Urteil des LSG Bayern vom 18.01.2008

LSG Bayern: tod, wahrscheinlichkeit, unfallfolgen, arteriosklerose, innere medizin, dialyse, hypertonie, entstehung, arbeitsunfall, facharzt

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 18.01.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 20 U 743/02
Bayerisches Landessozialgericht L 3 U 43/06
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.11.2005 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Tod des Versicherten auf Grund der Folgen des Unfalls vom 18.05.1962 eingetreten ist.
Der 1924 geborene Versicherte, Testfahrer bei der Firma A. , erlitt am 18.05.1962 einen Arbeitsunfall, als er sich im
Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit beim Einfahren eines Pkw überschlug. Diagnostiziert wurden eine
Gehirnerschütterung, eine mehrfache Prellung der Lendenmuskulatur, ein Verdacht auf Knochenabriss am vierten
Lendenwirbelkörper (LWK) und eine Kontusion des Rückenmarkes.
Die Beklagte stellte als Unfallfolgen ein inkomplettes Querschnittssyndrom mit einer Erschlaffung bzw. teilweisen
Lähmung beider Beine und Gefühlstörungen von der Gürtellinie abwärts, Störungen der Blasen- und Sexualfunktion,
geringe Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, Geh- und Stehbehinderung sowie glaubhafte Beschwerden
fest und bewilligte zunächst eine Dauerrente nach einer MdE von 40 (Bescheid vom 27.01.1964, Bescheid vom
22.11.1962 prüfen). Nicht als Unfallfolge wurde unter anderem ein Bluthochdruck anerkannt. Ab 14.01.1963 erhöhte
sie die MdE auf 50 auf Grund der Schwere der Schädigungen auf chirurgischem Fachgebiet. Nach hinzugetretenen
unfallbedingten neurogenen Blasenentleerungsstörungen und Harnwegsinfekten erhöhte die Beklagte die MdE ab
02.10.1978 auf 60 v.H. und ab 09.10.1981 als Folge der fortschreitenden Gehbehinderung auf 80 v.H., da dem
Versicherten die Fortbewegung nur noch mit Hilfe eines Rollstuhles möglich war. Ab dem 12.08.1987 erhöhte die
Beklagte die MdE auf 100 auf Grund weiter zugenommener Geh- und Sitzbehinderung, Veränderungen im Bereich des
vierten LWK und eines erhöhten Blasenauslasswiderstandes.
Am 09.03.2000 verstarb der Versicherte im Klinikum I ... Er wurde dort am 08.03.2000 stationär aufgenommen,
nachdem die Urinproduktion bei bekannter chronischer Herz- und Niereninsuffizienz kontinuierlich nachgelassen hatte.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte ein Vorerkrankungsverzeichnis der A. Betriebskrankenkasse I. ,
Befundberichte des Dr.S. , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 12.06.2000, des Dr.M. , Facharzt für Urologie, vom
07.06.2000, und des Dr.H. , Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, vom 13.06.2000 mit Fremdbefunden hinsichtlich
der bestehenden koronaren Drei-Gefäßerkrankung mit Zustand nach Bypass-Operation am 29.06.1994 und der
Einsetzung eines Einkammer-Herzschrittmachers am 31.07.1995 und dessen Ersetzung am 20.06.1997 durch einen
Zweikammer-Herzschrittmacher sowie die Unterlagen des Klinikums I. hinsichtlich der stationären Aufenthalte des
Klägers vom 14.11.1997 bis 27.11.1997 und vom 13.12.1999 bis 31.12.1999 (globale kardiale Dekompensation) bei
und holte ein Gutachten des Prof.Dr.B. , Pathologe, vom 05.12.2001 ein.
