Urteil des LSG Bayern vom 02.03.2009

LSG Bayern: zustellung, auflage, entschuldigung, ermessen, anweisung, zivilprozessordnung, wohnung, briefkasten, rente, sachverständiger

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 02.03.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 14 R 33/08
Bayerisches Landessozialgericht L 2 B 476/08 R
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.04.2008 wird zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Auferlegung von Ordnungsgeld wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Termin
zur mündlichen Verhandlung.
Im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) begehrt der dortige Kläger Rente wegen voller
Erwerbsminderung. Zur Aufklärung des Sachverhalts erbat das SG am 06.02.2008 vom Beschwerdeführer als dem
behandelnden Arzt des Klägers einen Befundbericht. Der Beschwerdeführer legte den Befundbericht nicht vor. Das
SG lud zum Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 15.04.2008 und hierzu den Beschwerdeführer als
sachverständigen Zeugen zu den Fragen der Befundanforderung vom 06.02.2008. Die mit Postzustellungsurkunde
vom 03.04.2008 zugestellte Ladung enthielt den Hinweis, die Zeugenladung sei hinfällig, wenn der angeforderte
Befundbericht bis spätestens 11.04.2008 beim SG eingegangen sei. Der Ladung war eine Belehrung über die Folgen
bei unentschuldigtem Fernbleiben beigefügt.
In der nichtöffentlichen Sitzung des SG am 15.04.2008 erschien der Beschwerdeführer nicht. Ein Befundbericht war
nicht eingegangen. Mit Beschluss vom 15.04.2008 legte das SG dem Beschwerdeführer Ordnungsgeld wegen
unentschuldigten Fernbleibens in Höhe von 250,00 EUR auf. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer mit
Postzustellungsurkunde vom 22.04.2008 durch Einlegen des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden
Briefkasten zugestellt.
Mit beim SG am 29.04.2008 eingegangenem Schreiben übersandte der Beschwerdeführer den Befundbericht. Er
erklärte, durch eine Verkettung unglücklicher Umstände sei der von ihm am 12.04.2008 diktierte Befundbericht
verspätet übersandt worden. Er bitte, von der Erhebung eines Ordnungsgeldes abzusehen. Hinzu komme, dass
zwischen der Befundanforderung am 06.02.2008 und der Ladung am 03.04.2008 zum Termin am 15.04.2008 eine
relativ kurze Zeitspanne gelegen habe.
Mit weiterem Schreiben vom 07.05.2008 - gerichtet an das SG - erklärte der Beschwerdeführer, sein
Entschuldigungsschreiben habe sich mit dem ihm am 22.04.2008 zugestellten Ordnungsgeldbeschluss überschnitten.
Gegebenenfalls möge sein Schreiben als Beschwerde aufgefasst werden. Nochmals weise er darauf hin, dass
zwischen der Zustellung der Terminsladung am 03.04.2008 und dem Termin am 15.04.2008 die 14-tägige Ladungsfrist
nicht eingehalten worden sei.
Das SG legte die Beschwerde dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173) Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gemäß §§ 118 Abs.1 Satz 1 SGG in
Verbindung mit § 380 Abs.1 Zivilprozessordnung (ZPO) können einem ordnungsmäßig geladenen Zeugen bzw., wie
hier, einem sachverständigen Zeugen (§ 414 ZPO), ohne dass es eines Antrags bedarf, die durch das Ausbleiben
verursachten Kosten auferlegt werden und zugleich gegen ihn ein Ordnungsgeld verhängt werden, wenn er nicht
erscheint. Nach § 381 Abs.1 ZPO hat die Festsetzung eines Ordnungsmittels zu unterbleiben, wenn der Zeuge
glaubhaft macht, dass ihm die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen ist oder wenn sein Ausbleiben genügend
entschuldigt ist bzw. nachträglich entschuldigt wird.
Voraussetzung ist demnach die ordnungsgemäße Ladung des Beschwerdeführers als sachverständiger Zeuge. § 377
Abs.2 ZPO schreibt vor, welchen Inhalt die Zeugenladung haben muss. Sie muss neben der Bezeichnung der
Parteien den Gegenstand der Vernehmung und die Anweisung, zur Ablegung des Zeugnisses bei Vermeidung der
durch das Gesetz angedrohten Ordnungsmittel in dem nach Zeit und Ort zu bezeichnenden Termin zu erscheinen.
