Urteil des LSG Bayern vom 17.02.2010

LSG Bayern: eigenes verschulden, darlehen, akte, erlass, ermessen, geschäftstätigkeit, leistungsanspruch, unkosten, unternehmen, form

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 17.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 19 AS 2811/09 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 4/10 B ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 23. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung eines Darlehen in Höhe von 4.000,- Euro. Hiervon entfallen 3.000,- auf eine Förderung einer
selbständigen Erwerbstätigkeit und 1.000,- Euro auf die Kosten der Vorbereitung eines Grundstücksverkaufs.
Die Beschwerdeführer sind verheiratet. Sie beziehen sei Sommer 2006 mit Unterbrechungen Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Beschwerdeführer bewohnen ein
Eigenheim, das mit etwa 350.000,- Euro Schulden belastet ist.
Der Beschwerdeführer zu 1 ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, deren Geschäftsgegenstand
die Beratung kleiner und mittelständischer Unternehmen bei der Bewältigung betriebswirtschaftlicher Probleme ist.
Dies soll insbesondere über den Vertrieb von Software (CD) zur Selbstanalyse der Probleme durch die betroffenen
Unternehmen und darauf aufbauenden unterstützenden Leistungen der GmbH erfolgen.
Mit Bescheid vom 02.07.2008 bewilligte die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführern einen Betrag von einmalig
1500,- Euro als Darlehen gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 SGB II a.F.
Zur Unterstützung seiner Geschäftstätigkeit beantragte der Beschwerdeführer zu 1 im Juli 2009 in mehreren
Schreiben ein weiteres Darlehen in Höhe von 5.000,- Euro. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin mit Schreiben
vom 29.07.2009 abgelehnt.
Am 16.11.2009 stellten die Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zum Erhalt und Ausbau
der Geschäftstätigkeit in Höhe von 4.000,- Euro. Der Betrag setze sich zusammen aus 1000,- Euro für den Kauf von
Adressen, 1000,- Euro für Internetarbeiten durch einen IT-Fachmann, 1000,- Euro für Inserate in der Süddeutschen
Zeitung sowie 1000,- Euro für die Vorbereitung eines Verkaufs eines Teilgrundstücks durch einen Architekten zur
teilweisen Tilgung der Immobilienschulden.
Am 26.11.2009 beantragten die Beschwerdeführer beim Sozialgericht München einstweiligen Rechtsschutz. Es
bestünden gute Aussichten, die vorhandene berufliche Existenz zu halten und auszubauen. Die Ablehnung der
Leistung würde jegliche berufliche Aktivitäten untergraben. Es bestehe die Gefahr, dass das Eigenheim von der
hausfinanzierenden Bank zwangsversteigert werde. Es werde ein Darlehen in Höhe von 4.000,- Euro begehrt.
Mit Beschluss vom 23.12.2009 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Ein
Anordnungsanspruch sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Es fehle bereits an einer fachkundigen Stellungnahme zur
Beurteilung der Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit nach § 16c Abs. 1 S. 2 SGB II. Der von den
Beschwerdeführens angefertigte und vorgelegte Beratungsbericht sei ohne Aussagekraft. Es bestünden aufgrund
extrem optimistischer Gewinnerwartungen erhebliche Zweifel an dem vorgelegten Unternehmensplan.
Mit Bescheid vom 08.12.2009 wurde die Gewährung von 1000,- Euro für die Vorbereitung des Verkaufs eines Teils
des Grundstücks abgelehnt. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2010
zurückgewiesen.
Am 04.01.2010 haben die Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts Beschwerde eingelegt. Die
Förderung werde nur nicht gewährt, weil die Beschwerdeführer ab September 2010 eine Rente beziehen könnten.
Steuerkanzleien, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Banken
und Insolvenzverwalter seien keine geeigneten Experten, um die Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit zu prüfen.
Die Beschwerdeführer seien ohne eigenes Verschulden hilfebedürftig geworden.
Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäß, die Beschwerdegegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des
Sozialgerichts München vom 23.12.2009 zu verpflichten, den Beschwerdeführern vorläufig 4.000,- Euro als Darlehen
zur Verfügung zu stellen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte des Sozialgerichts und die Akte
des Landessozialgerichts verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die
Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Da die Beschwerdeführer eine Erweiterung ihrer Rechtsposition anstreben, ist eine einstweilige Anordnung nach § 86a
Abs. 2 SGG statthaft.
Der strittige Betrag von 4.000,- Euro teilt sich auf in 3.000,- Euro für die Förderung der selbstständigen Tätigkeit und
1000,- Euro für die Kosten der Vorbereitung des Verkaufs eines Teils des Hausgrundstücks.
a) Selbständige Tätigkeit
Das Beschwerdegericht schließt sich hinsichtlich der 3.000,- Euro für die Förderung der selbstständigen Tätigkeit
gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG der Begründung des Sozialgerichts an und weist die Beschwerde aus den Gründen der
angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück.
Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass die Beschwerdegegnerin nach § 16c Abs. 1 S. 2 SGB II eine
Stellungnahme einer fachkundigen Stelle einholen "soll". Dies bedeutet, dass die Beschwerdegegnerin regelmäßig
eine derartige Stellungnahme einholen muss und nur in atypischen Fällen auf diese Stellungnahme verzichten darf.
Weil das Eigeninteresse der Beschwerdeführer am Erhalt der Förderung auf der Hand liegt, kann eine vom
Beschwerdeführer zu 1 erstellte fachkundige Stellungnahme weder die vorgesehene kritische Prüfung durch Dritte
ersetzen, noch einen atypischen Ausnahmefall begründen. Selbst wenn eine ausreichende fachkundige
Stellungnahme vorliegen würde, stünde die Gewährung der Förderung im Ermessen der Beschwerdegegnerin (vgl.
Wortlaut § 16c Abs. 2 S. 1 SGB II "können"). Dies bedeutet, dass die begehrte Leistung vom Gericht nur
zugesprochen werden könnte, wenn jede ablehnende Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre, d.h. das Ermessen
zugunsten des Antragstellers auf Null reduziert wäre. Eine derartige Situation ist hier nicht erkennbar.
b) Vorbereitung des Grundstücksverkaufs
Die Beschwerdeführer begehren ein Darlehen in Höhe von 1000,- Euro für die Vorbereitung des Verkaufs eines Teils
ihres Hausgrundstücks, um dadurch etwa 150.000,- Euro der derzeit bestehenden Schulden von rund 350.000,- Euro
tilgen zu können. Die hausfinanzierende Bank verlange dies und drohe mit der Zwangsverwertung des gesamten
Grundstücks. Mit den 1000,- Euro solle ein Architekt für die Erstellung eines Teilungsplans bezahlt werden.
Eine bestandskräftige Ablehnung liegt noch nicht vor, weil gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom
03.02.2010 noch Klage erhoben werden kann.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist zurückzuweisen, weil das Sozialgericht den Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt hat. Ein Leistungsanspruch ist nicht erkennbar.
Es handelt sich nicht um laufende Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 SGB II. Es geht auch nicht um Umzugskosten
nach § 22 Abs. 5 SGB II, weil kein Zusammenhang mit einem Umzug in eine andere Wohnung besteht. Es handelt
sich ferner nicht um einen unabweisbaren, von der Regelleistung umfassten Bedarf nach § 23 Abs. 1 SGB II, weil die
Regelleistung derartige Kosten nicht enthält.
Die geltend gemachten Kosten sind Kosten, die anlässlich der beabsichtigten Verwertung eigenen Vermögens
entstehen. Dafür ist im SGB II keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Dies ist systemkonform, weil die
Grundsicherung für Arbeitsuchende der Existenzsicherung dient, nicht der Übernahme der Unkosten einer
Vermögensverwertung. Diese Unkosten sind regelmäßig aus der Verwertung selbst zu bestreiten.
Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) führt nicht
zu Anspruch, weil dort nur für einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf ein
zusätzlicher Leistungsanspruch festgelegt wurde. Der streitgegenständliche Bedarf ist einmaliger Art.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.