Urteil des LSG Bayern vom 17.11.2006

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.11.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 15 KR 48/99
Bayerisches Landessozialgericht L 5 KR 224/05
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17. Juni 2005 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für eine zahnärztliche Implantatbehandlung.
Die 1939 geborene und am 25.07.2000 verstorbene H. S. war freiwillig versichertes Mitglied (Versicherte) der
Beklagten. Die Versicherte begab sich 1998 in die Behandlung des zugelassenen Zahnarztes Dr.B ... Dieser erstellte
für die Versorgung insgesamt fünf Heil- und Kostenpläne (u.a. vom 13.02., 16.02. sowie 03.03.1998) und führte nach
Rücksprache mit der Versicherten entsprechend dem letzten Heil- und Kostenplan die Versorgung einschließlich
Implantatbehandlung in der Zeit vom 20.03. bis 10.09.1998 durch.
Einen danach gestellten Antrag auf Kostenübernahme lehnte die Beklagte unter dem 09.11.1998 ab, wogegen sich
Dr.B. mit Schreiben vom gleichen Tag wandte. Anstelle der nicht erstatteten Implantatversorgung hätte eine Kronen-
und Teleskopkronenversorgung stattfinden müssen, gegen welche sich die Versicherte wegen der schwierigen
Kieferverhältnisse und der möglicherweise drohenden phonetischen Beeinträchtigung entschlossen habe. Mit
Bescheid vom 24.11.1998 lehnte die Beklagte den Kostenübernahmeantrag ab mit der Begründung, die zahnärztliche
Versorgung mit implantologischen Leistungen sei vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen
ausgenommen. Den dagegen erhobenen Widerspruch, welche sich auf ein Schreiben des Dr.B. vom 10.12.1998
bezog, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.1998 zurück. Die Versicherte habe nicht vor
Behandlungsbeginn die Erstattung der Kosten beantragt, so dass kein Leistungsanspruch bestehe. Darüber hinaus
seien implantologische Leistungen grundsätzlich nicht von der zahnärztlichen Behandlung durch die gesetzlichen
Krankenkassen umfasst. Eine Ausnahmeindikation, wie vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen
festgelegt, habe bei der Versicherten nicht bestanden.
Gegen die Ablehnung der - wenigstens anteiligen - Kostenübernahme hat die Versicherte Klage zum Sozialgericht
Würzburg erhoben mit der Begründung, im Zeitpunkt der Behandlungen habe eine Pflicht zur vorherigen Genehmigung
des Heil- und Kostenplanes nicht bestanden. Die Richtlinien für die zahnärztliche Behandlung seien erst am
22.09.1998 veröffentlicht worden und lägen damit deutlich nach dem Behandlungsbeginn 03.03.1998.
Nach dem Tod der Versicherten haben die Erben das Verfahren aufgenommen und weiterführend vorgetragen, der
Kostenerstattungsanspruch sei auch auf eine unzutreffende Beratung des Dr.B. zurückzuführen, für welche die
Beklagte haften müsse.
Als Zeuge einvernommen hat Dr.B. angegeben, der zuerst erstellte Heil- und Kostenplan vom 16.02.1998 habe die
Versorgung entsprechend der kassenzahnärztlichen Leistungspflicht beinhaltet, der Kostenplan vom 03.03.1998
hingegen die optimale Versorgung einschließlich Implantate. Die Versicherte habe sich nach Beratung für letztere
entschieden, obgleich er die Patientin darauf hingewiesen habe, dass die Krankenkasse zur Bezuschussung in
diesem Falle nicht verpflichtet sei; für die außervertragliche Leistung könne die Versicherte möglicherweise wie in
anderen Einzelfällen geschehen nach Abschluss der Behandlung einen Zuschuss der gesetzlichen Krankenkasse
erhalten. Zu dieser Zeugenaussage hat der Kläger zu 1) erklärt, ihm sei klar gewesen, dass die Implantatversorgung
nicht von der Krankenkasse bezuschusst werde.
Mit Urteil vom 17.07.2005 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kläger könnten als
Rechtsnachfolger der Versicherten ebenso wenig wie diese Kostenerstattung für die Behandlung des Dr.B. verlangen.
