Urteil des LSG Bayern vom 24.01.2007

LSG Bayern: rumänien, beitragszeit, beitragspflichtige beschäftigung, anerkennung, sicherheit, unterbrechung, gleichstellung, landwirtschaft, altersrente, abhängigkeit

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 24.01.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 8 R 1308/05
Bayerisches Landessozialgericht L 16 R 399/06
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. März 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten. III. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
T a t b e s t a n d:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin im Zugunstenverfahren unter Berücksichtigung von
nachgewiesenen (statt nur glaubhaft gemachten) Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) auf Grund einer
Mitgliedschaft in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in Rumänien Anspruch auf eine höhere
Altersrente für Frauen hat.
Die 1942 in Rumänien geborene Klägerin, die Inhaberin des Vertriebenenausweises A ist, ist am 21.11.1991 in die
Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt. In Rumänien war sie nach der am 01.03.1995 von der LPG "Romgera"
ausgestellten Adeverinta Nr. 55 von Januar 1971 bis Dezember 1977 Mitglied der LPG "Romgera", Gemeinde S., und
im Pflanzenanbau tätig. Die LPG "Viata Noua", ebenfalls Gemeinde Sintana, bescheinigte am 10.07.1990, dass die
Klägerin zwischen 1971 und 1977 im Rahmen ihres Betriebes gearbeitet habe.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 13.11.2002 Altersrente für Frauen ab
01.01.2003 unter Berücksichtigung der rumänischen Zeiten im Jahr 1971 als nachgewiesene und in dem streitigen
Zeitraum von 1972 bis 1977 als nur glaubhaft gemachte Zeiten auf der Grundlage der Adeverinta Nr. 55 vom
01.03.1995.
Mit Schreiben vom 08.11.2004 beantragte die Klägerin eine ungekürzte Berücksichtigung der rumänischen
Beitragszeiten für die Jahre 1971 bis 1977, weil sie in diesem Zeitraum als Mitglied der LPG Viata Noua gearbeitet
habe, und die LPG für den gesamten Zeitraum Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet habe. Zur
Begründung verwies sie auf die Kommentierung des § 15 FRG des vom Verband Deutscher
Rentenversicherungsträger herausgegebenen Kommentars zur Rentenversicherung.
Mit Bescheid vom 21.02.2005 lehnte die Beklagte die Vollanrechnung der beantragten rumänischen Beitragszeiten im
Wege einer Zugunstenentscheidung nach § 44 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) ab, weil die nochmalige
Überprüfung keine neuen Gesichtspunkte ergeben habe. Eine ungekürzte Anrechnung der Zeiten von 1971 bis 1977
sei nicht möglich, da für das jeweilige Jahr eine über den 5/6- Umfang hinausgehende Arbeitsleistung nicht
nachgewiesen sei.
Der dagegen erhobene Widerspruch, mit dem das Vorbringen des Rücknahmeantrags wiederholt worden ist, wurde mit
Widerspruchsbescheid vom 12.04.2005 als unbegründet zurückgewiesen, weil in der rumänischen Adeverinta Nr. 55
vom 01.03.1995 für die streitige Zeit nicht mehr als 300 Tage bzw. erfüllte Normen bescheinigt worden seien und die
Adeverinta keine Angaben zu Fehlzeiten und Arbeitsunterbrechungen enthalte. Ein vollständiger Nachweis sei daher
nicht erbracht. Aus dem bloßen Bestehen eines Mitgliedschaftsverhältnisses zu einer LPG in Rumänien könne nicht
auf ein ganzjähriges und ununterbrochenes Beschäftigungsverhältnis geschlossen werden. Es sei für den Nachweis
von Beschäftigungszeiten eine am Einzelfall ausgerichtete konkrete Betrachtungsweise notwendig; verwiesen wird
insoweit auf die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 08.09.2004, Az. L 2 RJ 1664/02. Die Anerkennung
der Beitragszeiten im Jahr 1971 zu 6/6 sei nicht mehr nachvollziehbar.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München verfolgte die Klägerin ihr Ziel der ungekürzten
Berücksichtigung der rumänischen Beitragszeiten von 1972 bis 1977 weiter. Zur Begründung trug sie unter
Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 08.09.2005, Az. B 13 RJ 44/04 R, auf das Urteil des BayLSG vom
21.07.1999, Az. L 20 RJ 620/93 sowie auf mehrere Entscheidungen der Sozialgerichte Nürnberg und München vor,
dass in Rumänien die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften nach den gesetzlichen Bestimmungen in der
Zeit vom 1966 bis 1977 für ihre Mitglieder allein auf Grund deren Mitgliedschaft für jeden Monat Beiträge entrichtet
hätten. Es habe keine Rolle gespielt, ob jemand gearbeitet habe oder nicht, und ob die Arbeit durch Schwangerschaft,
Krankheit etc. unterbrochen worden sei. Für jedes Mitglied sei der gleiche Beitrag aus den Gesamteinnahmen der
LPG entrichtet worden; die Höhe der Entgelte sei ohne Bedeutung für die Versicherungspflicht und Beitragshöhe
gewesen. Nur die Auszahlungen an die einzelnen Mitglieder seien gestaffelt nach den erwirtschafteten Normen erfolgt.
