Urteil des LSG Bayern vom 06.09.2007

LSG Bayern: kirchensteuer, wesentliche veränderung, anteil, mehrheit, bevölkerung, daten, pauschalierung, klageänderung, anspruchsdauer, gesetzesmaterialien

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 06.09.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 36 AL 327/02
Bayerisches Landessozialgericht L 8 AL 230/05
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Dezember 2004 wird
zurückgewiesen. II. Dem Kläger sind 1/3 seiner Kosten des Widerspruchsverfahrens von der Beklagten zu erstatten.
Darüber hinaus sind keine weiteren außergerichtlichen Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten sind Dauer und Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) streitig.
Der 1958 geborene Kläger war vom 1. August 1999 bis zum 31. Dezember 2001 als Servicepoint-Leiter in M.
beschäftigt. Mit Bescheid vom 10. Januar 2002 wurde ihm nach Arbeitslosmeldung ab dem 1. Januar 2002 Alg nach
einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 835 Euro für 360 Tage bewilligt. Die Arbeitslosigkeit des Klägers dauerte
bis zum 31. Mai 2002, seither war er als Objektleiter im Klinikum "R." beschäftigt.
Der Berechnung der Beklagten lag eine Arbeitsbescheinigung über das gesamte Jahr 2001 mit einem
beitragspflichtigen Arbeitsentgelt von 85.184,30 DM zu Grunde. Hieraus ermittelte die Beklagte ein
Bemessungsentgelt von zunächst 834,37 Euro (Teilungsfaktor 52,20 Wochen), später - im Wege der Abhilfe - von
837,58 Euro (Teilungsfaktor 52 Wochen). In der Folgezeit ist am 21. Februar 2002 ein Anpassungsbescheid ergangen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch stützte der Kläger neben der Behauptung einer längeren Anspruchsdauer als
360 Tage auf folgende Umstände: Das Bemessungsentgelt sei auf 840 Euro aufzurunden, ein Abzug für
Kirchensteuer sei beim Leistungsentgelt zu unterlassen, da er konfessionslos sei und seine Abzüge für die private
Kranken- bzw. Pflegeversicherung seien konkret in geringerer als der pauschal bemessenen Höhe zu berücksichtigen.
Im Übrigen sind dem Kläger von der Beklagten die Beiträge zur privaten Kranken- bzw. Pflegeversicherung in Höhe
der tatsächlichen Kosten gemäß § 207a SGB III erstattet worden, die geringer waren (z. B. 291,76 bzw. 28,07 Euro)
als diejenigen zu den entsprechenden gesetzlichen Sozialversicherungszweigen (z. B. 376,65 bzw. 47,43 Euro).
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2002 rundete die Beklagte das Bemessungsentgelt im Wege der Abhilfe
auf 840 Euro (Leistungsentgelt hier 46,79 Euro) auf und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Das
Bemessungsentgelt sei pauschaliert insbesondere unter Beachtung einer gemäß § 151 Abs. 2 SGB III erlassenen
Rechtsverordnung zu ermitteln und lasse keinen Raum für individuelle Besonderheiten. Der Kläger habe bei
Entstehung des Alg-Anspruches das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet und deswegen nur eine Anspruchsdauer von
zwölf Monaten.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben.
Durch Urteil vom 20. Dezember 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Verwaltungsentscheidungen seien
sachlich und rechnerisch nicht zu beanstanden. Das Leistungsentgelt sei das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die
bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen würden, verminderte Bemessungsentgelt (§ 136 Abs. 1 SGG III). Bei seiner
Ermittlung seien auch die Kirchensteuer sowie die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu berücksichtigen (§
136 Abs. 2 SGB III). Ob der Kläger kirchensteuerpflichtig bzw. privat kranken/pflegeversichert sei, bleibe ohne
Auswirkung, da die pauschalierte Berechnung des Leistungsentgelts nicht zu beanstanden sei.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgerichts (LSG) eingelegt und nunmehr beantragt, die
Beklagte zu höherer Leistung zu verurteilen unter Abänderung des Bescheides vom 10. Januar 2002, 21. Februar
2002 und 14. März 2002,19. Februar 2002 und 27. März 2002 sowie 7. Februar 2002.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die Frage der Übernahme der privaten Versicherungsbeiträge gemäß § 207a SGB III nicht
Gegenstand des Verfahrens sei (Bescheide vom 19. Februar 2002, 27. März 2002).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zum Teil zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 4, 33, 12 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Voraussetzungen
eines Gerichtsbeschlusses gegeben sind und dessen Erlass nach vorangehender schriftliche Umfrage bei den
Berufsrichtern des Senats mit Schreiben vom 10.07.2007 an die Beteiligten und der Kundgabe des voraussichtlichen
Verfahrensergebnisses angekündigt worden ist.
