Urteil des LSG Bayern vom 19.01.2006

LSG Bayern: verschlechterung des gesundheitszustandes, bayern, kostenvoranschlag, versorgung, unterbringung, stift, lagerung, pflegebedürftigkeit, betriebskrankenkasse, verfügung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 19.01.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 2 SO 35/05 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 11 B 581/05 SO ER
I. Die Beschwerde gegen die Ziffern I und II des Beschlusses des Sozialgerichts Landshut vom 21.07.2005 wird
zurückgewiesen. II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt U. , G. ,
wird abgelehnt. III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Tagespflege durch den Antragsgegner (Ag) über den
31.05.2005 hinaus in Höhe von monatlich 1.000,00 EUR.
Der 1954 geborene Antragsteller (ASt) ist pflegebedürftig in der Pflegestufe III. Er leidet an einer chronischen
progredienten multiplen Sklerose, Harn- sowie Darminkontinenz sowie an einem Dekubitus linker Trochander.
Seit dem 01.08.1988 wohnt er in einer 37,29 qm großen Wohnung, bestehend aus einem Zimmer, einer Küche, einem
Bad und einer Terrasse in der "M." in Bad G ... Träger der Einrichtung ist der Verein H. e.V. für selbstbestimmtes
Wohnen Behinderter. Die Pflege des ASt wird dort vom Pflegedienst "F. Pflegeteam" durchgeführt.
Auf Veranlassung des Einrichtungsträgers erfolgte am 02.03.2005 eine Untersuchung des ASt durch den
Medzinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK). In seinem Gutachten vom selben Tag kommt der
MDK zu dem Ergebnis, dass der notwendige medizinisch-pflegerische Hilfsbedarf des ASt pro Tag mindestens 7
Stunden und 27 Minuten an Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege erforderlich mache. Für die Durchführung der
Körperwäsche, das An- und Auskleiden sowie die Lagerungen sei eine professionelle Pflegekraft neben einer privaten
Pflegeperson regelmäßig auch in der Nacht erforderlich. Der von dem ambulanten Pflegedienst "F. Pflegeteam"
erbrachte dokumentierte Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege erfülle diese Voraussetzungen nicht.
Daraufhin erstellte der ambulante Pflegedienst "F. Pflegeteam" am 30.03.2005 einen Kostenvoranschlag. Danach
beträgt der ungedeckte Pflegeaufwand beim ASt monatlich 2.463,00 EUR. Der Gesamtbetrag der Pflegeleistungen
beläuft sich auf monatlich 4.381,00 EUR. Hiervon trage die Pflegekasse als Pflegesachleistung in der Pflegestufe III
1.918,00 EUR. Als Einkommen des ASt zu berücksichtigen sei zudem eine Rente wegen Erwerbsminderung von
monatlich 759,33 EUR sowie Wohngeld in Höhe von 37,00 EUR monatlich.
Eine Vergleichsberechnung des Ag vom 12.04.2005 ergab, dass den errechneten ungedeckten Kosten bei ambulanter
Pflege in Höhe von 2.463,00 EUR im Falle der stationären Unterbringung des ASt ungedeckte Heimkosten in Höhe
von 941,90 EUR gegenüber stehen. Die Kosten der ambulanten Betreuung überstiegen deshalb die Kosten einer
stationären Pflege um etwa das Zweieinhalbfache.
Mit Bescheid vom 18.04.2005 übernahm der Ag daraufhin die Kosten der Pflege des ASt durch den Pflegedienst "F.
Pflegeteam" gemäß Kostenvoranschlag vom 03.03.2005 bis zur Heimunterbringung des ASt, längstens jedoch bis
zum 31.05.2005. Die vom ASt gewünschte häusliche Pflege verursache unverhältnismäßig hohe Pflegekosten. In
verschiedenen Einrichtungen in seiner näheren Umgebung könnten dem ASt individuell mehrere Wohn- und
Pflegeformen angeboten werden.
Hiergegen erhob der ASt mit Schriftsatz vom 06.05.2005 Widerspruch, den die Regierung von Niederbayern mit
Widerspruchsbescheid vom 22.08.2005 zurückgewiesen hat. Der ASt erhob hiergegen am 22.09.2005 Klage beim
Sozialgericht Landshut (SG).
Am 06.06.2005 beantragte der ASt beim SG, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm bis
zum Abschluss der Hauptsache Hilfe zur Pflege in Höhe von 1.000,00 EUR monatlich, entsprechend den bisherigen
Leistungen bis Februar 2005, zu bewilligen.
