Urteil des LSG Bayern vom 10.02.2010
LSG Bayern: somatoforme schmerzstörung, rente, zumutbare tätigkeit, wechsel, berufsunfähigkeit, bayern, verfügung, hessen, computer, arbeitsunfall
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 10.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 14 R 4069/07
Bayerisches Landessozialgericht L 13 R 1010/08
I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20. November 2008 aufgehoben und die Klage
gegen den Bescheid vom 30. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2007
abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Die 1954 geborene Klägerin absolvierte vom 1. September 1968 bis 12. Juli 1971 eine Ausbildung zum
Industriekaufmann. Sie arbeitete bis Januar 2005 als Buchhalterin. Seit einem Arbeitsunfall vom 24. Januar 2005
bestand Arbeitsunfähigkeit. Vom Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft für den
Einzelhandel, im Folgenden: BG) erhielt sie nach diesem Unfall zuletzt bis Januar 2006 eine Rente.
Am 31. Mai 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte zog die medizinischen Unterlagen der BG zu dem Arbeitsunfall vom 24. Januar 2005
bei und beauftragte den Orthopäden Dr. V. mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Sachverständige diagnostizierte
ein chronisches lumbales Pseudoradikulärsyndrom links stärker als rechts, ein chronisches cervico-cephales und
cervicales Pseudoradikulärsyndrom linksseitig, eine statisch-myalgische Insuffizienz und Adipositas permagna sowie
eine initiale mediale Gonarthrose beidseits. Es bestünden lokale Funktionsstörungen im Bereich der Halswirbelsäule
(HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS). Die Tätigkeit als Einzelhandelskauffrau könne die Klägerin nur mehr drei bis
unter sechs Stunden täglich, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr
täglich verrichten.
Der ebenfalls gehörte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. stellte ein HWS-Syndrom mit pseudoradikulärer
Ausstrahlung, eine Lumboischialgie links sowie eine somatoforme Schmerzstörung fest. Sowohl leichte bis
mittelschwere körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes als auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als
Buchhalterin seien der Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Es fänden sich keine objektiven
Befunde, mit denen sich eine Leistungsminderung für die bisherige Tätigkeit als Buchhalterin bzw. als Bürokraft
begründen ließe.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 30. August 2006 ab. Die Klägerin sei noch in der Lage, in
ihrem bisherigen Beruf als Buchhalterin mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sie sei daher weder
voll noch teilweise erwerbsgemindert.
Die Beklagte wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2007 zurück.
Zwar könne der Hauptberuf als Buchhalterin nur noch täglich drei bis unter sechs Stunden täglich ausgeübt werden.
Die Klägerin sei jedoch auf die Tätigkeit einer Registratorin nach der Entgeltgruppe III des Tarifvertrags für den
öffentlichen Dienst (TVöD) in großen Behörden oder vergleichbaren Institutionen verweisbar. Ferner könnten körperlich
leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden.
Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Augsburg erhoben. Es sei ihr bis heute nicht möglich, ohne
kaum auszuhaltende Schmerzen länger als eine Stunde in gleich bleibender Position zu stehen oder zu sitzen. Das
Sozialgericht hat die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dr.
A. hat als wesentliche Gesundheitsstörung eine somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Leichte Arbeiten des
allgemeinen Arbeitsmarktes könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Die
Leistungsfähigkeit für die Tätigkeit als Buchhalterin sei auf weniger als sechs Stunden gesunken, wenn es sich um
eine ausschließlich sitzende Tätigkeit handele. Sofern die Tätigkeit als Registratorin einen Wechsel von Sitzen,
Stehen und Gehen gestatte, könne diese sechs Stunden und mehr täglich ausgeübt werden. Hierbei seien offenbar
keine überwiegenden Schreibarbeiten am Computer zu verrichten und es sei ein Haltungswechsel möglich.