Dass diese Voraussetzungen erfüllt waren in der Zeugenladung und diese am 03.04.2008 zugestellt wurde, ist
unstreitig. Streitig ist hingegen, ob die Ladung unter Einhaltung einer bestimmten, wie der Beschwerdeführer meint 14-
tägigen, Ladungsfrist zu erfolgen hatte. Welche Ladungsfrist für die Zeugenladung gilt, nennt ausdrücklich weder das
SGG noch die ZPO. Ladung ist die Aufforderung, in einem Termin zu erscheinen. § 110 SGG bestimmt nur für die
Beteiligten, d.h. für die im Sinne von § 69 SGG Beteiligten, also für Kläger, Beklagte und Beigeladene, dass den
Beteiligten in der Regel zwei Wochen vorher Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung mitzuteilen seien. Ob diese
Ladungsfrist auch für den Zeugen gilt, kann dahingestellt bleiben, weil eine Fristunterschreitung auch für die Ladung
der Verfahrensbeteiligten zulässig ist (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 110 Rdnr.13). Einig ist
man sich in Rechtsprechung und Literatur lediglich, dass die Frist des § 217 ZPO, wonach eine mindestens dreitägige
Ladungsfrist eingehalten werden soll, nicht unterschritten werden darf. Eine solche Unterschreitung der minimalen
Ladungsfrist liegt hier unstreitig nicht vor. Zwischen der Zustellung der Ladung am 03.04.2008 und dem Termin am
15.04.2008 lagen somit elf Tage. Der Beschwerdeführer trägt auch keine Gründe vor, die es ihm ausnahmsweise nicht
gestattet hätten, entweder den Befundbericht vor dem 15.04.2008 vorzulegen oder zu diesem Termin zu erscheinen.
Sein Vortrag, er habe den Befundbericht schon am 12.04.2008 verfasst und er sei infolge eines Versehens seiner
Praxismitarbeiter nicht rechtzeitig dem Gericht vorgelegt worden, rechtfertigt nicht die Aufhebung des
Ordnungsgeldbeschlusses gemäß § 381 Abs.1 Satz 2 ZPO. Danach ist die gegen den Zeugen getroffene Anordnung
wieder aufzuheben, wenn die genügende Entschuldigung seines Fernbleibens nachträglich erfolgt. Abgesehen davon,
dass den Einlassungen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen ist, er habe annehmen dürfen, der Befundbericht
sei dem Gericht rechtzeitig vorgelegt worden und das Nichtübersenden sei auf ein von ihm nicht zu vertretendes
Versehen seiner hinreichend überwachten Mitarbeiter zurückzuführen, sind keine Umstände erkennbar, die sein
Ausbleiben rechtfertigen könnten. Jedenfalls ist seine Erklärung, die Befundübersendung habe sich mit der Zustellung
des Ordnungsgeldbeschlusses überschnitten, in keiner Weise geeignet, sein Ausbleiben im Termin am 15.04.2008 zu
entschuldigen. Denn in jedem Fall war er unstreitig zum vorgenannten Termin nicht erschienen.
Demnach lagen die Voraussetzungen zum Absehen von einem Ordnungsmittel oder zur nachträglichen Aufhebung
einer solchen Anordnung gemäß § 381 Ab.1 ZPO nicht vor. Das SG hat daher zu Recht Ordnungsgeld gegen den
Beschwerdeführer verhängt.
In Anbetracht der Tatsache, dass sich das Ordnungsgeld im unteren Bereich des nach Art.6 Abs.1 EGStGB
festgesetzten Rahmens von 5,00 EUR bis 1.000,00 EUR bewegt und das SG hinsichtlich der Höhe sein Ermessen
zutreffend ausgeübt hat, besteht keine Veranlassung zur Herabsetzung.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf analoger Anwendung des § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs.1
und 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Beschwerdeführer gehört nicht zum kostenprivilegierten Personenkreis des §
183 SGG, so dass § 197a SGG Anwendung findet mit der Folge, dass das Beschwerdeverfahren
gerichtskostenpflichtig ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).