Der ASt sehe seine ordnungsgemäße Versorgung gefährdet, wenn die Pflegeleistungen nicht auf dem bisherigen
Niveau fortgeführt werden könnten. Der MDK sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die bisher erbrachten Leistungen
ohnehin nicht ausreichten, um die Pflege des ASt im erforderlichen Umfang zu gewährleisten. Auch wenn die
Pflegekasse der Ansicht sei, dass eine vollstationäre Versorgung des ASt geboten sei, gebe es keine Norm, die es
der Pflegekasse gestatten würde, die Pflegesachleistungen im Sinne des § 36 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
XI) einzustellen oder diese Einstellung anzudrohen, solange der Versicherte zu Hause bleibe. Der ASt sei 1998
bewusst in die "M." gezogen. Er lebe dort schon mehrere Jahre zusammen mit anderen Menschen, die, ebenso wie
er, an der multiplen Sklerose leiden. Im Falle des Umzuges in ein Pflegeheim würden die Kontakte abbrechen. Im
Gegensatz zu einer stationären Einrichtung sei der ASt weiterhin in der Lage, seinen Tagesablauf selbst zu gestalten.
Ein Umzug in ein Pflegeheim würde dem ASt darüber hinaus schwer belasten.
Der Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.
Ein Anspruch auf Übernahme der ambulanten Pflege in Höhe von 1.000,00 EUR monatlich sei nicht gegeben, weil
damit die erforderliche Pflege nicht sichergestellt sei und deshalb gemäß § 13 Abs 1 Satz 4 Zwölftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB XII) die ambulante Hilfe ganz zu versagen sei. Dem ASt sei die Unterbringung in eine
geeignete stationäre Einrichtung auch zumutbar. U.a. würde das K.-Stift R. , in unmittelbarer Nachbarschaft der "M."
zur Verfügung stehen. Die Kosten bei einer stationären Unterbringung bzw. im K.-Stift R. beliefen sich bei einem
Tagessatz von 106,47 EUR auf monatlich 3.300,57 EUR. Unter Berücksichtigung des Barbetrages des ASt sowie des
Bedarfs an notwendiger Kleidung errechneten sich monatliche Gesamtkosten in Höhe von 3.389,23 EUR. Nach Abzug
der Leistungen der Pflegekasse und der Rente wegen Erwerbsminderung des ASt verbliebe eine Belastung des
Sozialhilfeträgers in Höhe von 941,90 EUR monatlich.
Mit Schriftsatz vom 17.06.2005 reichte der ASt ein weiteres Gutachten des MDK vom 13.06.2005 nach. Seine Pflege
sei zum Prüfungszeitpunkt gesichert gewesen. Prinzipiell sei seine ambulante Versorgung möglich, falls auch
weiterhin Leistungen im festgestellten Umfang durchgeführt werden könnten. Grundsätzlich sei zwar die medizinische
Voraussetzung für eine stationäre Pflege auf Grund des hohen Pflegeaufwandes gegeben, der ASt wünsche jedoch
die Weiterführung der ambulanten Versorgung.
Mit Beschluss vom 21.07.2005 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Mit
Pflegeleistungen in Höhe von monatlich 1.000,00 EUR könne der Pflegebedürftigkeit des ASt nicht Rechnung
getragen werden. Dem ASt sei auch eine stationäre Unterbringung zumutbar. Die Pflege in dem nahegelegenen K.-
Stift R. decke den Bedarf des ASt in jeder Hinsicht.
Die hiergegen erhobene Beschwerde des ASt ist beim SG am 26.08.2005 eingegangen.
Der ASt beantragt, der Beschwerde stattzugeben und die beim SG beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen.
Er habe mit der Sozialstation, in der er lebe, die Erbringung verschiedener Leistungen vereinbart, für die für den Monat
September 2005 ein Rechnungsbetrag in Höhe von 1.993,00 EUR erstellt wurde. Er errechne hieraus für den Monat
September 2005 einen von der Pflegekasse nicht übernommenen Pflegeaufwand in Höhe von 1.051,80 EUR. Daraus
ergebe sich, dass der vom Ag angesetzte Betrag für ungedeckten Pflegeaufwand in Höhe von 2.430,00 EUR nicht
zutreffe, sondern dass ihm schon mit einem Betrag von zusätzlichen 1.000,00 EUR geholfen werden könne. Er wolle
deshalb diesen Betrag bis auf Weiteres für seine häusliche Pflege erhalten.
Zudem beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren und die Beiordnung
von Rechtsanwalt U. , G ...