In einem weiteren Gutachten (Gutachten vom 22. September 2007) ist die Orthopädin Dr. F. ebenfalls zu dem
Ergebnis gelangt, dass leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs
Stunden von der Klägerin ausgeübt werden könnten. Im Vordergrund stehe auf orthopädischem Fachgebiet eine
degenerative Verschleißerkrankung des Achsorganes in zwei Abschnitten (HWS und LWS) mit Einschränkung des
Bewegungsausmaßes und chronisch rezidivierend auftretender, links betonter Schmerzausstrahlung. Ferner bestehe
eine eingeschränkte Hüftbeuge- und Rotationsfähigkeit links bei beginnender Verschleißerkrankung des Hüftgelenks.
Da die Tätigkeit als Buchhalterin ausschließlich und die der Registratorin in einem hohen Anteil sitzend zu verrichten
seien, könnten diese Tätigkeiten nicht mehr dauerhaft verrichtet werden.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20. November 2008 die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten
aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin vom 1. Dezember 2006 bis 30. November 2009 Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zwar
scheide nach dem Ergebnis der medizinischen Sachverhaltsaufklärung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
aus, da das berufliche Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zwar qualitativ, nicht aber quantitativ
eingeschränkt sei. Allerdings bestehe ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei
Berufsunfähigkeit nach § 240 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI). Die Klägerin sei nach
abgeschlossener Ausbildung zur Industriekauffrau und aufgrund der von 1979 bis 2005 ausgeübten Tätigkeit als
Buchhalterin in die Gruppe der Fachangestellten einzustufen. Diese Tätigkeit könne die Klägerin nicht mehr ausüben.
Dies gelte nach Ansicht der Kammer auch für die von der Beklagten benannte Tätigkeit als Registratorin. Das
Sozialgericht hat sich dabei auf die Gutachten der Dr. A. und insbesondere der Dr. F. bezogen. Ferner sei nach der
berufskundlichen Stellungnahme der Agentur für Arbeit, Regionaldirektion Bayern, vom 7. Oktober 2005 in dem
Rechtsstreit des Sozialgerichts München (Az.: S 4 R 45/04) zum Anforderungsprofil einer Registratorin nachgewiesen,
dass diese Arbeiten üblicherweise zumindest zeitweise mittelschwer seien. Zudem werde Bücken, Hantieren über
Kopfhöhe und ggf. auch das Besteigen von (kleinen) Leitern verlangt. Dies sei der Klägerin jedoch nach dem
Gutachten der Dr. F. nicht mehr zuzumuten. Weitere Verweisungstätigkeiten seien von der Beklagten nicht benannt
und im Hinblick auf die der Klägerin nicht möglichen sitzenden Bürotätigkeiten auch nicht ersichtlich.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Als Buchhalterin verrichte die Klägerin Bürotätigkeiten.
Diese zählten unzweifelhaft zu den körperlich leichten Tätigkeiten, die regelmäßig auch im Wechsel von Sitzen,
Gehen und Stehen verrichtet werden könnten. Büroarbeit könne individuell gestaltet werden bzw. zumindest so
organisiert werden, dass auch ein Haltungswechsel gewährleistet sei. In jedem Fall sei die Klägerin aber den normalen
physischen und psychischen Anforderungen einer Bürotätigkeit als Angestellte in der Registratur eines Betriebs,
Unternehmens oder einer Behörde, beispielhaft nach der Entgeltgruppe III des TVöD (vormals Vergütungsgruppe VIII
BAT), noch in vollem Umfang gewachsen. Die Tätigkeit einer Registratorin stelle eine zulässige Verweisung dar.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe. Die Tätigkeit in einer
Registratur sei mit ihrem gesundheitlichen Leistungsvermögen nicht kompatibel, insbesondere da sie nur zeitweise im
Stehen und überwiegend im Sitzen arbeiten sowie nicht mehr auf Leitern steigen könne.
