Urteil des LSG Bayern vom 29.11.2005

LSG Bayern: krankengeld, beitragssatz, widerspruchsverfahren, satzung, krankenversicherung, arbeitsunfähigkeit, unterlassen, karenztag, zustand, datum

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 29.11.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 44 KR 525/02
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 146/04
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. März 2004 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger vom 03.01.1994 bis 01.07.2002 freiwillig versichert mit Anspruch auf Krankengeld war und
ob Beiträge zu erstatten sind.
Der 1952 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 01.11.1979 versichert, zuerst als Student, dann wegen
versicherungspflichtiger Beschäftigung, seit 01.09.1983 war er freiwilliges Mitglied mit Anspruch auf Krankengeld. Er
ist selbständiger Taxifahrer (selbst fahrend).
Mit Schreiben vom 03.01.1994 hat sich der Kläger an die Beklagte gewendet und zum einen den Beitragssatz
beanstandet, zum anderen angegeben, er habe mit der AOK den Vertrag geschlossen, dass die Zahlung von
Krankentagegeldern ab dem Tage der Krankschreibung erfolge. Die AOK versuche nunmehr, einen Karenztag (was
ungesetzlich sei) einzuführen, indem sie die Zahlung erst einen Tag nach der ärztlichen Krankschreibung beginne.
Dieser Punkt sei im Widerspruchsverfahren zu klären. Er bestehe auf "Vertragseinhaltung ab Krankschreibung".
Bereits im Bescheid vom 26.03.1987 war unwidersprochen festgelegt worden, dass die Krankengeldzahlung am
Folgetag der ärztlichen Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit einsetzt.
Mit Bescheid vom 21.12.1994 wurden dann die Beiträge ab 01.01.1995 festgesetzt. Der hiergegen eingelegte
Widerspruch, mit dem angegeben wurde, die Beiträge würden für das Jahr 1995 nur unter Vorbehalt bezahlt, wurde mit
Widerspruchsbescheid vom 17.10.1995 zurückgewiesen. Hiergegen wurde (unter dem Az.: S 3 KR 370/95) Klage zum
Sozialgericht München erhoben. Das Verfahren wurde wegen Abwartens einer Entscheidung zur
Verfassungsmäßigkeit des § 240 Abs.4 SGB V zum Ruhen gebracht und am 04.09.2001 unter dem Az.: S 3 KR
700/01 fortgeführt. Der Bevollmächtigte (und Vater) des Klägers machte jetzt die Rückerstattung monatlicher Beiträge
mit der Begründung geltend, der Kläger hätte, bedingt durch eine betriebliche Versicherung bei der
Berufsgenossenschaft in H. , keineswegs die durch die AOK festgelegten frühestmöglichen Versicherungsleistungen
bei Krankheit in Anspruch genommen. Es habe keine vertragsrechtlichen Bindungen dieser Art zwischen der AOK und
dem Versicherten gegeben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.04.2002 wurde die Klage
zurückgenommen. Der Bevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag, für die Zeit vom 01.01.1994 bis 31.12.2001 die
Beitragsbemessung des Klägers durch einen Beitragssatz ohne Krankengeldanspruch durchzuführen.
Die Beklagte hat daraufhin mit dem jetzt streitgegenständlichen Bescheid vom 26.04.2002 die Neuberechnung der
Beiträge mit der Begründung abgelehnt, hauptberuflich selbständig Erwerbstätige könnten in der freiwilligen
Krankenversicherung die Inhalte des Versicherungsverhältnisses (Krankengeldanspruch) nach ihren Bedürfnissen
festlegen. Der Versicherte habe Anspruch auf Krankengeld gewählt, die Abwahl sei ausdrücklich nur mit Wirkung für
die Zukunft möglich. Die Beklagte habe das Leistungsrisiko getragen. Eine Ausgrenzung des Krankengeldanspruchs
für die Vergangenheit sei nicht möglich. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom
19.06.2002 zurückgewiesen. Die Beklagte führte die Versicherung des Klägers ab 01.07.2002 ohne
Krankengeldanspruch durch, eine Beitragserstattung für die Vergangenheit lehnte sie ab. Hiergegen richtete sich die
am 08.07.2002 zum Sozialgericht München erhobene Klage (Az.: S 44 KR 525/02). Die Beklagte habe wissentlich
unterlassen, die versicherungsrechtlich vorgeschriebenen Aufklärungen über eine mögliche Beitragsänderung dem
Kläger zukommen zu lassen.