Der Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er sei hinsichtlich des Umfanges des Pflegebedarfes an die Entscheidung des MDK in Bayern gebunden (§ 61 Abs 6,
§ 62 SGB XII, § 17 SGB XI). Im Gutachten vom 02.03.2005 habe der MDK in Bayern einen höheren Pflegebedarf als
bis dahin festgestellt. Schon in früherer Zeit seien laufend höhere Kosten für die Pflege des ASt übernommen worden,
als er sie jetzt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlange. So habe der Ag im Oktober 2004 1.369,82 EUR,
im November 2004 1.303,12 EUR, im Dezember 2004 1.343,42 EUR und im Januar 2005 1.288,86 EUR erbracht.
Halte er - der Ag - sich nicht an die Vorgaben des MDK in Bayern, so hätte er letztlich ein nicht abzuschätzendes
Risiko zu tragen.
Der mit Beschluss des SG vom 21.07.2005 zum Verfahren beigeladene Bezirk Niederbayern schließt sich den
Ausführungen des Ag an. Nach § 64 Abs 5 Satz 1 SGB XII setze ein Anspruch auf Pflegegeld voraus, dass der
Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld die erforderliche Pflege in geeigneter Weise selbst sicher stellen könne. Diese
Sicherstellung des notwendigen Pflegebedarfs sei hier nicht gewährleistet. Der neu erstellte Kostenvoranschlag
berücksichtige nur die von der Pflegekasse vergüteten Leistungen in Höhe von 1.918,00 EUR. Für den Beigeladenen
stelle sich damit die Frage, nach welchen Kriterien die Sozialstation ihre Kostenvoranschläge erstelle, ob nach dem
tatsächlichen Bedarf des Pflegebedürftigen oder nach der Zahlungsbereitschaft der öffentlichen Sozialleistungsträger.
Der ASt gehe im Übrigen zudem selbst davon aus, dass die angebotenen Leistungen der Sozialstation nicht
Der ASt gehe im Übrigen zudem selbst davon aus, dass die angebotenen Leistungen der Sozialstation nicht
ausreichten, weil er auf die unentgeltliche Mithilfe von Mitarbeitern der Sozialstation angewiesen sei.
Einen ausdrücklichen Antrag im Beschwerdeverfahren stellt der Beigeladene nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die
vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG
hat ihr nicht abgeholfen (174 SGG).
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, den Ag im Wege der einstweiligen
Anordnung zur Bewilligung von Kosten für die Pflege in Höhe von 1.000,00 EUR zu verpflichten.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
(Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(§ 86 b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere oder
unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der
Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977
BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Auflage 2005, RdNr 643).
Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass der ASt Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes
- das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-
rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86 b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm §
920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Auflage 2005, § 86 b RdNr 41).
Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl dazu im Einzelnen BVerfG vom 12.05.2005
NDV-RD 2005,95), zeigt sich, dass dem ASt teilweise kein Anordnungsgrund und im Übrigen auch kein
Anordnungsanspruch zu Seite steht.
Soweit der ASt Leistungen nach dem SGB XII für den Zeitraum vom 01.06.2005 bis zur Entscheidung des
Beschwerdegerichtes begehrt, steht ihm kein Anordnungsgrund zur Seite. Es entspricht der ständigen
Rechtsprechung des Senats, dass Leistungen der Sozialhilfe für abgelaufene Bewilligungszeiträume durch
einstweilige Anordnung regelmäßig nicht zugesprochen werden können. Der ASt hat hier auch nicht dargelegt, dass
solche Leistungen ausnahmsweise eilbedürftig wären. Er ist deshalb insoweit auf das anhängige Klageverfahren zu
verweisen.
Soweit der ASt Pflegeleistungen in Höhe von 1.000,00 EUR monatlich für den Zeitraum ab Entscheidung des
Beschwerdegerichts geltend macht, steht ihm kein Anordnungsanspruch zur Seite.
Nach § 61 Abs 1 Satz 1 SGB XII erhalten Leistungsberechtigte Hilfe zur Pflege, die nach § 61 Abs 2 Satz 1 SGB XII
die häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege umfasst. Der Inhalt der im
Einzelnen erforderlichen Leistungen der Pflege bestimmt sich dabei nach den Regelungen der Pflegeversicherung für
die in § 28 Abs 1 Nrn 1, 5-8 SGB XI ausgeführten Leistungen (§ 61 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Im Falle der häuslichen
Pflege erstrecken sich die Leistungen auf die Übernahme der Kosten einer besonderen Pflegekraft (§ 63 Satz 1, § 65
Abs 1 Satz 2 SGB XII).
Der ASt ist unstreitig leistungsberechtigt im Sinne des § 61 Abs 1 Satz 1 SGB XII.
