Urteil des LSG Bayern vom 17.11.2005

LSG Bayern: psychovegetatives syndrom, medizinische rehabilitation, rücknahme der klage, erwerbsunfähigkeit, arbeitsunfähigkeit, unterbrechung der frist, krankenkasse, befristete rente, anhörung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.11.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 14 RA 199/02
Bayerisches Landessozialgericht L 14 R 4261/03
Bundessozialgericht B 5 R 30/06 B
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 23. Oktober 2003 wird
zurückgewiesen.
II. Die Klage auf Anhörung zu bereits ergangenen Entscheidungen der Beklagten über die Rentengewährung wird
abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Frage, ob mehrere von der Beklagten erteilte und bestandskräftig gewordene
Rentenbescheide (teilweise) zurückzunehmen und rückwirkend zu Unrecht nicht gezahlte Rentenleistungen
nachträglich zu erbringen sind; außerdem macht die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren einen Anspruch auf
Anhörung in einem bereits abgeschlossenen Verwaltungsverfahren geltend.
Die im Jahre 1957 geborene Klägerin war von November 1975 bis einschließlich September 1986 als Stationshilfe im
Krankenhaus K. beschäftigt und durchlief von Oktober 1986 bis einschließlich September 1988 eine Ausbildung als
Altenpflegerin. Als solche war sie im Kreisalten- und Pflegeheim K. von Oktober 1988 bis einschließlich September
1991 beschäftigt, wobei sie von Januar 1989 bis Februar 1990 Aufgaben der stellvertretenden Heimleitung und von
März 1990 bis Januar 1991 die einer Stationsleitung wahrnahm.
Nach vorausgehenden vier kürzeren Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulen-
Syndromen gewährte die Beklagte ein orthopädisch-orientiertes Heilverfahren in Bad K. vom 21.08. bis 18.09.1991
(Abschlussdiagnosen: zervikokraniales Syndrom, Lumboischialgie beidseits, psychovegetatives Syndrom und
Übergewicht. Leistungsbeurteilung: arbeitsfähig nach vier Tagen Schonung, keine wesentliche Einschränkung der
körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit). Kurz vor Beginn des Heilverfahrens kündigte die Klägerin ihr
Beschäftigungsverhältnis zum 30.09.1991 und nahm ab 01.10.1991 an einer Maßnahme zur Fortbildung als
Unterrichtsschwester teil, die sie zum 06.02.1992 "aus persönlichen und gesundheitlichen Gründen" selbst abbrach.
Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse vermerkte hierzu - erstmals wegen einer Gesundheitsstörung auf
psychiatrischem Gebiet - eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 06.02. bis 18.03.1992 ("erhebliche psychovegetative
Dekompensation/Erschöpfungszustand" - Blockfrist vom 06.02.1992 bis 05.02.1995) und später eine Zeit der
Arbeitsunfähigkeit vom 17.03.1993 bis 31.07.1994 ("schwere psychotische Dekompensation").
Im Rechtsstreit der Klägerin gegen die damalige Bundesanstalt für Arbeit vor dem Sozialgericht Regensburg (S 8 Al
5/92) wegen der Kosten der ab 01.10.1991 unternommenen Maßnahme stellte der Neurologe und Psychiater Dr.S. zur
Frage, ob die Klägerin den Beruf der Altenpflegerin weiterhin verrichten konnte (so die Meinung des Arbeitsamts) oder
hierzu nicht mehr in der Lage war und daher einen Anspruch auf berufsfördernde Maßnahmen zur ihrer Rehabilitation
hatte (so die Ansicht der Klägerin), das Gutachten vom 05.02.1993. Dr.S. hielt die Klägerin entgegen der Ansicht der
Ärzte des Arbeitsamtes aus "körperlichen Gründen" (keine schweren Hebearbeiten wegen der knöchernen und
muskulären Konstitution zumutbar) als Altenpflegerin nicht mehr für einsetzbar. Als Unterrichtsschwester sei sie
derzeit wegen einer sehr aktiven Phase einer Wahnentwicklung nicht geeignet, weil sie unter dem Eindruck akuter
Wahnstimmungen in ihrer sozialen Wahrnehmung und Interaktionsfähigkeit krankheitsbedingt massiv behindert sei.
Offenbar sei es in zeitlichem Zusammenhang mit der Ausbildung zur Lernschwester zu einer progredienten
psychiatrischen Erkrankung gekommen, die zunehmend handlungsbestimmend geworden sei. In der mündlichen
Verhandlung am 05.08.1993 nahm die Klägerin - sie war kurz vorher aufgrund des Gutachtens des Dr.S. von der
Deutschen Angestellten-Krankenkasse aufgefordert worden, beim Versicherungsträger Maßnahmen der medizinischen
Rehabilitation zu beantragen - die Klage zurück, nachdem die beklagte Bundesanstalt für Arbeit dem Grunde nach
einen Anspruch auf berufsfördernde Maßnahmen anerkannt und eine erneute Überprüfung zugesagt hatte, ob die
Notwendigkeit der beruflichen Rehabilitation auch weiterhin bestehe und welche Maßnahme konkret in Betracht
komme, sobald die (künftige) medizinische Rehabilitation abgeschlossen sei.
Am 06.08.1993 stellte die Klägerin über die Deutsche Angestellten-Krankenkasse bei der Beklagten Antrag auf
Gewährung eines Heilverfahrens. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen ab dem Jahre 1991, darunter auch
Befundberichte der behandelnden Ärzte und Gutachten des Arbeitsamts, kam es zum Reha-Gutachten des
Nervenarztes Dr.F. vom 12.01.1994, der ein psychovegetatives Syndrom diagnostizierte und - bei geordneter Psyche
der Klägerin, auffällig war nur eine zeitweilige Affektlabilität (Weinen) - die Auffassung vertrat, es sei derzeit nicht
beurteilbar, ob außer psychovegetativen Funktionsstörungen anderweitige neurologische und psychiatrische
Gesundheitsstörungen von erwerbsmindernder Relevanz vorlägen. Eine weitere umfassende klinische Begutachtung
sei zu empfehlen.
Der Medizinaldirektor Dr.S. wiederum sah - die Klägerin zeigte hier wieder ein auffälliges Verhalten - ein fixiertes
Wahnsyndrom (Kurzgutachten vom 29.07.1994 für das Arbeitsamt S.).
Der von der Beklagten beauftragte Internist Dr.L. diagnostizierte vor allem ein psychovegetatives Syndrom (deutliche
Zeichen vegetativer Übererregbarkeit, aber kein Anhalt für Psychose oder sonstige Erkrankungen) sowie ein
Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom und hielt die Klägerin nach einem noch durchzuführenden
Heilverfahren für fähig, als Altenpflegerin wieder tätig zu sein sowie leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten des
allgemeinen Arbeitsmarktes - ohne überdurchschnittliche Anforderungen an die Umstellungsfähigkeit - vollschichtig zu
verrichten; ab sofort bestehe aber Belastbarkeit für eine Berufsförderung (Gutachten vom 08.11.1994).
Unter dem Eindruck des Gutachtens des Dr.S. vom 05.02.1993 und auch des Gutachtens des Dr.S. vom 29.07.1994
sah der Ärztliche Dienst der Beklagten keine Leistungsfähigkeit der Klägerin ab der von der Deutschen Angestellten-
Krankenkasse bescheinigten Arbeitsunfähigkeit (17.03.1993 bis 31.07.1994 laut Rentenakte) und befürwortete eine
Zeitrente. Die Beklagte nahm von dem bereits vorgesehenen Heilverfahren - gegen die Bewilligung hatte die Klägerin
Widerspruch eingelegt - Abstand und gewährte unter Wertung des Rehabilitationsantrags vom 06.08.1993 als
Rentenantrag mit Bescheid vom 09.10.1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 01.10.1993 bis zum 31.03.1996
unter Annahme eines Leistungsfalls vom 17.03.1993.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch vom 09.11.1995 wandte die Klägerin sich gegen die Befristung und
machte weiterhin geltend, als Rentenantrag sei der Rehabilitationsantrag (vom Januar 1991) für das im
August/September 1991 durchgeführte Heilverfahren zugrunde zu legen.
Die Beklagte gewährte im Anschluss an die mit dem 31.03.1996 auslaufende Rente eine bis zum 30.06.1996
befristete Erwerbsunfähigkeitsrente (Bescheid vom 21.03.1996), um den medizinischen Sachverhalt zu überprüfen.