Prof.Dr.B. stellte nach Obduktion fest, der Versicherte sei an einer akuten koronariellen Insuffizienz mit akuten Herz-
rhythmusstörungen verstorben. Der langjährig bekannte Bluthochdruck hätte zu einer ausgeprägten sklerotischen
Einengung besonders der Herzkranzarterien mit Minderdurchblutung und Sauerstoffmangel des Herzmuskels und zu
einer Narbenbildung geführt. Eine Verbesserung der Durchblutung des Herzmuskels sei zunächst durch operative
Gefäßumgehungen (Bypässe) wieder hergestellt worden, die aber dann zum großen Teil ebenfalls wieder durch
sklerotische Veränderungen hochgradig eingeengt gewesen seien. Die Veränderungen des Herzens im Rahmen des
Bluthochdrucks und der Koronarsklerose hätten zu so schwerwiegenden Rhythmusstörungen des Herzens geführt,
dass ein elektrischer Impulsgeber (Herzschrittmacher) eingesetzt hätte werden müssen. Letztendlich habe das
Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffangebot im Herzmuskel (koronarielle Insuffizienz) zum Tode
geführt. Der Versicherte sei an den Folgen des Bluthochdrucks und der ausgeprägten arteriosklerotischen
Veränderungen der Herzkranzarterien verstorben. Der Bluthochdruck und die dadurch entstandenen
Organveränderungen seien nicht als Folge des Unfalls zu werten. Die durch den Arbeitsunfall bedingte
Querschnittslähmung könne nicht als Ursache für die Entstehung der allgemeinen Arteriosklerose angesehen werden,
auch die Bedeutung einer wesentlichen Teilursache komme ihr nicht zu. Der Tod sei durch den Unfall und seine
Folgen nicht wesentlich früher eingetreten, als es auf Grund des bestehenden, unfallunabhängigen Leidens zu
erwarten gewesen wäre.
Mit Bescheid vom 12.01.2001 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente ab, sie gewährte einmalige
Hinterbliebenenbeihilfe. Der Tod sei nicht Folge des Versicherungsfalles. Als Todesursache sei vielmehr das
Versagen der Atmungsorgane infolge Minderdurchblutung und Sauerstoffmangel des Herzmuskels (koronarielle
Insuffizienz) bei hochgradigen Herzveränderungen festgestellt worden.
Im dagegen eingelegten Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, die körperliche Inaktivität auf Grund der
Querschnittslähmung sei ein Risikofaktor ersten Grades für kardiovaskuläre Erkrankungen. Außerdem habe beim
Versicherten ein stark erniedrigter Serum-HDL-Choresterol-Spiegel bestanden sowie negativer Stress auf Grund der
schweren Behinderung. Auch dies seien Risikofaktoren für eine koronare Herzkrankheit. Zudem sei die auf Grund des
Unfalls bestehende neurogene Blasenfunktionsstörung mit chronischen Harninfekten als elementarer Faktor mit zu
berücksichtigen. Eine Niereninsuffizienz habe ihrerseits einen ungünstigen Einfluss auf die koronare Herzerkrankung.
Sie legte dazu eine Stellungnahme des Dr.C. vom 19.10.2001 vor.
Die Beklagte holte eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr.B. vom 15.04.2002 ein. Dieser führte aus, dass die
Lebenserwartung bei Paraplegikern gegenüber Nichtgelähmten nicht wesentlich verkürzt sei. Ursache für die zum
Tode führende Situation mit einem Stehenbleiben des Herzens sei die ausgeprägte Schädigung des Herzmuskels
gewesen. Der Bewegungsmangel gelte nicht als wesentliche Ursache der Arteriosklerose. Beim Verstorbenen habe
zudem ein Bewegungsmangel nicht vorgelegen. Er habe trotz einer partiellen Lähmung Sport betrieben und an den
Parolympischen Spielen teilgenommen. Die geltend gemachten Lipidstoffwechselstörungen als Folge einer
Querschnittslähmung seien lediglich bei Patienten mit hohem Querschnitt, also im Halsmarkbereich, beschrieben
worden. Vorliegend seien die Lipidstoffwechselstörungen daher als endogene Ursache der Arteriosklerose, also als
unfallunabhängiges Grundleiden zu sehen. "Negativer Stress" als Ursache für die Arteriosklerose komme allenfalls
eine Randbedeutung zu, wie immer er auch definiert sein möge. Bei Patienten, bei denen kein hoher Querschnitt,
sondern ein Querschnitt mit Lähmung der unteren Extremitäten vorliege, sei das Risiko einer arteriosklerotischen
Herzerkrankung nicht höher als in der übrigen Bevölkerung. Hinweise dafür, dass die partielle Lähmung der Beine ein
wesentlicher Faktor für die Entwicklung der Arteriosklerose war, ergäben sich nicht. Auch sei Ursache für das
Nierenversagen nicht eine Erkrankung der Niere selbst gewesen, sondern die bekannte Herzschwäche. Bei den
zuletzt festgestellten Nierenwerten kurz vor dem Tode habe es sich nicht um eine eigenständige Nierenerkrankung
gehandelt, sondern um die Folge der Herzschwäche. Eine Nierenerkrankung, die als Unfallfolge anzusehen wäre, habe
nicht bestanden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie stützte
sich dabei auf das Gutachten des Prof.Dr.B ...