Gleichwohl hat er derzeit keinen Rechtsanspruch gegenüber dem Ag auf Übernahme der Aufwendungen für die
Pflegeleistungen, die das "F. Pflegeteam" erbringt.
Die derzeitigen rechtsverbindlich vereinbarten ambulanten Pflegeleistungen sind auf Dauer nicht ausreichend, das
Ausmaß der Pflegebedürftigkeit beim ASt abzudecken. Das ergibt sich im hier anhängigen Eilverfahren aus folgenden
Überlegungen:
Mit Schreiben vom 14.02.2005 wies der stellvertretende Vorsitzende der Einrichtung für selbstbestimmtes Wohnen,
bei dem der ASt eine Wohnung angemietet hat, darauf hin, dass auf Grund einer massiven Verschlechterung des
Gesundheitszustandes für den ASt Gefahr für Leib und Leben bestehe. Die Betreuerin des ASt bestätigte auf
telefonische Anfrage diese Befürchtungen aus eigener Kenntnis. Daraufhin forderte die Siemens
Betriebskrankenkasse als zuständige Pflegekasse vom MDK in Bayern eine (neue) Stellungnahme darüber, ob beim
ASt die Pflege im erforderlichen Umfang sichergestellt sei. Im Gutachten vom 02.03.2005, gestützt auf eine vor Ort
festgestellte Sachlage und auf die dokumentierte Versorgungssituation des ASt, kam der MDK in Bayern zu der
zusammenfassenden Feststellung, dass die Pflege des ASt nicht im erforderlichen Umfang sichergestellt sei. Auf
Grund des am 02.10.2003 festgestellten medizinisch-pflegerischen notwendigen Hilfebedarfs sei für die Pflege des
ASt täglich mindestens 7 Stunden 27 Minuten Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege erforderlich. Hinzu kämen
Körperwäsche, das An- und Auskleiden sowie die Lagerung zeitgleich neben einer privaten Pflegeperson, eine
professionelle Pflegekraft, regelmäßig auch nachts. Der derzeit durch den ambulanten Pflegedienst erbrachte
Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege betrage 2 Stunden 45 Minuten bis maximal 3 Stunden täglich. Ein nächtlicher
Zeitaufwand findet durch den ambulanten Pflegedienst laut Dokumentation nicht statt. Die Inhaberin der Sozialstation
"F. Pflegeteam" erklärte auf Befragen, "dass die derzeit erbrachten Leistungen die Kostenerstattung weit überschreite
und deshalb nicht mehr Pflege durchgeführt werden kann". Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass zur
Sicherstellung der Pflege beim ASt die Grundpflege ab sofort wie folgt zu erweitern sei: Regelmäßige Lagerung alle
zwei bis drei Stunden, zwei bis dreistündliche Lagerung, auch in der Nacht, Durchführung der Grundpflege
entsprechend den Härtefallrichtlinien.
Die S. Betriebskrankenkasse bat daraufhin das "F. Pflegeteam" mit Schreiben vom 16.03.2005 um Erweiterung der
Pflegeleistungen entsprechend den o.a. Gutachten des MDK in Bayern vom 02.03.2005. Der Pflegedienst errechnete
am 30.03.2005 Aufwendungen in Gesamthöhe von 4.381,00 EUR.
Weder an der gutachterlichen Ausführungen noch an den Kostenansätzen des Pflegedienstes bestehen zur
Überzeugung des Senats hinreichende Zweifel, die eine weitere Sachaufklärung im hier anhängigen Eilverfahren
erforderlich erscheinen lassen könnten.
Mithin ist damit der tatsächliche aktuelle Pflegeaufwand des ASt festgestellt.
Ein Rechtsanspruch auf Übernahme ambulanter Pflegeleistungen in dieser Höhe steht dem ASt aber nicht zur Seite,
weil dem ASt die Pflege in einer geeigneten stationären Einrichtung zumutbar ist und die Erbringung ambulanter
Leistungen mit unverhältnismäßig hohen Mehrkosten verbunden ist (§ 13 Abs 1 Satz 4 SGB XII). Die Wünsche des
leistungsberechtigten ASt haben insoweit zurückzutreten (§ 9 Abs 2 Sätze 1 und 3 SGB XII). Dass der ASt
zumutbarerweise Pflege in einer geeigneten stationären Einrichtung in unmittelbarer Nachbarschaft seines bisherigen
Aufenthaltsortes erhalten kann, hat die Regierung von Niederbayern im Widerspruchsbescheid vom 22.08.2005
ausführlich und überzeugend dargelegt. Demzufolge kann etwa im K.-Stift R. die Pflege des ASt im Wohn- und
Pflegebereich erfolgen. Die Pflegeleistungen sind dort auf eine möglichst umfassende Eigenständigkeit ausgerichtet.
