Urteil des LSG Bayern vom 13.12.2002

LSG Bayern: therapie, öffentliche apotheke, ambulante behandlung, vertragsarzt, arzneimittel, verordnung, medikament, krankenkasse, sachleistung, versorgung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.12.2002 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 2 KR 682/98
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 179/01
I. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. II. Auf die Berufung des Klägers werden der Bescheid der
Beklagten vom 23. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1998 und das Urteil
des Sozialgerichts München vom 31. Mai 2001 dahin abgeändert, dass die Beklagte dem Kläger DM 32.845,21 -
entsprechend in Euro - zu erstatten hat. III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des zweiten
Rechtszuges zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten zu erstatten, die durch den
Kauf vertragsärztlich verordneter Medikamente in einer Krankenhausapotheke entstanden sind.
Der Kläger war mit Frau R. B. , geboren am 1941, verstorben am 21.10.2000, verheiratet und hat sie beerbt. Sie war
bei der Beklagten familienversichert und an einem metastasierenden, progredienten Nierenzellkarzinom erkrankt.
Deswegen erfolgte stationäre, belegärztliche und ambulante Behandlung durch den Vertragsarzt und Urologen Dr.P.
im November 1997 im Krankenhaus D. mit zwischenzeitlicher Weiterbehandlung und Operation in der Urologischen
Klinik im Klinikum rechts der Isar, wofür die Krankenhauskosten von der Beklagten übernommen wurden. Mit
Schreiben vom 24.11.1997 wandte sich der Stationsarzt der Klinik rechts der Isar in die Beklagte und bat, die Kosten
für die ambulant durchführbare Theraphie mit einer Kombination aus rekombinierten Interleukin 2 (Proleukin),
rekombinanten Interferon Alpha (Intron A oder Referon) und 5 FU. Erfolgsraten um 48 % seien von der Medizinischen
Hochschule Hannover veröffentlicht worden. Der von der Beklagten befrag- te Medizinische Dienst der Krankenkassen
- MDK - wies durch Dr.G. auf den experimentellen Charakter der vorgesehenen Behandlungsmaßnahme hin und stellte
die Frage, warum die Versicherte nicht in einer "kontrollierten Studie" aufgenommen sei. Die daraufhin befragte Klinik
(Oberarzt Prof.Dr.H. und Klinikdirektor Prof.Dr.H.) hielten im Schreiben vom 12.12. 1997 die angeregte
Immunchemotherapie im Rahmen seines individuellen Heilversuches und unter Berücksichtigung des ausgeprägten
Therapiewunsches der Patientin unverändert für dringend geboten. Dazu fügten sie die bislang veröffentlichten
wissenschaftlichen Studien der Universitätsklinik Hannover bei. Die nunmehr beim MDK damit befasste Frau Dr.B.
bezweifelte den Wirksamkeitsgrad der geplanten Behandlung und sah ihren experimentellen Charakter im
Vordergrund, so dass sie von einer Kostenübernahme abriet. Entsprechend beschied die Beklagte am 23.01.1998 den
Ehemann der Versicherten.
Seinen Widerspruch vom 12.02.1998 unterstützte der behandeln- de Arzt. Er hielt die Therapie wegen ihrer
bemerkenswerten Erfolgsquote für so etabliert, dass nicht mehr vom Versuchsstadium gesprochen werden könne.
Dr.R. vom MDK sah den Nutzen der durchgeführten "Immunchemotherapie" weiterhin als zweifelhaft und als nicht
ausreichend belegt an (Aktenlagegutachten vom 14.07.1998). Ergänzend zitierte Frau Dr.B. am 01.10.1998 eine
Veröffentlichung mit dem Ergebnis, wonach das geforderte Therapiekonzept nur eine unsichere Erfolgsaussage
erlaube. Im Ergebnis gebe es für die Behandlung von Patienten mit Fernmetastasen keine etablierten Verfahren der
Chemo-Hormon- und Immuntherapie. Es sollten daher solche Patienten nach Möglichkeit innerhalb von qualitativ
hochstehenden klinischen Studien behandelt werden. Mit dem Hinweis, dass die gewünschte Therapie keine
Vertragsleistung nach dem Arzt-Ersatzkassenvertrag darstelle und auch vom Bundesausschuss als vertragsärztliche
Behanldung nicht anerkannt sei, begründete die Beklagte den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom
10.12.1998, den sie an den Kläger adressierte.