Insbesondere ist mit einer Summe von 503,26 Euro der Beschwerdewert erreicht, wie die Beklagte auf Nachfrage des
Senats zutreffend im Schreiben vom 12. Dezember 2006 dargelegt hat. Gemäß § 144 SGG bedarf die Berufung nur
der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf
gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 Euro nicht übersteigt.
Unzulässig ist die Berufung, soweit sie sich gegen die Bescheide vom 19. Februar 2002, 14. März und 27. März 2002
richtet. Die genannten Bescheide waren schon nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Sie sind ausweislich der
Niederschrift des SG vom 20. Dezember 2004 nicht angefochten worden. Schon insoweit waren sie nicht Gegenstand
der erstinstanzlichen Entscheidung und konnten von daher zu keiner Beschwer des Klägers führen.
Die Bescheide vom 19. Februar 2002, 14. März und 27. März 2002, deren Abänderung nunmehr mit
Berufungsschriftsatz vom 12. Juni 2005 beantragt worden ist, sind auch nicht im Sinne von § 96 SGG Gegenstand
des Klageverfahrens geworden. Sie behandeln die Frage der Übernahme der privaten Versicherungsbeiträge gemäß §
207a SGB III. Mit der dort getroffenen Regelung wird die Höhe des Alg weder abgeändert noch ersetzt. Auch eine
entsprechende Anwendung von § 96 SGG ist nicht ersichtlich. Eine Klageänderung (§ 99 Abs. 1, 2. Halbsatz, 2.
Alternative SGG) ist schon nach der fehlenden Einbeziehung der genannten Bescheide in erster Instanz nicht
sachdienlich. Der Kläger ist hinsichtlich der Bewilligung von Zuschüssen zur privaten Kranken- und
Pflegeversicherung im Übrigen auch sachlich nicht beschwert. Ein Vorverfahren war insoweit nicht durchgeführt. Die
Anspruchsgrundlage ist gänzlich verschieden von derjenigen auf Lohnersatzleistungen. Insbesondere handelt es sich
nicht um Nebenforderungen im Sinne von § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG. Die Beklagte hat darüber hinaus einer
Klageänderung im Schriftsatz vom 13. April 2006 widersprochen. Eine Änderung der Klage ist aber gemäß § 99 Abs.
1 SGG nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder - wie bereits ausgeführt - das Gericht die Änderung
für sachdienlich hält.
Gegenstand des Berufungs/Klageverfahrens, soweit es zulässig ist, ist eine kombinierte Anfechtungs- und
Verpflichtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2002, mit welchem die Beklagte Alg in einer dem Kläger zu geringen Höhe
bewilligte. Insoweit ist auch gemäß § 96 SGB der Änderungsbescheid 21. Februar 2002 Gegenstand des Verfahrens.
Denn er ändert das Bemessungsentgelt in Höhe der Abhilfe ab, verweigert aber Alg in der vom Kläger beantragten
Höhe. Er ist aber, wie später ausgeführt wird, nicht rechtswidrig. Weiterhin ist der Teilabhilfebescheid vom 7. Februar
2002 gemäß § 96 SGG (der Widerspruchsbescheid war bereits zuvor am 6. Februar 2002 ergangen) Gegenstand des
Klageverfahrens geworden. Denn er wiederholt, wie oben ausgeführt, die Beschwer in abstrakter Form. Insoweit ändert
er die angefochtene Verwaltungsentscheidung ab. Der Umstand, dass er darüber hinaus konkret die Erstattung von
Kosten im Widerspruchsverfahren durch Kassation der im Wider-spruchsbescheid gewährten Kostenerstattung in
Höhe von einem Drittel verweigert, wird bei der Kostentscheidung Berücksichtigung finden.
Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen waren jedoch rechtmäßig. Damit erging das Urteil des SG zu Recht.