Dem ASt stehen ausreichende Therapiemöglichkeiten und Möglichkeiten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
zur Verfügung. Dem stehen weder familiäre noch sonstige Gründe entgegen, wie die Widerspruchsbehörde zutreffend
ausführt, ohne dass der ASt dem substantiiert entgegen getreten wäre. Gegenüber den Kosten dieser stationären
Pflege in Höhe eines ungedeckten Kostenaufwandes von etwa 950,00 EUR, sind die ungedeckten Kosten bei
ambulanter Pflege auf Grund des Kostenvoranschlages des "F. Pflegedienst" in Höhe von ca. 2.500,00 EUR
unangemessen hoch im Sinne des § 13 Abs 1 Satz 4 SGB XII, so dass der grundsätzliche Vorrang der ambulanten
Leistungen vor teilstationären oder stationären Leistungen zurückzutreten hat.
Vor diesem Hintergrund steht dem ASt aber auch kein Rechtsanspruch auf Übernahme von Aufwendungen für
ambulante Pflegeleistungen in Höhe von (nur) 1.000,00 EUR zur Seite. Der Senat folgt insoweit nicht der
Kostenaufstellung, die der ASt mit Schreiben vom 02.11.2005 vorgelegt hat. Dieser Kostenaufstellung legt im
Wesentlichen die Annahme zugrunde, dass mehrere Mitarbeiter der Sozialstation "F. Pflegeteam" bereit sind,
unentgeltlich und außerhalb der regulären Arbeitszeit den ASt zu versorgen. Die Sozialstation "F. Pflegeteam" änderte
allein vor diesem Hintergrund ihren Kostenvoranschlag dahin, dass sie nur noch regelmäßige Leistungen erbringe, die
von der Pflegekasse im Rahmen der Härtefallregelung zur Pflegestufe 3 vergütet werden, also in Höhe von 1.918,00
EUR. Der ASt könne deshalb für einen Betrag von etwa 1.000,00 EUR bis auf weiteres zu Hause ambulant versorgt
werden.
Nach Auffassung des Senats ist dadurch der Umfang der notwendigen Pflegeleistungen im Hinblick auf das Ausmaß
der Pflegebedürftigkeit beim ASt aber nicht hinreichend sicher und auf Dauer abgedeckt. Die Bereitschaft einiger nicht
näher genannten Mitarbeiter der Pflegestation "F. Pflegeteam" zur unentgeltlichen Hilfe ist anerkennenswert, deckt
aber nicht verbindlich den (noch) offenen Pflegebedarf des ASt hinreichend sicher ab. Der ASt hat - soweit sich aus
den Akten ergibt - keinen Anspruch gegenüber diesen einzelnen Helfern, dass sie die freiwillig in Aussicht gestellten
Leistungen im Einzelfall auch tatsächlich, zuverlässig und dauerhaft erbringen. Angesichts der vom MDK in Bayern
im Gutachten vom 02.03.2005 angesprochenen Gefahr für Leib und Leben, bestätigt durch die Betreuerin des ASt, ist
beim ASt der Pflegebedarf in dem Umfang sicherzustellen, wie ihn der MDK im o.a. Gutachten umrissen hat. Der Ag
ist nicht verpflichtet, Aufwendungen für Pflegeleistungen zu erbringen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen.
Auch eine abschließende Güter- und Folgenabwägung kommt angesichts der gutachterlich angesprochenen
Gefährdungslage des ASt zu keinem anderen Ergebnis. Anders kann allenfalls entschieden werden, wenn der ASt für
einen konkret benannten Zeitraum verbindliche Erklärungen Dritter vorlegt, dass sie seine Pflege in einem konkret
genannten Umfang und zu konkret genannten Zeiten (Pflegeplan) unentgeltlich übernehmen.
Das ist für den hier streitgegenständlichen Zeitraum jedoch nicht der Fall, so dass die Beschwerde insgesamt keinen
Erfolg haben kann.
2. Der Antrag von Bewilligung von PKH für dieses Beschwerdeverfahren ist abzulehnen.
Aus den oben unter Nr. 1 angeführten Gründen ergibt sich, dass das Beschwerdeverfahren, für das der ASt PKH
beantragt hat, von Anfang an keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 73 a SGG iVm § 114 ZPO hatte.
Auf die Frage der Mutwilligkeit und auf die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen für die PKH kommt es nach
alledem nicht mehr an.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Das Verfahren der PKH ist kostenfrei.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).