Urteil des LSG Bayern vom 30.09.2009

LSG Bayern: haushalt, taschengeld, witwenrente, tod, gegenleistung, kleider, gas, zukunft, wasser, verfügung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 30.09.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 2 U 53/05
Bayerisches Landessozialgericht L 18 U 437/05
Bundessozialgericht B 2 U 24/10 B
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.10.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Witwenrente gemäß § 66 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB VII).
Die 1953 geborene Klägerin ist die frühere Ehegattin des R. A., der am 24.12.2003 einen für ihn tödlich verlaufenden
Arbeitsunfall erlitt. Die beiden hatten am 30.04.1976 in Italien geheiratet. Die Ehe wurde durch seit 06.04.1977
rechtskräftigtes Urteil des Landgerichtes N. vom 06.04.1977 geschieden, wobei beide Parteien für Schuld an der
Scheidung erklärt wurden. Anlässlich der nicht öffentlichen Sitzung vor dem Landgericht N. wurde am 06.04.1977 eine
Vereinbarung geschlossen, wonach die Parteien gegenseitig auf Unterhalt für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
einschließlich des Notbedarfes verzichten würden.
Seit August 1977 lebten die Klägerin und ihr früherer Ehegatte wieder in einem gemeinsamen Haushalt zusammen,
wobei die Haushaltsführung allein der Klägerin oblag und auch von dieser allein vorgenommen wurde, wobei
gemeinsam die Kosten für Lebensmittel, Kleidung, Versicherung, Gas, Strom usw. getragen wurden und wobei der
frühere Ehegatte aufgrund seines höheren Einkommens ca. 70 % der Kosten getragen hat. Außerdem hat die Klägerin
nach ihren eigenen Angaben vom April 2004 von ihrem früheren Ehegatten ein monatliches Taschengeld von 500,00
EUR erhalten.
Mit Bescheid vom 26.07.2004 lehnte die Beklagte den Antrag vom 05.02.2004 auf Gewährung von Witwenrente ab, da
mit Scheidungsurteil vom 06.04.1977 auf Unterhalt verzichtet worden sei und aufgrund der Einkommensverhältnisse
eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht bestanden habe, da die Klägerin in der Vergangenheit den gemeinsamen Haushalt
fast zu 100 % geführt habe. Bei dieser Sachlage sei weder von einer direkten noch indirekten Unterhaltszahlung durch
den früheren Ehegatten auszugehen.
Den hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vom 16.08.2004 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
28.01.2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde unter Wiederholung der Gründe aus dem Bescheid vom
26.07.2004 ausgeführt, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden müsse, dass die
Leistungen des früheren Ehegatten an die Klägerin mit Rücksicht auf deren Gegenleistungen gewährt worden seien
und dass Anhaltspunkte dafür, dass der frühere Ehegatte der Klägerin gegenüber Geldleistungen auch ohne eine
Gegenleistung gewährt hätte, nicht vorliegen würden.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin mit Schreiben vom 16.02.2005 Klage zum Sozialgericht
Nürnberg (SG) erhoben.
Mit Urteil vom 25.10.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der frühere
Ehegatte der Klägerin keinen Unterhalt geleistet habe und dass auch keine Unterhaltsbedürftigkeit bestanden habe.
Gegen das am 16.12.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.12.2005 Berufung eingelegt.
Der Senat hat am 27.05.2008 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme durchgeführt.
In diesem Termin wurden die Töchter der Klägerin und ihres früheren Ehegatten, Frau S. A. sowie Frau C. A. als
Zeuginnen vernommen. Beide gaben übereinstimmend an, dass die Klägerin von ihrem früheren Ehegatten ein
monatliches Taschengeld in Höhe von 400,00 bis 500,00 EUR erhalten habe. Dieses Taschengeld sei nicht von einer
Gegenleistung der Klägerin abhängig gewesen, sie hätte darüber frei verfügen können, z.B. zum Friseur gehen,
Kleider oder Geschenke für die Kinder zu kaufen bzw. die Kinder öfters zum Essen einzuladen können und es sei
nicht für den Haushalt oder zur Befriedigung des laufenden Lebensbedarfs vorgesehen gewesen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.10.2005 und
des Bescheides der Beklagten vom 26.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2005 zu
verurteilen, auf den Antrag vom 05.02.2004 hin Witwenrente ab 24.12.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.10.2005 zurück- zuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, insbesondere der Niederschrift über den
Termin zur Erörterung des Sachverhaltes und zur Beweisaufnahme vom 27.05.2008 sowie der beigezogenen Akten
der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG
-).
Sie ist aber nicht begründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente gemäß § 66 SGB VII
hat.