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte
unter Aufhebung des Bescheides vom 12.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2002 und
des Bescheides vom 25.11.2002 zu verurteilen, den Tod des Ehemannes der Klägerin als Folge des
Versicherungsfalls (Unfall vom 18.05.1962) anzuerkennen und die gesetzlichen Hinterbliebenenleistungen,
insbesondere Hinterbliebenenrente, zu gewähren.
Mit Bescheid vom 25.11.2002 gewährte die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 12.01.2001
Anspruch auf eine laufende Witwenbeihilfe ab 09.03.2000 unter Anrechnung der bereits gewährten einmaligen
Witwenbeihilfe.
Das SG hat Befundberichte des Dr.H. vom 27.05.2003, des Prof.Dr.S. , Chefarzt der Urologie der
Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. , vom 21.05.2003 und des Dr.S. vom 07.05.2003 beigezogen und ein
Gutachten des Prof.Dr.N. , Facharzt für Arbeitsmedizin, Internist/ Dr.B. , Facharzt für Arbeitsmedizin, vom
14.06.2004 mit ergänzender Stellungnahme vom 12.11.2004 eingeholt.
Prof.Dr.N./Dr.B. haben ausgeführt, dass beim Versicherten ein schicksalhafter Verlauf einer koronaren Drei-
Gefäßerkrankung vorgelegen habe, die letztendlich zu seinem Tod geführt habe. Die Entstehung der koronaren
Herzerkrankung selbst sei nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall von 1962 und der später festgestellten
Paraplegie zurückzuführen, da bereits im Jahr 1962 ein koronarer Hypertonus als Risikofaktor für die Entstehung einer
koronaren Herzkrankheit und Arteriosklerose vorgelegen habe. Ein wissenschaftlich anerkannter Zusammenhang
zwischen einer arteriellen Hypertonie und einer Paraplegie der unteren Extremitäten, und somit ein kausaler
Zusammenhang mit dem Unfall, sei nicht bekannt. Eine Niereninsuffizienz auf dem Boden einer neurogenen
Blasenfunktionsstörung könne anhand der Akten nicht festgestellt werden. Hinweise auf eine mögliche Entgleisung
der Elektrolyte seien nicht gegeben. Am Tag des Todes sei zudem eine Dialyse (Blutwäsche) durchgeführt worden, so
dass eine mögliche Elektrolytentgleisung durch die Dialyse behoben hätte werden können.
Mit Urteil vom 22.11.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Prof.Dr.N.
gestützt. Der Versicherte sei infolge einer akuten koronaren Insuffizienz bei koronarer Drei-Gefäßerkrankung
verstorben. Er habe bereits seit Beginn der Neunzigerjahre an einer zunehmenden Schädigung des Herzmuskels
gelitten, welche durch ausgeprägte arteriosklerotische Einengungen der Herzkranzarterien entstanden seien und
Mehrfachoperationen (Bypässe, Herzschrittmacher) und stationäre Aufenthalte erforderlich gemacht habe. Am
13.12.1999 sei der Versicherte wegen dekompensierter Herzmuskelschwäche und Verschlechterung des
Allgemeinzustandes ins Klinikum I. eingeliefert worden. Unter ausschwemmender medikamentöser Therapie hätten
sich die Nierenwerte erhöht, seien jedoch bis zur Entlassung am 31.12.1999 wieder abgefallen. Die erneute
Einlieferung am 08.03.2000 sei auf Grund der nachlassenden Urinproduktion bei bekannter Herz- und
Niereninsuffizienz erfolgt. Anhaltspunkte für eine Niereninsuffizienz auf dem Boden einer neurogenen
Blasenentleerungsstörung hätten sich nicht gefunden. Es hätten sich bei der Obduktion gleich große Nieren vom
normalen Gewicht gezeigt, welche feingeweblich sklerotische Veränderungen mit Nachweis von narbig verödeten
Nierenkörperchen gezeigt hätten, während akute entzündliche Veränderungen oder größere Narbenariale nicht
nachzuweisen gewesen seien. Die schlechten Nierenwerte, die kurz vor dem Tod festgestellt worden seien, seien als
Folge des Sterbevorgangs entstanden und nicht als Ursache des Todes zu werten. Ursache für das Nierenversagen
sei schlüssig nicht eine Erkrankung der Niere selbst, sondern die bekannte Herzschwäche als Folge der
Arteriosklerose mit Herzkranzarteriensklerose gewesen. Zweifel an dieser Schlussfolgerung entstünden auch nicht
durch die am Todestag noch durchgeführte Dialyse. Auch diese resultiere aus der präterminalen Niereninsuffizienz,
die durch die Hypertonie hervorgerufen worden sei. Die Koronarsklerose des Versicherten sei nicht als mittelbare
Unfallfolge zu werten, da zu ihrer Entwicklung die Unfallfolgen nicht wesentlich beigetragen hätten. Sie sei vielmehr
Folge eines langjährigen unfallunabhängigen Bluthochdrucks. Die bereits vor dem Unfall bestehende Hypertonie sei
auch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch den Unfall als Folge der Bewegungsarmut verstärkt bzw.