Der Bevollmächtigte des Klägers errechnete für die Jahre 1994 bis 2002 einen Betrag von insgesamt 9.121,18 EUR,
dessen Erstattung er verlangte. In seinem Vortrag im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht wies der Kläger darauf
hin, dass zwischen ihm und der Beklagten bezüglich der Festlegung ermäßigter Beiträge ein vertragsloser Zustand
bestanden hätte. Eine rückwirkende Änderung ab dem Zeitpunkt 01.01.1994 sei nicht beantragt worden. Tatsächlich
habe ab 01.01.1994 bis 30.06.2002 nur eine freiwillige Krankenversicherung ohne Anspruch auf eine Zahlung von
Krankentagegeld bestanden. Der Kläger habe auch keinen Antrag gestellt, ab 01.07.2002 eine Beitragszahlung ohne
Krankengeldanspruch durchführen zu können. Eines solchen Antrags habe es nicht bedurft. Im Termin zur
mündlichen Verhandlung am 19.03.2004 gaben der Kläger und sein Bevollmächtigter an, der Schriftsatz vom
03.01.1994 sei auf ein Schreiben der Beklagten vom 20.12.1993 abgefasst worden. Dieses Schreiben wurde
vorgelegt. Es enthält Hinweise über die Möglichkeit, den Krankengeldanspruch zu gestalten. Das Schreiben vom
03.01.1994 sei der Widerspruch hiergegen gewesen. Wenn die Beklagte ein Widerspruchsverfahren durchgeführt
hätte, hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, das Krankengeld abzuwählen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 19.03.2004 abgewiesen. Die Beklagte habe die Krankenversicherung
des Klägers bis zum 01.07.2002 ordnungsgemäß mit Anspruch auf Krankengeld durchgeführt. Eine frühere Abwahl
dieses Krankengeldanspruches sei vom Kläger nicht ordnungsgemäß beantragt worden. Das Schreiben vom
03.01.1994 stelle keine Abwahl dar. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet
gewesen, im Widerspruchsbescheid vom 17.10.1995 auf die Möglichkeit einer Abwahl des Krankengeldanspruchs
einzugehen. Der Beitragsbescheid vom 20.12.1993, auf den hin am 03.01.1994 Widerspruch erhoben wurde, befasse
sich nicht mit den Möglichkeiten zur Beendigung des Krankengeldanspruchs. Auch während der langen Dauer des
Streitverfahrens habe es keinen Antrag auf Abwahl des Krankengeldanspruchs gegeben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 06.07.2004 beim LSG eingegangene Berufung, die damit begründet wird, die
Beklagte habe es unterlassen, über den Widerspruch vom 03.01.1994 frist- und sachgerecht zu befinden und damit
dem Kläger einen erheblichen unzumutbaren Eigentumsschaden zugefügt, auf dessen Wiedergutmachung der Kläger
Anspruch habe. Die Beklagte habe die bei ihr Versicherten in vollem Umfang und in jedem Einzelfall zu beraten,
aufzuklären und deren Handlungen vor Schadensmöglichkeiten zu schützen. Die Beklagte habe alle erhobenen
Widersprüche zu den vorgelegten Änderungsbescheiden nicht beschieden. Die Beklagte wolle offensichtlich nicht
zugeben, dass sie von der Bereitschaft des Versicherten auch zur Abwahl der Zahlung von Krankengeld, vor dem
Datum vom 03.01.1994 wusste. Das Schreiben vom 03.01.1994 habe eindeutig die Regelung des Bezuges von
Krankengeld für den Versicherten verlangt und zwar die Beibehaltung der bisherigen sofortigen Gewährung ab dem
Tage der ärztlichen Krankschreibung. Die Beklagte hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass es eine direkte
Abwahl des Krankentagegeldbezuges gebe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Soialgerichts München vom 19.03.2004 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 26.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2002 aufzuheben und die Beklagte
zu verpflichten, dem Kläger Beiträge ab 01.01.1994 bis 01.07.2002 insoweit zu erstatten, als eine Versicherung ohne
Krankengeldanspruch gewählt wurde.