Erst ab der Rechtsänderung mit Wirkung vom 01.01.1978 seien Beiträge nur noch für Arbeitsleistungen gezahlt
worden. § 15 FRG spreche nicht von Arbeit oder Beschäftigung, sondern allein von Beitragszahlung. Wenn die
Beitragszahlung nachgewiesen sei, sei der Zeitraum der Beitragszahlung voll zu bewerten. Die Klägerin sei bei der
LPG auch beschäftigt gewesen.
Die Beklagte vertrat unter Bezugnahme auf das o.g. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 08.09.2004 die
Auffassung, dass eine ungekürzte Anrechnung nur möglich sei, wenn mehr als 300 Arbeitstage bescheinigt seien.
Dabei werde nicht verkannt, dass die LPG während der gesamten Mitgliedschaft ein Weisungsrecht gegenüber ihren
Mitgliedern gehabt habe, und dass ein leistungsabhängiges Grundgehalt gezahlt worden sei. Es stehe aber nicht mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses und damit
Fehlzeiten nicht vorlägen. Dem Urteil des BSG vom 08.09.2005 werde nicht gefolgt. Denn das
Gleichstellungserfordernis nach § 15 Abs. 1 Satz 2 FRG mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder
Tätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes setze voraus, dass die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung oder
selbstständigen Tätigkeit die unmittelbare Ursache für die Beitragsentrichtung im Herkunftsland gewesen sei. Es
komme daher unverzichtbar auf das Arbeitsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne an, und dieses sei
wiederum von der tatsächlichen Arbeitsleistung geprägt.
Das Sozialgericht hob in seinem Urteil vom 27.03.2006 den Bescheid vom 21.02.2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 12.04.2005 voll sowie den Bescheid vom 13.11.2002 teilweise auf und verurteilte die
Beklagte, die Zeit vom 01.01.1972 bis 31.12.1977 als Beitragszeit gemäß § 15 FRG zu 6/6 zu berücksichtigen. Denn
es seien für den gesamten streitigen Zeitraum von der LPG Beiträge für die Klägerin als Mitglied dieser LPG, bei der
sie auch beschäftigt gewesen sei, entrichtet worden, so dass die Entrichtung dieser Beiträge als nachgewiesen
anzusehen sei. Unerheblich sei, dass die Klägerin keine 300 Tage im Jahr gearbeitet habe. Denn in § 15 Abs. 1 FRG
komme es gerade auf die Beitragsleistung zu einem ausländischen System der Rentenversicherung und nicht auf die
tatsächliche Arbeitsleistung, wie in § 19 FRG, an. Auf die Entscheidung des BSG vom 08.09.2005, Az. B 13 RJ 44/04
R wurde Bezug genommen.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt mit der Begründung, dass der für eine 6/6 - Anrechnung erforderliche
Nachweis eines ganzjährigen und ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnisses nicht erbracht sei, weil keine
Angaben zu Fehlzeiten vorlägen. Dem oben genannten Urteil des BSG vom 08.09.2005 könne nicht gefolgt werden,
weil dessen Beurteilung zu einer unberechtigten Besserstellung der LPG-Mitglieder gegenüber sonstigen
Arbeitnehmern führen würde, und ein bloßes Abstellen auf die LPG-Mitgliedschaft dem Eingliederungsprinzip des FRG
widersprechen würde.