Der beauftragte Internist Dr.L. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 16.04.1996 ein Halswirbelsäulen- und
Lendenwirbelsäulen-Syndrom, eine Adipositas, eine geringe Struma sowie einen Senkfuß beidseits und hielt - bei
Ausklammerung der psychischen Beschwerden der Klägerin - diese für fähig, vollschichtig als Altenpflegerin und auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Der Nervenarzt Dr.K. konnte aktuell bei der relativ unauffällig
erscheinenden Klägerin keine Wahnstörung feststellen, aber unter Auswertung der Anamnese und der Vorbefunde
zumindest (frühere, die Klägerin immer noch beschäftigende) "Erlebnisse", die an die Grenze einer Wahnerkrankung
heranreichten. Er diagnostizierte überwertige Beeinträchtigsideen von wahnhaftem Charakter und funktionelle
Störungen der Muskulatur und des Skelettsystems. Er hielt die Klägerin derzeit für erwerbsunfähig. Ein Heilverfahren
sei dringend notwendig, der Klägerin seien seit Februar 1992 regelmäßige Arbeitsleistungen nicht mehr möglich
(Gutachten vom 16.04.1996).
Der Ärztliche Dienst der Beklagten sah keine Aussicht auf Besserung auf absehbare Zeit, weil sich die Klägerin
bereits seit dem Jahre 1993 krankheitsuneinsichtig und behandlungsunwillig gezeigt und auch mehrfach energisch
gegen die angebliche Unterstellung von Wahnvorstellungen gewendet hatte. Mit Bescheid vom 20.05.1996 half die
Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als ab 01.07.1996 eine unbefristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt
wurde. Das Rechtsmittel wurde im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.1996 zurückgewiesen, weil im Jahre
1991 keine Einschränkungen des Leistungsvermögens bestanden hätten und eine Verschlimmerung des psychischen
Leidens erst mit Beginn der letzten Arbeitsunfähigkeit bzw. mit der Begutachtung des Dr.S. Anfang des Jahres 1993
angenommen werden könne.
Der anschließende Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Regensburg (S 11 RA 154/96) - vorrangig ging es hier um die
Anrechnung bzw. Bewertung von Versicherungszeiten - endete mit Rücknahme der Klage am 29.04.1998. In dem
wegen Widerrufs der Klagerücknahme fortgesetzten Klageverfahren (S 11 RA 120/98) - angesprochen wurden hier u.a.
in der Rentenberechnung fehlende Pflichtbeiträge in den Jahren 1991 und 1993 sowie die Übernahme geleisteter
Beiträge für eine Zusatzrente der Zusatzversorgung der Bayerischen Gemeinden (Bayer. Versorgungskammer) durch
die Beklagte - erging das Urteil vom 18.09.1998, mit dem festgestellt wurde, dass sich der Rechtsstreit durch
Klagerücknahme erledigt habe. Die hiergegen eingelegte Berufung beim Bayer. Landessozialgericht wurde mit Urteil
vom 28.04.1999 - L 13 RA 19/99 zurückgewiesen, weil sich der Rechtsstreit in der Hauptsache im April 1998 bereits
erledigt habe.
Zwischenzeitlich hatte die Beklagte auf Rügen der Klägerin zu einer fehlerhaften Rentenberechnung hinsichtlich
Versicherungszeiten von 1986 bis 1993 den Rentenbescheid vom 26.01.1999 erteilt, mit dem die Rente der Klägerin
ab 01.10.1993 wegen erstmaliger Anrechnung der Beschäftigungszeit vom 01.02. bis 31.12.1990 neu festgestellt
wurde. Mit dem hiergegen am 03.05.1999 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, Rentenbeginn sei nicht
der 01.10.1993, sondern der 01.10.1991. Die Behauptung der Beklagten, bei einem Rentenbeginn vor dem 01.10.1993
würde die Versichertenrente niedriger ausfallen, sei ihr nicht nachvollziehbar und bedürfe der Erklärung; außerdem
habe sie einen Anspruch auf Zusatzversorgung. Hierzu wies sie Bescheide der Bayerischen Versorgungskammer vor,
aus denen eine Rente von monatlich 107,41 DM in der Zeit vom 01.09.1996 bis 31.01.1999 und das Ruhen dieser
Rente vom 01.10.1993 bis 21.08.1996 wegen verspäteten, erst im Jahre 1988 gestellten Antrags hervorgingen. Der
Widerspruch wurde wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen, weil mit dem bindend gewordenen Bescheid vom
09.10.1995 und nicht mit dem Bescheid vom 26.01.1999 über den Beginn der Erwerbsunfähigkeitsrente entschieden
worden sei. Der anschließende Rechtsstreit endete für die Klägerin ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Regensburg vom 14.02.2001 - S 11 RA 6/00; Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 24.10.2001 - L 1 RA 68/01).
Zuletzt erhielt die Klägerin in der zurückweisenden Entscheidung der Berufungsinstanz den Hinweis, dass mit
bestandskräftigem Bescheid vom 09.10.1995 der Rentenbeginn geregelt worden sei und hierüber die Beklagte in dem
jetzt angefochtenen Bescheid vom 26.01.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.1999 auch nicht im
Wege des § 44 Sozialgesetzbuch Teil X (SGB X) erneut entschieden habe.
Mit dem bei der Beklagten am 29.10.2001 eingegangenem Schreiben vom 23.(?)10.2001 begehrte die Klägerin die
Gewährung einer Rente ab einem Leistungsfall vom 01.10.1991 und wendete hinsichtlich des Ablaufs von Fristen ein,
eine Verjährung könne nicht eingetreten sein, weil sie bereits mit ihrem im Jahre 1995 gegen den Bescheid vom
09.10.1995 eingelegten Widerspruch einen Leistungsfall aus dem Jahre 1991 geltend gemacht habe.
Die Beklagte lehnte eine Neufeststellung der Rente mit streitgegenständlichem Bescheid vom 03.01.2002 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2002 ab, weil sich an den bisher bekannten Tatsachen nichts geändert und
die Klägerin neue medizinische Unterlagen nicht vorgelegt habe; im Hinblick auf den Zeitpunkt des
Überprüfungsantrags seien weitere Ermittlungen über eine eventuelle Erwerbsminderung im Jahre 1991 nicht
einzuleiten, weil Leistungen nur rückwirkend für vier Jahre, damit nicht mehr für die Jahre 1991 bis 1993, erbracht
werden könnten.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg (S 14 RA 199/02) meinte die Klägerin, laut der
von der Deutschen Angestellten-Krankenkasse festgesetzten Blockfrist von drei Jahren (06.02.1992 bis 05.02.1995)
hinsichtlich eines 78-wöchigen Krankengeldanspruchs für dieselbe Krankheit ergebe sich ein Leistungsfall der
Erwerbsunfähigkeit vom 06.02.1992 und nicht vom 17.03.1993. Nach den diffusen Erklärungen des Dr.S. im
Gutachten vom 05.02.1993 lasse sich ihre psychische Erkrankung bis zum Rehabilitationsantrag vom 24.01.1991
zurückverfolgen. Das Gutachten sei für ihre Zwangsberentung maßgebend gewesen, und daher müsse sich die
Beklagte an einem Leistungsfall vom 01.10.1991 festhalten lassen. Außerdem habe die im Rechtsstreit S 8 Al 5/92
beklagte Bundesanstalt für Arbeit laut Sitzungsniederschrift vom 05.08.1993 anerkannt, dass sie, die Klägerin, einen
Anspruch auf berufsfördernde Maßnahme (die Klägerin meinte hierbei wohl die konkret ab 01.10.1991 unternommene
Ausbildung zur Unterrichtsschwester) habe; somit sei bei der Verwendung des Gutachtens des Dr.S. zur Begründung
der Erwerbsunfähigkeit der Leistungsfall automatisch der 01.10.1991. "Gerichtsentscheidungen" (Sitzungsniederschrift
vom 05.08.1993 - S 8 Al 5/92) seien für den jetzt beklagten Rentenversicherungsträger und den Rentenbescheid vom
09.10.1995 bindend.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2003 ab. Es führte aus, bei einem
Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X vom 29.10.2001 könnten rückwirkend Leistungen vor dem 01.01.1996
(gemeint wohl: 01.01.1997) nicht erbracht werden. Darüber hinaus sei die Unrichtigkeit des Rentenbescheides vom
09.10.1995 nicht erkennbar. Die Beklagte habe sich bei der Überprüfung darauf beschränken müssen, ob die Klägerin
neue Tatsachen vorgebracht habe, die den bestandskräftigen Bescheid erschüttern könnten. Dies sei nicht der Fall
gewesen. Neue Tatsachen, die die Bindungswirkung (§ 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) beseitigen könnten, seien
von der Klägerin nicht vorgetragen worden.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung begehrt die Klägerin u.a. die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung rechtlichen
Gehörs "bezüglich des Antrags vom 29.10.2001" (§ 44 SGB X), weil diese nach der "Gerichtsentscheidung" vom
05.08.1993 mit vorausgehendem Gutachten des Dr.S. weitere Gutachten eingeholt und hierzu eine vernünftige
telefonische Auskunft und damit das rechtliche Gehör zu ihrer beruflichen und medizinischen Situation verweigert
habe. Weiterhin begehrt die Klägerin Rentenleistungen ab dem 01.10.1991 und vertritt hierzu die Rechtsauffassung,
bei Anwendung des Rentenbescheids vom 09.10.1995 mit dem darin enthaltenen Hinweis auf die Umdeutung des
Rehabilitationsantrags in einen Rentenantrag gemäß § 116 Sozialgesetzbuch Teil VI - SGB VI - (Anmerkung:
zugrunde gelegt war in diesem Bescheid ein Antrag vom 06.08.1993 und nicht der vom 24.01.1991) und mit dem
Hinweis auf die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen seit dem 17.03.1993 sei von einem Rentenbeginn vom
01.10.1991 auszugehen, weil die Gerichtsentscheidung vom 05.08.1993 für die Beklagte bindend sei und der
Bescheid vom 09.10.1995 diese Gerichtsentscheidung nicht aufheben könne. Weiterhin habe Dr.S. in seinem
Gutachten vom 05.02.1993 mit "Wahnvorstellung" eine Verschlimmerung des psychischen Leidens festgestellt, das
Dr.K. im Jahre 1991 als larvierte Depression bezeichnet habe (Anmerkung: die Klägerin meint damit Dr.E. in einem
Schreiben an Dr.K. und in einem späteren Kurzgutachten vom 06.09.1991 für das Arbeitsamt). Damit müsse bei einer
Berentung die Erkrankung 1991 berücksichtigt werden. Zugleich verweist die Klägerin auf die unsinnigen und
keinesfalls zutreffenden Diagnosen Wahnvorstellung und larvierte Depression und trägt weiterhin vor, eine Verjährung
der Rentenleistungen ab 01.10.1991 gemäß § 44 SGB X sei nicht erkennbar, weil der Lauf der Frist durch die früheren
Gerichtsverfahren außer Kraft gesetzt worden sei. Außerdem habe sich die "Beklagte" (Anmerkung: Bundesanstalt für
Arbeit) in der Niederschrift vom 05.08.1993 verpflichtet, von sich aus die Notwendigkeit der beruflichen Situation zu
überprüfen.