Am 28.12.1998 ließ dieser eine auf Verpflichtung der Beklag- ten zur Kostenübernahme der aktiv-spezifischen
Immuntherapie gerichtete Klage erheben. Dazu legte er eine vom 20.01.1998 datierte Rechnung des Krankenhauses
D. vor über 18 am 14.01.1998 in der Krankenhausapotheke abgegebenen Ampullen Proleukin 1 MG und 4
Fertiglösungen Intron A zum Gesamtpreis von 12.272,00 DM.
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die von der Krankenhausapotheke abgegebenen Medikamente nicht im
Pflegesatz enthalten waren, legte der Kläger auf Verlangen des Gerichts die für die Versicherte ausgestellten Rezepte
vor. Danach hat am 27.04.1999 ein namentlich nicht benannter Arzt der Urologie Klinikum rechts der Isar auf sechs
vertragsärztlichen Formularen zu Lasten der Beklagten verschiedene Einheiten von Roferon und Proleukin verordnet.
Desgleichen erfolgten durch Dr.P. auf 16 weiteren Rezepten im Zeitraum 12.07. bis 31.12.1999 ähnliche
Verordnungen. Die besagten Medikamente wurden wieder von der Krankenhausapotheke D. abgegeben und am
16.11.1999 dem Kläger 17.747,37 DM für Arzneien in Rechnung gestellt, die im Zeitraum 03.05.1999 bis 23.08.1999
rezeptiert worden waren.
Weitere 15.305,84 DM berechnete das Krankenhaus D. am 19.04.2000 für die "Bereitstellung applikationsfertiger
Spritzen mit Proleukin und Roferon" im Zeitraum 03.11. bis 06.11. 1999. Dazu hatte der Kläger zuvor eine Bestätigung
der B.apotheke in D. vom 28.01.2000 vorgelegt, wonach er dort auf Kassenrezept Roferon erhalten habe und dies
auch dem Apotheker von der Beklagten nicht retaxiert worden sei.
Mit Urteil vom 31.05.2001 (zugestellt am 27.09.2001) hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, "dem Kläger die
Kosten für die von dem Vertragsarzt Dr.P. verordneten Arzneimittel zu den gemäß dem Apothekenvertrag in Bayern
gültigen Abgabepreis in öffentlichen Apotheken zu erstatten. Hierbei ist der Apothekenrabatt gemäß § 130 SGB V und
die jeweilige Zuzahlung gemäß § 31 Abs.3 SGB V in der jeweils gültigen Fassung des Gesetzes in Abzug zu
bringen." und wies im Übrigen die Klage ab. Im genannten Umfang sei die Klage begründet, weil der Kläger vergeblich
versucht habe, die Rezepte in öffentlichen Apotheken einzulösen, so dass ihm Kosten durch eine Systemstörung
entstanden seien. Auf S.7 des Urteils heißt es, dass dem Kläger Kostenerstattung auch für die durch die
Vertragsärzte der TU München verordneten Arzneimittel zustände. Die Verordnung von Arzneimitteln läge allein im
Verantwortungsbereich des Vertragsarztes. Eine Genehmigung einer solchen Verordnung durch die Kasse sehe das
Gesetz nicht vor. Das Versagen des Systems der niedergelassenen Apotheker im Raum D. habe sich die Beklagte
aufgrund der vertraglichen Beziehungen gemäß § 129 SGB V im Verbindung mit dem Rahmenvertrag vom 10.03.1993
zuzurechnen, so dass der Kläger berechtigt ge- wesen sei, die Arzneimittel in der Krankenhausapotheke zu
beschaffen. Der Erstattungsanspruch bestehe allerdings nur in Höhe des Sachleistungsanspruches, so dass
entsprechende Abzüge durchzuführen seien, daher ergehe nur ein Grundurteil.