Da die Beiträge für rumänische Arbeitnehmer aus der Gesamtlohnsumme der Betriebe abgeführt worden seien und die
Beitragszahlung für die einzelnen Beschäftigten nicht aufgeschlüsselt worden sei, reiche die durchgehende
Beitragszahlung des Betriebs für die Gesamtheit aller Arbeitnehmer nicht für die Anerkennung einer durchgehenden
nachgewiesenen Beitragszeit für den einzelnen Beschäftigten aus. Denn auch bei einer Unterbrechung der
Beschäftigung und so der Lohnzahlung sei der Beitrag unvermindert entrichtet worden. Diese Beitragszeiten seien im
Rahmen des FRG nicht als Beitragszeiten angerechnet worden, weil keine lückenlose Ausübung der Beschäftigung
nachgewiesen gewesen sei. Da die LPG- und Kolchosmitglieder auf Grund ihrer besonderen Rentensysteme als
Arbeitnehmer zu sehen seien, müsse auf Grund der erforderlichen Gleichbehandlung auf deren individuellen Anteil am
Betriebsergebnis, der durch die tatsächliche Arbeitsleistung bestimmt werde, abgestellt werden. Diese Ansicht werde
durch die BSG-Rechtsprechung zu den Kolchosmitgliedern in der ehemaligen UdSSR vom 30.10.1997 (Az. B 13 RJ
19/97) gestützt; neben der Beitragsentrichtung sei danach das Bestehen eines Arbeits- bzw.
Mitgliedschaftsverhältnisses zur Kolchose eine weitere Voraussetzung zur Anerkennung einer Beitragszeit. Auch
nach der Entscheidung des BSG vom 27.02.1986 (Az. B 1 RA 57/84) würden fortgesetzt entrichtete Beiträge
angesichts eines lediglich pauschal bestätigten Beitragsaufkommens noch nichts über eine lückenlose
Beitragsentrichtung besagen.
Nach den Entscheidungen des Großen Senats des BSG vom 04.06.1986 - GS 1/85 - und vom 25.11.1987 -GS 2/85 -
sei der Eingliederung von im Herkunftsgebiet erworbenen Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften eine
rechtliche Grenze dort gesetzt, wo ihre Anrechnung mit der Struktur des deutschen Rechts schlechthin und
offenkundig unvereinbar werde. Nach dem das FRG beherrschenden Eingliederungsgrundsatz sollen die Berechtigten
so gestellt werden, als ob sie ihr Versicherungsleben in Deutschland zurückgelegt hätten. Deshalb könnten
Fremdbeitragszeiten grundsätzlich nicht in einem größeren Ausmaß anerkennungsfähig sein als Beitragszeiten nach
deutschem Recht. Die Fremdbeitragszeiten müssten in den wesentlichen Kriterien soweit mit deutschen
Beitragszeiten vergleichbar sein, dass eine Entschädigung im Wege der Gleichstellung gerechtfertigt erscheine. Nach
dem Eingliederungsgrundsatz müsse daher eine sachliche Beziehung zwischen der abhängigen Beschäftigung und
der Beitragsleistung bestehen. Diese Voraussetzung sei dann erfüllt, wenn eine beitragspflichtige Beschäftigung
gegen Entgelt ausgeübt werde oder eine beitragspflichtige Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber erfolge. Eine
Beitragspflicht zur Rentenversicherung allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Einrichtung (wie einer
LPG) - unabhängig von einer Arbeitsleistung oder Lohnfortzahlung - kenne das deutsche Recht nicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.03.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Denn sie sei in der streitigen Zeit Mitglied der LPG und dort auch beschäftigt gewesen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG
genüge die durchgehende Entrichtung von Beiträgen im Herkunftsland; auf eine Arbeitsleistung komme es nicht an.