Nach Hinweis des Senats auf den Charakter der Frist des § 44 Abs.4 SGB X als gesetzliche Ausschlussfrist ohne
Möglichkeit der Hemmung durch Gerichtsverfahren und auf die rentenmindernde Wirkung eines Leistungsfalles vor
dem 17.03.1993 vertritt die Klägerin die Auffassung, eine Rentenminderung werde sich nicht ergeben, weil die
bisherige Rentenberechnung ohnehin falsch sei; es seien für die Zeit der Ausbildung von 1986 bis 1988 noch keine
Beitragszeiten und auch keine Entgeltpunkte in der Aufstellung für die Pflichtbeiträge vorgesehen. Selbst wenn sich
aber eine Rentenminderung ergäbe, würde diese dadurch ausgeglichen, dass sie anstelle der von der Bayerischen
Versorgungskammer gezahlten nichtdynamischen Versicherungsrente eine dynamische Versicherungsrente erhalte.
Hierzu weist sie Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass sie nach Entrichtung von Beiträgen zur
Zusatzversorgung von Mai 1977 bis September 1986 und September 1988 bis September 1991 ab dem 01.10.1991 -
damit auch bei einem angenommenen Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit am 17.03.1993 - beitragsfrei versichert
gewesen sei und deshalb gemäß § 28 Abs.1 Buchst.b der Versorgungssatzung nur eine nichtdynamische
Versichertenrente (Zahlung erst ab 01.09.1996 wegen verspäteten Antrags) erhalte.
Hinsichtlich der Ausschlussfrist des § 44 Abs.4 SGB X sei zu berücksichtigen, dass das Sozialgericht im Verfahren
S 8 Al 5/92 durch "Gerichtsentscheidung" vom 05.08.1993 die Entscheidung über Rehabilitation oder
Erwerbsunfähigkeitsrente auf die "Beklagte" übertragen habe, die sich daher nicht darauf berufen dürfe, dass
Sozialleistungen nur für vier Jahre vor Antragstellung erbracht werden dürften. Im Übrigen sei auch der von der
Deutschen Angestellten-Krankenkasse gestellte Rentenantrag vom 06.08.1993 innerhalb von vier Jahren bei der
Beklagten eingegangen. Sie (die Klägerin) sei bereits seit September 1991 fremdbestimmt worden.
Der Senat hat neben der aktuellen Klageakte und der Versichertenakte der Beklagten die abgeschlossenen
Prozessakten des Sozialgerichts (S 8 Al 5/92, S 12 Al 240/94, S 11 RA 154/96, S 11 RA 120/98, S 13 RA 19/99, S
11 RA 6/00) und des Bayer. Landessozialgerichts (L 1 RA 68/01) beigezogen und eine Auskunft der Deutschen
Angestellten-Krankenkasse über die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin eingeholt. Auf Anfrage hin hat die
Beklagte Probeberechnungen angestellt, wonach sich die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin bei einem früheren
als dem bisherigen Leistungsfall durch Wegfall von Versicherungszeiten nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit und bei
Hinzurechnung einer größeren Zurechnungszeit mindern würde, und zwar von den bisherigen 32,5834 persönlichen
Entgeltpunkten (Leistungsfall 1993, Zahlbetrag z.B. von 1520,67 DM im Januar 1977) auf 32,1360 persönliche
Entgeltpunkte (Leistungsfall 06.02.1992; Zahlbetrag z.B. im Januar 1977 von 1.499,79 DM) und auf 32,0278
Entgeltpunkte (Leistungsfall vom 20.01.1993; Rente z.B. von 1.494,74 DM im Januar 1977).
Die Klägerin hat weitere rechtliche Hinweise des Senats erhalten, u.a., dass die angeblich fehlenden Entgeltpunkte für
die Ausbildungszeit von 1986 bis 1988 sich in der Rentenberechnung nicht unter der Rubrik "Beitragszeiten", sondern
der Rubrik "Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten" befänden, die gesetzliche Ausschlussfrist
des § 44 SGB X vorliegend Anwendung finde und bei der denkbaren Vorverlegung des Leistungsfalles auf den
06.02.1992 oder den 20.01.1993 sich bei einer Minderung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht
das Ziel erreichen lasse, eine dynamische Zusatzversorgung von der Bayerischen Versorgungskammer zu erhalten,
abgesehen davon, dass die Rente aus der Zusatzversorgung im vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung sei und
der Senat sich hiermit nicht befassen werde.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), 1. die Beklagte zur Gewährung des rechtlichen Gehörs hinsichtlich des
Rentenbeginns zu verpflichten und 2. die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 23.10.2003 und des
Bescheides der Beklagten vom 03.01.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2002 zu verurteilen,
Rente ab 01.10.1991 (bei einem Leistungsfall der Arbeitsaufgabe zum 30.09.1991) nebst angemessenen Zinsen zu
zahlen.
Die Beklagte widerspricht der Klageänderung und beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen
nachträglicher Anhörung abzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die oben bereits aufgeführten
beigezogenen Akten vor. Hierauf wird zur Ergänzung des Tatbestandes, insbesondere hinsichtlich des Vorbringens
der Klägerin und des Inhalts der von der Beklagten erteilten Bescheide, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte (§§ 143 ff., 151 SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet,
die erstmals im Berufungsverfahren eingelegte Klage (allgemeine Leis-tungsklage wegen Anhörung) unzulässig.
1. Der Bescheid vom 03.01.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2002 ist rechtmäßig, weil die
Beklagte die Rücknahme eines (angeblich) rechtswidrigen Verwaltungsaktes und die nachträgliche Zahlung
(angeblich) zu Unrecht nicht erbrachter Sozialleistungen ablehnen durfte und musste. Auch der Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Regensburg war vom Senat nicht abzuändern oder aufzuheben. Im Endergebnis zu Recht ist die Klage
abgewiesen worden, wenn auch mit einer unzutreffenden Begründung. Maßgebend insoweit ist aber nur der
Urteilstenor/Urteilsspruch (Abweisung der Klage), die im Gegensatz zur Urteilsbegründung in Rechtskraft erwachsen
kann.
Gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 und Abs.4 SGB X gilt: "Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines
Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als
unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben
worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückzunehmen ... Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden
Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis
zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres
angerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der
Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag."
