Urteil des LSG Bayern vom 20.12.2006

LSG Bayern: erwerbsfähigkeit, zumutbare tätigkeit, reaktive depression, psychiatrisches gutachten, altersrente, herzinfarkt, metallarbeiter, beweislast, behinderung, gesundheitszustand

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 20.12.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 2 RJ 5009/03 It
Bayerisches Landessozialgericht L 16 R 573/04
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04.03.2004 abgeändert und die
Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
14.01.2003 verurteilt, unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung zum 24.04.2006
Rentenleistungen ab 01.05.2006 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird die
Berufung zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 09.10.2006 wird abgewiesen. II. Die außergerichtlichen
Kosten des Klägers beider Rechtszüge sind von der Beklagten zu 1/4 zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der am 1946 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Italien. Nach seinen Angaben und
nach dem vorgelegten Arbeitsbuch hat er keine Berufsausbildung absolviert. In Italien war er - mit Unterbrechungen -
von November 1961 bis zu seinem Herzinfarkt im September 2000 als Karosserie-Schweißer, allgemeiner Arbeiter,
Hilfsarbeiter und zuletzt als mechanischer Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt und legte Versicherungszeiten
bis Juli 2002 zurück. In Deutschland war er von März 1964 bis August 1977 als Bauarbeiter und zuletzt als
Metallarbeiter in der Autoindustrie versicherungspflichtig beschäftigt; von Juni bis September 1983 und von November
1983 bis Januar 1984 wurden für den Kläger, der als Hilfsarbeiter Gelegenheitsarbeiten verrichtete, nochmals
Pflichtbeiträge an die Beklagte entrichtet. Der Kläger bezieht nach seinen Angaben seit Mai 2001 eine italienische
Invaliditätsrente. Auf den Antrag vom 27.01.2006 gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.2006
Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.05.2006.
Auf den Rentenantrag vom 20.04.2001 hin wurde der Kläger in Italien kardiologisch und allgemeinmedizinisch
untersucht. Nach Auswertung der übersandten ärztlichen Unterlagen durch ihren beratungsärztlichen Dienst lehnte die
Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 27.03.2002 mit der Begründung ab, dass der Kläger trotz seines
ischämischen Herzleidens und seiner Angstzustände noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des
allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6 h täglich leichte Arbeiten zu verrichten. Er sei daher weder teilweise
noch voll erwerbsgemindert.
Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger unter Vorlage eines Attestes von Dr. A. geltend, dass er
nicht ohne Schmerzen arbeiten könne und er nicht die geringste Anstrengung (beim Treppensteigen oder bei
Verrichtungen der täglichen Hausarbeit) ertragen könne. Auf der Grundlage der in Italien durchgeführten
allgemeinärztlichen, psychiatrischen und kardiologischen Untersuchungen sowie unter Berücksichtigung der
vorgelegten aktuellen ärztlichen Berichte stellte der ärztliche Dienst der Beklagten fest, dass sich keine Hinweise auf
eine zwischenzeitliche Änderung der Befunde ergäben. Eine koronare Herzerkrankung sei nicht objektivierbar. Es
ergebe sich auch kein Anhalt für das Vorliegen anderer, schwerwiegender Gesundheitsstörungen. Der Widerspruch
wurde daher mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2003 als unbegründet zurückgewiesen.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg verfolgte der Kläger unter Vorlage aktueller
ärztlicher Unterlagen sein Ziel der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung weiter. Er habe seine Arbeit
verloren, weil sie zu anstrengend gewesen sei und er in Nachtschicht habe arbeiten müssen. Wegen seiner ständigen
Leiden und eines weiteren Herzinfarkts finde er keinen neuen Arbeitsplatz.
Das Gericht zog zur Ermittlung des Sachverhalts einen Befundbericht von Dr. A. mit zahlreichen Fremdbefunden bei
und holte von Amts wegen ein Gutachten nach Aktenlage von dem Internisten Dr. R. ein.
Dieser stellte in seinem Gutachten vom 15.01.2004 fest, dass die koronare Herzkrankheit bei labilem Bluthochdruck
die Herzleistungsbreite und damit die körperliche Belastbarkeit nur mittelgradig einschränke. Die psychische
Belastbarkeit sei trotz der reaktiven depressiven Verstimmung nur mäßiggradig eingeschränkt. Dem Kläger seien
daher ab seinem Herzinfarkt im September 2000 schwere und mittelschwere Belastungen, das Heben und Tragen
schwerer Lasten mit Kraftaufwand und Tätigkeiten mit Stresswirkung unzumutbar. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als
Metallarbeiter könne er nicht mehr verrichten. Dem Kläger seien ab diesem Zeitpunkt nur noch leichte Arbeiten, wie
z.B. Lagerarbeiten, Materialausgabe oder leichte Hilfstätigkeiten in Handelsbetrieben, mindestens 6 h täglich
zumutbar.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 04.03.2004 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass
der Kläger unter Berücksichtigung der beigezogenen ärztlichen Unterlagen sowie des eingeholten Gutachtens von Dr.