Der Senat hat einen aktuellen Befundbericht sowie eine ergänzende Stellungnahme nach Aktenlage der Gutachterin
Dr. F., unter Hinweis auf die zur Tätigkeit als Registrator ergangene Rechtsprechung, eingeholt. Diese hat am 13. Juli
2009 ausgeführt, dass die Klägerin noch mindestens sechs Stunden als Registratorin tätig sein könne. Kleine
Trittleitern, wie sie in der Registratur Verwendung finden, könnten von ihr uneingeschränkt benutzt werden. Auch das
kurzfristige Heben und Tragen von Lasten bis zu max. 7 kg sei der Klägerin mehrfach und kurzfristig uneingeschränkt
möglich. Aus den beschriebenen Leistungsbildern gehe ferner hervor, dass es sich nur um kurzfristig sitzende
Tätigkeiten handele, dass jedoch überwiegend ein stetiger und regelmäßiger Wechsel der Körperhaltung ermöglicht
werde.
Die Klägerin hat demgegenüber auf eine berufskundliche Stellungnahme der Agentur für Arbeit, Regionaldirektion
Bayern, vom 7. Oktober 2005 verwiesen, wonach auch zumindest zeitweise mittelschwere Arbeiten anfielen und auch
das Bücken und Hantieren über Kopfhöhe verlangt werde. Auch handele es sich um eine überwiegend sitzende
Tätigkeit. Sie hat sich auf die Angaben im BERUFENET zu "Registrator/in" bezogen. Danach ist ein Großteil der
Verwaltungsarbeit im Büro am Computer zu erledigen. Die Annahme einer nur kurzfristig sitzenden Tätigkeit sei
demnach widerlegt.
Der Senat hat eine Auskunft der letzten Arbeitgeberin, dem D., vom 22. Dezember 2009 eingeholt. Auf telefonische
Nachfrage hat der Mitarbeiter G. am 8. Januar 2010 ergänzend mitgeteilt, dass die Klägerin als gelernte Kraft
beschäftigt gewesen sei. Sie habe die gesamte Buchhaltung der Firma erledigt. Es habe sich um eine ausschließlich
sitzende Tätigkeit gehandelt.
Die Sachverständige Dr. F. hat in einer Stellungnahme vom 7. Februar 2010 ergänzend ausgeführt, dass die Klägerin
auch bei der Annahme eines leichten Überwiegens der sitzend zu verrichtenden Tätigkeiten als Registratorin diese
Tätigkeit noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne. Ausschlaggebend sei die Möglichkeit des stetigen
Haltungswechsels.
Einen Antrag der Klägerin vom 9. Oktober 2009 auf Weiterzahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für
die Zeit ab 1. Dezember 2009 hat die Beklagte mit Bescheid vom 27. November 2009 abgelehnt. Der Bescheid sei
nach § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens. Die
Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 11. Januar 2010 dem gerichtlichen Hinweis, dass der Bescheid vom 27.
November 2009 nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei, angeschlossen und
einen Ablehnungsbescheid mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung angekündigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20. November 2008 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom
30. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 2007 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akten der Beklagten
sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet. Der Klägerin steht keine Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu.
Streitig ist im Berufungsverfahren nur ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Dieser war u.a. Gegenstand des Bescheides vom 30. August 2006 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2007. Entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung ist jedoch der
Bescheid vom 27. November 2009 nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens
geworden, da dieser den bisherigen Bescheid weder ersetzt noch abändert. Er regelt lediglich dieselbe Rechtsfolge für
einen anschließenden Zeitraum; § 96 Abs. 1 SGG findet in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung hierauf keine
Anwendung (so auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 96 Rdnr. 5a).
§ 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes als Sondervorschrift zu der Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf
vor dem 2. Januar 1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus. Da die Klägerin 1954 geboren wurde,
fällt sie somit unter diese Vertrauensschutzregelung.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung
im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher
Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Für die
Entscheidung der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist von dem "bisherigen Beruf" auszugehen. Die
Klägerin hat eine Berufsausbildung zum Industriekaufmann bzw. zur -kauffrau absolviert und dementsprechend auch
bis zu ihrem Arbeitsunfall am 24. Januar 2005 als Buchhalterin gearbeitet. Hierbei handelt es sich um eine
Fachangestelltentätigkeit im Sinne des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (vgl. z.B. BSG SozR 2200 Nr.