1.1. Vorliegend ist eine Rücknahme auf Antrag streitbefangen. Der Antrag lag allerdings nicht im Schreiben der
Klägerin vom 23.10.2001, sondern bereits in dem (als Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 26.01.1999
unzulässigen) Schreiben der Klägerin vom 03.03.1999. Hierin hatte sie ihr Begehren auf Rentenzahlungen bereits ab
dem Jahre 1991 unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 01.10.1991 ausdrücklich geäußert. Zu weitgehend
erscheint es dem Senat, einen Überprüfungsantrag bereits im Schrifsatz der Klägerin vom 30.04.1998 zum
Klageverfahren S 11 RA 120/98 zu sehen (Anfechtung der im Verfahrens S 11 RA 154/96 erklärten Klagerücknahme).
Hierin hatte die Klägerin zwar einen "Leistungsfall vom November 1990 entsprechend dem Gutachten des Dr.S."
erwähnt, gleichzeitig aber die Richtigkeit des Gutachtens bestritten und im Übrigen die Rentenberechnung bei
fehlenden Pflichtbeiträgen (u.a. für März/April 1993) moniert, wobei sich das so geäußerte Begehren einer höheren
Rente nicht mit einem im Jahre 1990 oder 1991 eingetretenen Versicherungsfall in Einklang bringen ließe; die nach
Eintritt des Leistungsfalls entrichteten Beiträge wären bei einer Rente nicht anzurechnen gewesen.
Jedenfalls hat die Beklagte mit Bescheid vom 03.01.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2002 im
Rahmen des § 44 SGB X entschieden, und der zugrunde gelegte Zeitpunkt des Überprüfungsantrags, sei es Oktober
2001, März 1999 oder eventuell April 1998, war insoweit rechtlich unerheblich und hatte im Übrigen auch keine
Auswirkungen auf Rentenleistungen im Rahmen der Frist von vier Jahren gemäß § 44 Abs.4 SGB X.
1.2. Die Rentenbescheide vom 09.10.1995, 21.03.1996 und 20.05.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
02.08.1996 waren nach Überzeugung des Senats zwar insoweit unrichtig, als der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit
nicht mit dem 17.03.1993, sondern mit dem 06.02.1992 anzunehmen gewesen ist; die Rücknahme gemäß § 44 SGB
X ist jedoch nicht zulässig, weil die damals möglichen Leistungen (befristete Rente bereits ab 01.09.1992 anstatt ab
01.10.1993; eventuelle unbefristete Rente ab 01.03.1992) aufgrund eines in der Zeit ab dem 01.01.1998 gestellten
Überprüfungsantrags nicht mehr erbracht werden dürfen. Bei einem im Jahre 1998 unterstellten Überprüfungsantrag
könnten Leistungen rückwirkend nur für die Jahre 1994 bis einschließlich 1997 gezahlt werden, bei dem vorliegend im
Jahre 1999 gegebenen Überprüfungsantrag für die Jahre 1995 bis einschließlich 1998 (§ 44 Abs.4 SGB VI). Damit
waren zeitlich weiter zurückliegende Rentenleistungen, der Klägerin geht es um die Zeit von Oktober 1991 bis
September 1993, ausgeschlossen.
Im Übrigen stand § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X der Neufeststellung der Rente ab 01.01.1994 oder ab einem späteren
Zeitpunkt entgegen, denn bei einem vor dem 17.03.1993 liegenden Leistungsfall (nach Überzeugung des Senats der
06.02.1992) hätte sich eine geringere Höhe der Rente als bisher von der Beklagten aufgrund eines Leistungsfalls vom
17.03.1993 errechnet. Damit sind für die Zeit ab 01.01.1994 nicht aufgrund einer Unrichtigkeit des Rentenbescheides
Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden, wie es § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X fordert; vielmehr hat die Beklagte
zu Unrecht eine zu hohe Rente gezahlt. § 44 SGB X gibt für diesen Fall keine Handhabe zu einer nachträglichen
Berichtigung.
Insoweit kann die Klägerin nicht einwenden, dass ihr (höhere) Leistungen der Zusatzversorgung zumindest ab
01.09.1996 (höhere dynamisierte Zusatzrente) - bei früherem Beginn der Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung (Leistungsfall während der Zeit der Entrichtung von Beiträgen zur Zusatzversorgung bis zum
30.09.1991) entgangen sind. § 44 Abs.1 und Abs.4 SGB X bezieht sich nach Inhalt seiner Regelung ausschließlich
auf die nachträgliche Korrektur von Bescheiden hinsichtlich der darin geregelten Leistungen (hier Rente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung), nicht im Hinblick auf sonstige hieraus folgende Nachteile wegen anderer
Sozialleistungen und erst recht nicht wegen der Zusatzversorgung als nicht im abschließenden Katalog der § 18 ff.
Sozialgesetzbuch Teil I - SGB I - aufgeführte Sozialleistung. Mittelbare Belastungen durch rechtswidrige
Verwaltungsakte führen allein für sich nicht zu einer Korrektur nach § 44 SGB X (BSG vom 06.03.1991 - 9b RAr 7/90
in BSGE 68, 180).
Nur nebenbei ist zu erwähnen, dass die Klägerin eines von mehreren Zielen, die höhere Zusatzrente, weder mit der
hier im Rechtsstreit nicht gegebenen Möglichkeit der Berichtigung des Leistungsbeginns bei Berichtigung des
Leistungsfalls noch mit einer (nicht erhobenen) Klage gemäß § 55 SGG auf Feststellung des Versicherungsfalls mit
dem 30.09.1991 erreichen könnte. Die Bescheide vom 09.10.1995, 21.03.1996 und 20.05.1996 sind nicht in dem
Sinne unrichtig, dass als Leistungsfall der 30.09.1991 (letzter Tag der versicherungspflichtigen Beschäftigung der
Klägerin, die als Leistungsfall unrichtigerweise vom 01.10.1991 ausging) anzunehmen wäre.
1.3. Im Einzelnen ergibt sich zur Unrichtigkeit der genannten Bescheide folgendes: 1.3.1. Unerheblich für die Prüfung
der Fehlerhaftigkeit war es, ob die Klägerin bisher nicht bekannte und in diesem Sinne neue Sachverhalte oder neue,
bisher nicht berücksichtigte rechtliche Gesichtspunkte in einem Überprüfungsantrag vorgetragen hat.
Dieses Erfordernis ist in der Literatur, insbesondere in den von Rentenversicherungsträgern bzw. dem Verband der
Deutschen Rentenversicherungsträger herausgegebenen Kommentierungen nur in der Zeit nach Inkrafttreten des SGB
X im Jahre 1980 vertreten worden und steht in Widerspruch sowohl zu dem Wortlaut als auch zu dem Sinn und Zweck
des § 44 SGB X. Diese Vorschrift hat nur als Voraussetzung, dass ein Erstbescheid objektiv rechtswidrig ist. Dies
muss - auch ohne neue Sachverhalte und Gesichtspunkte - bei einem substantiierten Vorbringen nachgeprüft werden,
wobei die Beweisanforderungen an den Begriff der Rechtswidrigkeit (Unrichtigkeit) die gleichen sind wie diejenigen an
die ehemals zugrunde gelegten Tatsachen, deren Unrichtigkeit geltend gemacht wird (BSG vom 08.08.1984 - 9a RV
3/84; BSG vom 22.09.1977 - 10 RV 15/77 und vom 24.11.1978 - 11 RA 50/77 in BSGE 45, 1 und 47, 159. Nur
anscheinend anderer Ansicht das BSG in dem oft zitierten und oft missverstandenen Urteil vom 03.02.1988 - 9/9a RV
18/96 in BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr.33, das aber nur davon spricht, dass sich die Behörde auf die Prüfung der
vorgebrachten Einwände beschränken darf, mithin also nicht von Amts wegen die Überprüfung der Unrichtigkeit auf
alle Punkte, die ein Versicherter unerwähnt gelassen hat, ausdehnen muss). Die Last für die Beweislosigkeit trägt bei
Verfahren nach § 44 SGB X der Bürger; dies gilt jedoch bereits für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen bei
Erstbescheiden.
Die Prüfung des § 44 SGB X erstreckt sich vorliegend auf den medizinischen Sachverhalt, wie er bis zur
Bestandskraft der Bescheide vom 09.10.1995, 21.03.1996 und 20.05.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.08.1996 gegeben war. Hierbei unterliegt der Sachverhalt einer neuen freien Würdigung durch die Beklagte und
in der Folge auch der Sozialgerichte. Die von der Klägerin mit allen möglichen Begründungen konstruierte Bindung der
Beklagten an Verhalten, Meinungen und Äußerungen des Sozialgerichts Regensburg (Verfahren S 8 Al 5/92), der
Deutschen Angestellten-Krankenkasse, des Arbeitsamtes S. , des Dr.S. (sozialgerichtliches Gutachten vom
05.02.1993) oder gar der Beklagten selbst (Verwendung des Gutachtens des Dr.S.) geht am Kern der Sache vorbei.