Die hiergegen am 25.10.2001 eingelegte Berufung der Beklagten hat diese zunächst damit begründet, dass eine im
experimentellen Stadium befindliche Therapie nicht zu ihren Lasten hätte erbracht werden dürfen, zumal auch die
verwandten Medikamente dafür gar nicht zugelassen seien.
Mit Schriftsatz vom 28.11.2002 hat die Beklagte erstmalig vorgetragen, dass sie sich nicht in der Lage sehe, einen
dem Tenor des erstinstanziellen Urteils entsprechenden Erstattungsbetrag festzulegen. Auch wird gerügt, dass die
von der Klägerseite zu den Akten gereichten Verordnungen keinerlei Hinweis darauf enthielten, dass die
streitgegenständlichen Medikamente überhaupt von der Krankenhausapotheke abgegeben worden seien. Es stehe zu
vermuten, dass in öffentlichen Apotheken die erforderlichen Labors zur Zubereitung der Medikamentation nicht
vorhanden gewesen seien und Dr.P. zur Vermeidung eines Rückgriffes die Krankenhausapotheke direkt eingeschaltet
habe. Durch die Nichteinhaltung des Versorgungsweges, insbesondere weil die Krankenhausapotheke, mit der in
solchen Fällen hätte direkt abgerechnet werden können, die Rezepte nicht eingelöst hätte, sei sie an der Sachleistung
gehindert gewesen. Dafür brauche sie nicht einzustehen, insbesondere auch weil ihr so die Möglichkeit zum Regress
genommen sei.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 31.05.2001 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt nach Einlegung der Anschlussberufung, das Urteil des Sozialgerichts München vom 31.05.2001
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, DM 33.053,21 abzüglich DM 208,00 Eigenbeteiligung (umgerechnet in
Euro) an den Kläger zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung mit dem notwendigen Beschwerdewert ist zulässig (§§ 143, 151 SGG).
Gleiches gilt für die Anschlussberufung.
Letztere ist auch begründet, denn die Versicherte hatte einen Versorgungsanspruch auf die rezeptierten
Medikamenten nach § 31 Abs.1 SGB V, der sich durch die vom Sozialgericht angenommenen Mängel der Lieferung in
einen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs.3 SGB V umgewandelt hat, der nach § 56 SGB I auf den Kläger
übergegangen ist. Das gilt nicht nur für die von Dr.P. verschriebene Arzneimittel, sondern auch für die, die vom
ermächtigen Arzt des Klinikums rechts der Isar verordnet worden sind. Die dafür in Rechnung gestellten 17.747,37
DM und 15.305,84 DM sind nachweislich der abgestemptelten Überweisungsträger auch bezahlt worden. Entgegen der
Annahme des Sozialgerichts ist der Aufwand für die Arzneien in der Krankenhausapotheke geringer als der bei
Beschaffung in einer öffentlichen Apotheke. Während diese den Abgabepreis in Rechnung stellt, hat die
Krankenhausapotheke nur den niedrigeren Einkaufspreis plus einer Arbeitspauschale den Kläger berechnet.Mehr als
die ihm tatsächlich entstandenen Kosten braucht die Beklagte nicht zu erstatten. Der (theoretische)
Zuzahlungsbetrag, mangels anderer Angaben mit 208,00 DM vom klägerischen Vortrag übernommen, war davon
abzuziehen (BSG vom 16.12.1993 - 4 RK 5/92, SozR 3-2500 § 13 Nr.4 S.30).
Zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils wie auch dem der ursprünglichen Berufungsbegründung lag der Wortlaut des
später dann im Prozessverlauf diskutierten Urteils des 1. Senats vom 19.03.2002 - B 1 KR 37/00 R, das sogenannte
"off-label-use"-Urteil (BSGE 89, 184), noch nicht vor. Darin ist der Grundsatz wiederholt worden, wonach kein
Anspruch der Versicherten auf Versorgung von nicht zugelassenen Arzneimitteln besteht und das Gleiche für den
Einsatz von an sich zugelassenen Arzneien gelte, wenn sie außerhalb ihrer arzneimittelrechtlich zugelassenen
Verwendung eingesetzt werden, dem sogenannten "off label use". Die letzte Situation besteht im vorliegenden Fall,
bei dem alle streitigen Medikamente eine Zulassung besitzen, nicht aber für die hier verabreichte Therapie, weil
insoweit der Rahmen des § 2 Abs.1 Satz 3 SGB V, wonach Anspruch auf medizinische Versorgung, deren Qualität
und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen müsse, überschritten worden
sei. Unter bestimmten Voraussetzungen nun will das BSG im genannten Urteil vom 19.03. 2002 jedoch von dieser
strikten Regelung eine Ausnahme als noch vereinbar mit der genannten Vorschrift gelten lassen. Dazu müssen drei
Bedingungen erfüllt sein. Die beiden ersten - lebensbedrohliche Erkrankung und das Fehlen einer wirksamen Therapie
- haben hier vorgelegen. Dies ist auch vom MDK bestätigt worden. Zweifelhaft erscheint, ob die dritte Bedingung
erfüllt worden ist. Sie erfordert eine begründete Aussicht, dass mit den verordneten Präparaten eine kurative oder
palliative Behandlung erfolge, erwarten lässt. Dies ist zwar von den behandelnden Ärzten, also auch denen der
Universitätsklinik rechts der Isar, bestätigt worden, doch versteht das BSG unter "begründeter Aussicht" den
Nachweis klinisch relevanter Wirksamkeit bzw. Nutzen bei vertretbaren Risiken aufgrund einer Studie mit der Prüfung
nach Phase 3, die letztlich eine Zulassung für die betreffende Indikation erwarten lassen. Nach herrschender Meinung
ist unter dieser Phase 3 erst ein eigentlicher Wirksamkeitsnachweis zu erbringen. Sie folgt auf die Phase 2 durch
Untersuchung an größeren Patientengruppen, meist in Form eines kontrollierten Versuchs unter Einbeziehung einer
Kontrollgruppe. Durch längerfristige Anwendung sollen dabei Kurz- und Langzeitwirksamkeit, Wechselwirkung mit
anderen Medikamenten und Arzneimittelsicherheit erkannt werden, wobei Kontrollgruppen, die ein Referenzpräparat
oder gar ein Placebo erhalten, beteiligt werden sollen. Eine Veröffentlichung über eine solche umfangreiche Studie
liegt nicht vor. Sie ist offenkundig auch nicht durchgeführt worden. Nach der Entscheidung des BSG vom 19.03.2002
ist eine begründete Erfolgsaussicht aber auch dann anzunehmen, wenn außerhalb eines Zulassungsverfahrens
gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen
Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund deren in den
einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen im vorgenannten Sinne besteht. Ein solcher
Konsens der einschlägigen Fachkreise ist zu verneinen. Das gilt einmal für den zu diesen Fachkreisen zu rechnenden
Medizinischen Dienst der Krankenkassen und lässt sich zum anderen der von der Klägerseite vorgelegten,
veröffentlichten Literatur nicht entnehmen. Wenn sich darunter ein umfangreicher Aufsatz von Ärzten aus der Urologie
des Klinikums Großhadern befindet und die Ergebnisse einer Studie der Phase 2 vorgestellt werden, lässt sich daraus
folgern, dass die vom BSG geforderten Ausnahmekriterien in diesem Punkt (noch) nicht erfüllt sind. Müssen daher
aus diesem Blickwinkel die Ergebnisse einer Studie nach Phase 2 als nicht ausreichend im Sinne des § 2 Abs.1 Satz
3 SGB V angesehen werden, dürfte die angewandte Therapie nicht als geschuldete Sachleistung eingeschätzt werden
und ließe die Versagung durch die Beklagte nicht als unrechtmäßige Ablehnung im Sinne des § 13 Abs.3 SGB V
erscheinen.