Auch hätten die Arbeitgeber in Rumänien bei Vorliegen von Unterbrechungstatbeständen keine Beiträge für ihre
Arbeitnehmer entrichtet. Verwiesen wird ferner auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 06.04.2006, Az. L 6 R
305/05.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akte der
Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Die Beklagte ist verpflichtet, den bestandskräftigen Rentenbescheid vom 13.11.2002 teilweise zurückzunehmen, weil
dieser Bescheid insoweit rechtswidrig ist, als die Beitragszeiten vom 01.01.1972 bis 31.12.1977 nur zu 5/6 statt 6/6
der Rentenberechnung zu Grunde gelegt worden sind. Die Klägerin hat Anspruch auf eine rentensteigernde
Berücksichtigung dieser Beitragszeiten ab 01.01.2003 zu 6/6.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist auf Grund des bestandskräftigen Rentenbescheides vom
13.11.2002 die Vorschrift des § 44 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass
bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden
ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der
Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme des Bescheides vom 13.11.2002 sind erfüllt, weil die streitigen
rumänischen Beitragszeiten der Klägerin als nachgewiesene Beitragszeiten anzuerkennen sind und entsprechend
höhere Altersrente zu gewähren ist.
Anzuwenden sind die Vorschriften des § 22 Abs. 3 FRG in der ab Januar 1992 geltenden Fassung und des § 15 FRG
in der ab Januar 1998 geltenden Fassung, weil der Leistungsfall der Vollendung des 60. Lebensjahres im Dezember
2002 eingetreten ist.
Als anerkannte Vertriebene im Sinn des § 1 Bundesvertriebenengesetz gehört die Klägerin gemäß § 1 a FRG zum
berechtigten Personenkreis nach dem FRG. Gemäß § 15 Abs. 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem
nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht
zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Sind die Beiträge auf Grund einer abhängigen Beschäftigung oder einer
selbstständigen Tätigkeit entrichtet, so steht die ihnen zu Grunde liegende Beschäftigung oder Tätigkeit einer
rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich (§ 15 Abs. 1
Satz 2 FRG). Nach Absatz 2 dieser Vorschrift ist als gesetzliche Rentenversicherung im Sinn des Absatz 1 jedes
System der sozialen Sicherheit anzusehen, in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-
rechtlichen Zwang einbezogen sind, um sie und ihre Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit,
des Alters und des Todes oder für einen oder mehrere dieser Fälle durch die Gewährung regelmäßig wiederkehrender
Geldleistungen (Renten) zu sichern. Wird durch die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung dem Erfordernis, einem der in
Satz 1 genannten Systeme anzugehören, Genüge geleistet, so ist auch die betreffende Einrichtung als gesetzliche
Rentenversicherung anzusehen.
Die Klägerin war nach ihren Angaben und den o.g. Adeverintas der LPG "Romgera" sowie der LPG "Viata Noua",
deren Name sich wohl infolge eines späteren Zusammenschlusses mit anderen LPG`s änderte, von 1971 bis 1977
unstreitig Mitglied dieser Genossenschaft und im Pflanzenanbau bei ihr beschäftigt. Unstreitig führte die LPG für
diesen Zeitraum ununterbrochen für die Klägerin Beiträge an eine rumänische gesetzliche Sozialversicherung ab.
In Rumänien war für Mitglieder der LPG durch Dekret Nr. 535/1966 mit Wirkung ab 01.01.1967 ein Rentensystem für
Angehörige der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften errichtet worden, bei dem es sich um ein "System
der sozialen Sicherheit" im Sinn des § 15 Abs. 2 FRG handelte (so BSG, Urteil vom 27.02.1986, Az. 1 RA 57/84).
Soweit in § 15 Abs. 2 FRG gefordert wird, dass in das System der sozialen Sicherheit "in abhängiger Beschäftigung
stehende Personen" einbezogen sein müssen, bedeutet dies nach vorgenannter Rechtsprechung des BSG
vornehmlich den Ausschluss solcher Systeme, in die nur freiwillig Versicherte oder Selbstständige einbezogen sind.
Es genügt ein Rentensystem für Personenkreise, die mindestens in einem beschäftigungsähnlichen Verhältnis
stehen.