Zur Bindung von Bescheiden und gerichtlichen Entscheidungen muss die Klägerin auf Folgendes hingewiesen werden:
Verbindlich sind Verwaltungsakte, und zwar grundsätzlich nur im Verhältnis erlassende Behörde - Bürger (§ 77 SGG);
bei Rentenbescheiden betrifft dies den Verfügungssatz, mithin Art, Höhe und Dauer der Rente, nicht aber die
Begründung und die zur Begrüdung herangezogenen Sachverhalte, nicht einmal den für den Rentenbeginn und die
Höhe der Rente maßgebenden Versicherungs- bzw. Leistungsfall (BSG vom 28.04.1989 - 5 RJ 39/88 in SozSich
1989, 312; BSG vom 06.09.1989 - 5 RJ 33/88 in SozR 1500 § 77 Nr.70. Anderer Ansicht nur BSG vom 29.06.1984 - 4
RJ 53/83 in SozR 1500 § 54 Nr.61 zu einem vom Versicherungsträger in einem bewilligenden Rentenbescheid positiv
festgestellten Leistungsfall; kritisch hierzu BSG vom 06.09.1989, a.a.O.). Rechtskräftig (§ 141 Abs.1 SGG) werden
Urteile und Gerichtsbescheide - nur im Verhältnis der Prozessbeteiligten - im Urteilsspruch (Tenor) und nicht in der
Begründung; auch das bezieht sich im Hinblick auf Rentenleistungen wiederum nur auf die wesentlichen Elemente der
Rentenfestsetzung. Eine mittelbare, auf Verwaltungsakte oder Urteile beruhende Bindung der nicht am Prozess
Beteiligten oder der nicht von einem Verwaltungsakt Betroffenen kann nur insoweit eintreten, als es die von der
Rechtskraft zu unterscheidende Gestaltungs-, Tatbestands- oder Feststellungswirkung betrifft oder aufgrund des
Gesetzes bestimmte Ergebnisse von Dritten ungeprüft als feststehend zu übernehmen sind. Insoweit handelt es sich
um "Sonderfälle", die im jetzigen Rechtsstreit der Klägerin nicht gegeben sind. Vielmehr sind alle ihre Konstruktionen
über die Verbindlichkeit irgendwelcher tatsächlich gegebener oder auch nur behaupteter Umstände unzutreffend.
Insbesondere hat sie verkannt, dass im Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg S 8 Al 5/92 Prozessbeteiligte
die Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt) und nicht die jetzige Beklagte (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte,
genannt ab 01.10.2005 Deutsche Rentenversichtung Bund) war, und dass im Übrigen keine Entscheidung (Urteil,
Gerichtsbescheid) des Sozialgerichts Regensburg erging, vielmehr die Klagerücknahme erfolgte, weil die
Bundesanstalt für Arbeit - wiederum nicht verbindlich für die jetzige Beklagte - in gewissen Schranken Zugeständnisse
hinsichtlich der beruflichen Rehabilitation machte.
Verkannt hatte die Klägerin ferner die materiell-rechtlichen Zusammenhänge. Im Rechtsstreit S 8 Al 5/92 ging es um
die Erforderlichkeit einer beruflichen Rehabilitation, die u.a. davon abhing, ob sie die bisherige Tätigkeit als
Altenpflegerin noch verrichten konnte. Davon unabhängig ist die Frage der Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit,
über die die Bundesanstalt für Arbeit (und das Sozialgericht in Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung) nicht
entscheiden konnte und durfte; die alleinige Entscheidungskompetenz hierüber haben kraft Gesetzes die
Rentenversicherungsträger, damit im Übrigen auch nicht die Krankenkasse bzw. die Deutsche Angestellten-
Krankenkasse.
Wird für die damalige Zeit im Rahmen der beruflichen Rehabilitation angenommen, dass die Klägerin den bisherigen
Beruf der Altenpflegerin nicht mehr ausüben konnte, steht damit keineswegs ein Anspruch auf
Berufsunfähigkeitsrente fest. Die Berufsunfähigkeit hing weiterhin davon ab, ob die Klägerin auch andere Tätigkeiten
gleichwertiger oder niedrigerer Art nicht mehr verrichten hätte können. Erst recht betraf das Verfahren S 8 Al 5/92
keinesfalls die Frage der Erwerbsunfähigkeit, die nur gegeben wäre, wenn die Klägerin außerstande gewesen wäre,
eine Erwerbstätigkeit jeder Art (ungelernte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes) zu verrichten (§ 44 Abs.2 SGB
VI in der ab 01.01.1992 geltenden Fassung); diese Vorschrift gilt bei den nach dem 01.04.1992 gestellten
Rentenanträgen auch für vor dem 01.01.1992 beginnende Leistungen (vgl. ferner § 24 AVG als vorausgehendes Recht
mit gleichlautender Regelung).
Über die ehemals vom Rentenversicherungsträger zu entscheidende Frage, ob und vor allem wann Erwerbsunfähigkeit
- auf Dauer oder voraussichtlich auf Zeit - eingetreten war und ob anstelle einer Berentung eine medizinische
Rehabilitation zur Verhinderung oder zur Behebung von Erwerbsunfähigkeit angebracht war, wurde im Verfahren S 8 Al
5/92 nichts geregelt und hätte auch nichts geregelt werden können. Allenfalls bestand damals seitens des
Arbeitsamts (und möglicherweise beim Sozialgericht) die Ansicht, dass die Klägerin zwar nicht mehr als Altenpflegerin
tätig sein konnte, aber noch nicht als endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden zu betrachten war, nur derzeit
(Untersuchungen der Klägerin am 20. und 28.01.1993 durch Dr.S.) unfähig zur Teilnahme an beruflichen
Rehabilitationsmaßnahmen gewesen ist. Mehr als ein (für den im- unverbindlicher) Eindruck einer möglichen, aber
dann nur zeitweise ab Januar 1993 und nicht seit September 1991 bestehenden Erwerbsunfähigkeit war nie gegeben.
1.3.2. Die Erwerbsunfähigkeit (bzw. jetzt die Unrichtigkeit der ehemaligen Feststellung der Erwerbsunfähigkeit) war
von der Beklagten vielmehr - wie bereits ausgeführt - selbständig in eigener Verantwortung zu beurteilen, und im
maßgebenden bis April 1998 reichenden Zeitraum (Klagerücknahme im Verfahren S 11 RA 154/96) anhand der
vorhandenen ärztlichen Unterlagen von 1991 (Heilverfahren) bis hin zu den im Jahr 1996 erstellten Gutachten des
Nervenarztes Dr.K. und des Internisten Dr.L. zu prüfen. Für die Frage der Erwerbsunfähigkeit war es aber nicht, wie
die Klägerin zu glauben scheint, von wesentlicher Bedeutung, ob sie den Beruf der Altenpflegerin mit dem 30.09.1991
gesundheitsbedingt aufgegeben hat oder diesen in zumutbarer Weise - zumindest einige Zeit noch - hätte verrichten
können.
Nach den geschilderten Grundsätzen haben auch die Sozialgerichte eine Überprüfung vorzunehmen. Der Senat
vermag eine Erwerbsunfähigkeit der Klägerin vor dem 06.02.1992 (Abbruch der Ausbildung zur Unterrichtsschwester)
nicht festzustellen. Ohne wesentliche Auswirkung waren damals die Gesundheitsstörungen der Klägerin auf
orthopädischem Gebiet. Obwohl Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulen-Syndrome wiederholt festgestellt worden
sind, die Klägerin brachte einmal sogar diffuse Beschwerden am ganzen Körper und an den Gelenken vor, fanden sich
auf orthopädischem Gebiet keine bedeutsamen Veränderungen und auf neurologischem Gebiet keine
Wurzelreizsyndrome oder eine sonstige Nervenbeteiligung. Mehr als eine wiederholte Verspannung der Muskulatur der
Halswirbelsäule oder/und der Lendenwirbelsäule und Myogelosen haben sich von 1991 bis 1996 nie feststellen lassen.