R. noch täglich mindestens 6 h leichte Tätigkeiten ausüben könne und daher weder voll noch teilweise
erwerbsgemindert sei. Da die Kreislaufleistungsminderung und nicht die Depression im Vordergrund ständen, sei eine
weitere Begutachtung nicht erforderlich gewesen. Zu berücksichtigen sei hierbei auch, dass nach der psychiatrischen
Untersuchung durch Dr. S. im Oktober 2002 außer der Einnahme des Medikamentes Trinitrin keine Therapie erfolgt
sei. Ausgehend von dem daher nur geringen Leidensdruck des Klägers sei eine schwerwiegende psychiatrische
Beeinträchtigung nicht anzunehmen. Die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Berichte belegten keine wesentliche
Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig im Sinn des § 240 des
Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI), weil die Tätigkeit als Metallarbeiter höchstens dem Leitbild des angelernten
Arbeiters der unteren Ebene zuzuordnen sei, und der Kläger daher auf alle an- und ungelernten Tätigkeiten des
allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar verweisbar sei.
Dagegen hat der Kläger unter Vorlage weiterer zahlreicher ärztlicher Unterlagen Berufung eingelegt, weil sein
klinischer Zustand ungenau festgestellt worden sei, und sein Gesundheitszustand sich eindeutig verschlechtert habe.
Der Senat hat zur Ermittlung des Sachverhalts das Arbeitsbuch des Klägers sowie einen Auszug aus dem
italienischen Versicherungskonto beigezogen - der Versuch, Auskünfte der letzten italienischen Arbeitgeber
einzuholen, war erfolglos - und hat über den Gesundheitszustand und das berufliche Leistungsvermögen des Klägers
Beweis erhoben durch Einholung medizinischer Sachverständigengutachten von Amts wegen auf internistisch-
kardiologi- schem Fachgebiet von Prof. Dr. H. und auf psychiatrischem Fachgebiet von Dr. M., jeweils aufgrund einer
ambulanten Untersuchung des Klägers.
Nach Ansicht von Prof. Dr. H. bestehe seit dem Herzinfarkt im September 2000 aufgrund der wiederholt stabilen
Befunde keine höhergradige Herzleistungsminderung. Die vom Kläger geklagte eingeschränkte körperliche
Belastbarkeit beruhe nicht auf einer Herzerkrankung, sondern im Wesentlichen auf seiner Herzkreislaufuntrainiertheit.
Mangels einer signifikanten Beeinträchtigung könne der Kläger ab Antragstellung noch leichte bis mittelschwere
Arbeiten mindestens 6 h täglich verrichten.
Dr. M., Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin, ist der Auffassung, dass spätestens ab dem
Zeitpunkt der Untersuchung am 24.04.2006 beim Kläger eine somatoforme autonome Störung des kardiovaskulären
Systems (Herzneurose) feststellbar sei. Auf Grund der eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit, der depressiven
Antriebsminderung und den deutlichen herzbezogenen Ängsten des Klägers sei sein Leistungsvermögen spätestens
ab dem Untersuchungszeitpunkt mit mindestens drei und weniger als 6 h täglich für leichte Arbeiten ohne besondere
Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit einzuschätzen. Es bestehe keine begründete Aussicht auf eine
Besserung des Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gutachten von Prof. Dr. H. vom 03.08.2006 und von Dr. M. vom 24.07.2006
verwiesen.
Der Kläger hat das Vergleichsangebot der Beklagten vom 04.09.2006, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab
01.05.2006 und Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.11.2006 bis einschließlich 31.10.2009 zu gewähren,
nicht angenommen.
Er beantragt daher sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04.03.2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheides vom 27.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2003 sowie unter Abänderung
des Bescheides vom 09.10.2006 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser
Erwerbsminderung und hilfsweise Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.02.2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen, soweit vor dem 01.05.2006 Rentenleistungen begehrt werden.