die Arteriosklerose sei nicht durch die Unfallfolgen mit Wahrscheinlichkeit gefördert worden. Der Versicherte sei erst
ab 1981 auf den Rollstuhl angewiesen gewesen. Aber auch ab diesem Zeitpunkt könne ein Bewegungsmangel nur
schwerlich unterstellt werden, da der Versicherte Rollstuhlsport betrieben habe und häufig zum Schwimmen gegangen
sei. Am 16.09.1990 habe er bei den Bayerischen Meisterschaften für Behinderte drei Goldmedaillen im Diskuswerfen,
Kugelstoßen und Speerwerfen erzielt.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die schwere Verletzung in Form der Querschnittslähmung sei
wesentlich mitursächlich für den Todeseintritt gewesen infolge eines Bewegungsmangels bzw. einer
Bewegungseinschränkung, die über 40 Jahre angehalten habe und infolge der damit verbundenen Stresssituation. Die
Einweisungsdiagnose am 08.03.2000 sei das Vorliegen einer Niereninsuffizienz gewesen. Die beim Kläger vorliegende
neurogene Blasenentleerungsstörung sei elementarer Faktor für die Entstehung der dekompensierten
Niereninsuffizienz gewesen. Hinsichtlich des Unfallzusammenhangs sei ein weiteres Gutachten urologischer
Fachrichtung einzuholen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.11.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2001 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2002, abgeändert durch den Bescheid vom 25.11.2002, aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, den Tod des Ehemanns der Klägerin als Folge des Versicherungsfalls (Unfall vom
18.05.1962) anzuerkennen und die gesetzlichen Hinterbliebenenleistungen, insbesondere Hinterbliebenenrente, zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.11.2005 zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den
Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gerichtsakten sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs.2
Sozialgerichtsgesetz ).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.11.2005 ist
nicht zu beanstanden, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der
gesetzlichen Unfallversicherung hat. Der Ehemann der Klägerin ist nicht mit Wahrscheinlichkeit infolge des
Arbeitsunfalls vom 18.05.1962 verstorben.
Der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen richtet sich nach den Vorschriften des Siebten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), da der von ihr geltend gemachte Versicherungsfall am 09.03.2000, also nach
dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997, eingetreten ist (Art.36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes,
§ 212 SGB VII).
Hinterbliebenenleistungen werden gemäß § 63 Abs.1 SGB VII bei Tod des Versicherten infolge eines
Versicherungsfalls gewährt.
Gesundheits- oder Körperschäden sowie der Tod sind Folgen eines Arbeitsunfalls, wenn sie mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf den Unfall zurückzuführen sind. Dabei gilt die Beweiserleichterung der
hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und der maßgebenden
Erkrankung bzw. dem Tod des Versicherten. Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen
Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen
Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die
Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden bzw. dem Tod
und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden
Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann, und wenn die gegen den
ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, das heißt nach der geltenden
ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel
hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286).