Somit ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Höhe des Alg ist von der Beklagten korrekt ermittelt worden. Das Leistungsentgelt war entsprechend § 136 SGB
III i.d.F. des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) 1997 festzusetzen. Die neue Fassung nach § 133 SGB X
durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen vom 23. Dezember 2003 ist auf den Leistungsfall des Klägers
im Jahre 2002 nicht anzuwenden (vgl. § 434j Abs. 5SGB III). Sie unterschied sich in den hier maßgeblichen
Berechnung Elementen aber nicht.
§ 136 (Leistungsentgelt) lautete folgendermaßen: (1) Leistungsentgelt ist das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die
bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt. (2) Entgeltabzüge sind Steuern, die Beiträge
zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sowie die sonstigen gewöhnlich anfallenden Abzüge, die zu Beginn
des Kalenderjahres maßgeblich sind, soweit in Satz 2 Nr. 2 und 3 nichts Abweichendes bestimmt ist. 1. für die
Lohnsteuer die Steuer, die sich nach der für den Arbeitslosen maßgeblichen Leistungsgruppe ergibt, 2. für die
Kirchensteuer die Steuer nach dem im Vorjahr in den Ländern geltenden niedrigsten Kirchensteuer-Hebesatz, 3. für
die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung die Hälfte des gewogenen Mittels der am 1. Juli des Vorjahres
geltenden allgemeinen Beitragssätze, 4. für die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung die Hälfte des
geltenden Beitragssatzes der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 5. für die Beiträge zur sozialen
Pflegeversicherung die Hälfte des geltenden Beitragssatzes.
Demnach waren zum einen im Rahmen der gewöhnlich anfallenden Abzüge auch für konfessionslose
Leistungsempfänger Entgeltabzüge für die Kirchensteuer vorzunehmen (vgl. § 136 Abs. 2 Nr. 2 SGB III i.d.F. des
AFRG). Zum anderen waren auch für in der Kranken- und Pflegeversicherung versicherungsfreie Personen
entsprechende Entgeltabzüge anzusetzen (vgl. § 136 Abs. 2 Nr. 3 und 5 SGB III i.d.F. des AFRG).
Was die Berücksichtigung der Kirchensteuer betrifft hat der Gesetzgeber erst durch die Neufassung von § 133 SGB
III zum 1. Januar 2005 eine Änderung vorgenommen. Erst von diesem Zeitpunkt ab könne dementsprechend nach
den Gesetzesmaterialien auf absehbare Zeit nicht mehr zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass eine deutliche
Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehörte. Weiter ist in den Gesetzesmaterialien
zu § 133 SGB III (vgl. Drucksache Deutscher Bundestag 75/1515 vom 05.09.2003 zum Gesetzesentwurf der
Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN) ausgeführt: "Die Kirchensteuer wird ab dem Jahr 2005 nicht mehr als
Entgeltabzug bei der Leistungsberechnung berücksichtigt, da auf absehbare Zeit nicht mehr - wie vom
Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 23. März 1994 (1 BvL 8/85) gefordert - zweifelsfrei davon
ausgegangen werden kann, dass eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirchensteuer erhebenden Kirche
angehört. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat aufgrund der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts in der Vergangenheit regelmäßig geprüft, ob eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer
einer Kirche angehört. Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat dabei gezeigt, dass der Anteil der Arbeitnehmer,
die einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehören, an der Gesamtzahl der Arbeitnehmer kontinuierlich sinkt.
Angaben zur Anzahl der Arbeitnehmer, die Mitglied einer Kirche sind, lassen sich aus der Lohn- und
Einkommensteuerstatistik entnehmen. Die Lohn- und Einkommensteuerstatistik wird in einem dreijährigen Turnus
erstellt. Die letzte Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes basiert auf den Daten des Jahres 1998, sie
wurde Ende Mai 2003 erstellt. Danach waren im Jahr 1998 von den insgesamt 29,4 Mio. in der Statistik erfassten
lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmern 16,7 Mio. kirchensteuerpflichtig. Dies entspricht einem Anteil von 56,8 Prozent.
