nicht vor. Dieser sei auch nicht teilweise erwerbsgemindert. Daher habe er auch keinen Anspruch auf eine
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei BU. Dabei sei davon auszugehen, dass der Kläger in die oberste Stufe
des vom BSG entwickelten Mehrstufenschemas einzugruppieren sei, nämlich als besonders hochqualifizierter
Facharbeiter. Nach den Ermittlungen des Gerichts könne er objektiv und subjektiv zumutbar auf die Tätigkeit eines
"Stuckateur-Betriebsleiters/Stuckateur-Baustellenleiters" verwiesen werden. Dies ergebe sich aus einer
Zusammenschau der im gerichtlichen Verfahren eingeholten medizinischen Gutachten sowie aus den Stellungnahmen
der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit und der Handwerkskammer Mittelfranken. Auch das
Gericht sei davon überzeugt, dass sich der Kläger aufgrund vorhandener Umstellungsfähigkeit innerhalb von 3
Monaten so einarbeiten könne, dass er diese Tätigkeit mit hinreichender Qualität wahrzunehmen in der Lage wäre.
Dr.G. sehe nämlich keinerlei Hinweise auf eine eingeschränkte Umstellungsfähigkeit, weder seitens des
Bewegungsapparates noch seitens der Sinnesfunktionen. Positiv beeinflusst werde die Umstellungsfähigkeit zudem
durch den beruflichen Werdegang und die berufliche Ausbildung des Klägers. Denn schließlich habe er etwa 12 Jahre
lang einen Betrieb geleitet.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgebracht, er halte die
Auffassung des SG, es würde eine ihm zumutbare Verweisungstätigkeit existieren, für falsch. Er sei als
mitarbeitender Meister zu beurteilen und könne diese Tätigkeit auch nach der Einschätzung von Dr.M. nicht einmal
mehr 3 Stunden verrichten. Er sei in die gesamte Verwaltungstätigkeit im Büro nicht involviert gewesen, sondern nur
als mitarbeitender Meister und Geschäftsführer. Im Übrigen sei er nur Stuckateurmeister für den Bereich des
Trockenbaues. Für Tätigkeiten z.B. als Baustellenkalkulator und Bauabrechner fehle ihm die Umstellungsfähigkeit.
Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren den Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr.K. sowie die
Schwerbehindertenakte des ZBFS N. (GdB 40, eine Erhöhung des GdB wurde mit Widerspruchsbescheid vom
02.08.2004 abgelehnt) beigezogen. Der Kläger hat die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2003
vorgelegt. Im Termin vom 24.10.2007 hat der Senat den Kläger informatorisch angehört. Insoweit wird auf die
Niederschrift verwiesen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.03.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom
14.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
ihm antragsgemäß Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei BU bestehe nicht, da
dem Kläger trotz eingeschränkter Einsetzbarkeit als Stuckateurmeister im Trockenbau die Verweisungsberufe des
Baukalkulators bzw. Bauabrechners sowie des Stuckateurbetriebs- oder Stuckateurbaustellenleiters zumutbar seien.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsunterlagen der Beklagten und die
Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf deren Inhalt zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.
Das angefochtene Urteil des SG Nürnberg vom 10.03.2006 sowie die diesem zugrunde liegenden Entscheidungen der
Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung
von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei BU. Denn der Kläger war im maßgeblichen Zeitraum nicht
berufsunfähig. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht
insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs 2 SGG).
Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass der Kläger zutreffend auch auf die bereits von der Beklagten benannte und
vom Kläger ausgeübte Tätigkeit des Geschäftsführers in der G. GmbH verwiesen werden kann. Gesundheitliche
Gründe sprechen nicht dagegen, wie sich aus den Gutachten der Sachverständigen Dr.M. und Dr.G. ergibt.
Der Kläger selbst hat im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigen vom 25.08.2006 angegeben, dass er als
Geschäftsführer der GmbH sämtliche Aufgaben erledigte, die für die Betriebsleitung notwendig waren. Er nannte
insbesondere die Einteilung der Mitarbeiter, die Erteilung von Weisungen auf den Baustellen, das Führen von
Verhandlungen mit Bauleitern, Architekten und Kunden einschließlich der Vertragsverhandlungen. In der mündlichen
Verhandlung des Senats vom 24.10.2007 hat der Kläger diese Angaben im wesentlichen bestätigt. Weisungen eines
anderen unterlag der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht.
Gegen eine Verweisung auf die ausgeübte Tätigkeit eines Geschäftsführers bestehen keine durchgreifenden
rechtlichen Bedenken.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist ein Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion auf Tätigkeiten seiner Gruppe des
Mehrstufenschemas verweisbar. Auch kann er grundsätzlich auch auf Führungstätigkeit im eigenen Betrieb verwiesen
werden (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 34 = NZS 1993, 82; BSG Urteil vom 22.02.1989 - 5 RJ 20/88; Niesel in
Kasseler Kommentar § 240 SGB VI RdNr 105).
Im Falle des Klägers handelt es sich um den eigenen Betrieb, in dem neben dem Kläger (Gesellschafter-
Geschäftsführer), seinem Sohn (weiterer Geschäftsführer) und der Ehefrau des Klägers noch mehrere gewerbliche
Arbeitnehmer sowie Auszubildende beschäftigt wurden und werden. Der Kläger selbst kann neben reinen
Geschäftsführertätigkeiten auch noch - in eingeschränktem Umfang - handwerkliche Arbeiten verrichten. Nach der
Beurteilung der Sachverständigen Dr.M. und Dr.G. sind ihm insoweit täglich noch 3 bis 6 Stunden zuzumuten. Der in
der GmbH als weiterer Geschäftsführer tätige Sohn kann dagegen zu Arbeiten eines Stuckateurs nicht herangezogen
werden; er besitzt lediglich eine kaufmännische Ausbildung.
Gegen die Verweisung des Klägers auf die Tätigkeit im eigenen Betrieb bestehen auch keine finanziellen Bedenken.
Die Tätigkeit des Klägers in der GmbH bildete jedenfalls seit Gründung der G. GmbH eine sichere Erwerbsgundlage.
Der Betrieb wurde und wird erfolgreich betrieben. Dies ergibt sich aus den Angaben des Klägers in der mündlichen
Verhandlung vom 24.10.2007 sowie aus den beigezogenen Einkommensteuerbescheiden des Klägers und seiner
Ehefrau für die Jahre ab 2000. So betrugen die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb im Jahr 2000 121.203,00
DM, seine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit 2001 110.000,00 DM und 2002 69.374,00 DM. Die ausgewiesene
Verminderung der Einkünfte für 2003 ist jedenfalls nicht gesundheitlich bedingt. Der Kläger verrichtet auch jetzt noch
in der GmbH neben den Aufgaben als Geschäftsführer Arbeiten handwerklicher Art. Die Firma ist nach seinen
Angaben mit Aufträgen ausgelastet, so dass auch sein Lebensunterhalt gesichert ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG die Revision zum Bundessozialgericht zuzulassen, liegen nicht vor.