Zur Begründung verweist sie auf die Beweisergebnisse der vom Senat eingeholten Gutachten.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten der
Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
zulässig. Sie hat in der Sache überwiegend keinen Erfolg.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat der Kläger ab 01.05.2006 einen Anspruch auf Gewährung von Rente
wegen teilweiser Erwerbsminderung und ab 01.11.2006 bis 31.10.2009 einen Anspruch auf Gewährung von Rente
wegen voller Erwerbsminderung im Sinn des § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur
Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. I S.1827) gemäß § 300 Abs. 2 SGB
VI. Soweit der Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Antragstellung vom 20.04.2001 begehrt, hat das
Sozialgericht zu Recht mit seinem Urteil vom 04.03.2004 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom
27.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2003 abgewiesen. Der Kläger hat auch keinen
Anspruch auf Gewährung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen von 01.02.2006 bis 30.04.2006. Der
Bescheid der Beklagten vom 09.10.2006 war aufgrund der im Hinblick auf die Prozessökonomie gebotenen weiten
Auslegung des § 96 Abs. 1 SGG zumindest entspr. dieser Vorschrift Gegenstand des Verfahrens, weil er "im Kern"
dieselbe Frage der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bzw. Erwerbsunfähigkeit (§ 236 a Satz 1 Nr. 2
SGB VI) betrifft.
Der Kläger hat zwar nach Aktenlage zum Zeitpunkt der Antragstellung die Wartezeit sowie die besonderen
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
erfüllt, aber eine Erwerbsminderung des Klägers ist erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. M. am
24.04.2006 zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Zu einem früheren Zeitpunkt ist er weder berufsunfähig im
Sinn des § 240 Abs. 2 SGB VI noch teilweise oder voll erwerbsgemindert im Sinn von § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2
Satz 2 SGB VI.
Teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren
Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und
seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger
als 6 h täglich gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu
beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter
Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen
Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare
Tätigkeit mindestens 6 h täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande
sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 h täglich erwerbstätig zu sein (§
43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Nach der in Rechtsfortbildung der Versicherungsfälle der verminderten Erwerbsfähigkeit
durch das Bundessozialgericht entwickelten und vom Gesetzgeber durch das EMRefG gebilligten (vgl. § 43 Abs. 3
SGB VI) Arbeitsmarktrente ist der Versicherte darüber hinaus auch voll erwerbsgemindert, wenn das
Leistungsvermögen auf unter 6 h abgesunken ist und der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, weil der Versicherte
keinen zumutbaren Arbeitsplatz innehält (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, SozR 3-2600 § 44
Nr. 8).
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder
Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens 6 h täglich erwerbstätig zu sein.
Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist vor dem 24.04.2006 qualitativ, nicht aber quantitativ eingeschränkt.
Er kann ab Eingang des Rentenantrags am 20.04.2001 bis 23.04.2006 noch leichte Tätigkeiten ohne besondere
Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit (z.B. Zeitdruck, Wechselschicht, Akkord) mindestens 6 h täglich
verrichten, wobei weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen vorliegt. Dieses Leistungsvermögen ergibt sich aus den vom Senat erholten Gutachten
von Dr. M. und Prof. Dr. H., die mit dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten von Dr. R. für den Zeitraum vor
dem 24.04.2006 in Einklang stehen, auf der Grundlage ihrer Untersuchung des Klägers sowie unter Berücksichtigung
aller beigezogenen und vom Kläger vorgelegten zahlreichen ärztlichen Unterlagen. Die von den gerichtlichen
Sachverständigen abgegebenen Beurteilungen sind überzeugend, weil sie sich folgerichtig aus den nach den Regeln
der medizinischen Wissenschaft auf Grund der anamnestischen Angaben des Klägers sowie der vorliegenden
klinischen und apparativen Untersuchungsbefunde erfolgten Feststellungen über den Gesundheitszustand des Klägers
ergeben; der Senat schließt sich daher diesen Beurteilungen an.
Zum Zeitpunkt der Antragstellung stand nach dem Herzinfarkt im September 2000 das Herzleiden im Vordergrund.