Selbst bei leichtgradiger Wirbelsäulen-Fehlstatik und (etwas zweifelhafter) muskulärer Wirbelsäuleninsuffizienz (so
das Gutachten des Dr.E. vom 06.09.1991 für das Arbeitsamt) - der behandelnde Orthopäde Dr.R. konnte aber eine
vertebragene Ursache nicht feststellen - waren die Wirbelsäulenfunktionen der Klägerin nicht erheblich eingeschränkt;
insgesamt gesehen ergaben sich nur endgradige Bewegungseinschränkungen, die anlässlich mancher
Untersuchungen auch wieder fehlten; wiederholt waren angegebene Beschwerden nicht zu objektivieren (vgl. Bericht
zum Heilverfahren vom 21.08. bis 18.09.1991, ferner die Gutachten des Dr.E. vom 06.09.1991, des Dr.F. vom
12.01.1994, des Dr.L. vom 08.11.1994 und 16.04.1996 und des Dr.K. vom 16.04.1996).
Wenn demgemäß auch eine larvierte Depression (Gutachten des Dr.E. vom 06.09.1991) bzw. eine psychogene
Überlagerung ohne Vorliegen einer Depression im engeren Sinne und ohne durchgehende depressive Verstimmung
(Arztbrief des Dr.K. vom 10.08.1991) vermutet wurde, so erschien die Klägerin allein in Bezug auf die
Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und neurologischem Gebiet (einschließlich psychogener Überlagerung)
fähig, mittelschwere und leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Heben und Tragen schwerer Lasten
und ohne anhaltende, einseitig fixierte Körperhaltung bis zum 06.02.1992 zu verrichten. Mehr lässt sich aus den
ärztlichen Unterlagen nach Überzeugung des Senats, die von allen Gutachten gedeckt wird, nicht herleiten. Hiergegen
sprechen auch nicht die im Jahre 1991 bestehenden vier Zeiten der Arbeitsunfähigkeit aufgrund Beschwerden seitens
der Wirbelsäule. Zunächst bezieht sich der Begriff der Arbeitsunfähigkeit auf den aktuell bzw. zuletzt ausgeübten
Beruf und nicht die Fähigkeit/Unfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Weiterhin lagen nur
vorübergehende Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vor, die mit der Dauer von zwei bis 41 Tagen nicht als anhaltend im
Sinne der Erwerbsunfähigkeit - hier wird vom Gesetz eine Dauer von mindestens sechs Monaten vorausgesetzt - zu
werten waren; außerdem waren die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nicht dermaßen gehäuft, dass eine verwertbare
Arbeitsleistung in den Zwischenzeiten ausgeschlossen werden konnte. Die Befunde und Beschwerden der Klägerin
seitens der Wirbelsäule waren von 1991 bis 1996 im Wesentlichen gleichbleibend, so dass auch insoweit keine
Änderung in der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit angebracht ist.
Im Vordergrund des damaligen Krankheitsbildes standen ein psychovegetatives Syndrom, sich allmählich entwickelde
Wahnvorstellungen (rezidivierende Schübe) und eine im Laufe der Jahre abnehmende psychische Leistungsfähigkeit
auch außerhalb der Zeiträume florider Phasen. Auch anhand dieser Tatbestände konnte der Senat für die Zeit bis zum
06.02.1992 aber nicht eine rentenerheblich eingeschränkte Erwerbsfähigkeit feststellen. Im Bericht zum Heilverfahren
1991 wurde an Nebendiagnosen nur ein psychovegetatives Syndrom angeführt, die Befunde waren allerdings
leichtester Art (keine vegetativen Stigmata, situationsgerechtes Verhalten, letztlich nur von der Klägerin angegebene
Beschwerden über Müdigkeit und Mattigkeit und ein von den Ärzten als psychisch auffälliger Befund festgestellter
"leicht agitierter Eindruck"). Kurze Zeit zuvor hatte der Neurologe und Psychiater Dr.F. in seinem Arztbrief vom
23.07.1991 an Dr.E. bei unauffälligen Befunden (ausgeglichene Stimmungslage, normaler Antrieb, keine
Impulsauffälligkeiten, korrekte mnestische Funktionen usw.) eine geordnete psychische Situation bescheinigt. Auch
der Neurologe und Psychiater Dr.K. berichtete in seinem Arztbrief vom 10.08.1991 an Dr.E. nur von einer gewissen
selbstbeobachtenden Grundhaltung der Klägerin bei psychisch unauffälligem Verhalten; ein depressiver
Verstimmungszustand - die Klägerin hatte solche Zustände verneint - fand sich nicht, wenn auch dem Dr.K. frühere
Verstimmungen nicht ausgeschlossen schienen; letztlich ergab sich lediglich die Vermutung einer psychogenen
Überlagerung von Beschwerden auf orthopädischem Gebiet, die der Orthopäde Dr.R. wegen Fehlens organischer
Befunde bereits in seinem Arztbrief vom 26.03.1991 geäußert hatte. Die anschließend von Dr.E. im Gutachten vom
06.09.1991 (Untersuchung der Klägerin am 19.07.1991) festgehaltene "psychische Überlagerung mit Verdacht auf
larvierte Depression" (dennoch vollschichtiges Erwerbsvermögen) hat sich insoweit nicht bestätigt, als in den
folgenden neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr.S. vom 05.02.1993, des Dr.F. vom 12.01.1994 und des
Dr.K. vom 16.04.1996 ein depressives Syndrom ausgeschlossen werden konnte.
Eine fachärztliche Behandlung der Klägerin fand im Übrigen in den Jahren 1991 und 1992 nicht statt, und der
behandelnde Allgemeinmediziner und Hausarzt Dr.G. stellte in seinem Befundbericht vom 08.12.1992 für das
Sozialgericht Regensburg (S 8 Al 5/92) an Beschwerden und Befunden für den genannten Zeitraum in psychischer
Hinsicht eine Nervosität und an Diagnosen ein psychovegetatives Syndrom fest.
Bis zum 30.09.1991, dem für die Klägerin in Hinblick auf ihre Zusatzversorgung maßgebenden Stichtag, ergaben sich
keine gravierenden Gesundheitsstörungen. Ihr Leistungsvermögen war bis zu der von ihr seit Monaten geplanten
Aufgabe der Tätigkeit als Altenpflegerin wegen Weiterbildung zur Unterrichtsschwester ab 01.10.1991 in zeitlicher
Hinsicht nicht eingeschränkt; nur in qualitativer Hinsicht kann angenommen werden, dass Erwerbstätigkeiten mit
besonderer psychischer Beanspruchung nicht mehr zumutbar waren. Angesichts der zahlreichen Arbeitsplätze des
allgemeinen Arbeitsmarktes fielen aber die qualitativen Einschränkungen auf psychiatrischem wie auch auf
orthopädischem Gebiet nicht so sehr ins Gewicht, dass die Vermutung oder Annahme gerechtfertigt wäre, der
Klägerin sei damals der Areitsmarkt verschlossen gewesen.
Ein wesentlich geänderter Gesundheitszustand kann erstmals in gesicherter Weise anhand der Untersuchungen des
Dr.S. am 20. und 28.01.1993 (Gutachten vom 05.02.1993 mit psychologischem Test) festgestellt werden. Hier
erschien die Klägerin affektiv unbeweglich bis starr und zeigte eine deutliche Wahnstimmung mit hohem Affektdruck.
Sie erschien logorrhoisch, fahrig, hintergründig misstrauisch, latent aggressiv, im Denkablauf assoziativ gelockert und
in der sachlichen Aussage unkritisch. Beeinträchtigt zeigte sie sich durch eine in die Zeit der Schwesternausbildung
ab 01.10.1991 fallende "Involvierung" in verbrecherische Machenschaften (Drogenhandel) der Mafia, wobei ohne ihr
Wissen Drogen in ihrer Wohnung gelagert worden seien, was sie durch leicht gelbliche Verfärbung ihrer Möbel und
untrügliche Zeichen dafür, dass jemand in ihrer Abwesenheit in der Wohnung herumgerannt sei, bemerkt habe. Sie
äußerte vage Vermutungen über gewisse Zusammenhänge mit einem im Jahre 1988 entführten Mesner und frustrane
Bemühungen um die wegen Aufklärung ihres Falles mehrfach angegangene und desinteressierte Kriminalpolizei, und
teilte auch mit, dass sie sehr viel Geld in die Beauftragung einer Privatdektei (u.a. Videoüberwachung) investiert habe
und jetzt unmittelbar vor der Aufklärung stehe. Details hierzu waren nicht in Erfahrung zu bringen, nach vagen und
andeutenden, nahezu inhaltsleeren Aussagen hatte die Klägerin stets abgeblockt (Dieses Verhalten war auch in den
folgenden Jahren zu beobachten, sofern die Klägerin nicht ihre Angaben bei Dr.S. ganz oder teilweise wieder in
Abrede stellte). Insgesamt ergab sich das Bild einer irgendwann in der Zeit zwischen Oktober 1991 und Februar 1992
einsetzenden psychischen Störung, die an Stärke im Laufe der weiteren Zeit zunahm (progrediente psychiatrische
Erkrankung mit ständiger Bearbeitung der Erlebnisse und Ausdifferenzierung), die zunehmend handlungsbestimmend
wurde und im Januar 1993 - zumindest auf kürzere Sicht - nicht behebbar gewesen ist. Schlüssig hat Dr.S. dargelegt,
dass derzeit eine besonders aktive Phase der Erkrankung vorliege, die die Klägerin an Erwerbstätigkeiten hindere.