Gleichwohl ist diese Norm im vorliegenden Fall zu Recht vom Sozialgericht als Anspruchsgrundlage herangezogen
worden, um die Beklagte zur Erstattung zu verpflichten. Dem Sozialgericht ist beizupflichten, wenn es eine
Einstandspflicht der Krankenkasse annimmt für den Fall, dass einem Versicherten ein vertragsärztlich ausgestelltes
Rezept nicht im Wege der Sachleistung bei einer Vertragsapotheke eingelöst wird. Nach dem bekannten Sachverhalt
hatte der Kläger die streitgegenständlichen Rezepte bei Vertragsapotheken in D. im Gegensatz zu einer anderen hier
nicht streitigen Verordnung über die nämlichen Präparate nicht einlösen können. Nach Ansicht der Beklagten, gestützt
auf eine Auskunft der D. Krankenhausapotheke von 1999 waren übliche Apotheken aufgrund ihrer Laborkapazitäten
dazu von vornherein nicht imstande. Das kann letztlich offen bleiben, denn dem Sozialgericht ist zuzustimmen, dass
von einem Systemfehler im Sinne des § 13 Abs.3 SGB V auszugehen ist, wenn der vorgesehene Leistungserbringer
unter Verletzung des in § 129 SGB V normierten Versorgungsauftrages der im Rezept enthaltenen Aufforderung des
Vertragsarztes, das von ihm verordnete Medikament abzugeben, nicht folgen kann, zumal es sich dabei jeweils
immer um Fertigarzneimittel gehandelt hat.
Zwischen dem 14.07. und 13.12.1999 verordnete der Vertragsarzt Dr.P. auf einem dazu vorgesehenen
Verordnungsblatt zu Lasten der Beklagten die Abgabe der oben genannten Medikamente. Damit konkretisierte sich
das Rahmenrecht der Versicherten auf sachgerechte (§ 27 in Verbindung mit § 12 SGB V) Behandlung zu einem
Versorgungsanspruch mit dem nach dem Arzneimittelgesetz verkehrsfähigen Arzneimittel (§ 31 SGB V). Der
behandelnde Vertragsarzt Dr.P. hat im Rahmen der für ihn verbindlichen Arzneimittelrichtlinien gemäß § 73 Abs.2 Nr.7
SGB V entschieden, welches Medikament er in der von ihm gewählten Therapie für notwendig erachtet. Auch wenn
nach Ansicht der Beklagten die gewählte Immunchemotherapie an sich keine vertragsärztlich erbringbare
Sachleistung darstellt, ist die Entscheidung, ein bestimmtes Medikament zu verordnen, für die Krankenkasse insoweit
verbindlich, als sie - anders als z.B. bei der Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln, häuslicher Krankenkpflege,
Krankenhausbehandlung oder Reha-Maßnahmen - nicht in die Vergabe dieser Sachleistung mit eingebunden ist. Nach
§ 29 Abs.1 Bundesmanteltarifvertrag-Ärzte darf sie hier nicht eingreifen. "Kraft der ihm durch das Kassenarztrecht
verliehenen Kompetenz als Vertreter der Krankenkassen gibt der Vertragsarzt mit dem Ausstellen des Rezepts mit
Wirkung für und gegen die Krankenkasse eine Willenserklärung ab" (BSG vom 17.01.1996 BSGE 77, 194, 200), die
dem Versicherten einen Anspruch auf Versorgung mit diesem Medikament einräumt. Mit Aushändigung der Rezepte
war die Versicherte berechtigt, sich die darauf verschriebenen Arzneimittel zu Lasten der Beklagten zu verschaffen,
was in der Regel über eine öffentliche Apotheke zu erfolgen hat (§ 43 Abs.3 Arzneimittelgesetz - AMG -; BSG vom
28.03.2000 SozR 3-2500 § 13 Nr.21 S.93). Wenn der Vertragsarzt eine bestimmte Arznei als ärztliche
Behandlungsmaßnahme verschrieben hat, erwächst daraus der Anspruch des Versicherten gegenüber seiner
Krankenkasse (BSG vom 19.11.1996 SozR a.a.O. § 13 Nr.13 S.65), das gilt unabhängig davon, dass die
Krankenkasse zuvor ihrem Versicherten mitgeteilt habe, dass ein Anspruch auf eine bestimmte Therapie nicht
bestehe. Durch die Rezepterteilung übernimmt der Vertragsarzt - und gilt gleichermaßen für den ermächtigten
Klinikarzt - auch die Verantwortung für den Inhalt seiner Verordnung und zwar einmal in medizinischer Hinsicht und,
sofern er erkennbar ein Kassenrezept benutzt, auch dafür, dass der Sachleistungsanspruch des Versicherten
durchsetzbar wird und er das Medikament erhält. Dem Versicherten obliegt dabei nicht die Prüfung, ob die Verordnung
sich in Einklang mit den Arzneimittelrichtlinien oder anderen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften befindet.
