Urteil des LSG Bayern vom 24.10.2003

LSG Bayern: firma, erlöschen des anspruchs, besondere härte, arbeitsunfähigkeit, bestätigung, beendigung, zustandekommen, arbeitsstelle, arbeitsamt, arbeitslosenhilfe

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 24.10.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 40 AL 1290/99
Bayerisches Landessozialgericht L 8 AL 414/02
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Oktober 2002 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung der Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 16.03.1999 wegen
Erlöschens des Anspruches streitig.
Der 1971 geborene Kläger war bisher mit Unterbrechungen als Metallarbeiter, Magaziner und zuletzt bis 06.03.1994
als Werttransportfahrer beschäftigt. Er bezog ab 23.04.1994 Arbeitslosengeld (Alg) und ab 19.04.1995
Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 04.01.1996 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen
vom 14.12.1995 bis 06.03.1996 mit der Begründung fest, der Kläger habe ein zumutbares Arbeitsangebot ohne
wichtigen Grund nicht angenommen. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Der Kläger bezog weiter Alhi, unterbrochen
lediglich durch eine Beschäftigung vom 12.10. bis 12.12.1998.
Am 05.03.1999 wurde ihm von dem Arbeitsvermittler H. eine Stelle als Kraftfahrzeugführer für Tagestouren und
Stückguttransporte bei der Firma T. angeboten. Laut Beratungsvermerk vom 05.03.1999 wurde nach telefonischer
Rücksprache mit dem Arbeitgeber die Arbeitsaufnahme für den 08.03.1999 vereinbart. Am 08.03.1999 vermerkte der
Vermittler, dass eine telefonische Rücksprache bei der Firma ergeben habe, dass sich der Kläger weder telefonisch
noch persönlich gemeldet habe. Der Kläger legte beim Arbeitsamt eine AU-Bescheinigung für den 08.03. (Montag) bis
13.03.1999 vor.
Laut Beratungsvermerk sprach der Kläger am 23.03.1999 beim Vermittler vor und gab danach an, er habe sich am
05.03. telefonisch vorgestellt, den Arbeitgeber aber nicht angetroffen und eine halbe Stunde gewartet. Laut weiterem
Vermittlervermerk hätte er sich am ersten Tag nach seiner Arbeitsunfähigkeit zum Arbeitsbeginn persönlich melden
sollen, gemäß Rücksprache mit dem Arbeitgeber sei keine Kontaktaufnahme erfolgt.
Mit Bescheid vom 24.03.1999 hob die Beklagte die Bewilligung der Alhi ab 16.03.1999 mit der Begründung auf, der
Anspruch sei loschen.
Mit seinem Widerspruch gab der Kläger an, sich am 05.03.1999 bei der Firma T. vorgestellt zu haben; ihm sei erklärt
worden, dass die Chefin nicht im Hause sei. Er habe eine halbe Stunde gewartet und sei gegangen, nachdem die
Chefin nicht gekommen sei. Ab 08.03.1999 sei er arbeitsunfähig gewesen, so dass er nicht mehr in die Firma habe
gehen können. Von der Beklagten darauf hingewiesen, dass er am ersten Tag seiner Gesundung bei dem Arbeitgeber
erneut hätte vorsprechen sollen, erklärte der Kläger im Schreiben vom 05.05.1999, seine Arbeitsunfähigkeit ab dem
08.03.1999 habe drei Wochen gedauert; da er zwischenzeitlich andere Arbeitsplätze angeboten bekommen habe, bei
denen er sich auch vorgestellt habe, sei er davon ausgegangen, dass die Stelle bei der Firma T., bei der er sich am
05.03.1999 habe vorstellen wollen, bereits besetzt sei.
Der Widerspruchssachbearbeiter verwies auf den Vermerk vom 05.03.1999, wonach bereits zum 08.03. eine
Arbeitsaufnahme vereinbart worden sei; er fragte an, wann das Gespräch mit dem Arbeitgeber geführt worden sei,
dass der Kläger nach seiner AU hätte anfangen sollen, und ob der Kläger darüber informiert worden sei. Hierzu gab
der Vermittler H. in der Stellungnahme vom 14.07.1999 an, am 05.03.1999 sei in Anwesenheit des Klägers mit dem
Arbeitgeber die Arbeitsaufnahme zum 08.03.1999 vereinbart worden. Da der Kläger des öfteren den Weg zur
Arbeitstelle nicht finde, sei mit dem Arbeitgeber vereinbart worden, dass dieser ihn zu Hause abhole. Sollte er, was
leider in den letzten fünf Jahren immer wieder vorgekommen sei, erkranken, erfolge die Arbeitsaufnahme am ersten
Tag nach seiner Krankheit. Der Arbeitgeber sei hiermit einverstanden gewesen. Die rechtlichen Auswirkungen seien
dem Kläger nochmals hinsichtlich Sperrzeit und Erlöschen des Anspruchs erläutert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dem Kläger
sei am 05.03. 1999 ausdrücklich erklärt worden, dass er sich bei einer eventuellen Arbeitsunfähigkeit sich nach der
Genesung sofort bei dem Arbeitgeber melden solle. Nachdem er dies unterlassen habe, sei ihm vorzuhalten, dass er
zumindest grob fahrlässig das Andauern der Arbeitslosigkeit verursacht habe.