Ist die rechtliche Wesentlichkeit der (Mit)Ursächlichkeit der Unfallfolgen zweifelhaft, andererseits jedoch absehbar,
dass und in welchem zeitlichen Rahmen eine unfallunabhängige Krankheit den Tod auch ohne das Unfallgeschehen -
insbesondere auch ohne die dadurch bedingte Verschlimmerung - zur Folge gehabt hätte, ist von einem wesentlichen
Kausalzusammenhang auszugehen, wenn der Eintritt des Todes durch die Unfallfolgen um wenigstens etwa ein Jahr
beschleunigt worden ist (BSGE 13, 175; BSGE 62, 220; BSGE 63, 277; Schulin, Handbuch des
Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 31 Rdnr.34). Dieser Maßstab der Lebenszeitverkürzung um ein Jahr setzt
voraus, dass der Zeitpunkt des Todes allein auf Grund der vorhandenen unfallunabhängigen Krankheit mit
Wahrscheinlichkeit absehbar war. Der Maßstab kommt dann zur Anwendung, wenn die rechtlich wesentliche
Kausalität der Unfallfolgen nicht bereits aus anderen Gründen feststeht oder abzulehnen ist.
Unter Berücksichtigung dieser Gründsätze ist der Senat zu der Auffassung gelangt, dass die beim Versicherten
vorliegenden Unfallfolgen nicht mit Wahrscheinlichkeit den Tod des Versicherten verursacht haben. Die
Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall vom 18.05.1962 und dem Tod
des Ehemanns der Klägerin ist nicht gegeben. Der Senat stützt sich insoweit auf das Gutachten des Prof.Dr.N. sowie
das Gutachten des Prof.Dr.B. , das im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten war.
Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen aus den Gründen zurück, die bereits im erstinstanzlichen Urteil
ausgeführt sind, so dass gemäß § 153 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die dortigen Entscheidungsgründe
verwiesen wird.
Aus dem Vorbringen im Berufungsverfahren ergibt sich keine andere Beurteilung. Das Gutachten des Prof.Dr.N. stellt
anhand der Aktenlage nachvollziehbar dar, dass der Versicherte an einer koronaren Drei-Gefäßerkrankung litt. Diese
Erkrankung ist unfallunabhängig und schicksalhaft verlaufen und hat letztendlich zum Tod des Versicherten geführt.
Das Gutachten ist schlüssig und überzeugend und bestätigt die Ergebnisse des Gutachtens Prof.Dr.B ... Eine weitere
Sachaufklärung ist zur Überzeugung des Senates nicht erforderlich. Aufgrund der Aktenlage steht vielmehr fest, dass
der Versicherte nicht mit Wahrscheinlichkeit an den Unfallfolgen auf urologischem Fachgebiet verstorben ist. Zwar war
als Einweisungsdiagnose das Vorliegen einer dekompensierten Niereninsuffizienz angegeben. Eine Niereninsuffizienz
auf dem Boden einer neurogenen Blasenfunktionsstörung und somit als Unfallfolge konnte indessen nicht festgestellt
werden. Diese ist vielmehr mit Wahrscheinlichkeit auf die jahrzehntelang vorbestehende Hypertonie mit den
Folgeerkrankungen zurückzuführen. Die in der Obduktion festgestellte Arteriosklerose der Nierenarterien ist vor allem
bei bestehender Hypertonie vorzufinden. Die dekompensierte Niereninsuffizienz ist demnach durch die mangelnde
Versorgung der Niere mit Blut durch das Herz zustande gekommen. Ursache für das Nierenversagen war demnach
nicht eine Erkrankung der Niere, sondern die bekannte Herzschwäche. Auch Hinweise auf eine elektromechanische
Entkoppelung ergaben sich nach der Aktenlage nicht. Es ist eine Dialyse an dem Tag des Todes durchgeführt
worden, so dass auch eine mögliche Elektrolytentgleisung durch die Dialyse behoben werden konnte. Die
Notwendigkeit der Dialyse lag nach den Ausführungen des Prof.Dr.N. in der präterminalen Niereninsuffizienz, die wie
dargelegt, am ehesten durch Hypertonie hervorgerufen wird.
Ein Zusammenhang des Todes des Versicherten mit den Unfallfolgen kann daher nicht mit der erforderlichen
Wahrscheinlichkeit hergestellt werden.
Da die rechtlich wesentliche Kausalität der Unfallfolgen für den Tod abzulehnen ist, kommt es vorliegend auch nicht
darauf an, ob der Eintritt des Todes durch die Unfallfolgen um wenigstens ein Jahr beschleunigt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.11.2005 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.