Zur Aktualisierung dieser Daten erfragt das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit außerdem von der
Evangelischen Kirche Deutschlands und dem Verband der Diözesen Deutschlands die Kirchenmitgliedszahlen. Zum
Jahresende 1998 waren 66,1 Prozent der Bevölkerung Mitglied einer evangelischen oder katholischen Kirche. Der
Anteil der Kirchenmitglieder unter den Arbeitnehmern lag danach 1998 um 9,4 Prozentpunkte unter dem Anteil der
Kirchenmitglieder an der Bevölkerung. Zum Jahresende 2001 waren 64,4 Prozent der Bevölkerung Mitglied einer
Kirche. Unter der Annahme, dass auch im Jahr 2001 der Anteil der Kirchenmitglieder unter den Arbeitnehmern um 9,4
Prozentpunkte unter dem Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung lag, ergibt sich, dass im Jahr 2001 noch 55
Prozent der Arbeitnehmer einer die Kirchensteuer erhebenden Kirche angehört haben. Aktuell kann deshalb noch
davon ausgegangen werden, dass eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer einer Kirche angehört. Angesichts der
Entwicklung der vergangenen Jahre dürfte diese Voraussetzung jedoch mittelfristig nicht mehr erfüllt sein. Mit der
Reform des Bemessungsrechts des Arbeitslosengeldes, die zum 1. Januar 2005 in Kraft treten wird, soll deshalb die
Kirchensteuer als Lohnabzug bei der Leistungsberechnung entfallen." Insoweit hat der Senat keine
verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. insoweit die Entscheidungen des BSG vom 15. Dezember 1993, Az.: 11 Rar
99/92, 21. März 2002, Az. B 7 AL 18/01 R, vom 28.November 2002, Az.: B 7 Al 36/01 R und 23. März 2004, Az.: B
11 AL 213/03 B (Nichtzulassungsbeschwerde) bzw. BverfG vom 23. März 1994, Az.: 1 BvL 8/85). Entsprechende
Rechtsprechung liegt auch von Landessozialgerichten vor (LSG Nordrhein-Westfalen vom 12. Dezember 2005, Az.:L
19 AL 130/05 und vom 7. März 2006, Az.:L 1 AL 57/05 bzw. LSG Schleswig-Holstein vom 15. April 2005, Az.: L 3 AL
36/04 bzw.LSG Berlin vom 25. Juni 2004, Az. L 4 AL 45/03).
Aus all diesen Entscheidungen geht hinreichend hervor, dass jedenfalls im Jahre 2002 § 136 SGB III der Verfassung
entsprochen hat. Bis dahin bestand kein hinreichendes statistisches Kriterium für die Annahme, dass die deutliche
Mehrheit der Arbeitnehmer nicht einer Kirche angehörten. So führt zum Beispiel noch am 15. April 2005 das
Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss über die Nichtannahme eine Verfassungsbeschwerde (Az.: 1 BvR
952/04) aus: "Der Gesetzgeber hat sich jedenfalls innerhalb des ihm zur Regelung dieser Frage vom Grundgesetz
eröffneten Spielraums bewegt, wenn er die in Frage stehende Vorschrift bis zum 31. Dezember 2004 aufrecht erhalten
hat. Zwar ist der Anteil kirchenzugehöriger Arbeitnehmer von etwa 85 vom Hundert im Jahre 1983, von dem der
Beschluss des Bundesverfas-sungsgerichts vom 23. März 1994 ausging, auf 57,1 vom Hundert im Jahre 1998, nicht
zuletzt als Folge der Deutschen Einheit, zurückgegangen. Der Gesetzgeber durfte jedoch - auch mit Rücksicht auf die
Schwierigkeit der zeitnahen Datenerhebung - jedenfalls bis Ende 2004 annehmen, dass eine wesentliche Veränderung
im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht eingetreten war".
Damit war der pauschale Abzug für die Leistung des Klägers im Frühjahr 2002 rechtmäßig; aus
verfassungsrechtlichen Grundsätzen und durfte angewandt werden.