Auch wenn die Sozialversicherungsbeiträge von den LPG`s - nach dem Vorbild des staatlichen
Sozialversicherungssystems - nicht etwa für einzelne, namentlich genannte Mitglieder bemessen und abgeführt,
sondern für die Gesamtheit der Mitglieder im abstrakten Sinn des Wortes nach der erzielten Jahresproduktion
geleistet worden sind, und die Beitragsleistungen und deren Höhe keinen Einfluss auf die Rentenansprüche hatten, so
sind sie dennoch – auch nach Ansicht der Beklagten - als Beitragszeiten im Sinn des § 15 FRG zu qualifizieren. Denn
eine enge Verbindung von Beitrag und Rentenanspruch bzw. Rentenhöhe ist nicht zwingend erforderlich (vgl. BSGE
6,263).
Nicht erforderlich ist dagegen - anders als bei § 16 FRG - der Nachweis einer ununterbrochenen oder mehr als 300
Arbeitstage andauernden Beschäftigung der Klägerin in dem streitigen Zeitraum. Denn die Beitragszeit gemäß § 15
FRG ist bereits allein auf Grund der an die Mitgliedschaft bei der LPG anknüpfenden Entrichtung rumänischer Beiträge
durch die LPG, bei der die Klägerin beschäftigt war, anzuerkennen. Maßgeblich ist allein die ununterbrochene
Beitragsentrichtung durch die LPG auf Grund einer ununterbrochenen LPG-Mitgliedschaft (so BSG, Urteil vom
08.09.2005, a.a.O.).
Diese Anerkennung der rumänischen Beitragszeiten von LPG-Mitgliedern als nachgewiesene Zeiten ist nach der
Überzeugung des Senats mit Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Grundgesetz (GG) vereinbar. Der Gleichbehandlungsgrundsatz
verlangt im Hinblick auf die in Rumänien abhängig Beschäftigten, bei denen eine 6/6 – Anrechnung nur beim
Nachweis einer ununterbrochenen Arbeitsleistung erfolgt, nicht, dass eine volle Anrechnung der Beitragszeiten der
LPG-Mitglieder nur bei deren ununterbrochener Beschäftigung erfolgt.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu
anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art
und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (so etwa BVerfGE 55, 72,
88). Es muss ein sachlicher Differenzierungsgrund vorliegen, der sich nach Natur und Eigenart des in Frage
stehenden Sachverhalts und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der betreffenden Regelung beurteilt (vgl.
BVerfGE 71, 39, 58).
Die rechtliche Sonderstellung der LPG-Mitglieder und die besonderen Arbeitsbedingungen bei landwirtschaftlichen
Arbeiten, die sich erheblich von dem Arbeitsverhältnis sonst in Rumänien abhängig Beschäftigter unterscheiden,
stehen der von der Beklagten geforderten weiteren Voraussetzung einer ununterbrochenen Beschäftigung entgegen.
Zunächst geht die Beklagte fälschlicherweise davon aus, dass die Betriebe für die in Rumänien abhängig
Beschäftigten auch für Zeiten der Unterbrechung ihres Beschäftigungsverhältnisses durch Arbeitsunfähigkeit etc.
Beiträge abgeführt hätten. Nach dem damals geltenden rumänischen Recht wurden die Beiträge aus der
Gesamtlohnsumme des Betriebs abgeführt. War die Beschäftigung unterbrochen, wurde kein Lohn gezahlt, die
Gesamtlohnsumme wurde entsprechend reduziert, und Beiträge wurden insoweit nicht abgeführt (vgl. etwa BSGE
SozR 5050 § 15 Nr. 23).