Aussagen, ab wann und bis wann voraussichtlich eine die Erwerbstätigkeit (und die Umschulung) hindernde
Erkrankung vorliege, hat Dr.S. nicht getroffen. Der Beginn der "Erlebnisse" der Klägerin konnte nur aufgrund vager
Angaben der Klägerin in die Zeit von Oktober 1991 bis Februar 1992 datiert werden, wobei die Zunahme der
Erkrankung mit dem Zeitpunkt der erheblichen Einschränkung des Erlebnisspielraums, der Denkmöglichkeiten und der
Handlungsunfähigkeit im Erwerbsleben offen bleiben musste. Hinsichtlich des möglichen Endes einer
rentenerheblichen Einschränkung des Erwerbsvermögens findet sich im Gutachten vom 05.02.1993 allenfalls der
Anhaltspunkt, dass es einerseits auch weniger aktive Phasen im Krankheitsverlauf geben wird, andererseits seitens
der Klägerin jegliche Krankheitseinsicht und auch ein spezielles Krankheitsgefühl fehlen, womit die Prognose gestellt
werden konnte, dass nur bei einschlägiger Behandlung, der die Klägerin immer ablehnend gegenüber stand (vgl. hierzu
auch die Ablehnung eines psychosomatischen Heilverfahrens im Jahre 1994) eine wesentliche Besserung möglich
erschien.
Nach Untersuchung der Klägerin durch Dr.S. im Januar 1993 war der Krankheitsverlauf durch wechselnd starke
Symptome gekennzeichnet. Beim Nervenarzt Dr.F. erschien die Klägerin bei vegetativ verstärkten Stigmata lediglich
im Affekt labil besetzt (unvermitteltes Weinen) und im Übrigen psychisch unauffällig, wobei der Sachverständige aber
auch auf eine derzeit nicht sichere Beurteilung von Wahrnehmungsstörungen und über psychovegetative
Funktionsstörungen hinausgehende Gesundheitsstörungen hinwies (Gutachten vom 29.07.1994 für das Arbeitsamt).
Dr.S. stellte in seinem Gutachten vom 29.07.1994 für das Arbeitsamt ein ähnliches Verhalten der Klägerin wie bei
Dr.S. fest und diagnostizierte ein fixiertes Wahnsyndrom. Der Nervenarzt Dr.K. (Gutachten vom 16.04.1996 für die
Beklagte) bezeichnete das Verhalten der Klägerin bei seiner Untersuchung als sehr reizbar, mitunter etwas aggressiv,
misstrauisch, krankheitsuneinsichtig, abblockend hinsichtlich irgendwelcher "Beeinträchtigungserlebnisse" und
mitunter sehr affektlabil. Erstmals gab sie hier noch einen vagen Hinweis auf ein Mobbing am Arbeitsplatz, bezogen
auf die Tätigkeit der Altenpflegerin, insbesondere hier wiederum auf die Zeit der Heim- bzw. Stationsleitung an, wobei
Dr.K. auch insoweit eine krankhafte Überbewertung konstatierte. War auch eine Wahnstörung im Jahre 1996 nicht
sicher feststellbar, so sicherlich jedoch überwertige Beeinträchtungsideen von wahnhaftem Charakter und funktionelle,
das heißt nicht organisch bedingte Störungen der Muskulatur und des Skelettsystems. Aufgrund der psychischen
Situation erschien eine Arbeitsleistung nicht möglich.
Den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit datierte Dr.F. auf die Arbeitsunfähigkeit vom 06.02.1992. Der Senat schließt sich
dem an, wobei er nicht verkennt, dass der Sachverständige offenbar von der unrichtigen Annahme ausging, dass
ununterbrochen seit dem 06.02.1992 Arbeitsunfähigkeit vorliege. Richtigerweise bestanden drei Zeiten der
Arbeitsunfähigkeit, und zwar vom 06.02. bis 18.03.1992 wegen erheblich psychovegetativer
Dekompensation/Erschöpfungszustand (von Wahnstörung ist hier noch nicht die Rede, eine fachärztliche
Untersuchung oder Behandlung der Klägerin fehlte im Jahre 1992), vom 17.03.1993 bis 31.07.1994 wegen schwerer
psychotischer Dekompensation und vom 27.03. bis 04.04.1995 wegen schwerer psychischer Dekompensation. Hinzu
kamen aber andere Zeiten mit Phasen einer erheblichen Beeinträchtigung (vgl. Dr.S. für Januar 1993, Dr.S. für die
Zeit ab Juli 1994 und Dr.K. für April 1996).
In Anbetracht des schwankenden Verlaufs der Krankheit stellt der Senat unter zusätzlicher Berücksichtigung des
Gutachtens des Dr.S. auf den 06.02.1992 als Stichtag ab. Zu diesem Zeitpunkt war bei mutmaßlichem Beginn von
wahnhaften Ideen in der Zeit als Ausbildung als Lernschwester (01.10.1991 bis 06.02.1992) die Handlungsfähigkeit der
Klägerin bereits soweit herabgesetzt, dass ein Abbruch der Ausbildung erfolgte. Auch in der Zeit vom 19.03.1992 bis
16.03.1993 und vom 01.08.1994 bis 26.03.1995 zwischen den Zeiträumen der Arbeitsunfähigkeit lag bei geringer
ausgeprägtem Krankheitsbild Erwerbsunfähigkeit vor. Aufgrund des Krankheitsverlaufs - dies war im Übrigen auch die
Ansicht des Ärztlichen Dienstes der Beklagten - war die Klägerin so erheblich beeinträchtigt, dass Abhilfe nur durch
eine stationäre Heilbehandlung zu erwarten war und eine rentenerhebliche Beeinträchtigung von mehr als sechs
Monaten jedenfalls vorlag. Hinzu kamen eine durch die Art der Gesundheitsstörung bedingte fehlende
Krankheitseinsicht und ein fehlendes Krankheitsgefühl der Klägerin mit der Folge einer (unverschuldeten)
Behandlungsunwilligkeit und der Vereitelung geeigneter psychiatrischer und therapeutischer Maßnahmen. Die Klägerin
hatte sich bereits bei Stellung des Antrags auf eine medizinische Rehabilitation vom 06.08.1993 von der Deutschen
Angestellten-Krankenkasse hierzu gezwungen gesehen und zeigte in der Verhandlung am 05.08.1993 des
Sozialgerichts Regensburg nur scheinbar Behandlungsbereitschaft; wie der weitere Verlauf ergab, betraf diese nur die
Behandlung allgemeiner und orthopädischer Gesundheitsstörungen, nicht aber die notwendigen psychosomatischen,
psychiatrischen und psychologischen Maßnahmen.
Dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bereits mit dem 06.02.1992 steht auch im Wesentlichen die Ansicht der
Beklagten nicht entgegen, "mit dem Gutachten des Dr.S. vom 05.02.1993" (richtig wäre dann der Zeitpunkt der
Untersuchungen am 20.01. und 28.01.1993 gewesen) bzw. "mit Arbeitsunfähigkeit" (so ausdrücklich der Ärztliche
Dienst der Beklagten) sei die Erfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente anzunehmen. Wohl aus
"Verlegenheit" wurde dann zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit ab 17.03.1993 gegriffen, die mit den Feststellungen des
Dr.S. nicht übereinstimmen kann; der Beklagten war nämlich die vorausgehende Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom
06.02. bis 18.03.1992 (erste Dekompensation der Klägerin) nach Inhalt der Versichertenakten unbekannt.