Die Besonderheit des Falles liegt hier darin, dass mit einer hier nicht streitigen Ausnahme, die Rezepte nicht bei einer
öffentlichen Apotheke vorgelegt wurden, sondern bei einer Krankenhausapotheke. Dies allein wäre aber - auch aus der
in der mündlichen Verhandlung deutlich gewordenen Sicht der Beklagten - nicht unschädlich, weil in solchen
Sondersituationen, diese Apotheken auch direkt mit der Kasse abrechnen können. Diese Möglichkeit hat die hier
aufgesuchte Apotheke nicht genutzt, in der wohl nicht ganz unbegründeten Annahme - eine Antwort der Beklagten auf
das Schreiben vom 07.05.1999 liegt nicht vor -, dass die Beklagte sich der Abrechnung verweigern würde. Wenn die
Krankenhausapotheke nun einer möglichen Konfrontation aus dem Wege gegangen ist und die Kosten den
Versicherten in Rechnung gestellt hat, ist das Versorgungssystem gestört. Die Beklagte räumt dies (siehe auch
Schreiben vom 28.11.2002) ein, will jedoch dafür nicht einstehen, weil sie am Ablauf nicht beteiligt war und meint,
einen möglichen Regress nicht durchsetzen zu können. Beides ist ohne Belang und schmälert die Rechte des
Versicherten nicht. In die vertragsärztliche Medikamentenverschreibung ist die Beklagte nicht eingebunden und kann
sich auch nicht darauf berufen, dass die Rezepteinlösung durch einen dafür (auch) vorgesehenen Leistungserbringer
nicht vorgenommen wird. Schon gar nicht hängt ihre Versorgungspflicht von einem denkbaren Rückgriff ab.
Da die aufgezeigte Systemstörung die Beklagte auf der Grundla- ge des § 13 Abs.3 SGB V zur Haftung gegenüber
des Klägers verpflichtet, ist es ohne Bedeutung, dass die Beklagte ein Verschulden insofern offensichtlich nicht trifft.
Der Senat ist auch der Frage nicht näher nachgegangen, welche Folgen der Beklagten dadurch entstehen könnten,
dass sie zwar der Empfehlung des MDK, Kosten für die Therapie nicht zu übernehmen, gefolgt ist, dessen
Auffassung, die vorgeschlagene Therapie solle im Rahmen einer Studie, also von einem anderen Kostenträger,
durchgeführt werden, nicht zum Anlass genommen hat, ihrer Versicherten einen Weg aufzuzeigen (§ 1 Satz 3 SGB V,
da sich §§ 13, 14 SGB I auf solche Dinge nicht erstrecken), die Leistung zu erhalten.
Nachdem das Sozialgericht anscheinend übersehen hatte, die angefochtenen Bescheide, mit denen jegliche
Leistungserbringung abgelehnt worden war, aufzuheben, ist dies vom Senat nachgeholt worden.
Angesichts des Verfahrensausgangs ist es gerechtfertigt, wenn die Beklagte auf der Grundlage des § 193 SGG dem
Kläger, dessen auch anfänglich bestehende Aktivlegitimation von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen worden ist,
die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens erstattet.
Der ungewöhnliche Sachverhalt, der in eine von der bestehenden Rechtsprechung getragenen rechtlichen Würdigung
endet, bedarf keiner Überprüfung durch die Revision (§ 160 Abs.2 SGG).