Gemäß § 66 Abs 1 SGB VII erhalten frühere Ehegatten von Versicherten, deren Ehe mit ihnen geschieden, für nichtig
erklärt oder aufgehoben ist, auf Antrag eine Rente entsprechend § 65 SGB VII, wenn die Versicherten ihnen während
des letzten Jahres vor ihrem Tod Unterhalt geleistet haben oder dem früheren Ehegatten im letzten wirtschaftlichen
Dauerzustand vor dem Tod der Versicherten ein Anspruch auf Unterhalt zustand.
Da die Klägerin und ihr früherer Ehegatte nach der im Rahmen des Scheidungsverfahrens vor dem Landgericht N. am
06.04.1977 getroffenen Vereinbarung gegenseitig auf Unterhalt für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
einschließlich des Notbedarfes verzichtet haben, besteht kein Anspruch auf Gewährung von Witwenrente an den
früheren Ehegatten gemäß § 66 Abs 1 Satz 1 Alternative 2 SGB VII.
Auch hat der frühere Ehegatte der Klägerin nach Auffassung und zur Überzeugung des Senates an diese im letzten
Jahr vor dem Tod keinen den Voraussetzungen des § 66 Abs 1 Satz 1 Alternative 1 SGB VII genügenden Unterhalt
geleistet.
Zum einen haben die beiden gemeinsamen Töchter der Klägerin und ihres früheren Ehegatten im Termin zur
Erörterung des Sachverhaltes und zur Beweisaufnahme am 27.05.2008 übereinstimmend erklärt, dass der frühere
Ehegatte, ihr Vater, der Klägerin, der Mutter, im Monat ca. 400,00 bis 500,00 EUR Taschengeld zur freien Verfügung
gezahlt habe, dass dieses Geld nicht für den Haushalt und zur Befriedigung des laufenden Lebensbedarfes
vorgesehen war, dieses Taschengeld nicht von einer Gegenleistung abhängig gewesen sei und die Klägerin über
dieses Geld frei verfügen konnte, z.B. zum Friseur gehen, Kleider oder Geschenke für die Kinder kaufen bzw. die
Kinder öfter zum Essen einladen konnte. Damit erfolgten die Zahlungen des früheren Ehegatten der Klägerin an diese
nicht zur Deckung des Lebensbedarfes der Klägerin, im Gegenteil, das vorbeschriebene Gesamtbild der Zahlungen
rechtfertigt nicht die Annahme einer auf Dauer angelegten Gewährung von Unterhalt, die nach dem Tod des
Versicherten, des früheren Ehegatten, durch die Hinterbliebenenrente fortzuführen bzw. zu ersetzen wäre.
Zum anderen läge selbst dann, wenn man die Zahlungen des früheren Ehegatten als Unterhalt, als Zahlungen für den
Haushalt bzw. zur Befriedigung des laufenden Lebensbedarfes ansehen würde, keine Unterhaltsleistung im Sinne des
§ 66 Abs 1 Satz 1 Alternative 1 SGB VII vor. Dies ist darin begründet, dass nach ständiger Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes (vgl. Urteile vom 28.11.1963 -12 RJ 98/62 = SozR Nr 16 zu § 1265 RVO; vom 29.08.1968 - 12
RJ 48/66) für den Fall, dass geschiedene Eheleute wieder in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, ohne
nochmals geheiratet zu haben und eine Unterhaltspflicht des Mannes gegenüber seiner früheren Ehefrau weder nach
dem Ehegesetz noch aus sonstigem Grund vorliegt, der Mann seiner früheren Ehefrau jedenfalls dann keinen
Unterhalt leistet, wenn der Wert des Beitrages, den er zu dem gemeinsamen Haushalt beisteuert, nicht höher ist als
der Wert des Beitrages der Frau mit Einschluss des Wertes der Haushaltsführung. Vorliegend hat nach den
unbestrittenen Angaben der Klägerin der frühere Ehegatte 70 % der Kosten an Strom, Gas, Wasser, Versicherungen,
Essen, Kleidung usw. getragen, die Klägerin 30 %. Außerdem war die Klägerin zu 100 % mit der Haushaltsführung
beauftragt und hat den Haushalt auch zu 100 % allein geführt. Somit war nach Auffassung und zur Überzeugung des
Senates der Wert des Beitrages, den der frühere Ehegatte zu dem gemeinsamen Haushalt beigesteuert hat, in keinem
Fall höher als der Wert des Beitrages der Klägerin einschließlich des Wertes der Haushaltsführung.
Nach alledem ist nicht davon auszugehen, dass der frühere Ehegatte der Klägerin dieser im letzten Jahr vor seinem
Tod Unterhalt geleistet hat und dass damit die Voraussetzung des § 66 Abs 1 Satz 1 Erste Alternative SGB VII
gegeben waren bzw. sind.
Somit war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).