Nach dem Gutachten von Prof. Dr. H. vom 03.08.06 liegen auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet folgende
Gesundheitsstörungen vor: - koronare Eingefäßerkrankung - echokardiographisch aktuell grenzwertig normale
linksventrikuläre Funktion bei diskreter, anterolateral basaler Hypokinesie - arterieller Hypertonus unter aktuell
insuffizienter medikamentöser Einstellung mit deutlicher Belastungshypertonie und leicht hypertrophiertem, linken
Ventrikel - schwere, gemischte Hypercholesterin- und Hypertriglyteridämie mit laborchemischem Verdacht auf
hepatische Lipomatose - Leukozytose. Auf Grund der wiederholt im Rahmen der Ruhe- und
Belastungsuntersuchungen erhobenen stabilen Befunde liegt keine höhergradige, das Leistungsvermögen quantitativ
einschränkende Herzleistungsminderung vor. Die vom Kläger geklagte eingeschränkte körperliche Belastbarkeit
beruht nicht auf seiner Herzerkrankung, sondern im Wesentlichen auf seiner Herzkreislaufuntrainiertheit. Die
regelmäßig durchgeführten Ruhe- und Belastungsuntersuchungen haben keine Nachweise für neuerliche,
ischämieverdächtige Veränderungen am Herzen erbracht. Die koronare Durchblutungssituation ist als stabil zu
bewerten. Da der langjährige Bluthochdruck medikamentös insuffizient eingestellt ist, ist mittlerweile eine beginnende
Herzmuskelhypertrophie entstanden. Diese erklärt zum großen Teil die vom Kläger geschilderten Beschwerden unter
körperlicher Belastung. Die Lungenfunktionsprüfung hat nur eine leichtgradig restriktive Ventilationsstörung ergeben.
Ein Verdacht auf Hepatitis oder eine andere Leberfunktionsstörung liegt nicht vor.
Auf psychiatrischem Fachgebiet liegen ab Antragstellung eine Dysthymie sowie eine Neurasthenie und spätestens ab
dem Zeitpunkt der Untersuchung am 24.04.2006 durch Dr. M. eine somatoforme autonome Störung des
kardiovaskulären Systems (Herzneurose) vor. Nach dem Herzinfarkt 2000 ist eine reaktive Depression, verbunden mit
Ängsten, aufgetreten. Wegen der immer wieder auftretenden Herzbeschwerden, für die kein ausreichendes
organpathologisches Korrelat festgestellt werden konnte, und nach Verlust der letzten Arbeitsstelle, der für den Kläger
mit Kränkungen verbunden gewesen ist, konnte der Kläger das Herzinfarktereignis psychisch nicht adäquat
verarbeiten. Im Lauf der Zeit haben sich eine Dysthymie im Sinn einer chronischen neurotisch-depressiven
Entwicklung und eine Neurasthenie entwickelt. Mangels psychopharmakologischer, psychiatrischer und
therapeutischer Behandlung chronifizierte und verschlechterte sich dieser Krankheitsverlauf. Der Leidensschwerpunkt
verlagerte sich allmählich vom internistischen auf das psychiatrische Fachgebiet. Da erst auf Grund der Untersuchung
am 24.04.2006 eine eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit, eine deutliche depressive Antriebsminderung und
deutliche herzbezogene Ängste festgestellt wurden, und keine begründete Aussicht auf eine Besserung des
Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit besteht, war erst ab diesem Zeitpunkt ein 3- bis unter 6-stündiges tägliches
Leistungsvermögen nachgewiesen.
Der Eintritt eines unter sechs-stündigen Leistungsvermögens vor dem 24.04.2006 ist nicht voll bewiesen, d.h. liegt
nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor (Vollbeweis). Es darf kein vernünftiger, in den Umständen
des Einzelfalles begründeter Zweifel bestehen (s. statt vieler Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 118
Rdnr. 5 ff. m.w.N.). Kann das Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht
feststellen (non liquet), so gilt der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm
geltend gemachten Anspruch begründen (so etwa BSGE 27, 40). Der Kläger muss daher nach dem Grundsatz der
objektiven Beweislast die Folgen tragen, wenn eine Ungewissheit wegen der für ihn günstigen Tatsachen verblieben
ist. Denn für das Vorliegen der rechtsbegründenden Tatbestandsvoraussetzung der verminderten Erwerbsfähigkeit
trägt der Versicherte die Darlegungs- sowie die objektive Beweislast (so BSG SozR 3-2600 § 43 Rdnr. 14).
