Urteil des LSG Bayern vom 17.05.2010

LSG Bayern: psychiatrisches gutachten, körperliche untersuchung, wiedergabe, vergütung, befund, entschädigung, aufwand, diagnose, beweisanordnung, missverhältnis

Bayerisches Landessozialgericht
Kostenbeschluss vom 17.05.2010 (rechtskräftig)
Bayerisches Landessozialgericht L 15 SF 396/09
Die Vergütung der Antragstellerin für die Fertigung des nervenfachärztlichen Gutachtens vom 30.10.2009 wird gemäß
§ 4 Abs. 1 JVEG auf 1.839,00 Euro festgesetzt. Der Antragstellerin sind 142,80 Euro nachzuentrichten.
Gründe:
I. In dem am Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) anhängig gewesenen Rechtsstreit F. F. gegen Deutsche
Rentenversicherung Bayern Süd mit Az.: L 1 R 302/09 ist die Antragstellerin mit Beweisanordnung vom 20.07.2009
gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) neben Dr. H. zur ärztlichen Sachverständigen bestellt
worden. Für das nervenfachärztliche Gutachten vom 30.10.2009 hat die Antragstellerin mit Liquidation vom
02.11.2009 (Rechnungs-Nr. 70/09) insgesamt 2.267,40 Euro geltend gemacht, die sich wie folgt aufschlüsseln: -
Aktenstudium 7,5 Stunden - Untersuchungszeit 3,0 Stunden - Beurteilung 11,5 Stunden - Beurteilung von
Fremdaufnahme 2,0 Stunden - Diktat und Durchsicht 5,0 Stunden 29,0 Stunden á 60,00 Euro = 1.740,00 Euro - GOÄ
827 35,26 Euro - GOÄ 839 40,80 Euro - GOÄ 840 40,80 Euro - Schreibgebühr 41,62 Euro - Porto 6,09 Euro 1.905,38
Euro - 19 % Umsatzsteuer 362,02 Euro 2.267,40 Euro Der Kostenbeamte des BayLSG hat mit Nachricht vom
13.11.2009 lediglich 1.696,20 Euro bewilligt. Berücksichtigungsfähig seien nicht insgesamt 29 Stunden, sondern nur
21 Stunden á 60,00 Euro = 1.260,00 Euro zuzüglich Nebenkosten und Umsatzsteuer in Höhe von 436,20 Euro =
1.696,20 Euro. Die Beurteilung von lediglich zwei CT-Aufnahmen sei nicht mit zwei Stunden, sondern nur mit 0,5
Stunden in Ansatz zu bringen. Der Zeitaufwand für die Beurteilung sei nicht mit 11,5 Stunden, sondern nur mit 5
Stunden berücksichtigungsfähig, weil die eigentliche Beurteilung auf den Seiten 25 bis 30 des Gutachtens vom
30.10.2009 niedergelegt sei. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 18.11.2009 gerügt, dass nur die Seiten 25 bis
30 anerkannt worden seien, nicht jedoch die Seiten 18 bis 24. Es handele sich bei der Erstellung des Gutachtens um
ein nervenärztliches Gutachten. Das Gutachten setzte sich aus einem psychiatrischen und einem neurologischen Teil
zusammen. Anerkannt worden sei nur der neurologische Teil, nicht jedoch der psychiatrische Teil. Für den
psychiatrischen Teil sei die Begründung der Diagnose, die auf Seite 20 aufgeführt werde, die Entwicklung des Klägers
und der psychopathologische Befund ausschlaggebend gewesen. Im Rahmen einer telefonischen Erörterung mit dem
Kostenbeamten des BayLSG vom 24.11.2009 hat die Antragstellerin weiterhin darauf hingewiesen, dass es sich um
ein psychiatrisches Gutachten gehandelt habe; man könne die Beurteilung nicht losgelöst vom restlichen Gutachten
erfassen. Sie gehe dabei folgendermaßen vor: Sie beschreibe die Ergebnisse der Anamnese, die wiederum zum
Befund führen würden. Dieser Befund werde in der Diagnose beschrieben, wodurch sie dann zur Beurteilung des
Sachverhaltes komme. Dieses Ineinandergreifen sei notwendig, um den Sachverhalt in der Gesamtheit darstellen und
beurteilen zu können. Der Kostenbeamte des BayLSG hat dem Begehren der Antragstellerin nicht abgeholfen und die
Angelegenheit dem 15. Senat des BayLSG als Kostensenat vorgelegt. Von Seiten des 15. Senats des BayLSG sind
die Rentenstreitakten des 1. Senats beigezogen worden. II. Die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder
des Vorschusses erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte die
gerichtliche Festsetzung sinngemäß beantragt. Die Entschädigung der Antragstellerin für das nervenfachärztliche
Gutachten vom 30.10.2009 ist auf 1.839,00 Euro festzusetzen. Der Antragstellerin sind 142,80 Euro
nachzuentrichten. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem
Ersatz von Fahrtkosten und der Entschädigung für sonstigen Aufwand (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 JVEG) für seine Leistung ein
Honorar, dass sich nach Stundensätzen bemisst. Dieses Honorar wird gemäß § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der
erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30
Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; andernfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine
volle Stunde ergebenden Betrages. Für die Ermittlung der Anzahl der zu vergütenden Stunden kommt es nicht auf die
vom Sachverständigen tatsächlich aufgewandten Stunden an. Dabei hängt die Zeit, die erforderlich ist, nicht von der
individuellen Arbeitsweise des Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. -
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Grundsatzentscheidung vom 19.03.2007 - L 14 R
42/03.Ko) kann nur der Aufwand als "erforderlich" angesehen werden, den ein Sachverständiger mit einer
durchschnittlichen Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung und durchschnittlicher
Arbeitsintensität benötigt. Demnach ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. auch Meyer/Höver/Bach, JVEG, 24.