Was die Berücksichtigung von Abzügen bei der Ermittlung des Leistungsentgelts zur gesetzlichen Kranken- und
Pflegeversicherung betrifft, durfte die Beklagte entsprechend einer unzweifelhaften Rechtslage auch bei insoweit nicht
versicherungspflichtigen Arbeitnehmern einen Entgeltabzug vornehmen (Urteil des LSG Baden-Württemberg vom
20.10.2000, Az.: L 4 KR 334/00). Eine solche Pauschalierung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. So
hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 90, 226, 236f = SozR 3-4100 § 111 Nr 6) ausgeführt, dass es
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn im Rahmen dieses Systems ein gesetzlicher Abzug, der
"gewöhnlich" (d.h. bei der Mehrzahl der Arbeitnehmer) anfällt, in die Berechnung des maßgeblichen
Nettoarbeitsentgelts auch bei solchen Arbeitslosen einfließt, die nach ihren individuellen Gegebenheiten keinen
entsprechenden Abzug vom Bruttolohn hätten, falls sie in einem Arbeitsverhältnis stünden (s.a. BSG vom 24.07.1994
a.a.O.). Dementsprechend lautet der Gesetzeswortlaut auch "gewöhnlich anfallende" Abzüge. Bei der nicht vom
Äquivalenzprinzip geprägten Arbeitslosenversicherung (BSG vom 27.07.1989 - 11/7 RAr 101/87 -) sind Unterschiede
zwischen dem Bemessungsentgelt für die Beiträge und dem Bemessungsentgelt für die Leistungen hinzunehmen. Der
Gesetzgeber hat gerade im Bereich der Alg-Bemessung einen erheblichen Regelungsspielraum zur Pauschalierung
und Typisierung, von dem er bei der geltenden Regelung des Alg durch Nichtberücksichtigung zahlreicher Entgeltteile,
durch pauschalen Abzug von Steuern sowie durch Orientierung an den in die Steuerkarte eingetragenen Daten und an
den Verdienst der letzten Abrechnungszeiträume Gebrauch gemacht hat (BSG a.a.O.). Diese Regelung ist auch im
Zusammenhang mit pauschaler Verwaltungstätigkeit in Massenverwaltungen zu sehen. Um die Berechnung einfach,
schnell und in Übereinstimmung mit dem Gleichheitsgebot durchführen zu können wird das Alg nicht unter
Berücksichtigung der individuellen Abzüge des Arbeitslosen berechnet (vgl. a. Urteil des LSG Niedersachsen vom
28.10.1999, Az.: L 8 AL 126/99).
Insoweit findet auch eine weitgehende Kompensation statt, als derartige Bezieher von Alg durch Kostenübernahme
seitens der Beklagten und der Erbringung der insoweit anfallenden Vorsorgeaufwendungen freigestellt werden. Der
geringfügige Unterschied zeigt sich im Übrigen auch in der von der Beklagten angestrengten Berechnung zur
Zulässigkeit der Berufung.
Insgesamt ist daher die Berufung zurückzuweisen.
Außergerichtliche Kosten sind bis auf die Übernahme eines Drittels der Kosten des Widerspruchsverfahrens nicht zu
erstatten. Insoweit hatte der Kläger obsiegt. Gemäß § 132 Abs. 3 SGB III in der Fassung des AFRG ist das
Bemessungsentgelt auf den nächsten durch zehn teilbaren Deutsche-Mark-Betrag bzw. später Euro zu runden. Daher
war es bedeutsam, dass die Beklagte die tatsächliche Wochenanzahl des Jahres 2001 (Teilungsfaktor 52 Wochen)
als Teilungsfaktor zu Grunde gelegt hat und sich damit ein Betrag von über 835 Euro (837,58 Euro) ergab, der zur
Aufwendung geführt hat. Daher hatte die Beklagte zunächst zu Recht auch im Widerspruchsbescheid vom 6. Februar
2002 die dort entstandenen notwendigen Aufwendungen zu einem Drittel als erstattungspflichtig angesehen. Der
insoweit später ergangene Be-scheid vom 7. Februar 2002, der diese Regelung negiert, entbehrt einer
Rechtsgrundlage. Es handelt sich aber bei der jetzt vom Senat getroffenen Entscheidung um eine ohnehin von Amts
wegen vorzunehmende Entscheidung über die Kosten des Verfahrens (§ 193 SGG), zu der auch diejenigen des
notwendigen Vorverfahrens gehören. Eines Antrags der Beteiligten hierzu bedarf es nicht. Dabei ist der Senat nicht an
vorausgehende Verwaltungsentscheidungen gebunden. Es ist aber sachgemäß, insoweit der bereits getroffenen
Regelung zu folgen und somit auch eine geteilte Kostenentscheidung vorzunehmen. Im übrigen beruht die
Entscheidung auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.