Die LPG-Mitglieder waren keine Arbeitnehmer wie die in den übrigen Wirtschaftsbereichen Beschäftigten. Denn deren
Arbeitsleistung beruhte auf Mitgliedschaftsverhältnissen und nicht auf arbeitsvertraglichen Verhältnissen. Die
Mitglieder erhielten keine Löhne und unterlagen nicht den Regelungen des Arbeitsrechts; sie erfüllten ihre
Arbeitspflichten nach eigenständigen Regelungen auf der Grundlage von Arbeitsnormen (so das im Auftrag des LSG
Baden-Württemberg in dem Verfahren L 9 RJ 2551/98 erholte Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht München
e.V. vom 15.12.1999, S. 104, 106). Die Besonderheiten der landwirtschaftlichen Arbeiten auf Grund ihrer Abhängigkeit
von äußeren (naturgegebenen) Faktoren wie Pflanz- und Erntezeiten, Witterungsverhältnisse etc. und somit die
besonderen Bedingungen dieses Berufszweiges erforderten Abweichungen von dem in den übrigen Bereichen
geltenden allgemeinen Arbeitsrecht. So existierten keine regelmäßigen täglichen Arbeitspflichten und -zeiten. Das
Arbeitsprogramm hing vielmehr von der Art der anfallenden Arbeiten, der Jahreszeit und der Witterung ab. Dies konnte
dazu führen, dass in vielen Fällen die übliche tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden überschritten werden musste, dafür
aber zu anderen Zeiten weniger Arbeit zu verrichten war. Jedes LPG-Mitglied konnte aufgrund eigener, persönlicher
Entscheidung jede Art von Fehlzeiten durch verstärkten Arbeitseinsatz, d.h. deutlich gesteigerte Erfüllung der
Arbeitsnormen, ausgleichen; Krankheitszeiten konnten durch Überstunden ausgeglichen werden. Es lag in der Hand
der LPG-Mitglieder, Tagewerke oder Arbeitsnormen plangerecht oder auch mehrfach zu erfüllen (näher hierzu:
Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht aaO S. 105, 119). Diese Eigenart der zu verrichtenden landwirtschaftlichen
Arbeiten, die in Abhängigkeit naturgegebener Verhältnisse einen Mehr- oder Mindereinsatz forderte, gebietet eine
jährliche - und nicht nur tägliche oder monatliche, wie bei den sonstigen abhängig Beschäftigten in Rumänien üblich, -
Betrachtungsweise.
Auch bemisst sich der einem Mitglied zuzuordnende Anteil am Produktionsergebnis des Betriebes nicht allein nach
seinem individuellen tatsächlichen Arbeitsanteil. Das Produktionsergebnis der LPG wurde von weiteren Faktoren der
Natur (s.o.), der Qualität, der Organisation etc. bestimmt. Bei den abhängig Beschäftigten der sonstigen
Wirtschaftsbereiche bestimmte sich dagegen der zuzuordnende Beitragsanteil allein nach dem jeweils erzielten Lohn;
die Individualisierung erfolgte ausschließlich nach dem zeitlichen Beschäftigungsumfang in Abhängigkeit von der
Lohnhöhe.
Der Anerkennung einer ununterbrochenen Beitragsentrichtung stehen auch nicht die Ausführungen des BSG in seinem
Urteil vom 30.10.1997, Az. 13 RJ 19/97 entgegen, wonach für die Anerkennung einer Beitragszeit nach § 15 FRG
neben der Beitragsentrichtung das Bestehen eines Arbeits- bzw. Mitgliedschaftsverhältnisses im Sinn eines
durchgängigen Beschäftigungsverhältnisses, d.h. einer durchgängigen Verpflichtung zur Arbeitsleistung, gefordert
wird. Denn nach den o.g. Adeverintas war die Klägerin durchgehend von 1972 bis 1977 bei der LPG im Pflanzenanbau
beschäftigt und hatte die geplanten Normen deutlich übererfüllt. Bei der Erfüllung und erst recht bei Überbietung der
geplanten Normen ist von einer durchgehenden Arbeitsleistung für das gesamte Kalenderjahr auszugehen (vgl.
Gutachten des Instituts für Ostrecht aaO S. 110 f.). Das BSG verlangt in dieser Entscheidung jedoch nicht die
begrifflich davon zu unterscheidende ununterbrochene Beschäftigung eines Mitglieds.
Auch die von der Beklagten genannte Entscheidung des BSG vom 27.02.1986, Az. 1 RA 57/84 vermag zu keiner
anderen Bewertung der rumänischen Beitragszeiten zu führen, weil bei dieser Entscheidung Zweifel an einer
durchgehenden Beitragsentrichtung bestanden. Hier geht jedoch auch die Beklagte von einer lückenlosen,
ununterbrochenen Beitragsentrichtung in dem streitigen Zeitraum aus.
Die volle Anerkennung der streitigen rumänischen Beitragszeiten ohne Berücksichtigung eventueller
Unterbrechungszeiten der Beschäftigung verstößt auch nicht gegen das mit dem FRG verfolgte Eingliederungsprinzip.
Denn nach dem damals geltenden sowohl deutschen als auch rumänischen Recht waren Tätigkeiten in der
Landwirtschaft als Beitragszeit – je nach den unterschiedlichen Verhältnissen - ausgestaltet.