140 und SozR 3-2200 Nr. 27 je zu § 1246 RVO; für Angestellte: BSGE 55, 45; 57, 291), wie sich auch aus der vom
Senat eingeholten Auskunft der letzten Arbeitgeberin ergibt. Die Klägerin war als gelernte Kraft beschäftigt, wurde
entsprechend auch tarifvertraglich entlohnt und machte allein die gesamte Buchhaltung der GmbH. Auch die Beklagte
geht wie das Sozialgericht von einer Fachangestelltentätigkeit der Klägerin aus.
Diese zuletzt ausgeübte Tätigkeit kann die Klägerin nach Ansicht der Dr. A. und der Dr. F. nur mehr unter sechs
Stunden täglich ausüben. Dies deckt sich auch mit der Einschätzung des im Verwaltungsverfahren gehörten
Orthopäden Dr. V ... Lediglich Dr. E. war, mit Schwerpunkt auf die neurologisch-psychiatrische Begutachtung, zu dem
Ergebnis gelangt, dass die Klägerin auch als Buchhalterin noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten könne.
Aus orthopädischer Sicht ist dies jedoch vor allem aufgrund degenerativer Verschleißerkrankungen der HWS mit
Einschränkung des Bewegungsausmaßes mit linksbetonter, chronischer Schmerzsymptomatik, degenerativer
Verschleißerkrankung der LWS bei lumbosakraler Übergangsstörung, Einschränkung des Bewegungsausmaßes und
linksbetonter, chronischer Schmerzausstrahlung sowie eingeschränkter Hüftbeuge- und Rotationsfähigkeit links bei
beginnender Verschleißerkrankung auch des Hüftgelenks ausgeschlossen. Schwere und mittelschwere Arbeiten, die
die dauerhafte Einnahme von Zwangshaltungen erfordern, die dauerhaft gehend und/oder stehend zu verrichten sind,
die das Heben und Tragen von Lasten über 7 kg ohne mechanische Hilfsmittel sowie das Klettern und Steigen auf
Leitern und Gerüsten erfordern, sind der Klägerin nicht mehr zuzumuten. Witterungseinflüsse wie Kälte, Hitze, starke
Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sind ebenfalls dauerhaft zu vermeiden. In ihrer ersten ergänzenden
Stellungnahme führt Dr. F. aber aus, dass die Klägerin kleine Trittleitern uneingeschränkt benutzen kann. Ferner sind
das kurzfristige Heben und Tragen von Lasten bis zu 7 kg mehrfach und kurzfristig uneingeschränkt möglich.
Buchhalterinnen üben ihre Tätigkeiten an Bildschirmarbeitsplätzen in Büroräumen aus, häufig verbunden mit
vielfältiger Kommunikation persönlicher, telefonischer und schriftlicher Art. Es handelt sich zwar um eine körperlich
leichte, jedoch überwiegend im Sitzen zu verrichtende Arbeit (z.B. Gutachten der Regionaldirektion Bayern, Nürnberg,
vom 25.10.2004). Dies wurde auch durch die ergänzende Arbeitgeberauskunft bestätigt, wonach es sich auch bei der
konkreten Tätigkeit der Klägerin um eine ausschließlich sitzende Tätigkeit gehandelt hat. Bei dem bei der Klägerin
gegebenen Krankheitsbild im Bereich der HWS und LWS ist jedoch ein regelmäßiger Wechsel der Körperhaltung
erforderlich. Dem kann auch in der Regel nur sehr eingeschränkt durch individuelle Gestaltung des Arbeitsplatzes
(z.B. durch Stehpult oder selbstbestimmten Haltungswechsel), wie von der Beklagten dargelegt, entgegengewirkt
werden. Die Tätigkeit als Buchhalterin kann die Klägerin daher nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich
verrichten.