Zur Begründung seiner zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat der Kläger eingeräumt, die erste
Sperrzeit verursacht zu haben, weil er sich damals bei dem Arbeitgeber nicht vorgestellt habe in Unkenntnis der
Tatsache, dass er jede vom Arbeitsamt angebotene Arbeit, zumindest im Wege der Vorstellung, annehmen müsse. In
der Folgezeit habe er sich bei den Arbeitgebern vorgestellt. Bei der Firma T. habe er sich noch am Freitag, den
05.03.1999 vorstellen wollen, und sei von G. zur Firma gefahren worden. Sie hätten etwa eine halbe Stunde gewartet
und sodann die Firma verlassen, nachdem ihnen mitgeteilt worden sei, der Betriebsleiter werde an diesem Tag nicht
mehr anwesend sein. Anschließend sei er drei Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Somit sei die
Verpflichtung zur Vorstellung am 08.03. 1999 entfallen. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass irgendwelche
Vereinbarungen dahingehend getroffen worden seien, dass er sich nach seiner Krankheit wieder bei der "alten"
Arbeitsstelle vorstellen solle.
Die vom SG an G. gerichtete Zeugenladung kam als unzustellbar zurück; vom Einwohnermeldeamt wurde mitgeteilt,
G. sei seit 22.12.2000 nach B./Italien verzogen. In der mündlichen Verhandlung am 25.10.2002 hat das SG den
Arbeitsvermittler H. als Zeugen vernommen; bezüglich seiner Aussage wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug
genommen.
Mit Urteil vom 25.10.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach den glaubwürdigen Angaben des Zeugen H. habe
dieser am 05.03. 1999 telefonisch das Zustandekommen eines Probearbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und
dem Arbeitgeber T. vermittelt. Der Arbeitsantritt habe am Montag, den 08.03.1999 erfolgen sollen, im Falle einer
Erkrankung des Klägers am ersten Tag nach Beendigung der AU. Das Vorbringen des Klägers, ihm sei diese
Vereinbarung nicht bekannt gewesen, sei durch den Zeugen widerlegt worden. Eine AU sei nur bis 13.03.1999
nachgewiesen. Der Kläger hätte die Arbeit am Montag, den 15.03.1999 antreten müssen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er nunmehr geltend macht, sich am 15./16.03.1999
telefonisch bei der Firma T. im Beisein des G. gemeldet und die Mitteilung erhalten zu haben, die Stelle sei bereits
vergeben. Er legt eine schriftliche Bestätigung eines P. G. vor, wonach sich der Kläger bereits am Freitag bei der
Geschäftsleitung der Firma T. gemeldet habe, obwohl er erst am Montag einen Termin gehabt habe; Grund hierfür sei
gewesen, dass er sich eine Verletzung am rechten Sprunggelenk zugezogen gehabt habe. Am Montag habe er sich
nochmals bei der Firma telefonisch gemeldet, um einen neuen Termin zu vereinbaren, daraufhin sei ihm gesagt
worden, dass die Stelle bereits vergeben sei. Der Kläger behauptet, die schriftliche Bestätigung erst jetzt vorlegen zu
können, weil er G. wegen dessen Aufenthalts in Italien vorher nicht habe auffinden können.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.10.2002 so- wie den Bescheid vom 24.03.1999
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Weitere Ermittlungen hätten ergeben, dass bei der AOK für die Zeit ab 08.03.1999 keine AU-Bescheinung vorliege.
Der behandelnde Arzt Dr. W. habe erklärt, die ab 08.03. attestierte AU habe bis 13.03.1999 gedauert, eine neue sei ab
22.03.1999 eingetreten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der
Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzte - SGG -), ein
Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da die Entscheidung der Beklagten, die Bewilligung der Alhi wegen des
Erlöschens des Anspruches ab 16.03.1999 aufzuheben, nicht zu beanstanden ist.