Die Beklagte beantagt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Akten des
Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, die nicht der Zulassung nach § 144 SGG
bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Beitragserstattung. Gemäß § 26 Abs.2 SGB IV sind zu Unrecht
entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des
Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet
worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Die vom Kläger entrichteten Beiträge sind nicht zu Unrecht
entrichtet worden. Die Beklagte hat die Beiträge ab 01.01.1994 zutreffend unter Berücksichtigung der gesetzlich
vorgesehenen Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 240 Abs.4 Satz 2 berechnet. Dies bestreitet auch die
Klägerseite nicht mehr.
Auch die Beitragssätze wurden zutreffend festgelegt. Dies geschah bis zum 31.05.1995 durch die AOK München, ab
01.06.1995 durch die Beklagte. Die Voraussetzungen des § 243 SGB V für einen ermäßigten Beitragssatz sind nicht
gegeben. Nach § 243 Abs.1 SGB V ist der Beitragssatz entsprechend zu ermäßigen, wenn kein Anspruch auf
Krankengeld besteht oder die Krankenkasse aufgrund von Vorschriften dieses Buches für einzelne Mitgliedsgruppen
den Umfang der Leistungen begrenzt. Die AOK München hat in ihrer Satzung in § 13 Abs.2 geregelt, dass
selbständige Erwerbstätige, die freiwillige Mitglieder der AOK München waren und im Falle der Arbeitsunfähigkeit ihr
Arbeitseinkommen ganz oder überwiegend verlieren, drei Wahlmöglichkeiten für den Beginn der Gewährung von
Krankengeld hatten. Entsprechend regelte § 17 Abs.5 der Satzung unterschiedliche Beitragssätze, dieselbe Regelung
hat die Beklagte in § 15 Abs.2 in Verbindung mit § 20 Abs.5 ihrer Satzung getroffen. Die Auffassung des Klägers, es
müsse jeweils der niedrigste Beitragssatz angenommen werden, der für freiwillig Versicherte gilt, die keinen Anspruch
auf Krankengeld haben, trifft nicht zu. Der Kläger selbst gibt im Schreiben vom 03.01.1994 an, er habe mit der AOK
einen Vertrag abgeschlossen, wonach die Zahlung von Krankentagegeldern ab dem Tage der Krankschreibung
erfolge. Er wehrte sich vielmehr dagegen, dass die AOK nun einen Karenztag einführt, was ungesetzlich sei. Er
bestand auf Vertragseinhaltung ab Krankschreibungstag. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht
davon aus, dass im Schreiben vom 03.01.1994 kein Antrag auf Abwahl des Krankengeldanspruchs gesehen werden
kann. Dieser Antrag wurde frühestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 03.04.2002 gestellt.
Der Senat stimmt dem Sozialgericht auch insofern zu, als es davon ausgeht, dass im Widerspruchsverfahren gegen
den Beitragsbescheid vom 20.12.1993 nicht einzugehen war auf die Möglichkeit, den Krankengeldanspruch
abzuwählen.
Die Beklagte hat auch keine Beratungspflicht verletzt, sie musste vielmehr aufgrund des eindeutigen Schreibens vom
03.01.1994 davon ausgehen, dass der Kläger weiter mit Anspruch auf Krankengeld ab dem frühestmöglichen
Zeitpunkt versichert sein wollte. Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zur Rechtslage (vertragsloser Zustand)
finden keine Grundlage im Gesetz. Wegen des Anspruchs des Klägers auf Krankengeld gab es damit unter keinem
rechtlichen Aspekt die Möglichkeit, gemäß § 243 Abs.1 SGB V den Beitragssatz zu ermäßigen.
Der Senat weist die Berufung aus den Gründen des Urteils des Sozialgerichts zurück und sieht gemäß § 153 Abs.2
SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Berufungsbegründung enthält keine relevanten
neuen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.