Dies hat jedoch nicht ohne Weiteres das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit zur Folge. Nach dem vom BSG
entwickelten Mehrstufenschema ist vielmehr zu prüfen, ob die Versicherte auf eine zumutbare Tätigkeit auf derselben
oder der nächst niedrigeren Stufe verwiesen werden kann (ständige Rechtsprechung des BSG, siehe etwa BSG SozR
2200 § 1246 Nr. 143; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 15 und SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Es haben sich danach im
Wesentlichen drei Gruppen - bei insgesamt sechs Hauptstufen - mit den Leitberufen des "unausgebildeten"
Angestellten, des Angestellten "mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren" und des Angestellten "mit einer längeren
Ausbildung" (BSGE 48, 202; 49, 450, 55, 45) herausgebildet. Davon nicht erfasst sind - hier nicht tangiert - diejenigen
Angestelltenberufe, für die längere (über die durchschnittlich dreijährige) Ausbildung hinaus, noch zusätzlich
Zugangsvoraussetzungen, wie etwa die Ablegung einer Meisterprüfung, der erfolgreiche Besuch einer Fachschule
oder das abgeschlossene Studium einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule erforderlich sind.
Die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit der Registratorin im öffentlichen Dienst reicht von vorwiegend
mechanischen Tätigkeiten (ehemals nach X BAT vergütet), über einfachere Arbeiten (ehemals IX BAT), schwierigere
Tätigkeiten (ehemals VIII BAT) bis zu Arbeiten mit gründlichen und besonders qualifizierten Fachkenntnissen
und/oder leitenden Funktionen (ehemals VII bis V BAT). Die Beklagte verwies die Klägerin auf Tätigkeiten nach
Entgeltgruppe III TVöD, dem vormals VIII BAT entsprach. Die Vergütungsgruppe VIII BAT erfasste Angestellte im
Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit schwierigerer
Tätigkeit. Bei Tätigkeiten nach der Vergütungsgruppe VIII BAT handelt es sich um eine angelernte Tätigkeit. Es
besteht damit eine grundsätzliche Verweisbarkeit auf diese Tätigkeit für einen Fachangestellten (BSG vom 27.
November 1991, Az.: 5 RJ 91/89; vom 12. September 1991, Az.: 5 RJ 34/90; vom 29. Mai 1980, Az.: 5 RJ 138/79).
Die Tätigkeit der Registratorin ist der Klägerin auch unter individuell-gesundheitlichen Aspekten möglich. Die
Tätigkeiten umfassen das Sortieren der von den zuständigen Bürofachkräften zu bearbeitenden Schriftstücke nach
den Vorgaben von Aktenplänen oder anderen Organisationsmerkmalen, das Erledigen von anfallenden
Schreibarbeiten, wie Führen von Statistiken, Terminüberwachungslisten und Karteien, das Ziehen und Abstellen von
Ordnern/Akten, das Weiterleiten der zu bearbeitenden Vorgänge zu den sachbearbeitenden Stellen innerhalb des
Betriebes bzw. der Behörde - auch selbst - mit Registraturwagen, das Abhängen von Akten oder das Abstellen von
Ordnern nach der jeweiligen Bearbeitung (Gutachten des Landesarbeitsamtes Hessen vom 22. Februar 2009 zu S 8 R
660/07, Sozialgericht Kassel). Die "schwierigere Tätigkeit" im Sinne der Vergütungsgruppe VIII BAT umfasst z.B. die
Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, das Entwerfen von dabei zu
erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben, die Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an
ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung, die Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art, die Führung von nach
technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Führung die
Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt, buchhalterische Übertragungsarbeiten, Zinsstaffelberechnungen und die
Kontenführung. Es handelt sich hierbei um eine im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ausgeübte
Beschäftigung, die überwiegend leichter und nur zeitweise mittelschwerer Art ist. Bücken, in die Hocke gehen und das
Besteigen von kleinen Leitern und Hantieren über Kopfhöhe wird nur ausnahmsweise verlangt. Beim Heben und
Tragen von Lasten stehen die üblichen, gängigen Hilfsmittel wie leichte Hand- und Korbwagen zur Verfügung (vgl. u.a.