Die Versicherte habe von der Möglichkeit, anstelle Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung zu wählen, keinen
Gebrauch gemacht. Gesetzlich sei mit Wirkung ab 01.01.1997 die Versorgung mit Implantaten vom Leistungsumfang
der zahnärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden. Durch gesetzliche Neuregelung ab 01.07.1997 seien diese
zahnärztlichen Leistungen nur dann von der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen, falls die
Voraussetzungen eines Ausnahmefalles vorlägen, welche der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in
einer Richtlinie festzulegen hätte. Die entsprechenden Richtlinien zur Ausnahmeindikation seien zum 23.09.1998 in
Kraft getreten. Die Versicherte hätte deshalb keinen Anspruch auf Implantatversorgung geltend machen können; im
Übrigen habe keiner der in den Richtlinien festgelegten Ausnahmefälle vorgelegen. Eine Falschberatung durch einen
vertraglichen Leistungserbringer - hier Dr.B. -, für welchen die Beklagte hafte, habe nicht vorgelegen. Dr.B. habe die
Versicherte ausdrücklich und zutreffend beraten und aufgeklärt. Auch eine Teilerstattung, wie von den Klägern
ebenfalls begehrt, komme nicht in Betracht, weil die durchgeführte zahnärztliche Versorgung als Einheit anzusehen
sei und die Implantatversorgung als Ganzes nicht zum gesetzlichen Leistungsumfang zähle. Die Versicherte habe
nicht auf eine Kostenerstattung im Rahmen einer Erprobungsregelung vertrauen können, weil ihr das Risiko der
Nichterstattung bewusst gewesen sei. Die Beklagte sei deshalb gehindert gewesen, außerhalb der gesetzlich
geregelten Fälle eine Kostenerstattung zu erbringen, welche zu Lasten aller Beitragszahler gegangen wäre.
Dagegen haben die Kläger Berufung eingelegt und eine ungerechte Behandlung gerügt, weil die umfangreiche
Begründung des Urteils auf der Grundlage eines Gesetzes ergangen sei, welches sie nicht beurteilen könnten. Aus
dem Schreiben des Dr.B. vom 25.07.1999 ergebe sich dessen Falschberatung, für welche die Beklagte hafte. Bei
Beginn der Behandlung der Versicherten seien die berufspolitische Beeinflussung der Zahnärzte, deren fehlende
Bereitschaft, Abstriche ihres Einkommens hinzunehmen sowie die Folgen der Gesundheitsreform nicht abzusehen
gewesen. Dr.B. habe das Vertrauen der Versicherten missbraucht, weil er dieser eine privatärztliche Behandlung habe
angedeihen lassen, obgleich sie gesetzlich Versicherte gewesen sei. Wie Dr.B. ausgeführt habe, müsse die Beklagte
als gesetzliche Krankenkasse anteilig die Kosten der Grundversorgung erstatten. Anzuwenden sei die Rechtslage im
Zeitpunkt der Behandlung und nicht im Zeitpunkt der Urteilsbildung, so dass jedenfalls anteilig die Kosten der
Implantatversorgung der Versicherten in Höhe der Kosten zu erstatten seien, welche bei gesetzlicher zahnärztlicher
Versorgung angefallen wären.
Die Beklagte hat auf ihre Publikationen im Jahre 1997 hingewiesen, mit welchen sie die Voraussetzungen der
Kostenerstattung für zahnärztliche Behandlungen erläutert habe. Die Kläger haben ergänzend darauf hingewiesen,
Dr.B. habe nicht auf die Genehmigungspflicht der Beklagten hingewiesen oder auf die möglicherweise fehlende
Kostenerstattungspflicht. Bei entsprechender Aufklärung hätte die Versicherte als Kassenpatientin logischer- weise
das Entsprechende veranlasst.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom
20.07.2005 sowie der Bescheide vom 09.11.1998 und 24.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
03.03.1999 zu verurteilen, Kostenerstattung für die zahnärztliche Behandlung der versicherten H. S. vom 03.03.1998
bis 03.11.1998 in Höhe von EUR 7.325,87 zu leisten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie
auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber
unbegründet. Die Kläger haben als Erben und Rechtsnachfolger der Versicherten ebenso wenig wie diese Anspruch
auf Kostenerstattung für die zahnärztlichen Leistungen des Dr.B. im Jahre 1998. Dies hat die Beklagte mit den
streitgegenständlichen Bescheiden vom 09.11. und 24.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
03.03.1999 zutreffend entschieden. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg ist nicht zu beanstanden.
Das Sozialgericht hat in der Begründung des Urteils vom 17.06.2005 klar, ausführlich und zutreffend dargelegt, warum
aufgrund der im maßgeblichen Zeitpunkt gültigen Rechtslage kein Anspruch auf Kostenerstattung oder anteilige
Kostenerstattung der Implantatversorgung der Versicherten bestanden hat. Hierauf nimmt der Senat Bezug und weist
aus diesen Gründen die Berufung zurück, § 153 Abs.2 SGG.
Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass nach dem gesamten Akteninhalt und insbesondere den fünf Heil-
und Kostenplänen des Dr.B. sowie dessen Zeugenaussage vor dem Sozialgericht kein Anhaltspunkt für die von den
Klägern behauptete fehlerhafte Beratung und Aufklärung durch Dr.B. besteht. Nichts anderes ergibt sich aus dessen
Schreiben vom 25.07.1999, welches im Kontext sowie im Zusammenhang mit dem Schreiben der Beklagten vom
18.05.1999 eine Falschberatung widerlegt.
Die Beklagte war deshalb aus keinem Grund verpflichtet, die Kosten der nicht erstattungsfähigen Leistungen des
Dr.B. aus dem Jahr 1998 zu erstatten. Die Berufung bleibt deshalb voll umfänglich ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).