Das Erlöschen des Anspruches stellt eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen,
die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen haben, dar, weshalb die Beklagte gemäß § 48 Abs.1 Satz 2
Nr.4 SGB X i.V.m. § 330 Abs.3 Satz 1 SGB III diesen Verwaltungsakt rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Erlöschens
aufzuheben hatte, weil der Kläger zumindest wissen musste, ohne die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem
Maße zu verletzen, dass der Anspruch auf Alhi ganz weggefallen bzw. erloschen ist. Der Kläger hatte nämlich im
Sinne des § 147 Abs.1 Nr.2 SGB III nach der Entstehung des Anspruches auf Alhi Anlass für den Eintritt von
Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen gegeben. Der Eintritt einer Sperrzeit vom zwölf Wochen war
ihm mit Bescheid vom 04.01.1996 mitgeteilt worden. Der Kläger hat eingeräumt, den Eintritt dieser Sperrzeit
verursacht zu haben, und jedenfalls gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 04.01.996 keine Einwendungen
erhoben, so dass der Senat davon ausgeht, dass diese Sperrzeit von der Beklagten zu Recht festgestellt wurde.
Der Kläger war am 05.03.1999 darüber belehrt worden, dass für den Fall, dass er ohne wichtigen Grund die
angebotene Arbeitsstelle nicht antritt oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses verhindert, sein
Anspruch auf Leistungen vollständig erlischt, weil er nach Entstehung des Anspruches Anlass zum Eintritt mehrerer
Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet 24 Wochen gegeben und über den Eintritt der früheren Sperrzeit
einen schriftlichen Bescheid erhalten hat. Deshalb musste er im Sinne des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X wissen,
dass aufgrund seines Verhaltens der Anspruch ab 16.03. 1999 erloschen ist. Der Kläger hat nämlich dadurch, dass er
sich nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitgeber trotz der erwähnten Belehrung über die Rechtsfolgen
nicht gemeldet hat, erneut Anlass für den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen gemäß § 144 Abs.1 Nr.2 SGB III
gegeben.
Der Kläger hat sich nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit am 13.03.1999 beim Arbeitgeber nicht mehr gemeldet.
Dies hat er selbst mehrfach und zeitnah eingeräumt und als Grund eine über den 13.03.1999 andauernde
Arbeitsunfähigkeit genannt. Eine solche ist aber nicht belegt. Zudem hätte ihn eine Sprunggelenksverletzung nicht
daran gehindert, mit dem Arbeitgeber Kontakt aufzunehmen. Sein nunmehriger Vortrag, sich am 15. oder 16.03. 1999
doch beim Arbeitgeber gemeldet zu haben, ist angesichts seiner früheren, mehrfachen Äußerungen völlig
unglaubwürdig; gleiches gilt für die vorgelegte Bestätigung des G. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger den
ihn entlastenden Umstand, der Arbeitgeber hätte ihm am 15.03.1999 erklärt, die Stelle sei bereits besetzt, nicht
spätestens im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorgebracht hätte, wenn dies der Wahrheit entsprechen würde.
Der Zeuge H. hat glaubhaft dargelegt, dass er wegen der früheren Vorfälle, wonach der Kläger auf ein Arbeitsangebot
hin, je- weils eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hatte, die Firma T. davon unterrichtet hat, dass der
Kläger als aktiver Fußballer häufig über das Wochenende arbeitsunfähig erkranke. Der Arbeitgeber ist danach bereit
gewesen, dies in Kauf zu nehmen und den Kläger ab Wiedereintritt seiner Arbeitsfähigkeit zur Probe einzustellen.
Dies wurde mit dem Kläger auch besprochen und ihm erklärt, er habe sich, falls er erkranken sollte, anschließend
sofort bei der Firma T. zu melden. Dies hat der Kläger, wie bereits dargelegt wurde, ohne rechtfertigenden Grund
versäumt und damit das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt. Der Zeuge hat glaubhaft und
nachvollziehbar dargelegt, dass er sich an diese Vorgänge noch sehr gut erinnert.
Das Angebot eines Kraftfahrers bei der Firma T. stellte auch ein zumutbares Arbeitsangebot im Sinne des § 121
Abs.3 Satz 3 SGB III dar, weshalb der Anspruch wegen Eintritt von Sperrzeiten von insgesamt 24 Wochen erloschen
ist.
Anhaltspunkte dafür, dass Umstände vorliegen, die eine besondere Härte begründen und daher die Dauer der
Sperrzeiten auf sechs Wochen mindern würden, liegen nicht vor.
Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.10.2002 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.