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 2007, Az.: L 11 R 4310/06; Bayer. Landessozialgericht, Urteil vom
24.04.2003, Az.: L 14 RA 141/00; Stellungnahme des Landesarbeitsamts Hessen vom 21.07.2006 zu S 2 RJ 1064/03,
letztere in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Das Bayer. Landessozialgericht hat in der Entscheidung vom 24. April 2003
(a.a.O.) ausgeführt, dass der Beruf des Registrators in geschützten temperierten Räumen entweder vorwiegend im
Sitzen oder im Wechselrhythmus ausgeübt wird, so dass die Möglichkeit der Entlastung des Stütz- und
Bewegungsapparates besteht. Das Heben und Tragen mittelschwerer Lasten fällt nicht an. Soweit Akten bzw.
Aktenpakete (über 7,5 oder 10 kg) zu bewegen sind, sind diese Arbeiten aber selten und zudem teilbar; darüber
hinaus stehen die üblichen, gängigen Hilfsmittel wie leichte Hand- und Korbwagen zur Verfügung. Im Übrigen ist die
Bewegung von Akten nicht unabdingbar mit der Tätigkeit des Registrators verbunden. Es handelt sich hier lediglich
um einen Teilbereich neben der Datenerfassung, der Vorgangsbearbeitung oder verschiedener Bürokraft- und
Registraturarbeiten.
Der Klägerin ist zuzugestehen, dass die vorliegenden, umfangreichen berufskundlichen Stellungnahmen zum
Berufsbild des Registrators nicht in vollem Umfang übereinstimmen. Es finden sich Stellungnahmen, die die Tätigkeit
als zumindest zeitweilig mittelschwer einstufen (berufskundliche Stellungnahme der Agentur für Arbeit,
Regionaldirektion Bayern, vom 7. Oktober 2005 zu Az.: S 4 R 45/04, Sozialgericht München oder des
Landesarbeitsamtes Hessen vom 22. Februar 2009, a.a.O., die sogar von teilweise schwerer körperlicher Arbeit
ausgeht). Der Senat hält jedoch an seinen Ausführungen in dem Urteil vom 22. Oktober 2008 (Az.: L 13 R 554/07)
fest. Dort hat der Senat, gestützt auf eine berufskundliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit,
Regionaldirektion Bayern, Nürnberg, vom 20. April 2005 ausgeführt (so im Ergebnis auch: Bayer. Landessozialgericht,
Urteil vom 11.03.2009, Az.: L 19 R 813/06) "Die Tätigkeit umfasst das Sortieren und Ablegen von Schriftgut, das
Beschriften von Ordnern und Heftern, das Ziehen und Ablegen/Abhängen von Vorgängen, das Aussondern und
vorbereitende Aufgeben zum Vernichten von Akten, das Führen von nach bestimmten Kriterien geordneten Karteien
und Terminüberwachungslisten bzw. DV-Dateien und ggf. das Anfertigen von Fotokopien. Nach der vom Senat
eingebrachten berufskundlichen Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit handelt es sich bei der Tätigkeit einer
Registraturkraft in größeren Unternehmen und im öffentlichen Dienst um eine körperlich leichte Tätigkeit, die aus
arbeitsorganisatorischen Gründen im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichtet wird. Schweres Heben
und Tragen sind nicht erforderlich, die Grenze liegt im Einzelfall bei bis zu 5 kg. Handhaben schwerer Aktenvorgänge,
Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern ist generell nicht mit der Tätigkeit einer Registraturkraft verbunden, da
dies von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsorganisation abhängig ist. Damit entspricht diese Tätigkeit
dem oben dargelegten positiven Leistungsprofil des Klägers. Die Tätigkeit wird mit gelegentlichem Wechsel der