Aufl., Rdnr. 8.48). Aufgrund des Beschlusses des Kostensenats des BayLSG vom 19. 03.2007 - L 14 R 42/03.Ko
sowie hierauf aufbauend der Mitteilung des Präsidenten des BayLSG vom 25.05.2007 - GenA 537/07 gelten neue
Bemessungskriterien für die Feststellung der Vergütung in erster Linie medizinischer Gutachten nach dem JVEG bei
allen ab dem 01.06.2007 erteilten Gutachtensaufträgen: - Für das Aktenstudium 100 Blatt/Stunde einschließlich der
Fertigung von Notizen und Exzerpten bei mindestens 25 % medizinisch gutachtensrelevantem Inhalt. In allen anderen
Fällen dagegen erscheinen 150 bis 200 Blatt/Stunde angemessen. Das von der Rechtsprechung des Kostensenats im
Einzellfall zugebilligte und davon abweichende Aktenstudium bleibt davon unberührt, z.B. nur eine bis zwei Stunden
bei einem testpsychologischen Zusatzgutachten nach dem JVEG. - Anamnese und rein körperliche Untersuchung wie
beantragt, soweit nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur z.B. Anwesenheitszeit des Klägers stehend oder
sonstige begründete Zweifel bestehen. - Für die Abfassung einer Seite der Beurteilung und Beantwortung der
gestellten Beweisfragen eine Stunde, wobei jeweils für eine ganze Seite von 1800 Anschlägen (30 Zeilen x 60
Anschläge nach DIN 1422) ausgegangen wird. - Für Diktat und Durchsicht eine Stunde für je sechs Seiten, wobei
auch hier für jeweils eine ganze Seite 1800 Anschläge (30 Zeilen x 60 Anschläge) zugrunde gelegt werden. - Die
Anerkennung von zusätzlich notwendigem Literaturstudium ist weiterhin nur in besonderen Fällen möglich. Hiervon
ausgehend ist zu dem Gutachten der Antragstellerin vom 30.11.2009 anzumerken, dass dies nicht in allen Punkten
einem üblichen Aufbau entspricht. Dies ergibt sich bereits aus Seite 4, wenn dort hinsichtlich der Aktenlage
ausgeführt wird: "Auf die Wiedergabe der Aktenlage im Einzelnen wird verzichtet. Auf diese wird kritisch in den
Abschnittsbeurteilungen und Zusammenfassung eingegangen." - Kostenrechtlich beinhaltet dies, dass die Wiedergabe
der Aktenlage im Einzelnen ohne entsprechende Notwendigkeit in dem Abschnitt Beurteilung und Zusammenfassung
verlagert worden ist. Wenngleich es keinen allgemeinen Standard für die Fertigung sozialgerichtlicher Gutachten gibt,
hat sich dennoch folgender Aufbau bewährt: Knappe Wiedergabe des Akteninhalts soweit für das Verständnis des
Gutachtens erforderlich, Anamnese, Untersuchungsbefund, ggf. technische Untersuchungsbefunde wie Röntgen o.ä.,
als wesentlicher Teil die Beurteilung sowie anschließend die Beantwortung der Beweisfragen (unter einmaliger
Wiedergabe derselben), Literaturnachweis bei in Ausnahmefällen notwendigem Literaturstudium. Auch insoweit fällt
auf, dass die Beweisfragen auf den Seiten 26 unten bis 30 oben des Gutachtens vom 30.10.2009 ohne weitere
Erläuterung beantwortet worden sind. Die Seiten 18 Mitte bis 26 Mitte setzen sich aus einer teilweisen Wiedergabe
des Akteninhalts, den Ergebnissen der Anamnese, neurologischen und psychiatrischen Befunden und der eigentlichen
Beurteilung zusammen. Dieses Ineinandergreifen verschiedener Elemente eines Gutachtens, wie von der
Antragstellerin selbst erläutert, gebietet es im Hinblick auf die Grundsatzentscheidung des Kostensenats des BayLSG
mit Beschluss vom 19.03.2007 - L 14 R 42/03.Ko den Teil heraus zu filtern, der der eigentlichen Beurteilung
zuzurechnen ist. Dies gilt hier umso mehr, als sich auf den Seiten 26 unten bis 30 oben ausschließlich die
Beantwortung der Beweisfragen findet. Die Würdigung der hier noch streitigen Seiten 18 bis 24 (bzw. 26 Mitte) des
nervenärztlichen Gutachtens vom 30.10.2009 ergibt, dass in etwa zwei weitere Seiten der Beurteilung zuzurechnen
sind, im Übrigen jedoch sonstige Gutachtensteile (Wiedergabe des Akteninhalts, Befunde usw.) eingearbeitet worden
sind. Für die vorstehend genannten in etwa zwei weiteren Seiten sind weitere 120,00 Euro an Vergütung
nachzuentrichten (§§ 8, 9 Abs. 1 JVEG). Zuzüglich 19 % Umsatzsteuer in Höhe von 22,80 Euro ergibt sich eine
Nachzahlung in Höhe von 142,80 Euro bzw. die Gesamtvergütung in Höhe von 1.839,00 Euro. Hierüber hat der Senat
gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt. Die Entscheidung ist gemäß § 177 SGG
endgültig. Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).