Nach der Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 04.06.1986, SozR 5050 § 15 Nr. 32, in der die in der DDR
erfolgte Ableistung des Grundwehrdienstes als beitragslose Zeit einer Beitragszeit nach deutschem Recht
gleichgestellt worden ist, ist der Entschädigung von im Herkunftsland erworbenen Rentenansprüchen und
Rentenanwartschaften eine rechtliche Grenze dort gesetzt, "wo deren Anrechnung mit der Struktur des
innerstaatlichen Rentenrechts schlechthin und offenkundig unvereinbar wäre". Das Eingliederungsprinzip setzt aber
dort keine Schranke, "wo derselbe oder doch ein vergleichbarer Tatbestand sowohl nach dem Recht der
Bundesrepublik wie nach dem fremden Recht als Beitragszeit ausgestaltet ist; auf die in dem anderen Staat
vorliegenden unterschiedlichen Verhältnisse ist dabei immer Bedacht zu nehmen".
In Rumänien waren mit Abschluss der Kollektivierung der Landwirtschaft die landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften organisatorisch und wirtschaftlich konsolidiert worden; ab 01.01.1967 war ein
Rentensystem für Mitglieder der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften mit Beitragspflicht errichtet
worden (s. hierzu oben). In der Bundesrepublik Deutschland war in dem streitigen Zeitraum für landwirtschaftliche
Unternehmer ebenfalls ein eigenständiges Sozialversicherungssystem errichtet und eine Zwangsmitgliedschaft zur
Landwirtschaftlichen Alterskasse nach dem GAL begründet worden. Auf Grund der Besonderheiten der
landwirtschaftlichen Arbeiten sowie ihres Personenkreises wurden die Beitragsleistung und die Rentenberechnung
gesondert – anders als bei den (übrigen) abhängig Beschäftigte – geregelt. Weit über die Hälfte der
landwirtschaftlichen Unternehmer erhielt etwa einen aus Steuermitteln finanzierten Beitragszuschuss. Die Tätigkeit in
der Landwirtschaft wurde entsprechend den unterschiedlichen staatlichen und wirtschaftlichen Systemen sowohl in
Rumänien - im allgemeinen als Mitglied in einer LPG - als auch in der Bundesrepublik Deutschland - grundsätzlich als
landwirtschaftlicher Unternehmer - als Beitragszeit zu einem System der sozialen Sicherheit ausgestaltet.
Es erfolgt also keine Gleichstellung einer beitragslosen Zeit mit einer Beitragszeit, bei der ein strengerer Maßstab
anzulegen ist, sondern eine Gleichstellung von Beitragszeiten. Die rumänischen und die deutschen Beitragszeiten im
landwirtschaftlichen Bereich sind trotz aller systembedingter Unterschiede vergleichbar, weil sie jeweils auf einer
Zwangsmitgliedschaft zu einem sozialen Sicherungssystem beruhen, an einen persönlichen Bezug zum
landwirtschaftlichen Unternehmen anknüpfen, und die Höhe der Beiträge sich auf Grund der Besonderheit der
landwirtschaftlichen Arbeiten nicht nach dem Umfang der Beschäftigungszeit bzw. verrichteten Tätigkeit (d.h. Arbeits-
bzw. Unternehmerlohn) bemisst. Der Einwand der Beklagten, dass das deutsche Rentenrecht keine Beitragspflicht
allein auf Grund einer Mitgliedschaft zu einer bestimmten Einrichtung kenne, beruht daher auf einer verkürzten
Betrachtungsweise und berücksichtigt nicht – wie vom BSG (s.o.) gefordert - die unterschiedlichen Verhältnisse in der
Bundesrepublik Deutschland und in Rumänien; ein Systemvergleich ist insoweit vorzunehmen.
Offen kann dagegen die Frage bleiben, wie die ununterbrochene Beitragsleistung bei einer gänzlich fehlenden
Arbeitsleistung - wie z.B. in dem der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 06.04.2006, Az. L 6 R 3053/05
zu Grunde liegenden Sachverhalt, anhängig beim BSG, Az. B 4 R 39/06 R) - zu beurteilen ist.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hatte.
Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.