Körperposition von Gehen, Stehen und Sitzen mit gewisser Regelmäßigkeit bei leicht überwiegender sitzender
Tätigkeit ausgeübt. Lasten von über 10 kg sind nicht zu heben oder zu tragen, da dem Registrator Hilfsmittel wie
insbesondere Aktenwägen zur Verfügung stehen. Zumindest häufiges Bücken und häufige Überkopfarbeiten fallen
ebenfalls generell nicht an bzw. insoweit können sie durch entsprechende Arbeitsplatzgestaltung und -organisation
vermieden werden. Die Eingruppierung erfolgt in der Vergütungsgruppe (Verg.Gr.) VIII BAT. Es handelt sich damit um
eine Anlerntätigkeit; die Tätigkeit kann auf unterschiedlichen Qualifikationsebenen ausgeübt werden. Eine geringere
Entlohnung (Verg.Gr. IX BAT) erfolgt nur für eine Hilfstätigkeit, die vorliegend nicht als Verweisungstätigkeit im Raum
steht. Als Facharbeiter ist der Kläger auf eine Tätigkeit nach der Verg.Gr. VIII BAT verweisbar (so auch im
Grundsatz: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Januar 2005, Az.: L 11 RJ 4993/03). Die Dauer der
Einarbeitungszeit beträgt üblicherweise nicht länger als drei Monate". Die Einholung einer erneuten berufskundlichen
Stellungnahme ist nicht erforderlich. Es liegen über die Jahre hinweg ausreichende berufskundliche Stellungnahmen
und Gutachten zur Tätigkeit als Registrator vor. Allein dass diese nicht vollständig übereinstimmen führt nicht dazu,
dass ein entscheidendes "Obergutachten" einzuholen ist. Das Berufsbild der Registraturkraft ist umfassend
aufgeklärt. Die Klägerin besitzt auch aufgrund ihrer Ausbildung zur Industriekauffrau umfangreiche kaufmännische
Kenntnisse, die ihr bei der Einarbeitung in die Tätigkeit als Registraturkraft zugute kommen. Insbesondere bestehen
Grundkenntnisse im EDV-Bereich und PC-Kenntnisse. Bei der Tätigkeit als Registraturkraft handelt sich nicht um
einen Schonarbeitsplatz; geeignete Stellen sind auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang vorhanden und zu
besetzen. Auch Dr. F. gelangt im Berufungsverfahren nach Vorlage der Anforderungsprofile der Registraturkraft zu
dem Ergebnis, dass die Klägerin aus medizinischer Sicht diese Tätigkeit noch mindestens sechs Stunden täglich
verrichten kann. Lasten bis zu 7 kg können von der Klägerin mehrfach und kurzfristig uneingeschränkt gehoben
werden. Kleinere Trittleitern können von ihr verwendet werden. Ein Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ist
der Klägerin ohne Weiteres bei dieser Art der Tätigkeit möglich. Diese Einschätzung bekräftigte die Sachverständige
auch unter der Prämisse des oben zitierten Urteils des Senats, an der der Senat festhält und nach der es sich bei der
Tätigkeit eines Registrators nicht um eine nur kurzfristig sitzende, sondern um eine leicht überwiegend sitzende
Tätigkeit handelt. Insbesondere besteht die Arbeit gerade bei größeren Behörden nicht zum Großteil aus
Verwaltungsarbeit im Büro am Computer, sondern es fallen herkömmliche Registraturarbeiten mit einer Mischung von
PC-Arbeit und Aktenarchivierung an. Es ist hierfür unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen
des orthopädischen und nicht-orthopädischen Fachgebiets auch dann ein Leistungsvermögen von mindestens sechs
Stunden gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.