Der Senat hat alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Er hat die beigezogenen und vom Kläger vorgelegten
zahlreichen ärztlichen Unterlagen durch die gerichtlichen Sachverständigen auswerten lassen und ein internistisches
sowie ein psychiatrisches Gutachten – jeweils auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers -
eingeholt. Die von Dr. S. festgestellte allgemeine Angststörung und phobisch-hypochondrische Störung sind noch
keine echten psychischen Erkrankungen oder echte Versagenszustände mit Krankheitswert, die der Kläger weder
unter eigener zumutbarer Willensanstrengung noch unter ärztlicher Mithilfe in absehbarer Zeit überwinden kann. Denn
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (etwa SozR Nr. 38, 39, 45, 76 zu § 1246 RVO; BSG,
Urteil vom 12.09.1990, Az. 5 RJ 88/98) sind psychische Erkrankungen wie körperliche Krankheiten anzusehen, wenn
sie durch Willensentschlüsse des Betroffenen nicht mehr zu beheben sind. Die Unüberwindbarkeit der Angststörung
und der phobisch-hypochondri-schen Störung des Klägers, die nach Aktenlage nicht behandelt wurden, ist bis zum
Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. M. nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen. Dr. A. berichtete zwar
am 28.01.2004 von einer stetigen Veränderung des Gesundheitszustandes des Klägers, so dass die Unruhe und
Depression bereits eine Konstante des Klägers seien, aber wegen fehlender nachfolgender eindeutiger ärztlicher
Befunde ist im Hinblick auf die kontinuierliche Verschlechterung des psychischen Zustandes des Klägers eine
(psychische) Gesundheitsstörung von sozialmedizinischer Relevanz im Sinn einer Beeinträchtigung seiner
Erwerbsfähigkeit erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. M. nachgewiesen. Da ein Nachweis für das
Vorliegen eines unter sechs-stündigen Leistungsvermögens vor 24.04.2006 nicht erbracht ist, geht die
Unerweislichkeit dieser Tatsache nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.
Bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist vom bisherigen Beruf des Klägers auszugehen. In der Regel ist dies die
zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, wenn sie zugleich die qualitativ höchste
gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 158). Zu Grunde zu legen ist daher die in Deutschland zuletzt
versicherungspflichtig verrichtete Tätigkeit als Metallarbeiter. Da der Kläger keine Berufsausbildung absolviert hat,
nach dem Arbeitsbuch anschließend in Italien nur als Karosserie-Schweißer, allgemeiner Arbeiter und Hilfsarbeiter bis
November 1984 gearbeitet hatte und im Arbeitsbuch als Beruf Hilfsmechaniker eingetragen ist, wird zu Gunsten des
Klägers davon ausgegangen, dass er für seine Tätigkeit als Metallarbeiter bis zu 12 Monaten angelernt werden
musste. Wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, ist der Kläger als angelernter Arbeiter des unteren
Bereichs nach dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema auf alle an- und ungelernten Tätigkeiten des
allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar verweisbar, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist, ohne dass
es der konkreten Benennung eines bestimmten Verweisungsberufes bedarf.
Erst recht hat der Kläger vor Mai 2006 keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung
nach § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI, weil er nach den überzeugenden Feststellungen der gerichtlichen
Sachverständigen in der Lage ist, bis 23.04.2006 unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
mindestens 6 h täglich erwerbstätig zu sein. Er ist daher auch nicht erwerbsunfähig im Sinn des § 44 Abs. 2 SGB VI
in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung, so dass er keinen Anspruch auf Gewährung von Altersrente für
schwerbehinderte Menschen gemäß § 236a SGB VI für den Zeitraum von Februar bis April 2006 hat.
Da für die Zeit ab 24.04.2006 nachgewiesen ist, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, einer mindestens 6-
stündigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, liegen beim Kläger ab diesem Zeitpunkt eine teilweise Erwerbsminderung
sowie unter Berücksichtigung der vom Großen Senat des BSG entwickelten Rechtsprechung zur Verschlossenheit
des Teilzeitarbeitsmarktes (s. hierzu oben) eine volle Erwerbsminderung (sog. arbeitsmarktbedingte
Erwerbsminderung) vor. Der Kläger, der ab diesem Zeitpunkt keine Erwerbstätigkeit mehr ausübt, hat daher gemäß §
99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ab 01.05.2006 einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und gemäß §
102 Abs. 2, § 101 Abs. 1 SGB VI ab 01.11.2006 bis 31.10.2009 einen Anspruch auf Rente wegen voller
Erwerbsminderung. Wegen des gleichzeitigen Anspruchs auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab
01.05.2006 ist gemäß § 89 Abs. 1 SGB VI nur die höchste Rente zu leisten. Die Regelung des § 34 Abs. 4 Nr. 1 SGB
VI steht nicht entgegen, weil die mit Bescheid vom 09.10.2006 erfolgte Bewilligung der Rente wegen Alters noch nicht
bindend ist.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung überwiegend keinen Erfolg
hatte.
Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.