Unter Berücksichtigung aller Umstände ist ein Leistungsfall vom 06.02.1992 gerechtfertigt, aber auch ein Leistungsfall
vor diesem Zeitpunkt - nach Ansicht der Klägerin der 01.10.1991 bzw. der 30.09.1991 - ausgeschlossen. Die hierzu
von der Klägerin vorgebrachten Argumente vermögen in keiner Weise zu überzeugen. Zwar ist der Beginn der
psychischen Erkrankung in die Zeit vom 01.10.1991 bis 06.02.1992 laut Gutachten des Dr.S. zu datieren und kann
möglicherweise sogar schon in den Jahren 1990 und 1991 ("psychovegetatives Syndrom") vorgelegen haben, wofür
aber die bisher von der Klägerin verweigerten anamnestischen Angaben, wenn sie noch nachträglich erfolgen würden,
alleine nicht beweiskräftig wären und heute die nach dem Gesetz notwendigen sicheren Feststellungen nicht mehr
getroffen werden können. Laut dem Bericht zu dem von der Klägerin vom 21.08. bis 18.09.1991 durchlaufenen
Heilverfahren bestand im September 1991 noch Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Die Klägerin verkennt, dass der Beginn
einer Erkrankung nicht gleichzusetzen ist mit einem so schwerwiegenden Stadium der Erkrankung, dass hierdurch
das Erwerbsvermögen in rentenminderndem Grad herabgesetzt wird. Die Schwelle, wann eine Gesundheitsstörung in
ihrem Verlauf ein so erhebliches Gewicht erreicht, ist bei der Klägerin frühesten mit dem 06.02.1992 objektivierbar.
Jeder vorherige Zeitpunkt beruht auf Spekulationen und bewegt sich im Rahmen des Möglichen bis Wahrscheinlichen.
Nach dem Gesetz ist jedoch die sichere Feststellung, der volle Beweis, notwendig. Ein ungeklärter (und auch nicht
mehr aufklärbarer) Sachverhalt geht zu Lasten des von der Klägerin verfolgten Anspruchs.
1.3.3. Bei den in den Jahren 1999 und 2001 gestellten Anträgen gemäß § 44 SGB X war eine Neufeststellung der
Rente für die Zeit ab 01.10.1991 wie auch ab 01.01.1995 oder 01.01.1997 aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen,
auch wenn der Leistungsfall vom 17.03.1993 unrichtig war und mit dem 06.02.1992 hätte angenommen werden
müssen. Da es sich bei der Frist gemäß § 44 Abs.4 SGB X um eine gesetzliche Ausschlussfrist handelt, sind die im
Gesetz für die Verjährung geregelten Fälle der Hemmung und Unterbrechung der Frist nicht anwendbar. Die
Beachtung der Ausschlussfrist ist zwingend vom Gesetz vorgesehen, die Beklagte muss sich nicht hierauf wie bei
der Verjährungseinrede berufen. Die Frist gilt auch dann, wenn die Beklagte - objektiv gesehen - das Recht unrichtig
angewandt hat, mithin die Bescheide vom 09.10.1995 und 20.05.1996 (teilweise) rechtswidrig waren; denn die
Ausschlussfrist des § 44 Abs.4 SGB X ist vom Gesetzgeber - zur Wahrung des Rechtsfriedens nach Ablauf einiger
Jahre - gerade für den Fall der unrichtigen Rechtsanwendung in einem Verwaltungsakt (§ 44 Abs.1 SGB X)
vorgesehen. Mit dem Einwand, dass die Beklagte vom Sozialgericht Regensburg (hier hätte die Klägerin besser den
Gesetzgeber nennen sollen) die richtige Entscheidung zwischen medizinischer Rehabilitation oder Rente übertragen
worden ist und daher eine "Berufung" auf § 44 Abs.4 SGB X unzulässig ist, kann sie kein Gehör finden.
Unzutreffend ist ferner ihr Argument, sie habe bereits mit Widerspruch vom 09.11.1995 gegen den Bescheid vom
09.10.1995 einen Antrag gemäß § 44 SGB X gestellt. Ihr damaliger Vortrag, dass ein Rentenantrag bereits in dem
Rehabilitationsantrag vom 24.01.1991 liege (sachlich bereits deswegen unrichtig, weil bis zum Schluss des
Heilverfahrens am 18.09.1991 Erwerbsunfähigkeit nicht gegeben war) ist nur als Vorbringen bzw. Begehren im
Rahmen des Widerspruchsverfahrens und später im Rahmen des Klageverfahrens S 11 RA 154/96 zu werten und hat
mit Bestandskraft der damals angefochtenen Rentenbescheide infolge Rücknahme der Klage am 29.04.1998 seine
vollständige Erledigung gefunden.
2. Die in der Berufungsinstanz erstmals erhobene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs.5 SGG), die Beklagte zur
Gewährung des rechtlichen Gehörs hinsichtlich des Rentenbeginns zu verpflichten, ist unzulässig und war daher
abzuweisen.
Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ist mehrdeutig gefasst und kann einmal so verstanden werden, dass die
Beklagte nach Erstellung des Gutachtens des Dr.S. vom 05.09.1993 und nach dem Termin beim Sozialgericht
Regensburg S 8 Al 5/92 am 05.08.1993 weitere Gutachten zur Frage der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit teils
beigezogen hat und teils erstellen hat lassen und sie, die Klägerin, vor erstmaliger Entscheidung über die Rente mit
Bescheid vom 09.10.1995 nicht hierüber informiert hat. Möglich ist es auch, dass die Klägerin meinte, sie hätte nach
Stellung des Neufeststellungsantrags vom 23.10.2001 vor Erteilung des Bescheides vom 03.01.2002 gehört werden
müssen.
Unabhängig von diesem unklaren Sachverhalt war die Klage jedenfalls unzulässig. Sie stellt eine Änderung der Klage
("Klageerweiterung") dar, und die Beklagte hat sich in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung nicht
darauf eingelassen, vielmehr dieser widersprochen (§ 99 Abs.1, Fall 1 und Abs.2 SGG); der Senat hält die Änderung
nicht für sachdienlich, weil der Rechtsstreit entscheidungsreif ist und selbst ein unterstellter Fehler der Beklagten im
Verwaltungsverfahren nichts am Ergebnis des Rechtsstreits ändern würde (§ 99 Abs.1, Fall 2 SGG).
Unabhängig von der Unzulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage wegen Anhörung ist der Senat bereits bei der
rechtlichen Überprüfung im Rahmen des § 44 SGB X zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Fehlerhaftigkeit der
streitgegenständlichen Bescheide sowie auch der bereits bestandskräftigen Bescheide wegen Verstoßes der
Beklagten gegen eine Verfahrensvorschrift des SGB X nicht vorliegt.
§ 24 Abs.1 SGB X normiert einen Anspruch auf Anhörung, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte
eines Beteiligten eingreift; der Anhörungsmangel kann geheilt werden und ist unbeachtlich, wenn eine gebotene
Anhörung bis zur letzten Tatsacheninstanz nachgeholt wird (§ 41 Abs.1 Nr.3 und Abs.2, § 42 Satz 2 SGB X). Ein
nicht geheilter und damit rechtlich erheblicher Anhörungsmangel kann aber schon deswegen nicht vorliegen, weil mit
dem streitgegenständlichen Bescheid vom 03.01.2002 kein Eingriff in Rechte der Klägerin verbunden gewesen ist. In
dem diesbezüglichen Verfahren gemäß § 44 SGB X ging es allein darum, eine bestandskräftig festgestellte
Rechtsposition der Klägerin zu verbessern, und die Beklagte hatte dies nur abgelehnt und nicht darüber hinaus die
vorgegebene Rechtsposition der Klägerin verschlechtert.
Weiterhin hatte die Klägerin vor Erteilung des bereits bestandskräftigen Bescheides vom 09.10.1995 keine
Rechtsposition im Sinne des § 24 SGB X inne, in die eingegriffen werden konnte (BSG vom 01.03.1979 - 6 Rka 17/77
in SozR 1200 § 34 Nr.8); die Vorschrift bezieht sich sinngemäß nicht auf Bescheide, mit denen über das Bestehen
und den Umfang eines vom Antragsteller lediglich behaupteten Rechts entschieden wird, also auch nicht auf
ablehnende Verwaltungsakte, mit denen erstmals über beantragte Rentenleistungen entschieden wird.
Im Übrigen wäre selbst bei Vorliegen eines Verfahrensfehlers der Beklagten eine Korrektur der bestandskräftigen
Bescheide der Beklagten vom 09.10.1995, 21.03.1996 und 20.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.08.1996 nicht erreichbar. Verfahrensfehler führen allein für sich nicht zur Aufhebung oder Abänderung
bestandskräftiger Bescheide, abgesehen von dem in der Rechtsprechung umstrittenen Fall, dass eine bereits mit
Verwaltungsakt zuerkannte Rechtsposition durch einen weiteren bestandskräftigen Bescheid ohne Anhörung entzogen
worden ist (vgl. von Wulffen, SGB X, 5. Auflage, Rdz.3 zu § 44).
Weder die Berufung der Klägerin noch ihre in zweiter Instanz erstmals erhobene Klage konnten Erfolg haben. Die
Kostenentscheidung beruht unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.